Protokoll der Sitzung vom 17.07.2008

Ich freue mich, muss ich sagen, dass gegen die beiden U-Bahn-Täter harte Strafen verhängt worden sind und hoffe, dass diese auch in der 2. Instanz bestehen bleiben; das wäre ein Nachweis, dass die bestehenden Regelungen ausreichen.

Wir haben aber auch gesagt – das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen –, dass über die bestehenden Gesetzesinitiativen hinaus keine weiteren notwendig sind. Die bestehenden, das heißt die Erhöhung des Jugendstrafrechts auf 15 Jahre Höchststrafe und das Erwachsenenstrafrecht als Regelfall bei Heranwachsenden, werden von den Beschlüssen der Enquete-Kommission nicht konterkariert. Wir wollen keine weiter darüber hinausgehenden Initiativen.

(Dr. Markus Söder (CSU): Das ist Ihre Interpretation, Herr Vorsitzender!)

Das ist eine Interpretation. Wenn man es wörtlich liest, heißt es, über die bestehenden Initiativen hinaus, keine weiteren. Wie weit man die bestehenden bewertet, damit haben wir uns nicht beschäftigt. Und das ist vielleicht auch gut so; denn dadurch konnten wir Übereinstimmung erzielen zu sagen, die konsequente Anwendung des bestehenden Rechtes ist uns sehr wichtig.

Auch die geschlechtsspezifische Situation hat uns beschäftigt. Wir haben festgestellt, dass Mädchen und junge Frauen in der Schule, in der Ausbildung und im Studium besser sind als ihre männlichen Kollegen,

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): So ist das!)

dass sie anschließend im Beruf aber trotzdem bei der Bezahlung und den Aufstiegschancen noch benachteiligt sind.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das liegt an den Männern!)

Wir brauchen auch Werkstätten für erheblich benachteiligte Jugendliche in einer beschützenden Art.

Ein wichtiges Thema war uns auch der Bereich Medien, Jugendkultur, Jugendinformation. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Medienlandschaft ist so vielfältig, dass sich daraus viele Chancen, aber auch Gefahren für das Jugendalter ergeben. Wir müssen die Medienkompetenz der jungen Menschen, aber auch der Eltern und der Lehrer stärken. Alle zusammen sorgen dafür, dass Jugendliche die richtige Auswahl treffen und dass sie kompetent durchs Internet oder andere Angebote surfen. Wir brauchen einen ordnungsrechtlichen Rahmen, der transparent gestaltet ist. Die Kommission für Jugendmedienschutz soll nach unserer Meinung an einem Ort, nämlich in München, konzentriert werden. Eine Geschäftsstelle und eine Stabsstelle machen wenig Sinn, vor allen Dingen, wenn die Außenstelle dort sitzt, wo es wenig Angebote gibt.

Sehr lange hat uns auch das Thema Jugendschutz und Gesundheit beschäftigt. Hier waren vor allem der Alkoholmissbrauch, Stadelfeste und Vereinsfeste Schlagworte. Hier muss weiterhin konsequent kontrolliert werden. Hier muss auch im Vorfeld präventiv gearbeitet werden, hier muss aufgeklärt werden, damit die Veranstalter richtig handeln und damit die Jugendlichen geschützt sind.

Wir brauchen eine Klarstellung im Bereich der Erziehungsbeauftragung. Das Jugendschutzgesetz sieht hier eine Formulierung vor, die keinerlei genaue Vorgaben macht. Es gibt unterschiedliche Urteile mittlerweile dazu. Diese unterschiedlichen Urteile führen dazu, dass man nicht mehr genau sagen kann: Braucht es nun ein Autoritätsverhältnis zwischen dem Erziehungsbeauftragten und dem Minderjährigen oder braucht es das nicht? Kann der 18-jährige Freund seine 16-jährige Freundin als Erziehungsbeauftragter begleiten oder geht das nicht? – Nach unserer Anschauung sollte hier eine klare Differenzierung stattfinden.

Flatrate-Partys müssen natürlich weiterhin unterbunden werden. Der Jugendschutz richtet sich im Übrigen vor allem an die Erwachsenen, nicht an die Minderjährigen. Das muss man ganz deutlich sagen: Jugendschutz ist keine Strafe für Minderjährige, sondern er bedeutet eine Aufforderung an alle Beteiligten, an die Gaststättenbetreiber, an die Verantwortlichen in den Vereinen, hier ganz klar auch an die Geschäftsinhaber von Tankstellen etc., darauf zu achten, dass Jugendliche geschützt werden, denn Jugendliche können sich in diesem Bereich nicht selbst schützen.

Bei Gewalt und Extremismus konnten wir die erfreuliche Feststellung machen, dass es gerade im Bereich der schweren Gewaltkriminalität keinen dramatischen Anstieg gegeben hat. Hier haben wir in Bayern hervorragende Zahlen. Aber man muss auch sagen: Die kleine Gruppe der Mehrfachtäter, der sogenannten Intensivtäter, stellt ein Problem dar. Wir müssen besonders darauf achten, woran das liegt. Gewalt wird überwiegend von männlichen Jugendlichen gegen männliche Jugendliche ausgeübt. Das heißt: Männliche Jugendliche, Burschen, sind Täter, aber auch die Opfer. Darauf müssen wir besonders eingehen. Hier spielt die Sozialisation eine große

Der Bereich Ökologie ist mir persönlich etwas zu kurz gekommen. Die allgemeine Feststellung ging dahin, dass das Umweltbewusstsein zwar weitgehend vorhanden ist, aber der persönliche Handlungsansatz, die persönliche Bereitschaft, das umzusetzen, was man als richtig erkennt, ist gesunken. Das heißt, man hat das Umweltbewusstsein vergesellschaftet. Jeder sagt: Ja, aber macht ihr das, das machen die anderen, das macht der Staat, die Allgemeinheit. Hier brauchen wir ein erhöhtes Bewusstsein, wieder selbst zu handeln, und deshalb wollen wir das freiwillige ökologische Jahr ausbauen. Damit sollen konkret ökologische Bildung und ökologische Handlungsaufforderungen erfahren und gelebt werden.

Parteiübergreifend empfiehlt die Enquete-Kommission, ein neues Kinder- und Jugendprogramm in der nächsten Legislaturperiode zu schaffen. Nach zehn Jahren ist eine Überarbeitung notwendig.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Ja, das wird Zeit!)

Dieses Kinder- und Jugendprogramm soll auf den Ergebnissen der Enquete-Kommission aufbauen. Wir wollen zur Mitte der nächsten Legislaturperiode einen Bericht über die Umsetzung der Handlungsempfehlungen durch die Staatsregierung hier im Hohen Hause. Was wir nicht wollen, ist ein Jugendbericht in Bayern, wie es ihn auf Bundes- und Europaebene gibt. Das wäre mit sehr hohem Aufwand verbunden und erscheint uns nicht zielführend. Allerdings sollten sich alle Fraktionen im Landtag verstärkt und häufiger mit der Jugendpolitik beschäftigen und mehr Initiativen in diesem Bereich einbringen.

Im Zusammenhang mit der Forderung nach dem Jugendbericht, vor allem auch durch den Vertreter der SPDFraktion, Kollegen Förster, möchte ich betonen, dass uns die Verbindung von Politikern und Experten in der Enquete-Kommission sehr zielführend erschienen ist. Das hat Charme und Reiz; man lernt gegenseitig und voneinander. Ich denke, es war genau die richtige Methode für die Zusammensetzung der Enquete-Kommission. Das heißt auch, die Forderung, einen Jugendbericht nur von Experten erstellen zu lassen, mag man so stehen lassen, wir teilen sie aber nicht und wir teilen vor allem keine in dieser Forderung enthaltene Kritik an der Enquete-Kommission, wenn das so gemeint sein sollte.

Zum Schluss darf ich noch auf eines hinweisen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das französische Wort „Enquete“ hat eine lateinische Wurzel; es stamm von inquirere. Das bedeutet, nachforschen, untersuchen. Sie wissen aber, dass inquirere auch das Stammwort für Inquisition ist.

(Engelbert Kupka (CSU): Ein Untersuchungsausschuss ist das! – Heiterkeit)

Ein Untersuchungsausschuss, sagt Kollege Kupka; so könnte man das auch sagen. Die Inquisition hat immer auch vorgegebene Konstanten gehabt, in der Regel auch vorgegebene Urteile. Das war bei uns nicht so. Im Gegensatz dazu, sind wir nicht mit vorgefassten Urteilen zusammengekommen, sondern wir haben die jungen Menschen

Das heißt, wir brauchen hier eine weitere Förderung. Gleichzeitig brauchen wir aber auch – das ist ganz wichtig – mehr Förderung für die Buben, für die Burschen, die jungen Männer. Denn bei ihnen gibt es einen höheren Anteil von im Bildungsbereich schlechter qualifizierten Jugendlichen, die dann im Beruf Schwierigkeiten haben.

In diesem Zusammenhang haben wir gesagt, wir wollen, dass die Erziehung wieder etwas männlicher wird.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das muss besser bezahlt sein, dann wird es dort auch männlicher!)

Im Kindergarten und in der Grundschule arbeiten überwiegend Frauen. Aber das können wir von der Politik her nicht alleine steuern, sondern wir brauchen auch einen Bewusstseinswandel. Da müssen wir ansetzen, damit wieder mehr Männer in diesem Bereich tätig werden.

In Bezug auf die jungen Menschen mit Behinderungen wollen wir die Integration am Ausbildungsplatz und auf dem Arbeitsmarkt verstärken. Wir setzen auf Kooperation, auf Partnerschaft mit der Wirtschaft. Eine zwangsweise Ausbildungsabgabe hat die Kommission mehrheitlich abgelehnt; wir halten sie für zu bürokratisch und für zu wenig passgenau, denn es könnte zu einem Freikauf von der moralischen Verpflichtung, diese Jugendlichen auszubilden, kommen.

Auch das Thema junge Menschen mit Migrationshintergrund haben wir eingehend besprochen. Circa 19 % der Jugendlichen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. Das ist ein erheblicher Anteil, der uns zum Handeln zwingt. Hier hat für uns klaren Vorrang die deutsche Sprache in der Bildung. Wir wollen, dass jeder junge Mensch mit Migrationshintergrund die deutsche Sprache beherrscht; denn nur dadurch kann er gleichberechtigt an der Bildung, der Ausbildung, am Arbeitsmarkt, an der Gesellschaft und an der Politik teilhaben. Junge Migrantinnen und Migranten sind wichtige und notwendige Mitglieder der Gesellschaft. Auch das ist eine zentrale Feststellung der Kommission. Wir brauchen diese jungen Menschen und wollen sie in vollem Umfang integrieren. Demgegenüber fordern wir aber von ihnen auch die Bereitschaft, sich zu integrieren. Dazu brauchen wir unter anderem mehr muttersprachliche Ansprechpartner in den Bildungseinrichtungen; denn gerade die Mütter sind ein großer Schlüssel im Zugang zu den jungen Migranten, um ihnen von Anfang an gute Chancen zu bieten.

Wir sagen zur Muttersprache: Wir schätzen sie Wert; es ist eine Chance.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist viel zu lange vernachlässigt worden!)

Denn selbstverständlich werden viele Muttersprachen in unserer globalisierten Gesellschaft gebraucht. Gleichwohl meinen wir, die deutsche Sprache muss Vorrang haben. Die Förderung der Muttersprache kann nur dort geschehen, wo es nicht zum Vorrang vor der deutschen Sprache kommt.

Das merken wir spätestens an der Sprache. Um das zu verdeutlichen, hatte ich eine 8. Klasse in meiner Heimatstadt Augsburg gebeten, mein Fazit der Enquete in einen entsprechenden Jugendjargon zu übersetzen. Dieser lautet: Jugendliche sind herbe cool, aber voll korrekt drauf.

Das klingt seltsam und für manche sogar wie eine Fremdsprache, und es ist aus meiner Sicht der Dinge vielleicht auch ein bisschen das Problem der Jugend-Enquete, dass wir die Sprache der Jugend nicht direkt sprechen, weder verbal noch vom Lebensstil und vom Lebensgefühl her. Wir können viele Sorgen und Nöte nicht verstehen, auch wenn wir sie statistisch erfassen und quantifizieren können. Auch ich musste im Laufe der Beratungen in der Enquete-Kommission erkennen, dass mein Berufsjugendtum da einen kleinen Kratzer hat.

Gerade deshalb aber war es auch so wichtig, uns auf einer breiten Basis so ausführlich mit der Lebenssituation junger Menschen in Bayern auseinanderzusetzen. Wir waren nicht, wie eine der größeren bayerischen Zeitungen gemutmaßt hatte, die überflüssigste Kommission des Bayerischen Landtags. Wir waren eine dringend notwendige und längst fällige Institution,

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

die Daten und Fakten sammeln musste und sollte, auf deren Basis wir in der nächsten Legislaturperiode beweisen können, wie sehr es jede einzelne Fraktion hier in diesem Hohen Hause ernst meint, wenn wir immer das Wort auf den Lippen tragen: die Jugend ist unsere Zukunft.

Die beachtliche Präsenz der Kolleginnen und Kollegen hier im Plenum zeigt auch, wie wichtig den Fraktionen das Thema „Jugend“ ist. Vielen Dank dafür.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Wenn wir vielleicht auch mit diesen Vertretern der Jugend manchmal etwas kritisch umgehen, mit der Jugend selber muss es uns nicht bange werden; denn wir haben sowohl von der Datenlage her als auch bei den Anhörungen, Fachgesprächen und bei den Besuchen der Enquete-Kommission vor Ort ein sehr positives Bild der bayerischen Jugendlichen gewonnen. Und so kehre ich zu meinem eingangs genannten Satz zurück: „Jugendliche sind herbe cool, aber voll korrekt drauf!“ Ich übersetze diesen Satz für diejenigen, die ihn nicht verstanden haben: Jugendlichen haben ihre Eigenheiten, aber sie sind ansonsten total in Ordnung!

Die Jugendlichen im Freistaat sind engagiert, etwa in der Jugendarbeit, in der Schule, gesellschaftlich in Vereinen, nachbarschaftlich, kulturell. Sie haben Werte, positive Werte; jawohl! Hier gibt es keinen Werteverfall. Jugendliche zeigen – gerade auch, weil sie Werte haben – Engagement. Sie setzen sich für andere ein und finden auch ökologische Fragen wichtig. Es besteht eine hohe Ach

einbezogen und den Experten gute Beteiligungsmöglichkeiten gegeben. Wir haben vieles aufgenommen, was von den Experten kam und wir haben nichts aus ideologischen Gründen verurteilt und abgelehnt.

Zusammenfassend kann man sagen: Die Jugend in Bayern hat nur einen großen Fehler, liebe Kolleginnen und Kollegen, nämlich, dass wir alle hier im Hohen Haus nicht mehr dazugehören.

(Allgemeine Heiterkeit und Beifall – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Sehr selbstkritisch!)

Vielen Dank, Herr Kollege, aber bitte keine Altersdiskriminierung.

(Heiterkeit)

Ich rufe auf die nächste Wortmeldung: Herr Dr. Linus Förster.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen aus der Enquete-Kommission, Parlamentarier hier unten im Saal und die Experten oben auf der Empore, liebe Berufsjugendliche der drei Fraktionen und solche, die es gerne sein wollen.

Ich begrüße Sie bewusst so, weil „Jugend“ ein relativer Begriff ist, je nachdem, welche Definition man zugrunde legen möchte.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Der Präsident sieht das anders! – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Das ist ja auch der Jüngste!)

Der Herr Präsident ist das beste Beispiel.

(Heiterkeit)