Protokoll der Sitzung vom 12.03.2008

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 117. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde wie immer erteilt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie bitten, zunächst des ehemaligen Vizepräsidenten des Bayerischen Senats zu gedenken.

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 25. Februar verstarb im Alter von 94 Jahren Herr Dr. Ernst August Wrede. Er gehörte dem Bayerischen Senat von 1976 bis 1993 an und vertrat dort die Gruppe „Industrie und Handel“. Herr Dr. Wrede hatte von 1986 bis 1988 das Amt des II. Vizepräsidenten und von 1988 bis 1993 das Amt des I. Vizepräsidenten des Bayerischen Senats inne.

Der Bayerische Landtag wird Herrn Dr. Ernst August Wrede ein ehrendes Gedenken bewahren. – Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen von den Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich noch etwas tun, was ich zu Beginn einer Vollsitzung sehr gern tue.

(Margarete Bause (GRÜNE): Das ist aber keine Vollsitzung! – Franz Maget (SPD): Früher war es voller!)

Frau Kollegin, es steht mir nicht zu, zu beurteilen und abzuzählen. Abzählen muss ich nur, wenn wir abstimmen. Dennoch stimmen Sie sicherlich mit mir überein, dass ich jetzt eine sehr schöne Aufgabe wahrnehmen kann, nämlich zum Geburtstag zu gratulieren.

Ich gratuliere Frau Kollegin Sylvia Stierstorfer.– Sie ist leider nicht hier. Sie hatte am 22. Februar Geburtstag. – Herr Kollege Konrad Kobler kann die Glückwünsche persönlich entgegennehmen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Am 9. März hatte Herr Kollege Wolfgang Hoderlein Geburtstag. – Dies waren jeweils „halbrunde“ Geburtstage. Heute feiert Herr Kollege Kurt Eckstein seinen Geburtstag.

Ich gratuliere den Genannten sehr herzlich im Namen des Hohen Hauses. Wir wünschen ihnen alles Gute, viel Energie, Erfolg und vor allen Dingen weiterhin Gesundheit.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Für die heutige Sitzung ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN vorschlagsberechtigt. Es wurde das Thema „Kommunalwahlen in Bayern: Konsequenzen für die Landespolitik ziehen“ beantragt. Alles, was zur Geschäftsordnung bezüglich der Redezeiten zu sagen ist, ist bekannt.

Als Erstem darf ich für zehn Minuten Herrn Kollegen Dr. Dürr das Wort geben.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Dass die Kollegen von der CSU und der Staatsregierung nur ein geringes Interesse daran haben, über dieses Thema zu reden, kann man nachempfi nden. Sie machen schließlich seit zehn Tagen nichts anderes.

(Franz Maget (SPD): Der Herr Ministerpräsident wendet sich schon ab!)

Das ist nicht besonders erfreulich für Sie. Dass man sich dem nicht gern aussetzt, kann man verstehen. Aber Sie müssen sich damit auseinandersetzen. Das ist für unser Land notwendig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch Kollege Schmid ist im Übrigen nicht da. Zu überlegen ist, welche Konsequenzen man ziehen muss. In diesem Zusammenhang lautet die erste Frage: Was bedeutet dieses Wahlergebnis?

Man kann sagen, dass die politische Landschaft in Bayern, die so statisch ausgesehen hatte, in Bewegung geraten ist. Die CSU hat massiv verloren.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Selbst Erwin Huber glaubt nicht mehr an einen Sieg. Das Wahlergebnis ist eine deutliche Kritik an der Politik von CSU und Staatsregierung. Darüber, denke ich, sind wir uns alle einig. Aber dann geht der Streit los, und er geht natürlich in der CSU los. Welche politischen Maßnahmen von CSU und Staatsregierung haben denn die Menschen in Bayern am meisten enttäuscht? Was hat sie am meisten aufgeregt? Darüber gibt es einen Wettbewerb, und es ist unglaublich, wie viele CSU-Politiker sich zu Wort melden. Wenn ich also nicht auf alle eingehen kann, muss niemand beleidigt sein. Es sind einfach zu viele, die auf einmal erkennen, was sie alles falsch gemacht haben.

(Margarete Bause (GRÜNE): Ganz plötzlich!)

So hat zum Beispiel der CSU-Fraktionsvorsitzende eine lange Rechnung aufgemacht und gesagt: Das achtjährige Gymnasium, das Debakel bei der Landesbank, die hausärztliche Versorgung, der Transrapid – alle diese Themen seien schuld daran gewesen. Das Rauchverbot

hat er natürlich ausdrücklich ausgenommen. Dieses Gesetz sei nicht wahlentscheidend gewesen, hat er gesagt. Er habe es wohl überlegt, und es sei auch fachlich völlig unbestritten.

Auch Herr Kollege Imhof – er war gerade noch hier – hat erklärt, viel wichtiger als das Rauchverbot sei hierbei die Schulpolitik. Ihm ist noch mehr eingefallen, was seine Fraktion und Regierung alles falsch gemacht haben, zum Beispiel im Hinblick auf die frühkindliche Bildung und Erziehung und im Hinblick auf die soziale Gerechtigkeit.

Kollege Pschierer lässt sich da nicht lumpen. Er sagt, unsere mit allerweitestem Abstand größte Baustelle sei die Bildungspolitik. Hierfür gebe es keine Konzepte. Da hat der Kollege recht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Er sagt weiter, das Kultusministerium entwickle sich immer mehr zu einem Ankündigungsministerium. Als Beispiele nennt er das Büchergeld, das achtjährige Gymnasium, den Übertrittsdruck an den Grundschulen und die Zukunft der Hauptschulen auf dem Land. – Super, unser Bildungspolitiker!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nur der Kultusminister selber fi ndet andere Ursachen und macht anderes und andere verantwortlich, nämlich das Rauchverbot und die Hausärzte.

Sie merken schon, Kolleginnen und Kollegen: Jeder sucht die Schuld im Arbeitsbereich und in der Verantwortung des anderen. Aber keiner macht dies so gründlich wie der Kollege Brunner. Er hat 9000 Stimmen verloren und sagt, er habe für die CSU büßen müssen. – Als wenn er in einer anderen Partei wäre! Wahnsinn!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Besonders selbstkritisch dagegen ist der Kreisverband des Wirtschaftsministers. Der Wirtschaftsminister ist schon sehr lange im Kabinett. Das „Landsberger Tagblatt“ schrieb dazu – ich zitiere –:

CSU-Kreischef Thomas Goppel griff sich bei seinen Redebeiträgen öfter als sonst mit der rechten Hand an den Kopf.

(Zuruf von der CSU: Der ist aber nicht Wirtschafts- minister!)

Wissenschaftsminister! Und dann schreibt die Zeitung weiter:

Diese Gesten der Nachdenklichkeit garnierte der bayerische Wissenschaftsminister mit Sätzen wie: Ein Minus von 4,5 % ist einfach zuviel.

Nun ersetzen zwar Gesten der Nachdenklichkeit noch lange nicht das Nachdenken selbst. Aber es ist immerhin ein Anfang.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Zeitung schreibt weiter: „Einig ist sich die Führungsriege – der Kreisverband der CSU, also auch Minister Goppel – darin, dass weder der Wahlkampf noch die Politik vor Ort schuld sind am Liebesentzug der Wählerinnen und Wähler. Die gesamte CSU strahlt nicht mehr den Glanz aus wie noch vor einiger Zeit.“

Und dann geht es folgendermaßen weiter:

Günther Beckstein fehlt die Statur und CSU-Chef Erwin Huber müsste deutlich an Energie und Durchsetzungskraft zulegen.

(Margarete Bause (GRÜNE): Was wir schon immer sagen!)

Es hat natürlich nicht jeder den Glanz und die Statur von Dr. Thomas Goppel. Das muss man auch einmal sagen.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Und so einen Schal!)

Am perfektesten beherrscht das Schwarzer-Peter-Spiel der neue Bezirksvorsitzende von Niederbayern. Der erklärt in besonders hinterhältiger Dialektik:

Diejenigen, die jetzt eine Führungsdebatte auslösen, tragen die Verantwortung, wenn die CSU weiterhin in der Defensive bleibt.

Im selben Atemzug fordert er mehr Führungsstärke von Ministerpräsident Dr. Beckstein.