Zweitens sehen Sie zunehmende Steuerungsverluste, die sowieso schon stattfinden. Ich muss Sie auf Punkt zwei der Begründung verweisen. Ich frage mich in diesem Zusammenhang, ob es nicht eher ein Grund sein muss, den Vollzug zu überprüfen, anstatt gleich das Kind mit dem Bade auszuschütten.
Drittens stellen Sie fest, der Spendenmarkt habe sich geändert. Das ist richtig. Der damalige Innenminister Günther Beckstein hat von vernachlässigbaren Erträgen aus den noch stattfindenden Straßensammlungen gesprochen. Die Verbände haben ausgerechnet, um wie viele Peanuts – nach Ihren Aussagen – es sich handelt. So hat zum Beispiel die Caritas 2004 bayernweit 13 482 483,28 Euro gesammelt. Das Diakonische Werk hat 2004 2 413 646 Euro gesammelt.
Ich glaube, Sie stimmen mir zu, Herr Schwimmer, das sind keine vernachlässigbaren Summen. Das sind auch keine Peanuts. Für uns sind das Beträge, die die Arbeit der Wohlfahrtsverbände erleichtern.
Es ist zwar richtig, dass der Anteil von Haus- und Straßensammlungen am Spendenmarkt klein geworden ist. Wir möchten aber den Beitrag, den wir jährlich dadurch erzielen, für unsere Gesamtfinanzierung nicht mehr missen.
Wie Sie in Ihrem Gesetzentwurf richtig feststellen, entfallen nun die Erlaubnis für Sammlungen, die Pflicht zur Vorlage einer Abrechnung und die Überwachungsbefugnisse der Behörden. Wo bisher Bürgerinnen und Bürger vor unseriösen Geschäftemachern bis hin zum Betrug geschützt worden sind, sehe ich durch die Abschaffung eine Schutzlücke. Sie verweisen auf die Strafverfolgung. Ich sage aber, dass es schon ein Problem ist, wenn ich erst darauf warten muss, dass in diesem Zusammenhang eine Straftat begangen wird. Ich möchte so eine Straftat von vornherein vermeiden und will nicht, dass gesagt wird: Lieber Bürger, wenn du über den Tisch gezogen wirst, dann musst du dich halt an die Strafverfolgungsbehörden wenden. Oder man wird vom Gesetzentwurf auf die Polizei verwiesen, die einschreiten soll, wenn – wohlgemerkt: wenn – Sammlungen die öffentliche Sicherheit und Ordnung stören.
Nicht nachvollziehbar ist das Argument in der Begründung des Gesetzentwurfes, wonach gegen Sammlungen nach Polizei- und Allgemeinem Sicherheitsrecht eingeschritten werden könne.
Voraussetzung für ein Einschreiten ist die Verwirklichung einer rechtswidrigen Tat. Mit Aufhebung des Sammlungsgesetzes kann nicht mehr gegen den bisherigen Regelungsinhalt verstoßen werden. Es wird keine sammlungsrechtlich relevanten rechtswidrigen Taten mehr verwirklicht geben. Folglich fehlt die grundsätzliche Voraussetzung für ein Einschreiten in diesen Fällen.
Sie sprechen auch von der möglichen Zertifizierung in diesem Bereich. Wir sagen aber, dass eine Zertifizierung keine Entlastung für die Bürger und Bürgerinnen bringen wird, eher eine Belastung für die Verbände. Zertifizierungsverfahren sind eigentlich auf Ministeriumsseite sehr unbeliebt. Ich bin eigentlich etwas erstaunt, nachdem wir über Zertifizierungsverfahren in anderer Angelegenheit im Rechtsausschuss intensiv diskutiert haben, wo das Ministerium aus guten, nachvollziehbaren Gründen Zertifizierung vom Tisch gewischt hat, dass hier der Vorschlag wieder auftaucht. Sie sind zu langwierig, sie sind
auf freiwilliger Basis zu vergeben. Das heißt, kleine Organisationen sind unter Umständen benachteiligt. Und was mache ich beispielsweise mit befristeten Sammelaktionen, die ja auch noch möglich sein sollen?
Auf jeden Fall – damit komme ich zum letzten Argument, das bei Ihnen die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger betrifft – möchte ich doch noch anmerken, dass, wenn wir auch dem Argument der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger und den Entscheidungsmöglichkeiten gerne folgen wollen, dieses Argument ein ernstzunehmendes sein müsste. Hier möchte ich auf die Ausführungen der Evangelischen Kirche verweisen:
Inwiefern durch einen Wegfall staatlicher Regelungen für die durchführende Organisation die eigenverantwortliche und freie Entscheidung der Bürger gestärkt wird, ist nicht nachvollziehbar.
Also auch das mit der Freiheit der Bürger und Bürgerinnen wird nicht so ganz von den Wohlfahrtsverbänden gesehen. Frei entscheiden, wem sie spenden wollen, können sie doch jetzt schon.
Meine sehr geehrten Herren und Damen, dort, wo die Erlaubniserteilung weggefallen ist, wie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen seit dem 01.01.1998, gibt es Probleme mit unseriösen Sammlern, die verstärkt in Erscheinung getreten sind. Zwar behaupten das Innenministerium und die angefragten Ministerien, dass das alles so nicht sei. Die Praxis sagt aber etwas anderes. Ich bitte Sie auch, mir nachzusehen, wenn ich den Praxiserfahrungen in NRW mehr Glauben schenke als Schreiben der jeweiligen Landesregierung, die beginnen mit „Lieber Günther“.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Die Frage, ob das Bayerische Sammlungsgesetz aufgehoben werden soll, ist ja weiß Gott in den letzten Monaten lang und ausführlich diskutiert worden. Die Diskussion um die Aufhebung des Sammlungsgesetzes hat aber gezeigt, dass mit diesem jetzt vorhandenen Gesetz vielfach Erwartungen verbunden werden, die eben, entgegen dem, was wir heute wieder gehört haben, nicht mit der Realität in Übereinstimmung zu bringen sind.
Eine vollständige Prüfung der Seriosität jeder einzelnen der bundesweit immerhin, Herr Kollege Ritter, 20 000 konkurrierenden Sammlungsorganisationen und natür
lich auch der Bonität der Sammlungen ist schon mangels erforderlichen Personals bei Staat und Gemeinden überhaupt nicht möglich. Es entspricht daher nach unserer Auffassung der Ehrlichkeit des Staates, dem Bürger zu sagen, dass es eben doch Sache jedes Einzelnen ist, eigenverantwortlich zu entscheiden, wem er eine Spende zukommen lassen will.
Der Staat sollte nicht den falschen Eindruck erwecken, mit der Erteilung einer Sammlungsgenehmigung sei die Seriosität des Sammlungsträgers auch wirklich effektiv geprüft worden – das wurde hier mehrfach darzustellen versucht –, und es werde nach Durchführung der Sammlung die zweckentsprechende Verwendung des Sammlungsertrages durch die behördliche Kontrolle umfassend sichergestellt. Dass es nicht so ist, wissen wir beide, Herr Kollege Ritter, ja auch. Es gibt natürlich immer wieder Fehler. Die gibt es auch beim bisherigen Gesetz. Da muss man einfach sagen, hier reicht das Gesetz alleine nicht aus.
Der Schutz der Bürgerinnen und Bürger ist aber auch nach der Aufhebung des Sammlungsgesetzes durchaus gewährleistet. Auch wenn es die Kollegin Stahl nicht gerne hört: Betrügerisches Verhalten bei Haus- und Straßensammlungen wird auch im Wege der Strafverfolgung überprüft und sanktioniert. Es bleibt eben – egal, ob dieses Gesetz vorhanden ist oder nicht – rechtswidrig, wenn jemand etwas rechtswidrig bei der Sammlung selbst oder bei der Verwendung dieser Gelder vornimmt.
Gegen Sammlungen, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung stören, kann nach Polizei- und allgemeinem Sicherheitsrecht wie bisher eingeschritten werden. Und bei gemeinnützigen Organisationen wird wie bisher die Mittelverwendung natürlich im Rahmen der Abgabenordnung überprüft. Darüber hinaus besteht für die Bürger die kostenfreie Möglichkeit, sich im Zweifelsfall an das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen in Berlin zu wenden, das nach genauer Prüfung der Bilanzen an steuerbegünstigte Organisationen ein Spendensiegel vergibt. Jedem potenziellen Spender ist es also durchaus möglich, sich selbst vor der Spende zu informieren und dann eigenverantwortlich zu entscheiden, ob und welcher Sammlungsorganisation er sich überhaupt anvertrauen möchte.
Bayern wird mit der Aufhebung des Sammlungsgesetzes einer Reihe anderer Länder folgen, die ihre Sammlungsgesetze zum Teil bereits seit Jahren aufgehoben haben. Das war nicht nur Nordrhein-Westfalen, sondern das waren Sachsen-Anhalt 1997, Nordrhein-Westfalen 1998, Berlin 2004, Bremen 2005, Hamburg 2005, Brandenburg 2006 und Niedersachsen 2007.
Meine Damen und Herren, die in diesen Ländern gemachten Erfahrungen zeigen, dass sich die Aufhebung der dortigen Sammlungsgesetze durchaus bewährt hat. In keinem dieser Länder – auch wenn die Frau Kollegin das so ein bisschen angedeutet hat –, auch nicht in Nordrhein-Westfalen, wird derzeit die Wiedereinführung des Sammlungsgesetzes überhaupt erwogen.
Das Sammlungsgesetz soll daher auch in Bayern aufgehoben werden. Die Aufhebung soll am 1. Januar 2008 in Kraft treten.
Abschließend liegt mir sehr daran, an dieser Stelle Folgendes zu betonen: Die Vorbehalte, die insbesondere vonseiten der Kirchen und den Wohlfahrtsverbänden gegen die Aufhebung bestehen, nehme ich sehr wohl ernst. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass die Einnahmen aus den Frühjahrs- und Herbstsammlungen für die Wohlfahrtsverbände – da sind wir einer Meinung – eine wichtige Einnahmequelle darstellen, die damit natürlich auch in die Lage versetzt werden, ihre vielfältigen Aufgaben zumindest besser zu bewältigen.
Ich wiederhole deshalb das, was der jetzige Ministerpräsident und damalige Innenminister Dr. Beckstein bei der Ersten Lesung zu diesem Entwurf zugesagt hat: Wir werden, meine Damen und Herren Kollegen, nach zwei Jahren eine Evaluierung der Aufhebung des Sammlungsgesetzes durchführen. Darüber hinaus ist den Wohlfahrtsverbänden angeboten worden, dass ihnen jederzeit freisteht, bereits nach einem Jahr, wenn es notwendig ist, Alarm zu schlagen, falls die Aufhebung zu einem gravierenden Rückgang der Sammlungserträge oder zu sonstigen Fehlentwicklungen führen sollte.
Falls wider Erwarten solche negativen Entwicklungen eintreten, werden wir die Aufhebung des Sammlungsgesetzes – mit Ihrer Hilfe selbstverständlich, davon gehe ich aus – überprüfen und gegebenenfalls auch korrigieren. Gleichwohl bin ich zuversichtlich, dass wir in Bayern wie in anderen Ländern ohne ein solches Sammlungsgesetz zurechtkommen. Ich bin mir sicher, es wird auch weiterhin gespendet werden, und Sinn und Zweck dieser Sammlungen bleiben ja in vollem Umfang erhalten.
Herr Präsident und Herr Minister bzw. Herr Staatssekretär, noch mal aus dem Katholischen Büro Bayern:
Sollte das Sammlungsgesetz ersatzlos gestrichen werden, so steht zu befürchten, dass die Bürger aufgrund der erhöhten Anzahl von durchgeführten Sammlungen und des Auftretens von unseriösen Organisationen nicht mehr bereit sind, in gleicher Höhe … spenden.
Da geht es nicht darum, ob NRW das Gesetz wieder einführt oder Änderungen herbeiführt; da geht es um die Konsequenzen, die nach der Abschaffung des Samm
Es tröstet mich auch nicht, dass selbstverständlich strafbare Handlungen, Betrug etc. pp. verfolgt werden können. Unser Anliegen muss es doch sein, präventiv tätig zu sein. „Präventiv“ ist bei Ihnen doch sonst immer so beliebt. Bei Abführungen, bei Durchsuchungen sind Sie sofort dabei. Aber wenn es um den Verbraucherschutz geht, dann ist Prävention plötzlich nicht mehr so aktuell.
Sie sagen auch nicht, dass sich in einem Graubereich Organisationen an Sammlungen beteiligen werden, die noch lange nicht die strafbare Linie überschreiten werden, die aber vorher keine Erlaubnis bekommen hätten. Das müssen Sie sich einmal überlegen. Da wird sich einiges auf dem Markt tummeln, wie auch das Katholische Büro feststellt. Dort hat man erhebliche Probleme und Ärgernisse mit unseriösen Sammlungen, die seither vermehrt auftreten und sich bevorzugt an die Sammeltermine der Mitglieder der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege anhängen.
Hier wäre es in unserer Verantwortung zu sagen: Gut, wir haben einen gewissen Verwaltungsaufwand. Trotzdem sind wir bereit, den Verbraucherschutz zu stärken. Das wäre besser, als zu sagen: Wir schaffen die Kontrolle eh’ nicht, wir können sowieso nichts daran ändern. Da frage ich mich: Was ist das für ein Staatsverständnis?
Meine Damen und Herren Kollegen! Es ändert nichts an der Tatsache, dass hier mit Vermutungen gearbeitet wird.