Protokoll der Sitzung vom 30.01.2008

Die GRÜNEN wollen die Stromsteuer erhöhen. Wir halten dies angesichts der konjunkturellen Situation für grundfalsch. Meine Damen und Herren, das zerstört Arbeitsplätze.

(Beifall bei der CSU – Franz Maget (SPD): Die Vermögenssteuer?)

Wir dürfen vielmehr bei der Einkommensteuer Tarifsenkungen nicht aus dem Auge verlieren. Aus meiner Sicht ist es eine schlichte Notwendigkeit, dass wir Arbeitnehmer mit kleinen und mittleren Einkommen entlasten. Wenn die Lohnerhöhungen lediglich einen Ausgleich für die Infl ation darstellen, führt das zu einer kalten Progression mit realen Einkommensverlusten.

(Werner Schieder (SPD): Sie sind doch scheinheilig!)

Ich würde Ihnen raten, Ihren Bundesfi nanzminister Steinbrück, der das nicht einsieht und kapiert, auf den Weg zu bringen, die Leistungsträger zu entlasten.

(Beifall bei der CSU – Werner Schieder (SPD): Sie sind doch scheinheilig!)

Herr Kollege Schieder, „Scheinheiligkeit“ ist kein Begriff der politischen Auseinandersetzung.

(Franz Maget (SPD): Das geht schon!)

Eine so angelegte Steuerentlastung trägt dazu bei, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter öffnet. Wer über den Tag hinaus denkt, wird erkennen: Deutschlands Stärke ist seine breite Mittelschicht. Dort müssen wir Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft, Motivation und Leistungswillen stärken, und zwar durch eine Senkung von Steuern und Beiträgen, damit sich Leistung mehr lohnt.

(Beifall bei der CSU)

Ich möchte ein paar Bemerkungen zum Finanzplan für die Jahre 2007 bis 2011 anschließen. Zusammen mit dem Haushalt 2008 lege ich Ihnen den Finanzplan für die Jahre 2007 bis 2011 vor. Auf der Basis der aktuellen Steuerprognose können wir den Haushalt auch in Zukunft durch laufende Einnahmen ausgleichen. Nach unserer Planung kann daneben sogar eine planmäßige Schuldentilgung in Höhe von jährlich 200 Millionen Euro fortgeführt werden. Die Schuldentilgung ist also kein einmaliges Ereignis der Jahre 2007 und 2008, sondern soll ein fester Bestandteil unserer Finanzpolitik in Bayern sein. Nach unseren Planungen steigen die Investitionen kontinuierlich an.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Haushalt kann glänzen und strahlen. Wenn er aber qualitativ ganz außergewöhnlich hochwertig sein soll, muss er zukunftsfest sein. Wir werden uns in der Haushaltspolitik weiter von Nachhaltigkeit, Stabilität und Stetigkeit leiten lassen. Nur so werden wir auch in schwierigen konjunkturellen Zeiten ohne Nettoneuverschuldung auskommen. Nur so werden wir künftig politischen Gestaltungsspielraum haben. Wir werden zielstrebig auf eine Stärkung der Investitionen hinwirken.

Das Wünschbare wird wohl immer das Finanzierbare übersteigen. Deshalb sind auch in der Zukunft Augenmaß, Weitblick und Standfestigkeit gefragt. Mit diesem Haushalt 2008 sind die richtigen Schwerpunkte gesetzt: Investieren – Vorsorgen – Tilgen. Damit betreiben wir kluge, solide und weitsichtige Haushaltspolitik. Sie hat Bayern an die Spitze gebracht und sie wird Bayern den Platz eins in der Finanzpolitik in Deutschland sichern. Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Haushalt.

(Lang anhaltender Beifall bei der CSU – Georg Schmid (CSU): Bravo!)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Dupper.

(Jürgen Dupper (SPD): Neun Minuten! Da muss man haushalten können! – Gegenruf von der CSU: Du musst sie nicht ausnutzen!)

Sehr geehrter Herr Präsident, Hohes Haus! Heute geht es noch nicht um die Zustimmung oder Ablehnung des Haushalts, sondern heute ist die Einbringung. Sie soll eine gute Grundlage für eine gute Beratung und Debatte werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in den letzten Monaten lief der Konjunkturmotor rund. Der Standort Deutschland klettert nach oben, und was vor wenigen Jahren niemand vermutete, ist heute Realität: Unsere Volkswirtschaft ist wieder die Lokomotive für die Europäische Union. Angesichts einer Debatte, die jahrelang von Selbstbespiegelungen und Verlustängsten geprägt war, überraschen die Fakten. An dieser Stelle nur einige wenige: Als einziger G-7-Staat konnte Deutschland auf hohem Niveau seinen Welthandelsanteil noch ausbauen. Die Steuer- und Abgabenquote liegt deutlich unter dem Durchschnitt der EU 25.

(Franz Maget (SPD): Richtig!)

Im Jahr 2007 sank die Arbeitslosigkeit in erfreulichem Umfang, wenn sie auch immer noch zu hoch ist.

Kein Wunder, dass eine Befragung durch eine renommierte Unternehmensberatung ergab, dass Deutschland für international tätige Unternehmen der attraktivste Standort in Europa ist und der drittattraktivste weltweit, und zwar wegen der Infrastruktur, wegen der Qualität von Forschung und Entwicklung und wegen der hohen Qualifi kation und Motivation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

(Beifall bei der SPD)

Diese wiedergewonnene Stärke der deutschen Volkswirtschaft fi ndet ihren sehr angenehmen Ausdruck in den hohen Steuermehreinnahmen auf allen staatlichen Ebenen. Auch im vorliegenden Nachtragshaushaltsentwurf prägen allein die konjunkturbedingten Steuermehreinnahmen einnahmenseitig den Haushalt, nicht irgendwelche ominöse Rücklagen oder gar virtuelle Gewinne aus irgendwelchen Verwaltungsreformen. Nein, es sind Steuermehreinnahmen, getragen von der Lohn- und Einkommenssteuer.

(Beifall bei der SPD)

Wie gesagt, es gibt viele Indikatoren, die uns einen guten Zwischenstand bescheinigen. Aber die guten Zahlen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Handlungsbedarf nach wie vor groß ist, dass die guten Nachrichten nicht beruhigen, sondern anspornen sollten.

Das Wirtschaftswachstum in 2007 war mit 2,5 % anständig und war ausschließlich dem Außenhandel und den Investitionen geschuldet. Der Konsum ging bekanntermaßen preisbereinigt um 0,3 % zurück. So richtig verwundern kann das niemanden, denn die erfreuliche Entwicklung am Arbeitsmarkt weist beim näheren Hinschauen Verwerfungen auf. Nur ein Viertel der neuen Jobs waren richtige Jobs. Weit über die Hälfte waren Teilzeitbeschäftigungen, ein großer Rest waren Jobs für geringfügig Beschäftigte.

So erfreulich die Arbeitsmarktdaten sind, so groß ist die Herausforderung, den Aufschwung für alle sicherzustellen.

(Beifall bei der SPD)

Dabei sind die großen Rufer nach Reformen eigentlich das größte Risiko. Wer ewig dieselbe Melodie pfeift – Weg mit der Erbschaftssteuer! Runter mit den restlichen Steuern! Nein zum Mindestlohn! Weg mit dem Kündigungsschutz! –, der wird auf Dauer vernünftige Reformen verhindern, weil ihm ganz einfach die gesellschaftlich richtigen Proportionen abhanden gekommen sind, weil die Menschen nicht mehr bereit sind, das mitzumachen.

(Beifall bei der SPD)

Vom Aufschwung profi tieren neben den Unternehmen derzeit in erster Linie die, die einen qualifi zierten Arbeitsplatz haben. Das ist gut so. Aber alle, die über ein Jahr lang arbeitslos sind, oder die, deren Niedriglöhne nicht auskömmlich sind, spüren vom Aufschwung noch wenig. Deshalb sage ich: In erster Linie muss aus sozialen und humanitären Gründen diesen Menschen geholfen werden. Sie müssen faire Löhne bekommen. Sie brauchen die Integration in den ersten Arbeitsmarkt und sollen sich selbst die notwendigen Zukunftsperspektiven erarbeiten können.

Es ist erfreulich, dass der Bayerische Ministerpräsident infolge der Hessen-Wahl auf die Notwendigkeit der Betonung der sozialen Gerechtigkeit hinweist. Aber wir sagen Ihnen, soziale Gerechtigkeit, die Sorge um Perspektiven für alle rückt nur deswegen in den Fokus, weil ein politischer Bruder im Geiste gerade abgeschmiert ist.

Das ist zu wenig. Das Sichern von Aufstiegschancen muss eine politische Querschnittsaufgabe sein.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich das Interview mit dem Ministerpräsidenten im „Handelsblatt“ lese, in dem er sich tief besorgt über womöglich sinkende Managergehälter äußert, stelle ich – ebenso tief besorgt – fest, dass diese Politik zunehmend erratisch wirkt.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Bemühen um Wohlstand und Perspektiven für alle hat aber noch eine andere Seite. Es ist auch enorm wichtig für unsere Volkswirtschaft. Denn Wachstumsimpulse werden im Zeitalter von Finanzkrisen, Börsenschwäche und Rezessionsängsten nicht mehr im gewohnten Umfang vom

Export kommen. Wir brauchen eine wirksame Konjunkturstütze durch die Binnennachfrage. Die Größenordnung, in der schon heute die Lohn- und Einkommensteuer im Nachtragshaushaltsentwurf unsere Einnahmen prägt, ist Indiz genug für die zeitlos gültige Richtigkeit meiner Ausführungen.

Was wir jetzt nicht brauchen, sind Steuersenkungen auf Pump, wie sie von Ihnen, Herr Finanzminister, bisweilen gefordert werden, jedenfalls so lange, bis Ihnen die Kanzlerin widerspricht.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Diese Steuersenkungsversprechen in Wahljahren sind ähnlich belastbar wie weiland die 5-Jahres-Pläne in der DDR.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (CSU))

Denn das, was Sie in Bezug auf Einkommensteuer im Verein mit Kinderfreibeträgen schon fordern, hätte den öffentlichen Kassen im Jahr 2007 ein dickes Minus im hohen zweistelligen Milliardenbereich beschert. Infolgedessen würde sich die gesamtstaatliche Verschuldung erhöhen und wir diskutierten einen ganz anderen Nachtragshaushaltsentwurf.

(Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (CSU): Mit Steinbrück in die Steuer-Senkungs-Verhinderungs-Falle!)

Um mit den Worten Ihres Vorgängers, Herrn Professor Faltlhauser, zu sprechen:

Sie sollten aufpassen,

Sie als amtierender Finanzminister –

dass Sie nicht eine Kaskade des Steuerverfalls in Gang setzen, an deren Ende die Einnahmenbasis der öffentlichen Haushalte erodiert.

Der Satz war schön.

(Franz Maget (SPD): Das war von Ihnen, Herr Faltlhauser! – Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (CSU): Ich widerspreche dem Redner trotzdem!)

Wir brauchen in der Tat in der ganzen Republik solide Haushaltswirtschaft verbunden mit Zukunftsinvestitionen vor allem in Bildung, Forschung und in die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Nur so werden wir den demografi schen Wandel aktiv gestalten können. Nur so werden wir die Wachstumsbasis in unserem Land nachhaltig stärken. Nur so werden wir dauerhaft Aufstiegs- und Partizipationsmöglichkeiten für alle schaffen.