Protokoll der Sitzung vom 17.03.2004

(Beifall bei der CSU)

Ein weiterer Punkt sind extremistische Ausländer. Wir haben die Rechtslage, dass bei konkretem Verdacht Ausländer, die hier in Deutschland extremistisch tätig sind, nicht ausgewiesen werden können. Dem Staat wird auferlegt, dass er den Nachweis dafür führen muss. Wir alle haben den Freispruch des Verdächtigen in Hamburg miterlebt. Nach der Beweisaufnahme hat das Gericht gesagt: Es

spricht viel dafür, dass der Angeklagte einer Terrorzelle angehört hat. Es spricht viel dafür, dass er Kenntnisse dieser Dinge gehabt hat, aber der letzte Nachweis fehlt, weil die USA einen Zeugen nicht zur Verfügung gestellt haben.

Wir haben die Rechtslage, dass wir solche Menschen, gegen die erhebliche Verdachtsmomente bestehen und die keine Auskunft geben, in diesem Lande lassen müssen. Ein solcher Mensch wird hier weiter geduldet, und wir beobachten ihn rund um die Uhr, um Anschläge zu vermeiden. Solche Fälle haben wir auch in Bayern. Das ist unzumutbar für die Sicherheit der Menschen in diesem Land. Wer sich durch Handlungen und Kontakte in Terrorverdacht begibt, dessen Aufenthalt muss beendet werden. Dem müssen wir sagen können: Sie sind in diesem Land nicht mehr erwünscht, bitte gehen Sie nach Hause. Sie sind ein Sicherheitsrisiko, und ein Sicherheitsrisiko dulden wir in diesem Land zum Schutz unserer Bürger nicht.

(Beifall bei der CSU)

Eines sage ich Ihnen auf den Kopf zu: Wenn Sie diesen Punkt des Terrorverdachts nicht regeln, wird es kein Zuwanderungsgesetz mit Zustimmung der Union bzw. der CSU geben. Dann werden wir dieses Gesetz zum Scheitern bringen.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei den GRÜ- NEN)

Uns geht der Schutz der Bevölkerung in Deutschland vor. Er hat Vorrang vor dem Aufenthaltsrecht von des Terrorismus verdächtigen Personen. Sie können sehr wohl aufgefordert werden, nach Hause zu gehen. Das ist keine Bestrafung, sondern wir entscheiden immer noch selbst, wer in diesem Land ein Aufenthaltsrecht hat und wer nicht. Das Gleiche gilt für die Einreise. Beim geringsten Terrorverdacht müssen die Visa verweigert werden. Wir brauchen schärfere Bestimmungen für die Einreise. Demjenigen, gegen den ein Verdacht wegen Straftaten oder Terrorismus besteht, muss ohne Begründung das Visum verweigert werden können, damit die Einreise nicht möglich ist.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, es wird bald in diesem Hause wieder zum Schwur kommen.

(Franz Schindler (SPD): Keine Angst! – Zurufe von den GRÜNEN)

Wir werden die bayerischen Behörden mit weiteren Befugnissen ausstatten müssen, um Gewalttaten und terroristische Akte zu verhindern. Wir müssen unsere Sicherheitskräfte durch Handreichungen und gesetzliche Bestimmungen in die Lage versetzen, dass sie im Vorfeld Gewalttaten und terroristische Taten erkennen, um sie zu verhindern. Wir werden wieder einen Gesetzentwurf bezüglich der präventiven Abhörmaßnahmen des Telefonverkehrs vorlegen, weil wir es für unverzichtbar halten, dass wir diese neuen technischen Möglichkeiten nutzen, um Gefahren für Leib und Leben unserer Bevölkerung abzuwenden. Ich bin gespannt, ob die bayerische SPD

und die bayerischen GRÜNEN in der Lage sind, dem zuzustimmen, oder ob sich wieder herausstellt, dass der Schutz der Bevölkerung vor Gewalt dem Schutz der Privatsphäre von Terrorverdächtigen untergeordnet wird.

(Beifall bei der CSU)

Das haben wir oft genug erleben müssen. Ich bin gespannt auf diese Diskussion. Es würde mich sehr überraschen, wenn Sie von der Opposition in diesem Fall anders als bei vergleichbaren Gesetzesvorhaben verfahren würden.

Wir dürfen es nicht dabei belassen, unser Bedauern über solche Straftaten zum Ausdruck zu bringen. Dies ist zwar richtig und wichtig, wir sind aber mindestens genauso dazu aufgefordert, alles in unserer Zuständigkeit Liegende zu tun, um in unserem Land solche schrecklichen Ereignisse zu verhindern. Wir müssen alles tun, unsere Menschen, die Bürgerinnen und Bürger im Freistaat und unsere Gäste, davor zu schützen, dass sie Opfer von Gewalt und Terrorismus werden.

Wir von der CSU werden dies tun. Wir werden alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Menschen in Bayern zu schützen. Ich fordere Sie von der Opposition auf: Beteiligen Sie sich daran; denn wer sich hieran nicht beteiligt, muss sich fragen lassen, ob er nicht Mitverantwortung trägt, wenn schreckliche Dinge eintreten.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD – Hans Joachim Werner (SPD): Geistiger Terrorist!)

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kollegen Schuster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Etwas ruhiger, bitte. Wir kennen Herrn Kreuzer und wissen, wie er sich immer echauffiert.

Auch wir verurteilen die unmenschlichen Terroranschläge in Madrid aufs Schärfste. Durch die hinterhältigen Bombenanschläge auf Bahnhöfe und Züge wurden 200 Menschen getötet und mehr als 1500 zum Teil schwer verletzt. Unser Mitgefühl gilt deshalb den Opfern und ihren Angehörigen. Der Landtagspräsident hat gestern gesagt: Diesen Mördern muss von uns allen energisch Widerstand entgegengesetzt werden. Hier sind wir uns über die Parteigrenzen hinweg einig.

Was uns jedoch an Ihren Anträgen, die regelmäßig nach Terroranschlägen gestellt werden, nicht gefällt, ist, dass Sie diese Terroranschläge ausnutzen, um Ihre seit Jahren erhobenen Forderungen wieder in die Debatte einzubringen.

(Beifall bei der SPD)

Der erste Dringlichkeitsantrag der CSU vom 24.10.2001 enthält die Forderung, die Bundeswehr im Innern einzusetzen. Der zweite Dringlichkeitsantrag der CSU vom 26.11.2003 nach den Anschlägen in der Türkei enthält die Forderung, die Bundeswehr im Innern einzusetzen. Heute fordern Sie in Ihrem Dringlichkeitsantrag nach den

Terroranschlägen in Madrid ebenfalls, die Bundeswehr im Innern einzusetzen.

(Karin Radermacher (SPD): Als ob die Bundeswehr das verhindern könnte!)

Wir von der SPD-Fraktion sprechen uns nachdrücklich für die im Grundgesetz verankerte strikte Trennung von polizeilichen und militärischen Aufgaben aus.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dabei sind wir in guter Gesellschaft. Auch die Polizeigewerkschaften und der Bundeswehrverband sehen dies genauso.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Im Grundgesetz wurde aufgrund der historischen Erfahrungen in Deutschland diese strikte Trennung von polizeilichen und militärischen Aufgaben festgeschrieben, weil andernfalls das Kräftegleichgewicht in einer Demokratie als besonders gefährdet angesehen wurde. Deshalb wurde im Artikel 87 a des Grundgesetzes die Möglichkeit des Einsatzes der Bundeswehr im Innern stark eingegrenzt und der Hilfseinsatz bei Naturkatastrophen und Unglücksfällen an ganz anderer Stelle, nämlich im Artikel 35 geregelt.

Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, zum Beispiel bei der Oderflut, ist also geregelt. Inzwischen wurde auch die Bedrohung aus der Luft durch das Luftsicherheitsgesetz geregelt und vom Bundestag beschlossen. Das neue Luftsicherheitsgesetz sorgt für Rechtsklarheit und schafft auf der Basis des Artikels 35 des Grundgesetzes eine solide Grundlage für den Einsatz der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei.

Einen darüber hinausgehenden Einsatz der Bundeswehr im Innern lehnen wir strikt ab. Die Bundeswehr ist keine Polizeitruppe. Sie ist dafür überhaupt nicht ausgebildet. Ihr populistischer Ruf: „Wenn deutsche Soldaten im Kosovo Polizeiarbeit leisten, dann können sie das auch im Allgäu tun“, läuft ins Leere. Die Bundeswehr hat die Aufgabe im Kosovo nur so lange übernommen, bis es dort wieder eine Polizei gab.

Wir haben in Deutschland eine ausgezeichnete Polizei, natürlich nur dann, wenn man sie nicht kaputtspart.

(Beifall bei der SPD – Marianne Schieder (SPD): So ist es!)

Den Anfang, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, haben Sie gestern bei der Verabschiedung des Haushalts gemacht.

(Marianne Schieder (SPD): Genau!)

Wenn der Herr Ministerpräsident, wie gestern geschehen, wegen der erhöhten Terrorgefahr eine verstärkte Polizeipräsenz in Bayern fordert, muss er auch wissen, dass das Geld kostet. Es geht nicht an, Kolleginnen und Kollegen, bei der Polizei zu sparen und zugleich die vom Bund be

zahlte Bundeswehr in die Pflicht nehmen zu wollen, um zum Beispiel zivile Objekte zu bewachen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Aber es gibt aus der letzten Zeit ja viele Beispiele dafür, dass Sie im Land Geld gespart und vom Bund Geld gefordert haben.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN – Alexander König (CSU): Sind Sie denn nicht dafür als bayerischer Abgeordneter, Herr Schuster?)

Was Ihre Forderungen zum Ausländerrecht betrifft, warne ich davor, aus den Anschlägen politisches Kapital zu schlagen und die falschen Konsequenzen zu ziehen. Einer generellen Verschärfung des Ausländerrechts erteilen wir eine Absage. Bereits heute können Extremisten ausgewiesen werden, wenn eine Gefahr für Deutschland besteht, das heißt Personen, die sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligen, dazu aufrufen oder einer Vereinigung angehören, die den internationalen Terrorismus unterstützt.

Was den verfestigten Aufenthaltsstatus betrifft, wird der Bundesminister Gespräche mit der Union führen. Soviel mir bekannt ist, soll im Rahmen der Gespräche zum Zuwanderungsgesetz über Details der Aufenthaltsrechte gesprochen werden. Sie können Ihre Drohungen also beruhigt wieder ein bisschen zurücknehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dass Sie im Schlusssatz Ihres Antrags wieder die präventive Telefonüberwachung auflegen, das war eigentlich klar. Bevor Sie jedoch die Schaffung einer Rechtsgrundlage, die Sie wegen fachlicher Fehler schon einmal zurückziehen mussten, fordern, sollte erst einmal geklärt werden, welche Auswirkungen der Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichts zum großen Lauschangriff auf unsere Landesgesetzgebung und damit auch auf die präventive Telefonüberwachung hat.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas zur Gefährdungslage der Bundesrepublik sagen. Nach den Terroranschlägen in Madrid ist klar, dass die terroristische Bedrohung in Europa eine neue Qualität erreicht hat. Die Bundesrepublik ist ein Teil des allgemeinen Gefahrenraums. Aber es liegen momentan keine Erkenntnisse über akute Gefahren vor. Allerdings – da stimme ich Ihnen zu – kann nie ausgeschlossen werden, dass auch bei uns Terroranschläge stattfinden, da unter anderem – Sie haben es genannt – auch deutsche Soldaten in Afghanistan eingesetzt sind.

Allerdings, Kolleginnen und Kollegen der CSU, darf in diesem Zusammenhang auch die Frage gestellt werden: Wie würde denn die Bedrohungslage für die Bundesrepublik aussehen, wenn die Bundestagswahl anders ausgegangen wäre und deutsche Soldaten, wenn es nach der

Meinung sehr vieler Unionsabgeordneter gegangen wäre, unter anderem der CDU-Vorsitzenden Merkel, heute im Irak eingesetzt wären?

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)