Protokoll der Sitzung vom 11.05.2004

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Nur ein Beispiel: Ich zitiere einen bayerischen Universitätsrektor sinngemäß, laut Presseartikel. Er ist ziemlich aktuell von Ende April:

In Bayern sind 200 Stellen gestrichen worden. Da ist nichts dran zu rütteln. Zusätzlich müssen pro Stelle 50 000 Euro bezahlt werden, weil die Stellen nicht rückwirkend bis zum 01. Januar 2004 an das Finanzministerium abgeführt werden. Das ergibt für die Uni 900 000 Euro für 18 Stellen.

Noch steht nicht fest, welche Lehrstühle geschlossen werden.

Parallel zum Sparkurs der Regierung werden Elitestudiengänge eingeführt. 25 % an den Sachausgaben ist von den Universitäten dafür gefordert.

Eigentlich finde ich Elitestudiengänge ja gut,

so sagt der Rektor.

Aber sie sind terminlich so forciert worden, dass im Moment ein Gegensatz herrscht. Die Zusatzausgaben passen schlecht zusammen mit den Einsparungen. Einerseits sollen wir in Bildung investieren, andererseits aber die Ausgaben senken. Die Wirtschaft sagt immer: 10 % zu reduzieren geht immer! Aber die Betriebe können sich zum Beispiel Automaten kaufen oder die Produktion nach Tschechien auslagern. Ich kann aber mit meiner Uni kaum nach Tschechien gehen. Ginge es nach den Haushaltsexperten in der Staatsregierung, müsste nach der Regel verfahren werden: Wo am meisten Lehrstühle frei werden, soll geschlossen werden. Wir müssen uns an die Vorgaben halten. Wir müssen schneiden, wo es geht. Also wo gerade Neubesetzungen anstehen. Fachlich macht das keinen Sinn.

So weit das Zitat.

Dies ist die Situation in der bayerischen Hochschul- und Wissenschaftspolitik. So ist es an allen Universitäten und Fachhochschulen. Wer das nicht glauben mag, dem sei die Lektüre des Protokolls unserer Landtagsanhörung zu

den Auswirkungen der Sparmaßnahmen im Nachtragshaushalt empfohlen.

Profilbildung heißt nun das Zauberwort, mit dem die Hochschulen dem Zufallsprinzip entkommen sollen.

Doch was bedeutet Profilbildung unter diesem immensen Spardruck? An welchen Kriterien soll sie sich orientieren? Fachliche Überlegungen, Zukunftsfähigkeit von Studiengängen, ökonomische Kennzahlen? Welche Gewichtung kann den verschiedenen Faktoren noch eingeräumt werden, wenn doch über allem der Sparhammer hängt?

Durch den planlosen Spardruck lenken Sie die Hochschul- und Wissenschaftspolitik in die Einbahnstraße. Geisteswissenschaften müssen bluten, ist zu lesen. Das mag wundern, sind sie doch nicht gerade die Studiengänge, die am teuersten sind. Lehrerausbildung zahlt sich nicht aus. Orchideenfächer, auch wenn man da schon längst Elite ist, werden zum Luxus. Nur was sich am tagesaktuellen Markt behaupten kann, hat eine Chance, zu überleben.

Anstatt die Zukunftsfähigkeit unserer Hochschullandschaft zu stärken und sich ernsthaft die Frage zu stellen: Was braucht Bayerns Zukunft, welche Fachrichtungen werden in Zukunft wichtig sein? Wo brauchen wir viele junge, gute Leute? machen Sie den Zeitgeist zum Maßstab.

Die neu gegründete Universität Bayern e. V. handelt mit dem Mut der Verzweifelten und versucht zu retten, was zu retten ist. Das Spardiktat erhält einen neuen Namen. Es heißt jetzt Innovationspakt und bedeutet, „das Gefühl in eine haltbare Form gießen“.

Die Hochschul- und Wissenschaftspolitik in Bayern ist binnen kurzem zu einem Produkt verkommen, das mangels Qualität mit billigen Werbesprüchen vermarktet werden muss.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

In der Champions-League wollen Sie spielen. In der Champions-League sollen die Universitäten spielen, als eine Elf wie die Nationalmannschaft. Da kann einem ja angst und bange werden, wenn man auf die Leistungen der Deutschen Nationalelf schaut oder auf den Erfolg von Bayern-München!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schneller als man glaubt, Herr Minister, kommt es auch einmal zu einem Trainerwechsel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es bleibt zu hoffen, dass diese Elf am Ende zu einem fairen Miteinander findet und gemeinsam für das Wohl der Hochschulen streiten lernt und sich nicht in destruktiver Konkurrenz beim Run auf die knappen Mittel aufreiben lässt.

Planungssicherheit heißt die neueste Beruhigungspille für die Hochschulen. Doch wer weiß, wie Haushalte aufgestellt und beschlossen werden, wie leicht die Staatsregierung in der Vergangenheit zum Beispiel das Mittel der Haushaltssperre angewendet hat, kann sich davon nicht ernsthaft beruhigen lassen.

Seit dem Wochenende liegen auch Ihre Vorstellungen zu den Studiengebühren auf dem Tisch nach dem Motto: Uns ist egal, was das Verfassungsgericht entscheidet, wir schlagen schon einmal vorab Pflöcke ein! Ein Placebo ist auch das. Ein Placebo sind diese Studiengebühren, der den Hochschulen einen Ausgleich für die weggekürzten Mittel bringen soll. Im Umfang können diese Studiengebühren niemals so hoch sein, als dass sie mehr sein könnten als die berühmten Peanuts.

Verwaltungsaufwand und Verwaltungskosten werden steigen. Und wer Ihren Versprechungen glaubt, dass das Geld bei den Hochschulen bleiben soll, der schaue mal in ausnahmslos alle Länder, die Studiengebühren eingeführt haben.

Immer dienten Sie als Rechtfertigung dafür, dass sich der Staat weiter aus der finanziellen Verantwortung stehlen konnte. Von den sozialen Folgen will ich hier an dieser Stelle gar nicht sprechen.

Das Fazit: Die Betriebskosten für Bayerns Motor sind keinesfalls gesichert. Für Inspektionen, Instandsetzung und Nachrüstungen gemäß dem Stand der Technik fehlen die Investitionsmittel. Sie versprechen eine Hochschulreform, die mehr Autonomie, mehr Haushaltshoheit, mehr Kooperation bringen soll, und verbinden damit eine stärkere Hierarchisierung und Schwächung der demokratischen Strukturen. Ihre Reformen zielen ausschließlich auf die Verwaltungsebene. Reformen für mehr Qualität, innere Reformen, Weiterentwicklung des universitären Selbstverständnisses, das alle Beteiligten einbezieht, Entwicklung neuer Leitungsstrukturen, neue Führungskulturen und Schaffung innovativer Lern-, Forschungs- und Arbeitsräume – all das interessiert Sie nicht.

Kommen wir zu dem Bild zurück. Ein guter Motor, nutzt den Rohstoff, der ihn treibt in effizienter Weise und mit hohem Wirkungsgrad. Vergeuden Sie nicht unseren besten Rohstoff, die Begabungen und Talente unserer jungen Frauen und Männer, ihre Motivation und ihre Leistungsfreude und Leistungsbereitschaft. Die bayerische Hochschul- und Wissenschaftspolitik muss das Ziel verfolgen, diesen jungen Menschen die bestmöglichen Studienbedingungen zu ermöglichen. Internationalisierung der Hochschulen, mehr Autonomie, Vielfalt, Gender-Mainstreaming, Stärkung des akademischen Mittelbaus – all das gehört dazu. Um die Zukunft zu meistern, müssen wir mehr Geld für Bildung investieren. Wir brauchen mehr gute Akademiker und Akademikerinnen, und ich fordere Sie auf, dies im internationalen Wettbewerb sicherzustellen.

(Beifall bei den Grünen)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Prof. Dr. Stockinger.

Herr Präsident, Hohes Haus! Die beiden Vorredner stellten die Frage, warum die CSU-Fraktion dieses Thema gewählt hat. Dies ist die Gelegenheit, heute erneut darzustellen, welche Bemühungen die CSU-Fraktion im Zusammenwirken mit den bayerischen Hochschulen anstrengt, um weiterhin dafür zu sorgen, dass unsere bayerischen Hochschulen nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland sondern in der Welt Spitze sind.

(Zuruf des Abgeordneten Hans Joachim Werner (SPD))

Nicht umsonst sind im Ranking der DFG unter den 10 Top-Hochschulen Deutschlands vier aus Bayern.

Ich hatte gehofft, dass die beiden Vorredner uns etwas über ihre inhaltlichen Vorstellungen sagen würden. Aber sie sind über Metaphern, die gut anzuhören waren, über Anschuldigungen und über Behauptungen, die nicht nachgewiesen werden können, nicht hinaus gekommen. Hätte Kollege Vogel dem Finanzminister die Zwischenfrage gestattet, hätte Kollege Vogel dem Finanzminister auf seine Frage sagen können, dass wir trotz aller Kürzungen bei den Hochschulen einen haushaltsrechtlichen Aufwuchs von 3 auf 4 % haben. Er hat diese Frage sicherheitshalber unterbunden.

Sie haben Herrn Kollegen Spaenle vorgeworfen, bestimmte Punkte nicht gesagt zu haben. Dazu ist zu sagen: Selbst Dr. Spaenle ist nicht in der Lage, in zehn Minuten die komplette Hochschulpolitik der CSU darzulegen. Dazu werden weitere Kollegen der CSU sprechen.

(Herbert Müller (SPD): Schaffen die das in fünf Minuten? – Das ist die Frage.)

Er hat bereits darauf hingewiesen, dass wir mit dem Entwurf eines Hochschulgesetzes alles auf den Prüfstand stellen werden. In dem Gesetz wird mehr Autonomie der Hochschulen, mehr Handlungsspielraum für Hochschulleitungen und Dekane, Profilbildung und mehr Haushaltshoheit gemeinsam mit den Betroffenen erörtert werden, damit wir wieder ein Gesetz aus einem Guss machen können.

Wir werden aber auch im Bund darauf achten, dass in der Föderalismuskommission die Rechte der Länder hinsichtlich der Bildungspolitik und der Hochschulpolitik gestärkt werden. Das Qualitätssiegel bayerischer Hochschulpolitik ist die beste Rechtfertigung dies zu tun. Wir werden dabei soweit gehen, das gesamte Hochschulrahmengesetz des Bundes auf den Prüfstand zu stellen.

Der Bund versagt in den Bereichen Innovation und Hochschule. Er fährt die Mittel für den Hochschulbau der Länder für den Zeitraum der letzten Jahre um immerhin 31 % zurück, obwohl wir noch viele Millionen Euro vom Bund bekommen müssten für die Mittel, die der Freistaat Bayern für den Hochschulbau verauslagt hat.

Der Bund, Kolleginnen und Kollegen, versagt auch bei den Innovationen. Seit Monaten sprechen SPD und ihr Kanzler über Innovationsprozesse und Innovationsverein

barungen. Aber es kommt außer Reden nichts rüber. Es sind keine Taten zu sehen. Für die SPD-Politik im Bund – hier haben wir keine – ist es typisch: Es kommt auf die PR an und nicht auf den Inhalt. Das heißt, die Verpackung ist mehr wert als der Inhalt. Offen gestanden hatten wir auch nichts anderes erwartet.

Wir werden in Bayern die Vorgaben des Bologna-Prozesses verfolgen und umsetzen. Immerhin hat der Bayerische Landtag am 10. März dieses Jahres als erstes Parlament eines Landes der Bundesrepublik Deutschland eine Anhörung zum Bologna-Prozess durchgeführt. Der Vorteil des Bologna-Prozesses ist die größere Internationalisierung, die Vergleichbarkeit der Studienabschlüsse aber auch der Studienleistungen durch die Einführung des Credit-Point-Systems. Wir werden dies umsetzen. Allerdings werden wir bei dieser Umsetzung auch prüfen, ob und wie traditionelle Hochschulabschlüsse, wie das Diplom, weiterhin ihren hohen Stellenwert erhalten können. Da die amerikanische Ingenieursvereinigung IEEE letztes Jahr in einem Aufsatz veröffentlichte, die Vereinigten Staaten bräuchten eine fünfjährige Ingenieursausbildung, die dem deutschen Diplomingenieur vergleichbar sei, kommen mir Zweifel, wenn die „großartigen Modernisierer“ und die „großartigen Vereinfacher“ unsere bewährten deutschen Diplomabschlüsse mit einem Federstrich vom Tisch wischen wollen. Dies ist ein Markenzeichen deutscher Bildung und deutscher Qualität, das nicht so leicht aufgegeben werden darf.

Im Übrigen warne ich hinsichtlich der Akkreditierungsagenturen davor, zu blauäugig zu sein. Mir kommt es so vor, dass die Akkreditierungsagentur eine gute Geschäftsidee ist, die der Agentur, aber weniger den zu Akkreditierenden nützt.

Unser Maßstab ist die Qualität der bayerischen Studienangebote. Diese wollen wir sichern und dadurch die Akzeptanz der Absolventen am Arbeitsmarkt erhalten und verbessern.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Rupp.

Herr Präsident, geehrte Damen und Herren! Als Neuling finde ich es sehr erstaunlich, dass mir es zu erwähnen bleibt, dass in der Aktuellen Stunde Fragen nicht zulässig sind. Das möchte ich festhalten. Ich meine, die CSU-Kollegen und vor allem der Herr Minister müssten das wissen.

Nun zu dem Thema Aktualität: Was Sie geboten haben, hat mit Aktualität überhaupt nichts zu tun. Es ist weit von Aktualität entfernt.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ludwig Spaenle (CSU))

Ich werde darauf zurückkommen. Nun möchte ich der CSU ein Angebot machen, falls Sie wieder Probleme hat, die Aktuelle Stunde mit einem Thema zu besetzen. Wir