Protokoll der Sitzung vom 12.05.2004

Meine sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 17. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde wie immer erteilt. Hörfunk und Fernsehen des Bayerischen Rundfunks übertragen die Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten mit anschließender Aussprache unmittelbar.

Bevor wir mit der Fragestunde beginnen, darf ich noch das Ergebnis der gestern durchgeführten namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Dürr, Rütting, Hallitzky und anderer und Fraktion betreffend „Umstellungsberatung für Großküchen und Kantinen“ auf Drucksache 15/199 bekannt geben. Mit Ja haben 48, mit Nein 92 Abgeordnete gestimmt, Stimmenthaltungen gab es zwei. Damit ist der Antrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 16

Mündliche Anfragen

Hierfür sind 90 Minuten vorgesehen. Ich bitte zunächst Frau Staatsministerin Dr. Merk um die Beantwortung der ersten Frage. Erste Fragestellerin ist Frau Kollegin Christine Stahl. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Ministerin, sind die circa 871 befristeten Stellen im mittleren Dienst der Justiz im Stellenplan enthalten, und ist daran gedacht, unabhängig davon an der Situation für die circa 871 befristeten Justizangestellten, denen zum Beispiel kein Erziehungsurlaub zusteht und deren Stellen teilweise zehn- bis fünfzehnmal verlängert worden sind, durch Umwandlung in unbefristete Stellen etwas zu ändern?

Frau Ministerin.

Frau Präsidentin, Frau Abgeordnete! Erlauben Sie mir, zuerst eine Zahl richtig zu stellen, denn die von Ihnen genannte Zahl von 871 stimmt nicht mehr. Zum Stichtag 31. Dezember 2003 waren bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften insgesamt 4236 Angestellte und Arbeiter tätig, davon standen 724 in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Die befristeten Beschäftigungsverhältnisse werden in der Regel zur Vertretung für die Dauer von Mutterschutz, Elternzeit und Sonderurlaub von Angestellten oder Beamten des mittleren Justizdienstes abgeschlossen. Sie sehen also, dass wir die Anzahl um eine gehörige Position haben zurückfahren können.

Für die Zeit der Vertretung werden die befristet angestellten Beschäftigten entweder auf den im Haushaltsplan ausgewiesenen Stellen der beurlaubten Angestellten, sozusagen der originären Stellenanwärter geführt, soweit diese während ihres Sonderurlaubs oder der Elternzeit auf

einer Leerstelle geführt werden können. Sie müssen aus Haushaltsmitteln bezahlt werden, wenn die originären Stelleninhaber während ihres Mutterschutzes auf ihrer Stelle weitergeführt werden müssen.

Die für die Vertretung eingestellten Aushilfskräfte können in der Regel nur dann unbefristet übernommen werden, wenn eine Stelle endgültig frei wird. Unser Haus ist bestrebt, durch eine flexible Handhabung der zulässigen Stellenbewirtschaftungsmaßnahmen eine möglichst große Anzahl von befristet beschäftigten Arbeitnehmern ganz oder teilweise in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Das erreichen wir zum Beispiel dadurch, indem wir frei werdende Stellenbruchteile ebenfalls sofort wieder besetzen. Das heißt, würde zum Beispiel eine Viertelstelle dauerhaft frei, würde insoweit sofort eine befristete Beschäftigte unbefristet übernommen und der Rest weiterhin befristet drangehängt, weil wir unseren Mitarbeitern möglichst viel Sicherheit geben wollen.

Zur Verbesserung der Situation haben wir ferner veranlaßt, dass die bewährtesten und natürlich auch die am längsten befristet beschäftigten Angestellten die längsten Vertretungsverträge bekommen und dass als Ersatz für endgültig ausscheidende Justizangestellte vorrangig Angestellte zu übernehmen sind, die bereits längere Zeit befristet beschäftigt waren; deshalb auch die Zahl, die inzwischen schon zurückging, weil wir uns darauf ganz besonders konzentrieren. Mir ist gleich in den ersten Tagen meiner Tätigkeit dieses Thema bei einem Besuch in Memmingen zu Ohren gekommen. Ich lege großen Wert darauf, dass wir so weit wie möglich auf dieses Problem eingehen und mit den befristet beschäftigten Mitarbeitern so rasch wie möglich unbefristete Arbeitsverhältnisse schließen. Dabei müssen wir angesichts der derzeitigen Situation natürlich damit rechnen, dass es nicht mehr so schnell vorwärts geht wie in den letzten Jahren.

Erste Zusatzfrage: die Fragestellerin. Bitte, Frau Kollegin Stahl.

Frau Ministerin, ich danke für die Richtigstellung der Zahl, weil sie tatsächlich nicht so leicht zu entnehmen ist. Gibt es auch Zahlen zu den Stellen – ich weiß nicht, ob sie erfasst werden –, die circa zehn- bis fünfzehnmal verlängert wurden? Ich kann es mir zwar denken, hätte aber dennoch gern gewusst, warum diese Stellen so häufig verlängert werden und woher diese sehr hohe Zahl von Verlängerungen kommt.

Frau Ministerin.

Frau Abgeordnete, inzwischen ist die Lage im Servicebereich sehr schwierig. Wenn die Möglichkeit besteht, auf einer gerade vakanten Stelle weiterzubeschäftigen, tun wir dies auch. Natürlich haben wir aber keine neuen Planstellen. Ich habe mir eine Auflistung darüber geben lassen, wie sich die Zahlen in etwa darstellen: Länger als 10 Jahre sind 45 Arbeitnehmer bei uns befristet; zwischen 8 und 10 Jahren sind es 42, zwischen 5 und 8 Jahren 63 Arbeitnehmer.

Keine weitere Zusatzfrage. Frau Staatsministerin, vielen Dank. Wir haben uns darauf verständigt, dass ich nun das Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie aufrufen kann. Ich bedanke mich beim Herrn Staatssekretär und bei den schon anwesenden Fragestellern für ihre Flexibilität. Frau Staatsministerin Stewens steckt noch im Verkehr, dafür haben wir Verständnis. Herr Staatssekretär, danke, dass Sie da sind. Damit hat nun Herr Kollege Donhauser das Wort, bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Herr Staatssekretär, meine Damen und Herren! Welche Maßnahmen ergreift die Bayerische Staatsregierung nach der EU-Osterweiterung für den Oberpfälzer Raum – in Richtung Tschechien und Polen –, um Arbeitsplätze zu sichern, die gefährdet sind durch ein eindeutig niedrigeres Lohnniveau, schlechtere Standards und in Zukunft wahrscheinlich auch höhere Förderungen, und sind der Staatsregierung Art und Höhe gezielter Fördermaßnahmen durch die Bundesregierung und die Europäische Union bekannt?

Herr Staatssekretär.

Sie wissen, dass die Bayerische Staatsregierung bereits seit geraumer Zeit vor dem nun vollzogenen Beitritt der zehn neuen EU-Mitgliedstaaten vielfältige Initiativen für das Grenzland unternommen hat, in die ganz bewusst auch der Oberpfälzer Raum einbezogen ist.

Zu nennen ist hier insbesondere das Ertüchtigungsprogramm für Ostbayern, das ETP zur Vorbereitung der Wirtschaft im Grenzland auf die EU-Osterweiterung, das mit 100 Millionen Euro aus Privatisierungserlösen dotiert ist. Der Großteil der Mittel in Höhe von rund 81,3 Millionen Euro wird für Investitionsförderung, vorrangig in den unmittelbar an Tschechien angrenzenden Städten und Landkreisen, bei besonders strukturwirksamen Vorhaben auch in den dahinter liegenden Gebieten der zweiten Landkreisreihe sowie zur Förderung des Automobiltechnikums Hof eingesetzt.

Rund 8,7 Millionen Euro davon sind für Begleitmaßnahmen in Niederbayern, der Oberpfalz und in Oberfranken vorgesehen. Die Themenschwerpunkte sind Information, Qualifikation, Kooperation, Innovation und Regionalmarketing. Weiterhin sind 10 Millionen Euro für den Ausbau des Flughafens Hof/Plauen reserviert. Zusätzlich zu den 100 Millionen Euro stehen für die gestaffelten Zinsvergünstigungen für Darlehen aus dem bayerischen Mittelstandskreditprogramm in den bayerischen EU-Fördergebieten und den umschlossenen kreisfreien Städten EUMittel zur Verfügung.

Herr Kollege Donhauser, mit der hier schon mehrfach diskutierten Änderung der beihilferechtlichen Förderbedingungen und der Einsatzmöglichkeiten der EU-Strukturfonds im Grenzland und speziell in der Oberpfalz ist bis Ende 2006 nicht mehr zu rechnen. Angesichts der Haltung des Bundes hinsichtlich des Auslaufens der Gemeinschaftsaufgabe West und der katastrophalen Situation

des Bundeshaushaltes kann mit zusätzlichen Bundesmitteln nicht gerechnet werden.

Trotz der notwendigen Konsolidierungsanstrengungen auch im Landeshaushalt trägt Bayern dem Anpassungsbedarf der Grenzregionen durch eine noch stärkere Konzentration der Regionalfördermittel auf die Grenzregionen Rechnung. Für die Strukturpolitik nach 2006 fordert Bayern erstens größere beihilferechtliche Spielräume für eine eigenständige Regionalpolitik mit nationalen Mitteln, zweitens die Anerkennung der Grenzregionen in der EU als eigenständiges Fördergebiet und drittens den weiteren Einsatz von EU-Strukturfondsmitteln in diesen Gebieten.

Gibt es eine weitere Frage? – Bitte schön, Herr Kollege Schieder.

Herr Staatssekretär, halten Sie das denn nicht auch für eine etwas ineffektive Wirtschaftspolitik, auf der einen Seite immer wieder Initiativen für die strukturschwachen Gebiete im ostbayerischen Raum anzukündigen und auf der anderen Seite – wie im Haushalt 2004 – die regionalen Wirtschaftsfördermittel – Sie wissen, wovon ich spreche – in der Größenordnung von über 40 Millionen Euro zu kürzen, was schwerwiegende Einschnitte bei der Wirtschaftsförderung zum Beispiel in der Nordoberpfalz zur Folge hat? Ich denke daran, dass der Raum Weiden/Neustadt in der Oberpfalz oder Amberg nicht GA-Gebiet ist, dort aber massive Einschränkungen bei der Wirtschaftsförderung zu verzeichnen sind.

Sie schütteln den Kopf. Allerdings hört man aus dem Wirtschaftsministerium nichts Gegenteiliges, sondern nur die Bestätigung dafür, dass die erlaubte Förderung – Kleinbetriebe 15 % und größere Betriebe 7,5 % – nicht mehr aufrechterhalten wird. Ist es denn nicht ineffektiv, einerseits so massive Einschnitte bei der Förderung vorzunehmen – von den Einschränkungen für die Kommunen in den dortigen Regionen ganz zu schweigen – und andererseits in propagandistischer Weise wieder ein paar Tröpfchen zu verteilen?

Herr Staatssekretär.

Auf Ihre „58 Zeilen“ umfassende Frage kann ich Folgendes antworten: Zunächst müssen zwei Dinge sauber auseinander gehalten werden.

Eines ist das so genannte Gebiet der Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der Wirtschaftsstruktur. Hier erleben wir leider – ich sage das ohne jegliche Polemik, auch Sie haben das heftig kritisiert –, dass das Fördergebiet in den letzten Jahren reduziert worden ist, wir wichtige Teile etwa des Landkreises Schwandorf und des Landkreises Neustadt an der Waldnaab nicht mehr im Fördergebiet haben.

Das andere ist die Ankündigung des Bundes, bis 2006 die Mittel auslaufen lassen zu wollen. Bayern hat für 2004 noch einmal Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 7,7 Millionen Euro bekommen. Wir wissen aber nicht, was in den nächsten Jahren geschieht. Das bedeutet, dass wir

die eine oder andere Maßnahme wegen der reduzierten Bundesmittel nicht mehr in dem Maße in der Gemeinschaftsaufgabe fördern können, wie wir das tun wollen.

Wir haben außerdem eine zweite „Schublade“ – das haben wir hier oft genug diskutiert. Otto Wiesheu und ich waren alles andere als begeistert, als auch der Haushalt des Wirtschaftsministeriums im Zuge der allgemeinen Sparmaßnahmen aufgrund der rückläufigen Steuereinnahmen 2004 in Höhe von 1,6 Milliarden Euro gekürzt worden ist.

Staatsminister Dr. Wiesheu hat klar und eindeutig festgestellt, dass der Schwerpunkt der Förderung nach wie vor in Ost- und Nordbayern liegt und wir jede sinnvolle Maßnahme weiterhin kräftig fördern wollen. Wir tun dies – das ist kein Geheimnis, Herr Kollege Schieder –, indem wir in anderen Regionen Bayerns, insbesondere in Teilen Unterfrankens, in Schwaben und Oberbayern, die Fördermittel zugunsten dieser Gebiete empfindlich kürzen.

Erst gestern hat bei mir – ich sage das ohne Umschweife – ein Unternehmer aus Oberbayern heftig geklagt, dass seine Maßnahme, die volkswirtschaftlich äußerst sinnvoll sei, nicht mehr gefördert werde, weil die Gelder zugunsten Ost- und Nordbayerns umgesetzt würden. Ich weiß, dass es in den betroffenen Regionen Härten gibt. Wir wollen aber in Zeiten der knappen Mittel ein Zeichen setzen, dass wir nach wie vor bemüht sind, optimal zu fördern.

Weitere Zusatzfragen? – Herr Kollege Schieder. Ich bitte Sie, sich auf eine Zusatzfrage zu beschränken. Bitte schön.

Selbstverständlich, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, warum weichen Sie meiner konkreten Frage aus? Deshalb noch einmal: Trifft es zu, dass durch die Kürzungsmaßnahmen der Staatsregierung im regionalen Wirtschaftsförderprogramm, beispielsweise im Bereich Weiden/Neustadt, die nicht im GA-Gebiet liegen, erhebliche Einschränkungen bei der Wirtschaftsförderung vorgenommen worden sind? Schließlich wurde offiziell erklärt, dass die 7,5 %-Förderung für mittelgroße Betriebe in diesen Gebieten nicht mehr möglich sei – auch nicht in Amberg.

Herr Staatssekretär.

Ich sage noch einmal: Wir werden aufgrund der reduzierten Mittel nicht alle Maßnahmen mit Höchstförderprozentpunkten bedienen können. Das ist auch nicht immer notwendig.

Herr Kollege Schieder, wir haben im Maxhütte-Raum, also Amberg, ein Sonderprogramm in Höhe von 16,6 Millionen Euro für sinnvolle Maßnahmen reserviert.

(Werner Schieder (SPD): Auf dem Papier!)

Das steht nicht nur auf dem Papier.

Aufgrund der derzeitigen sehr desolaten wirtschaftlichen Lage, die im wahrsten Sinne des Wortes eine ungeheuere Investitionszurückhaltung provoziert, ist aber keine aktuelle Nachfrage vorhanden. Wir haben für Amberg das Geld, um im Gebiet der Maxhütte sinnvolle Investitionen – Kollege Donhauser engagiert sich sehr stark – zu fördern. Es gibt aber derzeit keine Nachfrage.

Sie können versichert sein, dass auch in diesem Raum jede sinnvolle Maßnahme von der Staatsregierung unterstützt wird. Zurzeit sprechen wir uns auch innerhalb der Oberpfalz für Vergünstigungen bei Fördermaßnahmen zugunsten der nördlichen Oberpfalz aus – ohne dies auf dem öffentlichen Jahrmarkt zu diskutieren.

Keine weitere Zusatzfrage. Nächster Fragesteller: Herr Kollege Dr. Beyer. Bitte schön, Herr Kollege!

Guten Morgen. Sehr verehrte Frau Präsidentin, Herr Staatssekretär! Ich darf Ihnen meine Frage noch einmal vortragen: Trifft für den Freistaat Bayern die in einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ vom Donnerstag, 6. Mai 2004, wiedergegebene Aussage zu, wonach die Bundesländer die für den Regionalverkehr vorgesehenen Bundesmittel nur unvollständig für den Schienenpersonennahverkehr ausgeben und 30 bis 40 % dieser zweckgebundenen Mittel in die allgemeinen Landeshaushalte fließen würden, wenn ja, in welcher Höhe trifft dies für den Freistaat Bayern zu und mit welcher Begründung?

Herr Staatssekretär.

Herr Kollege Dr. Beyer, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Die Mittel des Gesetzes zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs, also des so genannten Regionalisierungsgesetzes, stehen den Ländern gemäß § 5 Absatz 1 des Regionalisierungsgesetzes für den öffentlichen Nahverkehr, also für den allgemeinen ÖPNV und den Schienenpersonennahverkehr, zur Verfügung. Im Jahr 2003 erhielt Bayern nach dem Regionalisierungsgesetz vom Bund 1025,4 Millionen Euro. Diese Mittel wurden in voller Höhe zweckentsprechend