Protokoll der Sitzung vom 17.03.2004

Aufgrund der terroristischen Anschläge in Madrid mussten wir feststellen, dass al Qaida mitten in Europa aktiv geworden ist. Wir wissen, dass wir ein hohes Potenzial an islamistischen Kämpfern hier in Deutschland haben, und

müssen uns deshalb sehr wohl die Frage stellen, welche Gefahren uns drohen. Ich erinnere an die Attentäter des 11. September um Mohammed Atta, und ich denke an die Sympathisanten islamistischer Terroristen, die auch in Bayern leben. Wir wissen, dass Kämpfer in Afghanistan und im Irak ausgebildet werden und in unser Land zurückkommen. Und wir wissen, dass deutsche Staatsangehörige in diesen Ländern ums Leben gekommen sind.

Angesichts dieser Situation müssen wir mit großer Bestürzung feststellen: Ja, diese Gefahren rücken näher. Ich meine, dass wir uns auch in diesem Hohen Hause mit diesen Fragen zu beschäftigen haben.

Deutschland kann vom Ruhe- und Vorbereitungsraum zum Ausführungsraum werden; diese Gefahr besteht. Wir sind engagiert in Afghanistan und am Horn von Afrika, und daher, liebe Kollegin Kamm, geht es nicht um die Instrumentalisierung irgendwelcher Anschläge, sondern darum, wachsam zu sein. Wir haben allen Grund, an dieser Stelle wachsam zu sein.

(Beifall bei der CSU)

Deshalb begrüße ich es ausdrücklich, dass dieses Thema heute auf der Tagesordnung steht und dass wir uns mit diesen Fragen auseinander setzen können; denn auch wir haben Kompetenzen dafür, die in besonderer Weise gefordert sind.

Die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit sind fließend. Unter diesem Aspekt –Kollege Kreuzer hat es angesprochen – müssen wir auch die Frage diskutieren, wie sehr wir die Bundeswehr bei diesem Thema brauchen. Wir brauchen sie nicht anstatt, sondern wir brauchen sie ergänzend zur Polizei und ergänzend zum Bundesgrenzschutz. Wir haben in den Fernsehreportagen gesehen, dass die Sicherheitskräfte ganz schnell an die Grenzen ihrer Kapazität kommen können; es geht um Anschläge, die wir uns in dieser Dimension vor einigen Jahren noch nicht haben vorstellen können. Unvorstellbares ist vorstellbar geworden. Deswegen müssen wir in besonderer Weise alle Sicherheitskräfte in dieser Parallelität gemeinsam einbinden. Ich sage noch einmal: in aller Parallelität, so wie es Kollege Kreuzer eben dargestellt hat.

Es geht nicht darum zu sagen, wir wollten hier in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise Bundeswehr, Polizei und Bundesgrenzschutz vermischen. Es geht vielmehr darum, in besonderen Gefahrenlagen in Parallelität alle diese Sicherheitskräfte einsetzen zu können. Ich denke nur an das Thema ABC-Schutz. Jeder, der davon etwas versteht, akzeptiert, dass wir auf diesem Gebiet Polizei, Bundesgrenzschutz und Bundeswehr in der Parallelität brauchen.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt noch eine Bemerkung zu dem, was Herr Kollege Welnhofer eben gesagt hat. Es ist dies ein wichtiger Aspekt in der politischen Debatte. Wir müssen alles daran

setzen, dass extremistische Ausländer, die eine Gefahr für uns sind, unser Land schnell verlassen.

(Beifall bei der CSU)

Hier gilt es, die Nachweisanforderungen für solche Maßnahmen abzusenken. Wir müssen die gesetzlichen Vermutungsregelungen ändern.

(Beifall bei der CSU)

Wir müssen alle Maßnahmen ergreifen, die es erleichtern, extremistische Ausländer auszuweisen. Daran haben wir zu arbeiten, und das ist auch ein Teil des Pakets, das wir immer wieder von der Bundesregierung angemahnt haben, das aber leider von ihr nie geschnürt worden ist.

Ich kann Ihnen gern ein Beispiel dazu bringen, Herr Kollege Welnhofer. Es handelt sich um einen Fall, der am Verwaltungsgericht in Regensburg verhandelt wurde. Im Ergebnis war dabei eine Gefährdung nicht nachzuweisen, obwohl ein mittelloser Mann, der viele Jahre mit dem internationalen Terrorismus verbunden war, plötzlich ein Schiff für eine Million Euro kaufen wollte. Dieser Mann konnte nicht ausgewiesen werden, weil dafür die notwendigen gesetzlichen Grundlagen nicht vorhanden waren.

Liebe Freunde, die Bevölkerung wird das eines Tages nicht mehr mitmachen. Sie wird nicht mehr akzeptieren, dass wir solche Personen in unserem Lande dulden. Da verurteile ich nicht den Richterspruch, sondern fordere vielmehr, die dafür notwendigen gesetzlichen Grundlagen zu schaffen.

(Beifall bei der CSU)

Sie schreiben in Ihrem Antrag, Frau Kollegin Kamm, „wir brauchen ein Zuwanderungsgesetz, das die Integrationsfragen regelt“. Damit stehen Sie neben dem Thema. Als ob es bei der Bekämpfung des Terrorismus um Fragen der Integration ginge! Da liegen Sie völlig daneben. Sie erkennen die Gefahren nicht, die unserem Lande hier drohen. Das ist verantwortungslos.

(Beifall bei der CSU)

Ich darf jetzt noch einige Stichworte nennen, die ich für wichtig halte und die Teil dieses Pakets sein müssen, das endlich in Berlin beschlossen werden muss. Dazu gehört unter anderem die Regelanfrage beim Verfassungsschutz bei der Einbürgerung als eine zwingende Notwendigkeit. Wir müssen das Vereinsgesetz ändern, um Ausländervereine dann verbieten zu können, wenn sie extremistische Bestrebungen verfolgen. Wir müssen die Speicherfähigkeit in Fragen der ethnischen Zugehörigkeit ergänzen. Biometrische Merkmale sind ein weiteres Stichwort. Wir müssen die Finanzströme der kriminellen Organisationen austrocknen. Das ist eine essenzielle Frage ebenso wie die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung. Wer weiß, wie schwierig es ist, in diese Kreise hineinzukommen, kann doch nicht sagen: Das betrifft uns nicht, das ist alles

weit weg. Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Probleme berühren uns hautnah.

Eine letzte Bemerkung zur Telekommunikationsüberwachung, TKÜ. Herr Kollege Kreuzer hat es angesprochen. Wenn es um die Frage der Strafverfolgung geht, haben wir gesetzliche Grundlagen. Jetzt wird es darum gehen, die präventive Überwachung in besonderer Weise auszubauen. Wir werden das Polizeiaufgabengesetz ändern müssen, weil wir gar keine Alternativen haben, um diesen Fragen anders zu begegnen. Da wird sich sehr schnell zeigen, wie sehr die Opposition diese Gefahren erkennt und bereit ist, ihren Beitrag zur Bekämpfung dieser Gefahren zu leisten.

Angesichts der Bedrohung, die wir in diesem Lande haben, können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Deshalb ist es wichtig, in Berlin weiterhin die Maßnahmen einzufordern, die nur dort beschlossen werden können. In diesem Hohen Hause müssen wir dann auch noch gemeinsam die gesetzlichen Veränderungen anstreben, die notwendig sind, um diesen Gefahren zu begegnen.

(Beifall bei der CSU)

Die Fraktionen sind dankenswerterweise übereingekommen, auf weitere Redebeiträge zu verzichten. Damit ist die Aussprache ge

schlossen. Die Abstimmung über diesen Dringlichkeitsantrag findet in der nächsten Plenarsitzung statt.

Die übrigen Dringlichkeitsanträge werden an die Ausschüsse überwiesen. Den Rest der Tagesordnung werden wir im nächsten Plenum behandeln.

Ich schlage vor, die Ergebnisse der vorhin durchgeführten namentlichen Abstimmungen zu Protokoll zu geben. – Beide Anträge wurden abgelehnt. Ich höre keinen Widerspruch. Es wird so geschehen.

(Abstimmungslisten siehe Anlagen 13 und 14)

Lassen Sie mich nun noch außerhalb der Tagesordnung kurz bekannt geben, dass die Mitglieder der Datenschutzkommission in ihrer Sitzung am 9. März 2004 Herrn Kollegen Prof. Dr. Hans Gerhard Stockinger zum Vorsitzenden der Kommission und Frau Kollegin Bärbel Narnhammer zu seiner Stellvertreterin gewählt haben. – Das Hohe Haus nimmt davon Kenntnis.

Damit sind wir am Ende der Tagung. Sie sind alle erschöpft. Denjenigen, die noch Termine haben, wünsche ich eine gute Verrichtung; den anderen einen schönen Abend. Die Sitzung ist geschlossen.