Protokoll der Sitzung vom 16.07.2008

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Ihr Gesetzentwurf ist geprägt von deutlichen Verschärfungen, von Verboten, von Ordnungswidrigkeitstatbeständen und von Straftatbeständen. Er ist geprägt von der Aufnahme einer großen Zahl von unbestimmten Rechtsbegriffen. Auch hier ist die Auslegung wieder den Behörden überlassen. Nicht zuletzt ist er geprägt von der Zunahme von Pflichten für Veranstalter und Veranstalterinnen von Versammlungen. Die Begründung für diese Verschärfung ist paradox, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie wollen die Demokratie durch die Einschränkung demokratischer Rechte schützen.

(Abgeordneter Herbert Fischer (CSU) in Unterhaltung begriffen)

Kollege Fischer, die demokratischen Rechte gehören auch Ihnen. Ich denke, Sie sind momentan in der Debatte sehr konzentriert. Ich danke Ihnen dafür.

(Beifall und Lachen bei den GRÜNEN – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Das wundert mich!)

Nein, das wundert mich nicht.

Daten von Ordnern und Versammlungsleitern angegeben werden. All dies erschwert spontanen Protest. Verbände oder einzelne Personen, die ihre Meinung zeigen wollen, werden durch dieses Gesetz schikaniert.

Das wird vor allem auch Proteste und Aktionen von Bauernverbänden betreffen; dazu komme ich gleich noch. Gerade diese machen auf ihre Anliegen durch Aktionen aufmerksam, die ungewöhnlich sind und daher von den Medien beachtet werden. Wird nach dem neuen Gesetz eine Demonstration, an der Bauern mit Traktoren teilnehmen, als Einschüchterung gewertet? Wird nach dem neuen Gesetz eine Demonstration von Bauern, die Heuballen vor einem Gebäude, zum Beispiel vor einem Ministerium, auftürmen, als militant betrachtet? Die Bürgerinnen und Bürger können all diese Vorschriften nicht verstehen und nicht nachvollziehen. All diese Strafvorschriften und Einschränkungen werden legitime Proteste der Gefahr von Strafen und Prozessen aussetzen.

Für die Demokratie ist es schädlich, wenn die Versammlungsfreiheit, die das Bundesverfassungsgericht ein Stück ungebändigter Demokratie nennt, durch ein solches Gesetz eingeschränkt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dieses Gesetz wird zur Rechtsunsicherheit führen und Bürgerinnen und Bürger einschüchtern.

(Günter Gabsteiger (CSU): Adi, wer hat dir denn den Schmarrn aufgeschrieben?)

Meine Damen und Herren, wir haben ein Zitat aus Artikel 113 auf unseren Trikots. Artikel 113 heißt: Alle Bewohner Bayerns haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder besondere Erlaubnis friedlich und unbewaffnet zu versammeln.

Ich darf zitieren aus dem „Oberbayerischen Volksblatt“ vom 31.05.2008: Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Der Waldkraiburger Schlachthof und das Versammlungsgesetz – das wird langsam ein Dauerbrenner. Zuerst im November vergangenen Jahres hatte der Bauernverband Ärger nach einer Demonstration, mit der die Landwirte gegen den Verfall der Fleischpreise protestierten. Weil die Veranstaltung nicht fristgerecht angemeldet wurde, ermittelte der Staatsanwalt wegen Verdachts eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. – Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass Sie mit mir einer Meinung sind, dass die Mitglieder des Bauernverbandes, die dort demonstriert haben, erstens friedlich und zweitens unbewaffnet waren. Trotzdem haben sie gegen das Gesetz verstoßen, obwohl das ein gesichertes Grundrecht ist.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abgeord- neten Günter Gabsteiger (CSU))

Und es geht weiter. Jetzt hat die Gewerkschaft Nahrung – Genuss – Gaststätten Probleme, weil ein Warnstreik vor dem Firmengelände der Südfleisch nicht ordnungsgemäß angemeldet wurde. Ich gehe davon aus, dass die Mitglieder der Gewerkschaft Nahrung – Genuss – Gast

Herr Kollege, ich entschuldige das zwar nicht, aber Sie müssen selbst wissen, was Sie tun.

Ich versichere Ihnen, das wird in dieser Legislaturperiode das letzte Mal sein.

(Georg Schmid (CSU): Das wird auch so bleiben! – Ernst Weidenbusch (CSU): Sie könnten das Ende der Geschichte von Frau Rütting vorlesen!)

Ich darf aus der Petition der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft in Bayern zum Gesetzentwurf vortragen. Nach Meinung dieses Petenten stellt der von der Bayerischen Staatsregierung vorgelegte Gesetzentwurf zum Versammlungsgesetz eine massive Einschränkung eines verfassungsmäßig garantierten, in einer Demokratie elementaren Grundrechtes dar. Der Gesetzentwurf – so die Arbeitsgemeinschaft – ist gründlich zu überarbeiten bzw. zurückzuziehen, weil er durch schwammige Formulierungen Rechtsunsicherheit schafft. Als Stichpunkte werden genannt Definition der Versammlung, Militanzverbot, Geldbußen, Festlegung der Eignung von Versammlungsleitung und Ordnern.

In der Petition wird weiter ausgeführt, die polizeiliche Überwachung sei umfassend und intransparent. Darüber hinaus könne sie auch in eine nicht öffentliche Versammlung eindringen. Es ist nicht klar definiert, mit welcher Begründung die Polizei mithören und wie lange sie die gewonnenen Daten speichern darf. Im abgeschlossenen Raum muss sich zudem nur der Einsatzleiter der Polizei zu erkennen geben. Weil die Versammlungsleiter und Ordner einer Erhebung und Speicherung ihrer persönlichen Daten ausgesetzt sind, kommt das einer fortgesetzten Beobachtung gleich und stellt einen unhaltbaren Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte dar.

Schließlich beanstandet der Petent noch, dass jede Aktion mit einer Fülle bürokratischer Auflagen belastet wird. Um einen Missbrauch der Versammlungsfreiheit abzuwenden, bedarf es klar umrissener Verbote, und gerade die fehlen. Einer Neuformulierung des Gesetzes sollte eine umfassende Anhörung unter Einbeziehung eines breiten Spektrums von Berufsverbänden, Gewerkschaften, humanitären Vereinigungen, Bürgerinitiativen, Umweltorganisationen usw. vorausgehen, sozusagen ein Fachgespräch mit Praktikern der Versammlungsfreiheit. Das Versammlungsgesetz muss ein Gesetz für die Bürger werden, ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Die Rechte und Pflichten der Polizei müssen transparent sein. Es ist absolut kontraproduktiv, wenn das Gesetz den Ordnungskräften einen unübersichtlichen Spielraum gibt und sie damit dem berechtigten Misstrauen der Bürger aussetzt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das alles wurde in der Petition vorgetragen. Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf enthält viele neue bürokratische Vorschriften. Die Form, an die man sich bei der Anzeige einer Versammlung halten muss, ist wesentlich strenger geregelt als bisher. Es müssen umfassende

gegeigt hätte zu dem, was Sie da allein an Bürokratiewust produzieren.

(Gerhard Wägemann (CSU): Glaubst du wirklich?)

Ich möchte damit beginnen, dass es ja jetzt schon schwierig ist, zu demonstrieren. Kollegin Paulig, ich und acht andere ganz normale Bürgerinnen und Bürger aus Bayern waren vor einigen Wochen in Straubing, um gegen die Atompolitik von Sarkozy am Pressezentrum zu demonstrieren.

(Herbert Fischer (CSU): Das haben wir heute schon gehört!)

Da war die Bürokratie schon so, dass der Versammlungsleiter das ganze Formular vorlesen musste. Dann wollten wir die Versammlung abbrechen, weil gegenüber die Bauern demonstriert haben. Dann hat uns der Polizeibeamte gesagt, wir müssten hier aber bis 12.30 Uhr stehen bleiben. – Solche Dinge sind uns ja jetzt schon mit sehr vielen bürokratischen Hemmnissen behaftet. Durch solche Ketten werden wir gefesselt.

Ich komme aus einer Gegend, die nahe an einem Atomkraftwerk liegt. Auch dort war es immer wichtig, seinen Protest gegen dieses Kraftwerk, gegen die menschenverachtende Atompolitik von Eon durch Demonstrationen zu artikulieren.

(Zuruf des Abgeordneten Hans Spitzner (CSU))

Über die Jahre hinweg ist eine ordentliche Beziehung zur Polizei entstanden. Der Kollege Mütze hat vorhin gesagt, Sie sehen anscheinend jede Demonstration als eine schlechte Demonstration an. Das ist in der Schweinfurter Gegend nicht mehr so. Da wird es gewürdigt, wenn Bürgerinnen und Bürger ihre Meinung sagen. Man sieht sich mittlerweile nicht mehr als Feinde. Aber auch bei diesem Gesetz – das hat der Kollege Sprinkart sehr deutlich gemacht – müssen die Mühlen der Bürokratie mahlen, Herr Kollege Fischer.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In Kitzingen wurde beispielsweise bekannt, dass Bauern Genmais aussäen wollen. Binnen zweier Tage haben sich ganz normale, unbescholtene Bürger sonntags am Marktplatz getroffen: Der Bauernverband war dabei, kirchliche Bewegungen waren dabei, Bürgermeister, Politikerinnen und Politiker auch, aber in der Mehrzahl Leute, die sich Sorgen um ihre Region gemacht haben. In Zukunft werden solche spontanen Willensbekundungen der Bürgerinnen und Bürger in Bayern durch Bürokratie einfach schikaniert.

(Herbert Fischer (CSU): Das glauben Sie doch selber nicht!)

Herr Kollege Fischer, es ist ja vielleicht auch in Ihrem Interesse, wenn Eltern aufstehen und sagen: Wir sind dafür, dass an unserer Schule mehr Lehrerinnen und Lehrer

stätten friedlich und unbewaffnet waren. Trotzdem haben sie gegen ein Gesetz verstoßen.

Nächstes Beispiel, „Aichacher Zeitung“: Bauernprotest erwartet Anzeige.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Gabsteiger (CSU))

Au backe, heißt es dort, der Schuss ging nach hinten los. Zwar war nach Auskunft des Bauernverbandes die Demonstration wegen der sinkenden Milchpreise vor der Aldi-Filiale in Aichach ein voller Erfolg, doch das dicke Ende kommt erst noch. Wegen Verstoßes gegen das so genannte – in der Zeitung steht: so genannte! – Versammlungsgesetz muss die Polizei die Aktion nun bei der Staatsanwaltschaft anzeigen. Ich gehe davon aus, meine Damen und Herren, dass auch diese Bauern friedlich und unbewaffnet waren und sich von daher nach der Bayerischen Verfassung hätten versammeln dürfen, ohne gegen ein Gesetz zu verstoßen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ganz interessant ist, was dabei der zuständige Polizeichef von Aichach, Rudolf Rohhammer, sagt: „Uns bleibt nach dem Legalitätsprinzip leider nichts anderes übrig, als das Ganze zur Anzeige zu bringen.“ Das macht doch die Sache deutlich: Er will eigentlich gar nicht, aber er muss, auch wenn die meisten dieser Anzeigen – das will ich ja zugeben – irgendwann im Sande verlaufen.

(Günter Gabsteiger (CSU): Eben, du sagst es ja selber!)

Eines bringen sie ganz sicher: jede Menge bürokratischen Aufwand,

(Beifall bei den GRÜNEN)

genau das also, was Sie immer verhindern wollen. Sie brüsten sich immer damit, dass Sie Bürokratie abbauen. In diesem Punkt schaffen Sie jede Menge Bürokratie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Tolle.

(Günter Gabsteiger (CSU): Sie ist so frei!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, ich bin so frei, mir zu erlauben, zu sagen, dass das Gesetz nicht nur gegen das Grundrecht aller bayerischen Bürgerinnen und Bürger verstößt, sondern, das hat Kollege Sprinkart mir sehr gut als Stichwort gegeben, es schikaniert durch Bürokratie. Ich vermisse schon Ihren obersten europäischen Entbürokratisierer, weil ich vermute, dass er, wenn er drübergeschaut hätte, Ihnen schon mal die Meinung

Insbesondere geht es um die Anfertigung von Listen der persönlichen Daten einschließlich Namen, Geburtsnamen, Geburtsorte und Anschrift sowohl der Veranstalter, des Leiters wie auch der Ordner.