Protokoll der Sitzung vom 24.04.2008

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Lück.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Herr Dürr, haben Sie jetzt gedacht, Sie seien im Bundestag? ‑ Sie waren im Landtag.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Normalerweise sollten wir hier schon Landespolitik betreiben, nicht unbedingt Bundespolitik.

(Zuruf von den GRÜNEN: Etwa so wie Sie vorher?)

Es ist zwar richtig, dass der Weltagrarrat einen grundlegenden Wandel der globalen Landwirtschaft fordert. Allerdings ist damit sicher nicht Bayern gemeint. Auch wenn es bei uns die eine oder andere Sünde gibt, ist festzustellen, dass insgesamt bei uns in Bayern die industrielle Landwirtschaft sicher kein Schwerpunkt ist, ebenso wenig wie Massentierhaltung – ausgenommen vielleicht die Bienen.

Wir können stolz sein, dass wir in Bayern auch durch unsere intensive Mitwirkung – ich betone das – und durch die Ideen, die wir in die Landwirtschaftspolitik eingebracht haben, nach wie vor überwiegend bäuerliche Familienbetriebe haben, also bäuerliche Strukturen, wie sie der Agrarrat auch verlangt, Familienbetriebe, die in der Regel – schon aus Eigennutz – auf eine nachhaltige Landnutzung achten. Natürlich unterstützen dies auch die aufgelegten Kulap- und Umweltprogramme nachhaltig.

Deshalb betone ich in diesem Zusammenhang, dass wir hinter unserer klein- und mittelbäuerlichen Struktur stehen, dass wir die flächendeckende Landbewirtschaftung erhalten wollen. Deshalb sind für uns die Gelder in der ersten Säule auch stabil zu halten, so wie es festgelegt ist, und nachhaltig zu sichern.

Die Situation, die die Food and Agriculture Organization – FAO – beklagt, hat viele Ursachen und ist durchaus nicht neu. Es ist nicht neu, dass es Hunger auf der Welt gibt und täglich überall Kinder verhungern. Für uns fehlte und fehlt es erstens nach wie vor an der Verteilungsgerechtigkeit in der Welt.

Vor allem haben zweitens alle reichen Länder mit Hilfe von Exportsubventionen ihre Überschüsse in diese Länder entsorgt und so die dortige Landwirtschaft zum Teil total kaputtgemacht. Da sind wir uns einig. Deswegen müssen die Exportsubventionen auch auslaufen.

Drittens ist es sicherlich ein Problem, dass manche Länder glaubten, bei einer globalen Arbeitsteilung auf eigene

hier. Diese viele Milch können wir allein gar nicht trinken. Also wird sie exportiert, beispielsweise als Milchpulver nach Asien. Dafür gibt es dann von der EU Exportbeihilfen. Weil aber die Nahrungsmittel aus Europa auf den Märkten der Dritten Welt billiger zu haben sind als die eigenen Produkte, geben viele Bauern dort auf. Tausende und Abertausende Bauern haben bereits aufgegeben. Wer also jetzt wie Seehofer den Bauern rät, noch mehr und noch intensiver zu produzieren, der handelt höchst unverantwortlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Seehofer schadet den Bauern hier wie dort, und das hat selbst Ministerpräsident Beckstein verstanden. Er stellt sich gegen Seehofer und sagt: „Wenn man die Produktionsmengen erhöht, kann das sehr schnell zu einer Reduzierung der Preise führen“.

Wir haben das gerade bei der Milchquote beobachten können, und es hat vielen Bauern erheblich geschadet.

Jetzt ziehen Sie daraus endlich die Konsequenzen! Das heißt doch, dass wir nicht weiter intensivieren dürfen, sondern dass wir uns überlegen müssen: Wie können wir mit den Rohstoffen, die wir hier in Bayern haben, erfolgreich produzieren? Schuld am Welthunger sind also gerade auch die Agrarstrukturen bei uns, die Exportbeihilfen und die industrielle Agrarproduktion.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb fordern wir eine echte Agrarwende. Wir fordern, dass die Exportbeihilfen endlich abgeschafft werden.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Wir wollen nur noch klar definierte Leistungen für Gesellschaft, Umwelt und Klima fördern und nicht mehr pauschal Subventionen verteilen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Ökoanbau ist Leitbild einer klima- und umweltschonenden Landbewirtschaftung. Der Kampf gegen den Hunger erfordert eine globale Agrarwende. Wir müssen unsere Wirtschaft, unsere Produktion und unseren Verbrauch grundlegend umgestalten, wenn wir unseren Wohlstand auch in Bayern sichern und die Lebensqualität ausbauen wollen.

Nur eine ökologisch moderne, eine umwelt- und klimaschonende Art zu wirtschaften ist weltweit praktizierbar. Das ist doch klar: Es können nicht alle so intensiv wirtschaften wie wir. Also müssen wir Methoden finden, mit denen alle wirtschaften können, mit denen alle ihren Wohlstand sichern können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es geht auch nicht darum, Ökonomie und Ökologie zu versöhnen, wie Sie neuerdings in Ihren Sonntagsreden sagen, Kolleginnen und Kollegen der CSU – Ablasshandel

Ich bitte deswegen um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt darf ich Herrn Kollegen Ranner das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Unser täglich Brot gib uns heute! – Und unsere Abfalleimer sind voll von Essen und Brot. Was hat unsere Bevölkerung für eine Einstellung zum täglich Brot?

Unser täglich Brot gib uns heute. Und in der „Süddeutschen Zeitung“ steht: „In den Dörfern wachsen die Ruinen bei den Bauern.“ Meine Damen und Herren, heute lesen wir die Schlagzeile: „Milchpreis – Schock für die Bauern“. Dann die Schlagzeile von der FAO:

„Seit acht Jahren verbrauchen wir auf dem Globus mehr, als wir produzieren. Die Lager sind leer.“ In der „Welt“ steht die Überschrift: „Brauchen wir eine neue grüne Revolution?“.

Wir müssen über die Wirkungsgrade in der Landwirtschaft nachdenken. Heute ernährt ein Bauer 135 Bürger, 1950 hat er zehn ernährt. Darüber sollten wir nachdenken.

Wir müssen über den Hunger in der Welt reden. Ich kenne die Situation aus persönlicher Betroffenheit; denn meine Tante lebt in Simbabwe. Wenn ein Despot ein Land zugrunde richtet, sind daran nicht die bayerischen Bauern schuld. Schuld sind die dortigen politischen Verhältnisse, die mehr als katastrophal sind. Ich weiß das aus dem Schriftwechsel mit meiner Tante. Das Problem muss man in diesem Zusammenhang sehen.

Professor Klaus Hahlbrock vom Max-Planck-Institut hat ein Buch mit dem Titel „Kann unsere Erde die Menschen noch ernähren?“ geschrieben. Das Buch passt zum Thema. Er schreibt als Fazit, wir bräuchten eine nachhaltige Höchstleistungslandwirtschaft. Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir vorhin von Herrn Dr. Dürr gehört haben, wohl wissend, dass in Ägypten, Argentinien, Mexiko, Bolivien und anderswo die Menschen auf die Straße gehen, weil sie das Essen nicht mehr bezahlen können, weil nichts mehr da ist und weil die Lager leer sind. Im 20. Jahrhundert hatten wir die Situation, dass sich die Weizenerträge verzwanzigfacht haben; die Bevölkerung aber hat sich versechshundertfacht. Die Wiege und der Pflug haben die Balance nicht mehr gehalten.

Unter den Vorzeichen wachsender Weltbevölkerung – 80 Millionen pro Jahr –, begrenzter Verfügbarkeit der Nutzflächen, zunehmender Schadorganismen, Trockenheit, Überschwemmungen, politischer Unsicherheit und dem Wissen, dass 50 % der Welternährung auf Reis basiert, muss man die Existenz der landwirtschaftlichen Betriebe sichern.

Ein ganz großes Problem ist die Süßwassersituation; denn Süßwasser wird von der Landwirtschaft gebraucht – nicht in Bayern, denn bei uns regnet es. Man weiß, dass für

Landwirtschaft verzichten bzw. sie vernachlässigen zu können. Ich denke, das muss uns zu denken geben und auch unser Handeln entsprechend beeinflussen.

Wir sagen deshalb ganz deutlich, wie notwendig auch im Sinne der Ernährungssicherheit der Erhalt unserer Landwirtschaft ist. Selbstverständlich muss sowohl in der EU als auch bei uns immer wieder hinterfragt werden, ob die aufgelegten Agrarprogramme zielführend sind, ob es Missbrauch gibt, ob die Anreize richtig gesetzt sind oder eben die falschen Anreize vorhanden sind, die zu mehr Produktion, zum Beispiel auch zur Konkurrenz Energie gegen Ernährung, führen.

Aber wir sollten uns auch darüber einig sein, dass unsere Landwirte wegen der schlechteren Klimabedingungen und der hohen Umwelt- und Tierschutzauflagen, die wir alle gemeinsam beschlossen haben, ohne finanziellen Ausgleich nicht überleben können. Wer also glaubt, bei unseren Bauern Einsparungen vornehmen zu können, kann sich sehr schnell in Abhängigkeit wiederfinden, und zwar dann, wenn unsere Bauern ihre Produktion wegen Unrentabilität aufgeben oder auf die scheinbar lukrativere Produktion von Energiepflanzen umstellen. Deshalb lasst uns gemeinsam die Ursachen des Hungers beseitigen, ohne bei uns neue Probleme zu schaffen!

Die meisten Ansätze, die Ihr Antrag enthält, würden wir ja unterstützen, wenn sie nicht immer wieder so kleine Schlenker drin hätten, die wir absolut nicht mittragen können. Natürlich wollen wir alle eine nachhaltige, ressourcen-, umwelt- und tierschonende Landwirtschaft, aber zu unterstellen, dass dies nur diejenigen Bauern leisten, die in Ökoanbauverbänden organisiert sind, halte ich schlicht für eine Unterstellung.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Für uns ist wichtig, dass bei der Agrarproduktion eindeutig der Teller vor dem Tank kommt. Wir denken, dass strikte Vorgaben gerade im Bereich nachwachsender Rohstoffe – und das können wir hier in Bayern bestimmen – viel wichtiger sind und bei der Einfuhr von Soja- und Bioenergieprodukten verhindern helfen, dass in anderen Ländern die Nahrungsmittelproduktion zugunsten von Energieproduktion unter die Räder kommt. Wir brauchen auch keine Palmölfabrik; denn dieses alles ist kontraproduktiv und schadet gerade den armen Ländern.

Deshalb wollen wir nicht mit Appellen andere zum Handeln auffordern, sondern selbst handeln. So haben wir in unserem Dringlichkeitsantrag auch geschrieben: Keine Förderung agrarischer Energieträger zulasten der Lebensmittelproduktion. Ich glaube, das ist in diesen Ländern ein Zielkonflikt an sich: dass hier wirklich Land genutzt wird, nicht um Lebensmittel zu erzeugen, sondern um Energie zu erzeugen und diese dann zu exportieren.

Hierfür bitten wir um Unterstützung, denn das ist etwas, was wir direkt und sofort machen können, anstatt Aufforderungen oder Beschuldigungen an Berlin und Brüssel zu richten. Auch hier haben wir klar unsere Bedingungen genannt.

Nun noch ein Wort zur Entwicklung der agrarischen Nahrungsmittelproduktion. Im vorigen Jahr kostete ein Doppelzentner Weizen neun Euro. Unter diesen Bedingungen war es nicht mehr möglich, Weizen anzubauen. Jetzt kostet der Doppelzentner Weizen 23 Euro. Innerhalb eines Jahres trat eine gigantische Entwicklung ein. Das ist die globale Schwankungsbreite, die auf uns Bauern niederprasselt.

Über Exportsubventionen sollte man nicht so laut reden. Auch bei uns gab es in der Schweinemast eine Situation, in der uns die EU darauf hingewiesen hat, dass eine Intervention durchgeführt werden müsse, um die europäische Schweinemast über die Runden zu bringen. Jede Nation schützt ihre Landwirtschaft. Jede Nation ist sich bewusst, welche überregionale Bedeutung die Landwirtschaft neben Verteidigung und Finanzen hat. Man muss so ehrlich sein und sich eingestehen – was nichts mit den Entwicklungsländern zu tun hat –, dass man in Europa eine Nahrungsversorgung braucht. Das ist vordringliche Aufgabe.

Wir müssen Schluss damit machen, dass wir bei Baumaßnahmen – egal, welcher Art – landwirtschaftliche Nutzflächen als Ausgleichsflächen nehmen. Das können wir uns nicht mehr leisten. In Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg liegen Anträge vor, die in diese Richtung gehen. Wir müssen künftig davon Abstand nehmen, dass wir landwirtschaftliche Nutzflächen als Ausgleichsflächen nutzen. Sie müssen Kulturland bleiben.

Bin ich schon über die Zeit? Dr. Dürr hat länger geredet.

Herr Kollege, die Redezeit der CSU-Fraktion ist leider zu Ende.

Dann komme ich zum Schluss.