Protokoll der Sitzung vom 03.07.2008

Darum bewegen wir uns auf einem sehr sicheren Terrain. Es werden jetzt ein paar sozusagen kleinere Rahmenbedingungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angepasst, aber es kann auch da überhaupt kein Zweifel darin bestehen, dass vom Grundsatz her auch das Bundesverfassungsgericht die automatische Kennzeichenerfassung eben nicht in Bausch und Bogen abgelehnt, sondern nur ein paar bestimmte rechtsstaatliche Voraussetzungen normiert hat, ansonsten damit aber ausdrücklich die Zulässigkeit und die Sinnhaftigkeit automatischer Kennzeichenerfassung bestätigt hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dieser umfassenden Novellierung des Polizeiaufgabengesetzes werden wir es schaffen, dass die Rechtsgrundlagen für unsere bayerische Polizei weiterhin auf dem neuesten Stand sind, auf dem neuesten Stand, was die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anbetrifft, aber auch und vor allen Dingen auf dem neuesten technischen Stand; denn wir können es uns nicht leisten, dass Terroristen und andere Schwerkriminelle mit der modernsten Technik arbeiten und wir sozusagen noch die Brieftaubenpost wir vor 100 Jahren als rechtliche Grundlage betrachten.

(Beifall bei der CSU)

Ich bitte um Zustimmung zu diesem wichtigen Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CSU)

Herr Staatsminister, wenn Sie gleich am Pult bleiben würden: Zu einer Zwischenbemerkung hat das Wort die Kollegin Stahl.

Ich möchte, Herr Präsident und Herr Staatsminister, noch einmal betonen, dass meine Kollegin Kamm sehr gute Gründe hat, anzunehmen, dass sehr wohl auch unbescholtene Bürgerinnen und Bürger ins Visier geraten. Die mögen dann zwar auch wieder aus demselben fallen, aber Fakt ist, dass Sie beispielsweise beim Kennzeichen-Scanning – ich habe die Zahlen vorhin genannt – Tausende von Menschen ins Visier bekommen.

Ich nenne die Zahlen noch einmal: 5 Millionen Fahrzeuge pro Monat. Wollen Sie mir sagen, bei einer Trefferquote von 0,03 % sind das alles potenziell Verdächtige in diesen 5 Millionen Fahrzeugen?

Oder nehmen wir die andere Zahl: 40 000 Telefonabhörungen – ich nenne diese Zahl immer wieder gern –, aus denen eine marginale Zahl von Verfahren erwächst. Wollen Sie uns weismachen, dass das 40 000 wirklich verdächtige Menschen sind, die da ins Visier geraten?

Oder nehmen wir eine weitere Zahl: Bei der Rasterfahndung entstehen 8,3 Millionen Datensätze, Menschen, die davon betroffen sind. Sind das alles potenziell Verdächtige, alles bescholtene Bürgerinnen und Bürger? Nein, das sind sie nicht!

Tatverdächtigen müsste den Politikern klar geworden sein, unter welchen Schwierigkeiten und ungeheurem Zeitdruck die Polizei arbeiten muss, um einen geplanten Terroranschlag zu verhindern. Jede Hürde, die der Gesetzgeber errichtet, um Anschlagspläne rechtzeitig aufdecken zu können, erhöht das Risiko für potenzielle Opfer. Die Anpassung des Gesetzes für die polizeiliche Online-Durchsuchung von Rechnern mutmaßlicher Terroristen und Schwerkrimineller hat schon viel zu lange gedauert. Die Strafverfolgungsbehörden benötigen rasch eine praxisorientierte Arbeitsgrundlage. Aus diesem Grund begrüßt die GdP Bayern den Vorstoß von Innenminister Herrmann, hier einen Sonderweg einzuschlagen. Wir brauchen eine saubere Rechtsgrundlage für unsere Arbeit.

So Harald Schneider.

(Beifall und Bravo-Rufe bei der CSU)

Letzter Teil des Zitats:

Der Normalbürger braucht nach wie vor keine Angst zu haben, dass er in das Visier der Ermittler gerät. Niemandem nützt hier eine Panikmache. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Rechtsprechung enge Grenzen gesetzt, die Bayern selbstverständlich auch einhalten wird. Nur Zuwarten bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag hilft weder der Polizei noch den potenziellen Opfern von Terroranschlägen.

Ich denke, das sind in der Tat klare Worte des Landesvorsitzenden der GdP.

Ich habe das bewusst hier so ausführlich zitiert, weil ich denke: Es ist klar, man kann in solchen Fragen nicht immer einer Meinung sein. Aber es spricht für sich, wenn die GdP in einer aufgeheizten politischen Debatte so glasklare Position bezieht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will aus Zeitgründen jetzt auf das Thema der automatischen Kennzeichenerfassung nicht noch einmal in allen Einzelheiten eingehen. Ich will dazu nur ganz kurz noch einmal sagen, Frau Kollegin Stahl: Das Bundesverfassungsgericht hat uns in Sachen Kennzeichenerfassung vor allen Dingen in der Position bestätigt, die in Bayern – eben im Unterschied zu anderen Bundesländern – schon immer Praxis war: dass jedes Kennzeichen, das kein Treffer ist, sofort, im Moment des Datenabgleichs, wieder gelöscht wird. Genau das, was bei uns von Anfang an Praxis war, hat das Bundesverfassungsgericht jetzt bundesweit gefordert: Wo es keinen Treffer gibt, wird das sofort wieder gelöscht. Das heißt, schon eine Stunde später kann keiner mehr irgendwie feststellen, dass ein bestimmtes Auto mit dem und dem Kennzeichen, das nicht im Fahndungsbestand war, irgendwo vorbeigefahren ist. Das ist bayerische Praxis, die jetzt vom Bundesverfassungsgericht zum Maßstab in ganz Deutschland erhoben worden ist.

ich es für gut halte. Es ist ein wichtiges Thema, das auch unsere Sicherheitsbehörden beschäftigt.

Frau Stahl, ob Ihnen das jetzt gefällt oder nicht, das war eine ganz vernünftige und sachliche Antwort, aber kein Widerspruch zu dem, was vorhin der Herr Kollege Ritter gesagt hat. Ansonsten werfen Sie natürlich wieder die verschiedenen Instrumente, um die es da geht, trefflich durcheinander.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Stahl (GRÜNE))

Was die Kfz-Kennzeichenerfassung betrifft, ist es in der Tat ein Masseninstrument, das von der Struktur her nichts anderes ist, als wenn ein Polizeifahrzeug auf der Autobahn hinter einem anderen Auto fährt und per Telefon eine Halterabfrage macht nach dem Motto, wir haben da ein Fahrzeug, das uns etwas verdächtig vorkommt, Kennzeichen M – YX. Dann wird über die entsprechenden Leitungen überprüft, ob das Fahrzeug zur Fahndung ausgeschrieben ist oder ob dieses Kennzeichen mit dem Autotyp, das in Flensburg eingetragen ist, übereinstimmt und dergleichen. Das Gleiche, das sonst ein Polizeibeamter macht, woran sich bisher noch niemand gestoßen hat, macht jetzt durch die moderne Scannertechnik serienweise der Computer.

Ich habe Ihnen jetzt genau erklärt, dass der Vorgang gelöscht wird, sobald der Computer feststellt, jawohl, das Kennzeichen ist in Ordnung, es ist in Flensburg eingetragen und nicht zur Fahndung ausgeschrieben,. Das können Sie mit den anderen Dingen überhaupt nicht vergleichen. In dem Moment, in dem festgestellt wird, die Sache ist in Ordnung, ist der Vorgang also weg. Genau das fordert Karlsruhe, und genauso machen wir das in Bayern, und zwar nicht erst jetzt, sondern seit jeher. Ich möchte wissen, welches Problem die fünf Millionen damit haben. Das ist für den Einzelnen nicht anders, als wenn er morgen Abend von einer Polizeikontrolle überprüft wird, die eine Halterabfrage macht und dann feststellt, mit dem Fahrzeug ist alles in Ordnung. Damit ist das Ganze beendet. Ende der Durchsage.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Stahl (GRÜNE))

Ich will nur nochmals sagen: Genau daran hat das Bundesverfassungsgericht überhaupt keinen Anstoß genommen, sondern es hat ausdrücklich bekräftigt, dass es unter diesen Voraussetzungen zulässig ist, das zu machen.

Sie beziehen sich dauernd auf Karlsruhe. Dann sollten Sie auch den Leuten sagen: Jawohl, da beschließt die CSU etwas, was Karlsruhe vor drei Monaten ausdrücklich für verfassungsgemäß erklärt hat. So sollten Sie hier argumentieren. Das wäre etwas klüger, Frau Kollegin Stahl.

(Beifall bei der CSU)

Deswegen sind wir so kritisch und deswegen sind wir so vorsichtig bei all diesen Punkten, die Sie uns nennen.

Im Übrigen: Verschleiern Sie hier bitte auch nicht die Möglichkeiten der Online-Durchsuchung! Was die Wirtschaftsdelikte hier, die Wirtschaftskriminalität in China mit der bayerischen Online-Durchsuchung zu tun haben sollen, erschließt sich mir nicht. Mit der bayerischen Online-Durchsuchung werden Sie die nicht in den Griff kriegen; da müssen Sie schon ganz andere Maßnahmen ergreifen. Also werfen Sie hier nicht Nebelkerzen!

Und den GdP-Vorsitzenden als – wie sagten Sie? – unverdächtigen Kronzeugen anzuführen? Der gehört genau zu der Interessengruppe wie der Verfassungsschutz auch, die von diesem Instrument profitieren, weil es die Arbeit erleichtert, weil sie unterbesetzt sind, weil sie schlecht ausgestattet sind.

(Widerspruch bei der CSU)

Dass die GdP dieses Instrument will, ist glasklar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Frau Kollegin Stahl, es ist manchmal schon etwas schwierig, auch nur halbwegs sachlich mit Ihnen zu diskutieren.

(Widerspruch bei den GRÜNEN – Gegenrufe von der CSU: Ist doch gut!)

Ich will jetzt nur mal versuchen, – –

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Also, Herr Kollege Dürr, nachdem Sie jetzt die ganze Zeit überhaupt nicht da waren, wäre es schon gescheit, wenn Sie als Erstes darauf verzichten würden, jetzt auch noch dazwischenzuplärren.

(Beifall bei der CSU)

Denn Sie haben von der bisherigen Debatte überhaupt nichts mitbekommen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Weshalb habe ich das Thema „Chinesische Geheimdienste“ angesprochen? Der Kollege Ritter hatte das Thema hier in die Diskussion eingeführt: dass es Unternehmen in Bayern gibt, die spezielle Techniken entwickeln wollen, um den Sicherheitsstandard im Datenbestand bayerischer Unternehmen zu stärken.

Er hat es etwas ironisch in den Raum gestellt, und ich habe nur, darauf eingehend, ausdrücklich bekräftigt, dass

Stimmenthaltungen? – Bei einer Stimmenthaltung. Der Gesetzentwurf ist abgelehnt.

Nun lasse ich über den Tagesordnungspunkt 7 abstimmen. Dieser Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 15/10477 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit empfiehlt auf Drucksache 15/10946 wiederum Ablehnung. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – CSU-Fraktion und SPD-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Gesetzentwurf ebenfalls abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 6. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 15/9460, die Änderungsanträge auf den Drucksachen 15/10345, 15/10522 und 15/10874 sowie die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit auf Drucksache 15/10948 zugrunde.

Ich lasse zunächst über den vom endberatenden Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen zur Ablehnung empfohlenen Änderungsantrag auf Drucksache 15/10874 abstimmen. Wer entgegen dem Ausschussvotum zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Zum Gesetzentwurf der Staatsregierung auf Drucksache 15/9460 empfiehlt der federführende Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit Zustimmung mit der Maßgabe verschiedener Änderungen. Der Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen stimmt bei seiner Endberatung der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses zu, allerdings mit der Maßgabe weiterer Änderungen. Im Einzelnen verweise ich auf die Drucksache 15/10948.

Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion. Gegenstimmen? – Die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Niemand. Damit ist der Gesetzentwurf so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Ich schlage vor, sie in einfacher Form vorzunehmen. – Es gibt keinen Widerspruch.

Wer dem Gesetzentwurf in dieser Fassung zustimmt, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen? – Die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist das Gesetz so beschlossen. Das Gesetz hat den Titel: „Gesetz zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes“.