Protokoll der Sitzung vom 16.07.2008

Ihrerseits ist im Rechtsausschuss argumentiert worden, man werde sich dem Druck von der Straße nicht beugen. Ich bitte, sich einmal daran zu erinnern, mit wem Sie sich bei dieser Formulierung gemein machen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

unserem Land immer so argumentiert, wie die Kollegen Welnhofer und Obermeier heute.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das war immer das Gleiche. Es war immer die gleiche Argumentation, wie gerade, dass nämlich diejenigen, die sich für die Versammlungsfreiheit einsetzten, das Volk aufwiegeln würden. Das war 1848 so, 1910, 1935, 1989 in der DDR – immer haben die herrschenden Kreise, immer hat die Reaktion so argumentiert, das Volk würde aufgewiegelt werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN – En- gelbert Kupka (CSU): Wen wollt Ihr denn schützen?)

Das war immer Ihre Reaktion, bis heute, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Wir haben uns vor Ihnen doch nicht dafür zu rechtfertigen, dass wir darum gebeten haben, dass wir angeregt haben, dass Petitionen eingereicht werden. Mit Verlaub, warum soll ich mich dafür rechtfertigen? Soll ich Sie um Entschuldigung bitten? Warum soll ich das gegenüber einer Partei tun, die zur Zeit dabei ist, Unterschriften zu sammeln in einem ganz anderen Zusammenhang! Unterschriften, die wohl auch den Zweck haben sollen, auf die Willensbildung Einfluss zu nehmen, in diesem Fall sogar auf die von Ihnen mitgetragene Regierung. Warum also soll ich mich entschuldigen oder rechtfertigen?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Also, was bilden Sie sich überhaupt ein. Dritte Vorbemerkung – –

(Zurufe von der CSU)

Da können Sie sich aufregen, wie Sie wollen. Den Zusammenhang, den ich versucht habe, deutlich zu machen, den gibt es nun einmal. Ich verstehe, warum Sie sich so aufregen.

(Walter Nadler (CSU): Wir lassen uns nicht mit der DDR vergleichen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu den Ausführungen von Herrn Kollegen Welnhofer, der ebenso wie ich im Rechtsausschuss dabei war, möchte ich Folgendes sagen: Man muss sich schon entscheiden, ob sich das Versammlungsgesetz von 1953 nun bewährt hat, so wie es im Gesetzentwurf der Staatsregierung heißt, oder ob es so schlecht ist, wie Sie das dargestellt haben, so schlecht, dass wir es sofort verändern müssen, weil ansonsten die Chaoten die Straße besetzen.

Da muss man sich bei der Argumentation schon einigen: Ist es so oder ist es anders?

Wenn ich die Staatsregierung bislang richtig verstanden habe, ist es doch wohl so, dass man sagt: Das Versammlungsgesetz von 1953 hat sich alles in allem bewährt, wir

Ich habe Sie nicht verglichen; ich rede von autoritären Regimen in der Welt. Ich weiß gar nicht, warum Sie sich angegriffen fühlen; hören Sie doch zu. –

Immer ist versucht worden, die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit einzuschränken, weil sie Angst vor den Menschen auf der Straße haben.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Land hat eine freiheitliche Verfassung, und Träger der Staatsgewalt ist das Volk. Deshalb heißt es in Artikel 113 der Bayerischen Verfassung, dass alle Bewohner Bayerns das Recht haben, sich ohne Anmeldung oder besondere Erlaubnis friedlich und unbewaffnet zu versammeln, wobei eine Beschränkung des Grundrechts für Versammlungen unter freiem Himmel so wie in Artikel 8 Absatz 2 des Grundgesetzes in unserer Verfassung nicht vorgesehen ist.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Welnhofer?

Ja, gerne.

Herr Kollege Schindler, Sie weisen jetzt zum zweiten Mal darauf hin, dass das Versammlungsrecht im sogenannten Dritten Reich und in der DDR von den Herrschenden bedroht worden sei. Sie sagen dann auch, Sie wollen uns nicht vergleichen. Ist Ihnen eigentlich klar, dass Sie genau das tun, indem Sie den Gesetzentwurf der Staatsregierung und die Auseinandersetzung um diesen in eine historische Linie mit der früheren DDR und mit der Nazizeit stellen?

(Günter Gabsteiger (CSU): Ungeheuerlich! – Beifall bei der CSU)

Lieber Herr Kollege Welnhofer, ich verstehe Ihre künstliche Aufregung schon, warum Sie das jetzt sagen. Ich bitte aber doch einzuräumen, dass Sie offensichtlich nicht aufgepasst haben, weil ich bislang noch kein Wort zum Gesetzentwurf der Staatsregierung gesagt habe.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in einer freiheitlichen demokratischen Verfassungsordnung ist das Versammlungs- und Demonstrationsrecht aktives Statusrecht. Es macht Demokratie sichtbar und glaubwürdig; es macht Volkssouveränität praktizierbar. Das Versammlungs- und Demonstrationsrecht muss deshalb im Sinne der allgemeinen Freiheitsvermutung, die unser Grundgesetz und die Bayerische Verfassung prägen, interpretiert werden. Hier komme ich allmählich zum Gesetzentwurf und seiner Begründung und zur Argumentation der CSU.

Sie scheinen noch nicht verinnerlicht zu haben, dass das Recht, sich zu versammeln, keine Gnade des Staates ist.

(Simone Tolle (GRÜNE): Genau! – Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Das sollten Sie sich einmal überlegen und bitteschön auch zur Kenntnis nehmen,

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Das weckt Erinnerungen!)

dass nach unserer Bayerischen Verfassung, die vielen von Ihnen heute noch immer nicht gefällt – das weiß ich –, die Staatsgewalt beim Volk liegt. Wir sind die Vertreter.

(Beifall bei der SPD – Engelbert Kupka (CSU): So einen Popanz hier aufzuführen! Das ist unwürdig, was Sie hier machen!)

In der Bayerischen Verfassung heißt es, dass das Volk seinen Willen durch Wahlen und Abstimmung bekundet und selbstverständlich auch durch Versammlungen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN – En- gelbert Kupka (CSU): Worüber reden Sie denn überhaupt? Über welches Land reden Sie denn?)

Ich rede über ein Land, in dem eine Partei arrogant geworden ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich rede über ein Land, in dem eine Partei, eine Fraktion – demokratisch legitimiert, das gebe ich zu – meint, nicht mehr hinhören zu müssen, was draußen geredet wird. Sie hören nur dann hin, wenn es Ihnen politisch passt und machen Kampagnen dann, wenn es Ihnen politisch passt. So ist das nämlich und nicht anders, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Engelbert Kupka (CSU): Sie verteidigen doch nicht die Bürger sondern die Extremen!)

Ich sage noch einmal: Immer wenn es um den Kampf um demokratische Freiheiten gegangen ist, ist es auch um die Versammlungsfreiheit gegangen; das war in den Fünfzigerjahren des vorletzten Jahrhunderts in Deutschland so, das war im Kaiserreich so, und das war in der früheren DDR so.

(Engelbert Kupka (CSU): Mit denen wollen Sie uns vergleichen? Das ist eine Unverschämtheit!)

Es ist kein Zufall, dass autoritäre Regime in aller Welt – –

(Engelbert Kupka (CSU): Mit der DDR vergleichen Sie uns! – Renate Dodell (CSU): Bodenlos! Das ist eine Unverschämtheit!)

Ich habe Sie mitnichten verglichen.

Es ist kein Zufall, dass autoritäre Regime in aller Welt in der Regel nicht nur Parteien und Vereine verbieten und unterdrücken.

(Zurufe von der CSU)

sich bei den bisherigen Versammlungen keine Erscheinungen gezeigt, die den Erlass eines solchen Gesetzes rechtfertigten.

Der Gesetzentwurf ist erheblich verändert worden, insbesondere sind die Rechte und Pflichten des Veranstaltungsleiters erweitert und schärfer präzisiert worden. Die nach dem Regierungsentwurf sehr weit gehenden Befugnisse der Polizei sind beschränkt worden. Ein allgemeines präventives Versammlungsverbot, wie ursprünglich einmal vorgesehen, wurde nur noch dann für zulässig erachtet, wenn die Polizei vorher feststellen könne, dass der Veranstalter einen unfriedlichen Verlauf anstrebe.

Umstritten war bereits damals – das kann man nachlesen – das sogenannte Uniformierungsverbot, weil man sich auf allen Seiten des Bundestages – das kann man alles nachlesen – der Schwierigkeiten einer exakten Definition dessen, was unter einer Uniform in diesem Sinne zu verstehen sei, bewusst war. – Das erinnert irgendwie an die Diskussionen dieser Tage.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Uniformierungsverbot von 1953 beruht auf den historischen Erfahrungen mit militanten Parteiarmeen in den Krisenjahren der Weimarer Republik. Mir muss man nicht sagen, dass man verhindern muss, dass wieder solche Armeen auftreten, egal, in welcher Gestalt. Mir muss man das nicht sagen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD – Ernst Weidenbusch (CSU): Dann ist’s ja gut!)