Tatsächlich ist es so, dass in den letzten Jahren Hunderte von Gemeinden ihre Schule verloren haben. Wir wissen: Mit dem Verlust der Schule werden betroffene Gemeinden empfindlich geschwächt, und deshalb gibt es Initiativen bzw. entsprechende Überlegungen in vielen Gemeinden. Sie verstehen unter regionaler Schulentwicklung passgenaue Konzepte, die auf die Bedürfnisse einzelner Gemeinden zugeschnitten sind und – was wir für sehr wichtig erachten – den Erhalt einer anspruchsvollen Schule am Ort ermöglichen.
Herr Minister, sind Sie als Demokrat bereit, Anträge, die den Willen von Eltern, Lehrern und Schülern zum Ausdruck bringen, anzuerkennen und hier entsprechende Schulmodelle zuzulassen? Mich würde interessieren: Wie werden Sie entsprechende Anträge behandeln?
Bevor ich diese eine konkrete Frage beantworte, möchte ich erstens darauf hinweisen, dass in erster Linie die Bedürfnisse der Schüler im Mittelpunkt stehen müssen und nicht die Bedürfnisse der Kommunen.
Um das einmal ganz deutlich zu machen: Entscheidend ist die Bildungsqualität, das Angebot für die Schülerinnen und Schüler, und da können wir uns in Bayern mehr als sehen lassen. Alle Ergebnisse von Studien, die darstellen, was Realschulen betrifft, was Gymnasien betrifft, dokumentieren deren Leistungsfähigkeit eindrucksvoll.
Auch die Hauptschulen sind in Bayern besser als viele Realschulen und Gesamtschulen in anderen Teilen Deutschlands. Das als grundsätzliche Feststellung.
Zweitens. Manche der von Ihnen genannten Namen habe ich auch der Presse entnommen, aber es liegen keine Anträge vor. Vor allen Dingen für Essenbach, das ganz große Wellen geschlagen hat, liegt bis heute nichts vor. Ich kann also dazu nichts sagen. Ich kann auch keinen Persilschein ausstellen, dass ich einen Antrag, wenn er denn gestellt wird, genehmige.
Wir haben derzeit im Zuge der Hauptschulinitiative 19 Anträge unterschiedlicher Art. Bei einigen ist bereits die Zustimmung erteilt worden, auch um die Qualität dort zu erhöhen. Anderen, die damit begründet werden, dass man neben der Hauptschule einen Realschulzweig einrichten will, um noch Schüler zu haben, werden wir nicht zustimmen; denn dies ist keine Konzeption. Einige solcher Anträge liegen mir vor. Ihnen werde ich nicht zustimmen, weil es darum geht, ein qualitativ hochwertiges Angebot auch für Schüler, die die Realschule besuchen wollen, anzubieten. Das heißt, der Schüler muss wählen können, ob er eine zweite Fremdsprache erlernt oder ob er sich verstärkt in Wirtschaftsfragen etablieren möchte. Es muss gewährleistet sein, dass er sich auch verstärkt in Technik, in Mathematik, in Informationstechnologie bewähren kann. Das muss zum Wohle der Schülerinnen und Schüler gewährleistet sein.
Das Wohl der Schüler liegt natürlich auch mir am Herzen, aber ich frage mich, ob es zum Wohl der Schüler ist, wenn sie so weite Schulwege zurücklegen müssen.
Meine Frage: Sie haben im Tegernseer Land ein Modell zugelassen. Wie wird das bei entsprechenden anderen Anträgen sein?
Also, es ist nicht das Tegernseer Land, sondern das Tegernseer Tal. Das Tegernseer Tal hat genau das umgesetzt, was in der Hauptschulinitiative vorgeschlagen wird, nämlich zu sagen: Das ist unsere Region; wir wollen für unsere Region ein optimales Bildungsangebot. Deshalb haben sich fünf Bürgermeister mit dem Schulamt, mit dem Schulrat, mit den Schulleitern zusammengesetzt und eine Konzeption entwickelt, wie sie die Schüler in der 5. und 6. Jahrgangsstufe noch stärker fördern können, damit sie die Mittlere Reife erfolgreich erwerben können. Dort gibt es bereits einen M-Zug und eindeutige Aussagen. Sie wollen keine „Realschule light light“ als Anhängsel machen, sondern sie wollen die Mittlere Reife an der Hauptschule qualitativ weiterentwickeln. Das entspricht voll der Initiative „Hauptschule der Zukunft“, Modularisierung.
Diese Fälle können modellhaft angegangen werden. Dagegen spricht gar nichts. Aber notwendig ist, dass sich mehrere Hauptschulen – in diesem Fall sind es drei – verständigen, dass sie miteinander ein Angebot haben wollen, um die Mittlere Reife mit Ganztagsschulangebot erwerben zu können, aber auch mit Regelangebot plus Förderung von Kindern, die Schwierigkeiten haben.
Herr Kollege, wollen Sie jetzt gleich die zweite Nachfrage stellen oder erst am Schluss? Das müssen Sie entscheiden.
Trifft es zu, dass im Tegernseer Tal schon ab der 5. Klasse dieser M-Zug eingeführt wurde oder eingeführt wird? Ich muss trotzdem noch einmal fragen: Sind Sie wirklich der Meinung, dass die Zukunft der Hauptschulen in Bayern gewährleistet ist, wenn Sie nicht bereit sind, andere Schulmodelle zuzulassen?
Es tut mir leid, diese Frage ist schwer zu beantworten. Auf der einen Seite fordern Sie, dass ich Anträge, bei denen man sich vor Ort verständigt, zulassen soll, und auf der anderen Seite verweisen Sie irgendwo auf das Fabelwesen, dass das stattfindet. Wenn Anträge vorliegen, die in Zusammenarbeit mehrer Kommunen entstanden sind, kann ich sie nach Prüfung genehmigen.
Eines sage ich ganz deutlich: Ich werde Anträge ablehnen, in denen eine Kommune eine solche Forderung erhebt, ohne das mit den anderen betroffenen Kommunen abgestimmt zu haben. Es muss eine gemeinsame Überlegung sein. Dazu braucht man das Schulamt und auch den rechtlichen Leiter, also den Landrat oder den Oberbürgermeister, um diese Fragen klären zu können. Wenn das so abgestimmt ist und sich so im Rahmen der Hauptschulinitiative auch bewähren kann und wenn modularisierende Elemente hineingenommen werden, sodass man frei ist, wie man Klassen einrichtet und wie man Schwerpunkte in der Stundentafel schafft, wenn das alles also eingehalten wird, steht Modellversuchen nichts im Wege.
Herr Staatsminister, wir haben eine Vielfalt an Maßnahmen zur Stärkung der Hauptschule, wie die Schulen vor Ort reagieren können, und auf der anderen Seite haben wir die dreifache Anzahl an Standorten, wenn wir die Hauptschulen betrachten im Vergleich zur bayerischen Realschule, auf die sich meine Frage bezieht.
Sehen Sie Probleme für den bayerischen Realschüler, wenn Pläne der Opposition oder auch von einem Lehrerverband, regionale Modellschulen flächendeckend einzuführen, in die Tat umgesetzt werden? Denn dabei würde ja eine Zusammenlegung der Hauptschule und der Realschule erfolgen bzw. – ich nenne es einmal so – eine „Gesamtschule light“ geschaffen. Welche Probleme ergeben sich dabei für den bayerischen Realschüler?
Also, man kann ja nicht von der Opposition sprechen; denn die GRÜNEN wollen die Gesamtschule bis zur 10. Jahrgangsstufe.
Wenn Sie ein anderes Wort wählen, dann ist das Ihr Problem, aber die Wahrheit ist, dass Sie eine Gesamtschule bis zur 10. Klasse mit Abschaffung des Gymnasiums, der Realschule und der Hauptschule wollen. Das ist ganz eindeutig.
Manche wollen die Hauptschule abschaffen, wie die Frau Bürgermeisterin Strobl gefordert hat. Die Anhänger von Frau Weiß-Söllner – das ist heute in der Presse zu lesen – wollen eine längere gemeinsame Schule, auch bis zur 10. Jahrgangsstufe als Gesamtschule.
Hier im Landtag wird gefordert, nur Haupt- und Realschule zusammenzulegen und die Schüler sechs Jahre in eine gemeinsame Grundschule zu schicken. Es sind also drei Modelle, die derzeit von der SPD kommen.
Der angesprochene Lehrerverband hat früher einmal von der Regionalschule gesprochen. Er spricht jetzt nicht mehr von der Regionalschule und auch nicht von einem Realschulabschluss an der Hauptschule, sondern von einem mittleren Bildungsabschluss. Diesen mittleren Bildungsabschluss bietet Bayern seit vielen Jahren im Mittleren-Reife-Zug. Wir haben etwa 20 % der Hauptschüler, die dort die Mittlere Reife erwerben. Das sind etwa 11 000 Schüler. Von denen gehen derzeit 2700 an die Fachoberschule, andere gehen in den Beruf. Das ist ein ganz wichtiges Angebot für Schülerinnen und Schüler.
Wer seine Allgemeinbildung noch weiter vertiefen möchte, hat die Möglichkeit, ein breites Angebot an der Realschule zu besuchen. Die bayerischen Realschüler – das belegt jede Studie – haben ein Niveau, das sich andere Länder an ihren Gymnasiasten nur wünschen können. Das muss man festhalten. Ich möchte nicht, dass dieses ganz exzellente Angebot der Realschule einer Strukturdebatte geopfert wird, von der Experten sagen, dass es sich um Schlachten der Vergangenheit handelt. Es geht darum, was in den Schulen passiert, und nicht darum, wie die Schule organisiert ist.
Herr Staatsminister, Sie haben sich sicherlich mit den Unterlagen beschäftigt, die uns in den letzten Wochen und Monaten zu dem Thema der Regionalschule oder, wie es jetzt vom BLLV heißt, einer regionalen Schulentwicklung zugegangen sind. Ich darf kurz zitieren, was in diesem Papier steht und was Ziel dieser regionalen Schulentwicklung sein soll, nämlich die Gestaltung einer für alle Beteiligten – Schüler, Eltern, Betriebe, Gemeinden und Lehrer – attraktiven Schule am Wohnort mit der Absicht, möglichst viele Schüler des Ortes bis zur 10. Jahrgangsstufe dort zu halten.
Weil ich davon ausgehe, dass Sie, Herr Staatsminister, sich mit diesen Vorschlägen sehr intensiv beschäftigt haben, geht meine Frage dahin, ob das Konzept dieser regionalen Schulentwicklung, so wie hier beschrieben, nachdem es durch die Angabe ergänzt worden ist, dass künftig nicht der Realschulabschluss, sondern der mittlere Bildungsabschluss im Rahmen dieser regionalen Schulentwicklung gefordert werden soll, im Grunde genommen mit unserer Hauptschulinitiative deckungsgleich ist und ob in Ihrem Haus darüber hinausgehend Überlegungen angestellt worden sind, ob mit dieser Entwicklung, wie sie vom BLLV gefordert wird, mittel- und langfristig unsere kleinen Schulstandorte tatsächlich gehalten werden können.
Ich weiß jetzt nicht genau, ob der Lehrerverband mit der Hauptschulinitiative 1 : 1 in Übereinstimmung steht, aber ich kann darauf hinweisen, dass die Entwicklung der Hauptschulinitiative ganz maßgeblich auch mit diesem Lehrerverband gestaltet wurde. Er war von Anfang an eingebunden. Das Thema der Modularisierung haben wir seit vielen Jahren auch mit dem BLLV diskutiert. Sein Vorsitzender ist Mitglied der Kommission zur Erarbeitung der Hauptschulinitiative, sodass ich das Papier auch so lese, dass sehr viele Elemente der Hauptschulinitiative auch in diesem regionalen Schulentwicklungskonzept Platz haben.
Um es noch einmal deutlich zu sagen: Was andere jetzt unter dem Begriff „Regionalschule“ einführen wollen, haben wir in Bayern an unseren Hauptschulen bereits mit der Möglichkeit, dort einen qualifizierten mittleren Bildungsabschluss zu machen, den wir sukzessive weiterentwickeln wollen; deshalb auch die Modularisierung, um auf einzelne Schüler noch intensiver eingehen zu können, um die Stärken noch mehr zu unterstützen, aber auch Schwächen auszugleichen. Derzeit machen an der Hauptschule etwa 20 % der Schüler die Mittlere Reife. Wenn es uns gelingt, dies auf 25 bis 30 % auszuweiten, wäre ich sehr zufrieden. Es ist auch ein Teil der Hauptschulinitiative, mehr jungen Menschen den mittleren Bildungsabschluss und in der Hauptschule den Stoff stärker berufsorientiert zu vermitteln, weil auch die berufliche Bildung komplizierter wird, was mehr Allgemeinwissen
als Grundlage erfordert. Ich möchte das aber nicht zum Nachteil der Realschüler vermittelt wissen, deren Förderung entsprechend ihrer Bildung und ihrer Entwicklung gehemmt würde.