Protokoll der Sitzung vom 30.01.2008

Wir brauchen in der Tat in der ganzen Republik solide Haushaltswirtschaft verbunden mit Zukunftsinvestitionen vor allem in Bildung, Forschung und in die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Nur so werden wir den demografi schen Wandel aktiv gestalten können. Nur so werden wir die Wachstumsbasis in unserem Land nachhaltig stärken. Nur so werden wir dauerhaft Aufstiegs- und Partizipationsmöglichkeiten für alle schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Die schaffen wir, indem wir Leitplanken für Menschen mit geringer Qualifi kation einziehen. Es zeigt sich doch in einer Reihe von hoch entwickelten Volkswirtschaften, dass Mindestlöhne, dass branchenspezifi sche, allgemeinverbindliche Untergrenzen eine respektable Lösung darstellen. Gerne greifen wir auch Ideen, die in der Union virulent sind, auf bezüglich einer negativen Einkommensteuer. Dabei wissen wir: Mindestlohn und negative Einkommensteuer können nur die Symptome der Globalisierung kurieren. So richtig gut werden wir erst dann, wenn wir den Bildungsstand breiter Schichten heben.

(Beifall bei der SPD)

Der jetzige Fachkräftemangel nach nur zwei Jahren ordentlicher Konjunktur lässt doch erahnen, dass unsere Bildungsanstrengungen viel zu gering sind.

Zu den Defi ziten bei den Bildungsaufgaben gesellen sich die Probleme mit der staatlichen Investitionsquote. Es ist nicht nur enttäuschend, dass erneut von einer Investitionsquote in Höhe von 15 % gar nicht die Rede sein kann. Ihr Vorgänger war da jedenfalls wesentlich ambitionierter.

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Kurt Faltl- hauser (CSU))

Dabei muss noch eines berücksichtigt werden: Um eine gesamtstaatlich zufriedenstellende Investitionsquote herzustellen, müssen wir die Kommunen in die Lage versetzen, ihre Aufgaben zu erledigen.

(Beifall bei der SPD)

Bevor ich im Folgenden die für uns wichtigen Punkte im Zusammenhang mit dem Nachtragshaushaltsentwurf anspreche, lassen Sie mich an dieser Stelle zu einer der größten Beteiligungen des Freistaates, zur Bayerischen Landesbank, ein paar Worte sagen.

Nach den Irrungen und Wirrungen zu Beginn des neuen Jahrtausends – ich erwähne das Stichwort Kirch-Pleite – dachte man, die Landesbank sei auf einem guten Weg. Aufgrund einer gewissen regionalen Fokussierung auf Bayern und Deutschland und dank der Ausrichtung auf ausgewählte Kundengruppen dachte man, die BayernLB habe ein Geschäftsmodell gefunden, das einerseits dem klar defi nierten gesetzlichen Auftrag gerecht wird und andererseits eine vernünftige Kooperation mit den Sparkassen zulässt. Mit den interessanten Entwicklungen mit der Deutschen Kreditbank, der Mittelstandskreditbank und der Hypo Alpe Adria schien eine folgerichtige Abkehr vom ertragsschwachen Wholesale-Geschäft möglich. Obendrein erschien auch eine weltweite strategische Begleitung bayerischer Unternehmen möglich. Von der seit Langem schwelenden Diskussion über Fusionen hin oder her möchte ich hier noch nicht reden. Für März sind Ausführungen zu einem neuen Geschäftsmodell angekündigt. Darüber werden wir dann in aller Ruhe diskutieren.

Völlig unakzeptabel ist Ihr Vorgehen in Sachen Auswirkungen der Finanzkrise auf die Bücher der Bayerischen Landesbank.

(Beifall bei der SPD)

Zunächst haben wir ganz leise darauf gehofft, dass die Bayern-LB dieses Mal nicht dabei ist, dass sie also aus früheren Debakeln gelernt hat. Weit gefehlt! Auch die Landesbank hat ganz offensichtlich viel zu riskante Kredite vergeben, für die sie in ihren Büchern kein Eigenkapital hinterlegt hat.

(Ludwig Wörner (SPD): Gezockt!)

Das alles war möglich, weil auch die Landesbank fröhlich der Blasmusik hinterherlief, auf sogenannte innovative Finanzierungsinstrumente hereinfi el und jetzt darunter leidet, dass sich die institutionellen Anleger, die Fonds und die Kreditversicherer zurückziehen. Es ist keine Frage, es ist jetzt allerhöchste Zeit, dass Sie die Fragen, die wir Ihnen in Sorge um dieses Flaggschiff des öffentlichen Bankenwesens gestellt haben, zuletzt am 17. Dezember, eingehend und umfänglich beantworten.

(Karin Radermacher (SPD): Und ehrlich!)

Berichten Sie umgehend dem Landtag und glauben Sie bloß nicht, dass die gezielten Durchstechereien der Medien irgendetwas an Ihrer Verantwortlichkeit ändern würden. Seit Menschengedenken ist der Verwaltungsrat der Bayern-LB mit so prominenten Mitgliedern der Staatsregierung besetzt, dass Sie nicht den Ahnungslosen markieren können.

(Beifall bei der SPD)

Wenden Sie durch eine transparente Informationspolitik noch mehr Schaden von dieser Bank ab. Eine Information, die scheibchenweise gegeben wird, schadet dauerhaft dem Ruf der Bayern-LB.

(Beifall bei der SPD)

Dessen ungeachtet ist das Debakel der Banken in Sachen Asset-Backed-Security nur wegen einer undifferenzierten Deregulierung möglich, bei der sich alle Akteure im Schatten bewegten und die sonst so gestrenge Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – BaFin – wohl gerade Mittag machte. Wir haben heute aber noch Zeit, uns aus Anlass eines Dringlichkeitsantrags detaillierter darüber auszutauschen.

Nun zu unseren Schwerpunkten in Bezug auf den Nachtragshaushalt, zu den Investitionen. Natürlich steigt die Investitionsquote. Niemand darf aber erwarten, dass das Bayernland in Euphorie ausbricht, weil Sie endlich von einer verkehrten Politik Abschied nehmen, die uns historisch niedrige Investitionsquoten bescherte.

(Manfred Ach (CSU): So ein dummes Zeug! – Entschuldigung!)

Sie nehmen Abschied von einer Politik, die die öffentliche Infrastruktur in hohem Maße vernachlässigte. Wir müssen aber fragen, ob die Investitionen in die richtigen Zukunftsfelder erfolgen, ob sie geeignet sind, für einen fairen Ausgleich zwischen den Regionen Bayerns zu sorgen, ob sie überall für die Menschen Perspektiven schaffen, ob sie also kurzum kluge Investitionen sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Gerade jetzt wäre es wichtiger denn je, notwendige Veränderungen mitzugestalten, die wirtschaftlich-technische Dynamik als Grundlage des Wohlstands in Bayern zu nutzen und sie mit sozialer Teilhabe und Aufstiegsperspektiven zu verbinden. In einer wachstumsorientierten Wirtschaft sehen wir nach wie vor die sicherste Gewähr für Wohlstand und soziale Gerechtigkeit. Deshalb fordern wir verstärkte Investitionen in die wirtschaftsnahe Infrastruktur, in die öffentliche Infrastruktur als eine der ganz harten Standortfaktoren und insofern auch in die Erhaltung und Anpassung der öffentlichen Infrastruktur.

Zu den wirklich wichtigen Investitionen zählen wir ein umfassendes energetisches Gebäudesanierungsprogramm, die Schutzwaldsanierung und eine ganze Reihe von Maßnahmen aus dem Umwelt- und Klimaschutz. Auch für Wissenschaft und Forschung gilt, dass Perspektiven durch nachhaltiges Handeln erhalten werden müssen. Auch hier hat Ihnen die eigene Kommission ein schlechtes Zeugnis ausgestellt und verstärkte Anstrengungen eingefordert. Sie hat somit unsere Forderungen bestätigt.

Bis 2011 wollen Sie den Lackmustest einer vorausschauenden Hochschulpolitik bestehen und 570 Millionen Euro bereitstellen. Das mag sein, aber allein die im Stammhaushalt 2008 verankerten Baumaßnahmen umfassen ein Volumen von 600 Millionen Euro. Dabei ist noch kein Euro für den Masterplan 2011 dabei. Allein die so notwendige grundlegende Sanierung der Universität Regensburg kostet 350 Millionen. Allein an der Uni Nürnberg-Erlangen erwarten uns Baumaßnahmen mit einem Volumen von über 600 Millionen Euro. Das Wissenschaftsministerium geht davon aus, dass die erfreulicherweise gestiegene Studentenzahl die Hochschulen bis mindestens 2020 beglücken wird. Allerdings sind diese Hochschulen weder mit ihren Gebäuden noch personell und auch nicht mit ihrer Ausstattung auf die steigenden Studentenzahlen vorbereitet. Der Nachtragshaushalt muss beim Hochschulbau einen Durchbruch bedeuten, ebenso bei Sanierungsmaßnahmen, bei Stellen für den wissenschaftlichen Nachwuchs und bei Sachmitteln. Hier lassen sich nachhaltige Effekte für die Zukunft Bayerns erzielen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich zitiere:

Im internationalen Vergleich bei Abiturienten und Hochschulabsolventen, bei Pisa und OECDErgebnissen verliert Bayern ebenso wie Deutschland an Boden. Unser Bildungssystem hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig auf die Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft eingestellt.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): In welcher Welt lebt ihr?)

Die bayerischen Investitionen in Schulbildung von Kindern und Jugendlichen liegen mit 4100 Euro je Grundschüler um 700 Euro unter dem OECD-Schnitt. Bildung muss das zentrale Handlungsfeld, die Priorität der Landespolitik sein.

Zitat Ende.

(Franz Maget (SPD): Sehr gut!)

Diese Ausführungen sind gut und treffend und stammen dennoch nicht von uns. Vielmehr haben die bayerischen Industrie- und Handelskammern in tiefer Sorge um die Entwicklung in Bayern diese Feststellungen getroffen. Nicht nur deshalb muss Bildung eine zentrale Achse sein, um die der Nachtragshaushalt kreist. In hoher Verantwortung und eingedenk der Tatsache, dass Bildungschancen Lebenschancen sind, müssen wir für die bessere individuelle Förderung der Schüler in jeder Schulart Geld in die Hand nehmen; wir müssen Geld in die Hand nehmen für kleinere Klassen, für mehr pädagogisches Personal, für ein fl ächendeckendes Angebot an Ganztagsbetreuung und für die Wiedereinführung der Lernmittelfreiheit.

Es ist zwar nur eine Notiz am Rande, aber dennoch ist es ein starkes Stück, dass sie nach dem Trauerspiel beim Büchergeld jetzt offenbar nicht die Kraft haben, dem ersten Schritt zurück den zweiten folgen zu lassen. Ich meine den Einsatz für die Kommunen, die die Eltern durch Übernahme des unsinnigen Büchergeldes entlasten.

Zur Förderung des ländlichen Raums. Lassen Sie mich an einigen wenigen Punkten noch einmal deutlich machen, wo die Differenz zwischen Ankündigung und Tat in Ihrer Politik liegt. Ich erwähne das Stichwort ÖPNV. Die Landesgruppe Bayern des Verbandes deutscher Verkehrsunternehmer – sie ist keine Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokratie – hat ziemlich deutlich den Finger in die Wunde gelegt. Demnach fehlen dem ÖPNV in Bayern heute im Vergleich zu 2003 ca. 50 Millionen Euro. Sie fehlen deshalb, weil Sie die Kooperationsförderung abgeschafft und die Förderung für Linienbusse eingestellt haben. Beides trifft insbesondere den ländlichen Raum.

Zum Stichwort Schülerbeförderung. Wir sind meilenweit vom einstigen Niveau entfernt. Die Kommunen bekommen bestenfalls 60 % ihrer Kosten erstattet.

(Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (CSU): Das ist schon seit vielen Jahren feststehender Satz!)

Wie wollen Sie denn weitermachen? Der Kultusminister ist jetzt nicht mehr da. Dem Vernehmen nach werden spätestens nach den Wahlen in großem Maße Hauptschulen zusammengelegt. Gibt es dann für die weiteren Fahrten und höheren Kosten eine bessere Förderung?

(Zuruf von der SPD: Vor allem für die alten Schul- häuser!)

Ich erwähne nur die Stichworte Wirtschaftswegebau und Dorferneuerung. Durch Einbeziehung der Kommunen und insbesondere der Bürgerinnen und Bürger vor Ort wurden qualifi zierte Strategien und Konzepte entwickelt, die viele Dörfer positiv verändert haben.

Deswegen müssen wir an der Entwicklung der ländlichen Räume festhalten und sie weiter stärken.

Stichwort Wirtschaftsförderung: Nach Aussage der Praktiker bei der Regierung von Niederbayern fehlen alleine in Niederbayern 50 Millionen Euro Wirtschaftsförderung, die zeitnah an investitionswillige Unternehmen ausgereicht werden könnten. Dadurch würde ein Vielfaches am Gesamtinvest angestoßen. Gerade jetzt, wo sich die Konjunktur eintrübt, kann es nicht sein, dass in den peripheren Regionen Bayerns Investitionen unterbleiben.

Soziales Bayern: Keine Frage – in vielen Bereichen des Einzelplans 10 sind die Wunden der Haushaltsjahre 2004 folgende längst nicht verheilt. Zu schmerzhaft waren die Einschnitte, zu abrupt waren die Maßnahmen, zu undurchdacht war das Vorgehen. Sie versuchen heuer einiges in Sachen Wiedergutmachung. Das ist gut so.

Wir fordern aber auch neue Schwerpunkte. Zum einen muss die Kinderbetreuung die fl ächendeckende Versorgung sicherstellen und obendrein muss sie von hoher Qualität sein. Das ist ein weites Feld und bedeutet einen entsprechenden Mitteleinsatz. Beim Aufbau einer ausreichenden Krippenplatzversorgung haben Sie schon einmal das Klassenziel verfehlt, und wir werden sehen, inwieweit Sie diesmal bereit sind, den dringenden Mahnungen Ihrer Kommission 2020 Folge zu leisten und für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sorgen.

Völlig unverständlich ist uns, wieso Sie die virulente Kinderarmut, die es auch in Bayern gibt, so kalt lässt. Wir sollten doch alles daran setzen, Kinder, gleich welcher sozialen Herkunft, durch gute Betreuung, gute Bildung und gute fl ankierende Erziehung aus dem Teufelskreis der sozialen Stigmatisierung herauszubekommen. Sie dürfen sich nicht nur auf die Polemik und das Hessen-Niveau der Kinder- und Jugendpolitik verlassen. Wir sollten uns mit heißem Herzen gemeinsam der im höchsten Maße integrativen Aufgabe des sozialen Bayerns stellen.

(Beifall bei der SPD)

Klaren Nachholbedarf und – wenn Sie so wollen – „Aufmörtelbedarf“ sehen wir beim Landesbehindertenplan, wo freie Träger fast schon skandalös lange auf zugesagte Mittel warten müssen. Ähnlich sehen wir die Notwendigkeit, mit einem Investitionsprogramm die Sanierung von Pfl ege- und Altenpfl egeheimen zu begleiten; denn es ist nicht nachvollziehbar, dass uns die Umstände, in denen die ältere Generation ihren Lebensabend verbringt, egal sein sollen.

Immer wieder wird es Menschen geben, die, egal aus welchen Gründen, den Anschluss an den ersten Arbeitsmarkt verloren haben. Es bedarf der gemeinsamen Anstrengung der Agentur für Arbeit, des Freistaats, der