In der Begründung wird fast schon entschuldigend angeführt, dass es nicht die Intention sei, ein Rangverhältnis zwischen den Sätzen 1 und 2 des Artikels 121 herzustellen. Wenn das aber nicht die Absicht ist, warum hat man dann diese Formulierung gewählt und hat es nicht bei dem Verweis auf § 61 Absatz 1 des Jugendgerichtsge
setzes belassen? Wenn Sie keine Änderung bezwecken, müssen Sie doch erklären, warum Sie es umformulieren. Es wird doch nicht nur gemacht werden, um damit die Stimmung in Bierzelten anheizen zu können – dazu eignet sich die Neuformulierung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie ein moderner Jugendstrafvollzug aussehen könnte und müsste, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom Mai letzten Jahres in dankbarer Offenheit ausgeführt. Für den Jugendstrafvollzug habe das Ziel der Befähigung zu einem straffreien Leben in Freiheit besonders hohes Gewicht. Die Verpflichtung des Staates, negative Auswirkungen des Strafübels auf die Lebenstüchtigkeit der Gefangenen zu mindern, sei besonders ausgeprägt, weil die Freiheitsstrafe bei Jugendlichen in einer Lebensphase einwirke, die noch der Entwicklung zu einer Persönlichkeit dient und so weiter und so fort. Deshalb, sagt das Bundesverfassungsgericht, müsse der Jugendstrafvollzug so weit wie möglich an das Leben in Freiheit angepasst werden, müssten Kontakte zur Außenwelt, auch zu Personen-Sorgeberechtigten aufrechterhalten werden, mehr Besuchsmöglichkeiten zugelassen werden, bei Sanktionen mehr die Erziehung als die Disziplinierung im Auge behalten werden und, und, und.
Das sind nicht die Worte irgendwelcher romantischer Sozialarbeiterinnen, sondern das ist wörtlich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zitiert. Diesen Anforderungen wird der Gesetzentwurf der Staatsregierung bedauerlicherweise nicht gerecht.
Das ist schade, weil dieser Gesetzentwurf auch einige vernünftige, gute Ansätze enthält. Ein Beispiel dafür ist die erstmalige gesetzliche Einführung der Sozialtherapie im Jugendstrafvollzug und die sogenannte nachgehende Betreuung. Andere Maßnahmen wie zum Beispiel der Wohngruppenvollzug werden dagegen viel zu zaghaft behandelt. Genauso wie bei den erwachsenen Gefangenen soll auch bei den jugendlichen Gefangenen der offene Vollzug zur absoluten Ausnahme gemacht werden. Bei der Bereitstellung von Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten verbleibt es bedauerlicherweise beim Status quo.
Speziell im Jugendstrafvollzug muss man den Hut davor ziehen, was unter den gegebenen Bedingungen geleistet wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich gehe nicht so weit wie ein bekannter Kommentator der Rechtspolitik in Deutschland, der den Jugendstrafvollzug in Deutsch
land als Stein gewordene Katastrophe und seine Aussichten nach der Föderalismusreform als gleichbleibend katastrophal bezeichnet hat. Alles in allem bleiben die Regelungen über den Jugendstrafvollzug im Gesetzentwurf der Staatsregierung trotz einzelner vernünftiger neuer Ansätze weit hinter den Möglichkeiten eines modernen, resozialisierungsfreundlichen und pädagogisch inspirierten Strafvollzugs zurück. Vorbilder dafür wären das Modellprojekt in der Schweiz oder auch das von Frau Kollegin Stahl erwähnte „Projekt Chance“ in Baden-Württemberg.
Meine Fraktion kann aus den genannten und aus vielen anderen Gründen, die ich zum Leidwesen mancher schon so oft in stundenlangen Ausschusssitzungen und bei anderen Gelegenheiten ausgeführt habe, dem Gesetzentwurf der Staatsregierung nicht zustimmen, wenngleich ich mich dafür bedanke, dass zwei Formulierungen, die wir vorgeschlagen haben, in Ihren Gesetzentwurf Eingang gefunden haben.
Im Übrigen können wir aber auch nicht dem Gesetzentwurf der Fraktion der GRÜNEN zustimmen, weil dieser Gesetzentwurf für einen Stadtstaat mit einer Senatsverwaltung gemacht worden ist, die wir in Bayern nicht haben und auch nicht haben wollen. Deswegen können wir auch diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
Die CSU-Fraktion hat für den Tagesordnungspunkt 7 – das ist der Gesetzentwurf der Staatsregierung – namentliche Abstimmung beantragt. Nächster Redner ist Herr Kollege Zellmeier.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Bayerischen Strafvollzugsgesetz treffen wir eine wichtige Entscheidung im Vollzug der Föderalismusreform. Ich bedauere auch wie meine Vorredner, dass diese Entscheidung in der Öffentlichkeit zu wenig Aufmerksamkeit findet. Die Föderalismusreform sieht eine sehr sinnvolle Regelung vor. Die Länder können jetzt ihr Praxiswissen in Gesetzesform gießen und in eigener Zuständigkeit entscheiden, wie der Strafvollzug in Bayern aussehen soll. Der vorliegende Gesetzentwurf der Staatsregierung beweist eindeutig, dass in Bayern nicht der Wettlauf mit anderen Ländern um den primitivsten und billigsten Strafvollzug begonnen hat. Vielmehr werden die bewährten Standards weiterentwickelt. Fehler werden allerdings auch korrigiert, neue Akzente werden gesetzt.
Bereits in der Vergangenheit hat der Freistaat Bayern viel Geld in einen modernen Strafvollzug investiert. Ich nenne nur den Zuwachs an Haftplätzen.
In den letzten 15 Jahren sind 1580 Haftplätze zusätzlich geschaffen worden. Frau Stahl, Sie schütteln den Kopf.
Natürlich war die Zunahme der Zahl der Gefangenen noch höher. Auch wenn wir Investitionsbedarf haben, heißt das noch nicht, dass wir diese Maßnahmen übertreiben müssen. Alles geschieht mit Maß und Ziel.
Wir haben auch die Zahl der Bediensteten im Justizvollzug bis zum heurigen Jahr von 4100 auf nahezu 5000 erhöht. Ein weiterer Ausbau ist vorgesehen.
Frau Stahl, pro Jahr kostet der Strafvollzug den Bürger und Steuerzahler nahezu 300 Millionen Euro. Die Kosten sind auch jedes Jahr deutlich angestiegen. Das dürfen wir nicht verschweigen.
Natürlich ist uns die Resozialisierung der Gefangenen ein wichtiges Anliegen. Sie dient auch dem Schutz der Bürger. Deshalb ist die Berufsausbildung in Bayern ein Schwerpunkt im Justizvollzug. Ein Großteil der Erwachsenen und noch mehr Jugendliche im Strafvollzug haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. In Bayerns Vollzug kann man viele Berufe erlernen. 889 Ausbildungsplätze sind vorhanden. Man kann den qualifizierenden Hauptschulabschluss und den Realschulabschluss nachholen.
Auch die Sozialtherapie wurde in der Vergangenheit ausgebaut. Allein die Betreuung drogenabhängiger Strafgefangener kostet uns jährlich eineinhalb Millionen Euro. Sie sehen, dass der Strafvollzug, für den wir bisher nur administrativ zuständig waren, in Bayern schon bisher in den besten Händen war. Das werden wir mit dem neuen Bayerischen Strafvollzugsgesetz in bewährter Weise fortführen und ausbauen.
Der Gesetzentwurf ist aus der Praxis für die Praxis und kommt ohne jede überflüssige Sozialromantik aus. Der Gesetzentwurf sieht auch zu Recht ein Kombigesetz vor. Das entspricht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Ein Kombigesetz ist auch gesetzesökonomisch.
Die wichtigsten Inhalte des Gesetzentwurfs: Die Sozialtherapie wird erneut ausgeweitet. Der Schutz der Allgemeinheit steht bei uns im Gesetzestext an erster Stelle. Frau Stahl, er steht zu Recht an erster Stelle. Wir wollen damit nicht die Gleichrangigkeit zwischen Schutz der Allgemeinheit und Resozialisierung aufheben, sondern wir wollen deutlich machen, dass bei uns der Bürger, der auf Schutz angewiesen ist, politisch gesehen an erster Stelle steht. Natürlich werden wir die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts einhalten und die Resozialisierung in gleicher Weise gewährleisten. Der Gesetzentwurf enthält aber eine politische Aussage, die für uns ganz eindeutig ist.
Wir wollen auch den Missbrauch bekämpfen. Wir brauchen den geschlossenen Vollzug als Regelvollzug. Ein Großteil der Gefangenen ist leider Gottes nicht geeignet für den offenen Vollzug. Der offene Vollzug bietet viele Missbrauchsmöglichkeiten. Das gilt auch für die Lebensmittelpakete. Wir schaffen sie nicht deswegen ab, weil wir es den Strafgefangenen nicht gönnen, dass ihnen die Ehefrau oder der Ehemann eine Packung Chips oder Ähnliches schickt. Wir lehnen die Lebensmittelpakete ab, weil immer wieder Drogen eingeschmuggelt werden. Deshalb gibt es dafür neue Regelungen.
„Fördern und Fordern“ heißt für uns das Motto, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition. Ohne Forderungen an die Gefangenen ist das Fördern nicht ausreichend. Deshalb gibt es auch im Jugendstrafvollzug Disziplinarmaßnahmen bis hin zum Arrest. Der Schusswaffengebrauch als Ultima ratio ist auch im Jugendstrafvollzug vorgesehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nun komme ich zu den beiden Gesetzentwürfen von SPD und GRÜNEN. Ich fange mit dem Gesetzentwurf der GRÜNEN an; denn der ist am besten dafür geeignet, aufzuzeigen, wie weltfremd die GRÜNEN sind und wie wenig praktische Erfahrungen sie auf diesem Gebiet haben. Er übernimmt viele schlechte Vorbilder und ist eher ein Zeichen von blühender Phantasie als von ernsthafter Beschäftigung mit der Materie. Zuerst spricht der Gesetzentwurf von der Resozialisierung. Der Schutz der Allgemeinheit wird nur noch nachrangig genannt. Das darf nicht sein. Der Bürger hat Anspruch darauf zu wissen, dass im Parlament zuerst an seine Sicherheit und an seinen Schutz gedacht wird. Dass die Resozialisierung dabei ein wichtiger und gleichrangiger Teil ist, steht fest. Sie steht aber nicht alleine, wie Sie es darstellen.
Wir ändern es, weil wir es besser können, Frau Stahl. Sie wissen genau, dass das Bundesgesetz aus Zeiten der SPD/FDP-Koalition der Siebzigerjahre stammt. Damals hatten wir nicht mit zu entscheiden. Für die GRÜNEN ist der Schutz der Täter offensichtlich leider immer noch wichtiger als der Schutz der Opfer. Das müssen wir unseren Bürgern ganz klar und deutlich sagen.
(Dr. Thomas Beyer (SPD): Jetzt hören Sie doch damit auf! – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist doch eine Tatsachenverdrehung! – Widerspruch bei den GRÜNEN)
Ich sehe schon, ich habe in ein Wespennest gestochen. Es trifft Sie schon hart, wenn man die Wahrheit sagt und darstellt, dass Sie für die Täter offensichtlich mehr übrig haben als für die Opfer.
Das glaube nicht nur ich, das glaubt die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Bayern. Das ist auch gut so, weil es den Tatsachen entspricht.
Ich möchte noch ein Beispiel nennen. Die Forderung, dass den Strafgefangenen in ihrer eigenen Sprache die Modalitäten des Vollzugs dargebracht werden sollen, kann bei über hundert verschiedenen Nationen nicht erfüllt werden. Das kann weder organisiert noch bezahlt werden.
Das alles beweist, wie wenig Sie an der Praxis dran sind. Auch die Tatsache, dass die Sozialtherapie Gefangenen ermöglicht wird, die nicht dafür geeignet sind, zeigt, dass hier etwas schiefläuft. Damit tun Sie nämlich auch den anderen Gefangenen, die therapiewillig und -fähig sind, keinen Gefallen. Wenn jemand in der Therapie ist, der dafür nicht geeignet ist, vergiftet er das Klima und schadet damit den anderen therapiewilligen Gefangenen.
Für die GRÜNEN und auch für die SPD ist der offene Vollzug der Regelvollzug. Dafür ist gerade im Jugendstrafvollzug die große Mehrheit der Gefangenen nicht geeignet. Das müssten Sie eigentlich wissen. Die Drogenproblematik, die Verwahrlosung und die Gewaltbereitschaft, all das weist darauf hin, dass die Jugendlichen nicht in der Lage sind, im offenen Vollzug untergebracht zu werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sängerknaben landen selten in der JVA.
Wenn wir Sängerknaben in der JVA hätten, könnten wir den offenen Vollzug häufiger zulassen. Leider Gottes ist das jedoch nicht möglich. Das Gleiche gilt für den Wohngruppenvollzug.
Ein weiterer Punkt. Frau Kollegin Stahl, Sie haben im Rechtsausschuss vier Monate Sonderurlaub für jugendliche Strafgefangene gefordert. Wissen Sie, wie lange ein durchschnittlicher Strafgefangener im Durchschnitt sitzt? Neun bis zehn Monate sitzt ein jugendlicher Strafgefangener im Durchschnitt ein. Sie wollen ihm vier Monate Hafturlaub geben.