Alles das, was Sie bisher – auch draußen in Ihren Stimmkreisen – gefordert haben, ist von der Bundesregierung mit Missachtung oder Negation beantwortet worden. Ihr Einfluss tendiert hier eindeutig gegen null.
Ich muss hier auch die GRÜNEN fragen: Sind Sie beim Außenminister vorstellig geworden? Er trägt nämlich die Hauptverantwortung.
Er kämpfte doch immer wieder für das Beibehalten der Zuständigkeit für Europa und für den Sitz im Allgemeinen Rat. Ich habe von ihm niemals irgendetwas zum Schutze deutscher oder bayerischer Interessen gerade in den Grenzregionen vernommen.
Allein dadurch, dass Sie immer der Staatsregierung, die am meisten tut, Vorhaltungen machen, lösen Sie die Probleme nicht; denn das ist nicht nur ein Problem bayerischer Politik, sondern auch ein Problem deutscher und europäischer Politik. Hier habe ich Ihren Einfluss völlig vermisst.
Tatsache ist doch: Die Bundesregierung hat Deutschland auf die Erweiterung der Europäischen Union miserabel vorbereitet. Die Bundesregierung hat viel versprochen. Getan hat sie gegen das unakzeptable Fördergefälle nichts.
Die neuen Mitgliedstaaten östlich von uns sind fast durchgehend Höchstfördergebiet der Europäischen Union. Die Ziel-1-Förderung für die mittel- und osteuropäischen Mitgliedsländer summiert sich bis zum Jahr 2006 auf knapp 15 Milliarden Euro. Für die neuen Mitgliedsstaaten werden also aus den Strukturfonds 15 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. In der nächsten Finanzierungsperiode von 2007 bis 2013 sollen nach den Plänen der Europäischen Kommission rund 170 Milliarden Euro an Fördermitteln für Infrastrukturmaßnahmen und Unternehmensinvestitionen in die Beitrittsländer fließen – bei uns sind nach 2006 kaum noch Fördermittel vorgesehen. Die Grenzregionen sollen nach Vorstellung der Kommission ihren bisherigen Förderstatus weitgehend verlieren.
Auch das spezielle Grenzregionenprogramm der Europäischen Union ist bis zum Jahre 2006 befristet. Dank des Einsatzes der Kolleginnen und Kollegen der CSU im Europäischen Parlament konnte es zwar um 65 Millionen Euro aufgestockt werden. Das reicht aber nicht einmal annähernd aus, um das Fördergefälle zu den Beitrittsstaaten abzufedern. Von den 260 Millionen Euro für alle 23 Grenzregionen Europas -von Finnland bis Griechenland – entfallen nur ganz wenige Millionen auf unser Grenzland. Damit können Sie kaum etwas Richtiges anfangen.
Und was macht Ihre Koalition in Berlin? Noch im Dezember des Jahres 2000 hat in Weiden der Bundeskanzler vollmundig angekündigt – die Oberpfälzer Kollegen können sich daran erinnern –, der Bund wolle zur Unterstüt
zung der Grenzregionen zusätzlich Mittel bereitstellen und sich in Brüssel für die bayerischen Grenzregionen einsetzen. Das Ergebnis: nichts – nur heiße Luft. Und als ob dies nicht genug wäre, hat die Bundesregierung auch noch die bestehende Bundesförderung für die Gemeinschaftsaufgabe West zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur auf nur noch 7,7 Millionen Euro in diesem Jahr gekürzt. In Zukunft soll die Förderung ganz wegfallen. Das Ergebnis ist ein unakzeptables Fördergefälle, das natürlich im Grenzbereich den Wettbewerb verfälscht und verzerrt.
Wir kennen das ja: großspurig ankündigen, viel versprechen, aber dann in Wirklichkeit nichts zur Problemlösung beitragen.
Ich fordere die Opposition auf, die ja immer sagte, sie sei sozusagen das Bindeglied zu den Verantwortlichen in Berlin und könne für Bayern am meisten tun, wenigstens bei den Verhandlungen über die EU-Strukturfonds nach 2006 – denn die Verhandlungen laufen jetzt – ihren Einfluss auf die Bundesregierung geltend zu machen und sich für die Grenzregionen aktiv einzusetzen.
Wir brauchen in den Grenzregionen eine Förderung, um Chancen zur wirtschaftlichen Entwicklung zu eröffnen. Ich habe in der Ministerpräsidentenkonferenz einen einstimmigen Beschluss erreicht, dass das Grenzgebiet in Europa eine eigene Förderkulisse werden soll. Das war nicht ganz einfach, weil natürlich die Ministerpräsidenten Ostdeutschlands an einer solchen Förderung, die in ihrem Bereich nicht stattfindet, kein besonderes Interesse haben. Die Bundesregierung muss Maßnahmen zur wirtschaftlichen und sozialen Abfederung der Osterweiterung in den Grenzregionen ergreifen, um die künftig entfallende EU-Förderung angemessen auszugleichen.
In einem vernetzten Binnenmarkt wird es Arbeitsplatzverlagerungen aus Deutschland in die neuen Mitgliedstaaten geben. Die Investitionen deutscher und bayerischer Unternehmen in den Beitrittsländern dienen in vielen Fällen der Erschließung neuer Märkte. Sie sind wichtig und nutzen beiden Seiten. Je schneller sich die Beitrittsstaaten entwickeln, desto besser ist es auch für uns. Es ist aber nicht akzeptabel, dass für die bloße Verlagerung von Arbeitsplätzen EU-Höchstfördersätze bezahlt werden, die noch dazu im Wesentlichen vom deutschen Steuerzahler mit aufgebracht werden müssen.
Wir haben im Zuge der deutschen Einheit unsere Erfahrungen gemacht – die Kollegen aus der Grenzregion kennen das ganz besonders: Nicht wenige Unternehmen haben Subventionen nicht zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, sondern nur für Mitnahmeeffekte bei der Verlagerung bestehender Arbeitsplätze genutzt, zum Beispiel von Oberfranken nach Thüringen. Deshalb ist auf massives
Betreiben Bayerns mit den anderen Ländern Deutschlands und dem Bund vertraglich vereinbart worden, dass Unternehmensverlagerungen aus westdeutschen Fördergebieten nach Ostdeutschland mit viel besseren Fördergebieten dort grundsätzlich nicht stärker gefördert werden dürfen als in dem Gebiet, aus dem sie kommen. Die Erfahrungen, dass Verlagerungsinvestitionen nicht mehr gefördert werden, hätte die Bundesregierung in die Beitrittsverhandlungen einbringen müssen;
denn leider ist das nun zwischen Bayern und Tschechien weiter möglich. Es bringt auch Europa nichts, wenn in einem Subventionswettlauf Arbeitsplätze nicht neu geschaffen, sondern innerhalb Europas nur verschoben werden.
Erneutes Fazit: Auch hier hat die Bundesregierung schlecht verhandelt. Deutschland ist schlecht vorbereitet.
Es darf nicht sein, dass hohe EU-Subventionen von einzelnen Beitrittsstaaten verwendet werden, um ihre Steuersätze künstlich niedrig zu halten und so Unternehmen von uns abzuwerben.
Letztlich wird in solchen Fällen mit deutschen Steuergeldern die Verlagerung deutscher Arbeitsplätze in die Beitrittsländer finanziert.
Im Übrigen sind faire Wettbewerbsbedingungen auch zwischen den Beitrittsstaaten in Mittel- und Südosteuropa notwendig. Die Staaten sind alle Ziel-1-Gebiete in der EURegionalförderung, haben also die Möglichkeit, 50 % der Investitionen von kleinen und mittleren Betrieben und 35 % von Großbetrieben aus EU-Töpfen zu fördern. Ein ruinöser Steuerwettbewerb ohne Untergrenze würde deshalb auch dort eine Verlagerung von Unternehmen und Arbeitsplätzen auslösen, ohne dass dadurch Arbeitsplätze oder zusätzliches Wachstum entstehen.
Der Bundeskanzler fordert das. Ich fordere das nicht. Ein einheitliches Steuerrecht von Finnland bis Zypern, von Portugal bis Lettland wäre völlig unrealistisch und falsch. Die Bundesregierung fordert das allerdings. Sie haben Recht, Herr Dr. Dürr, wenn Sie einwerfen, dass das nicht ginge. Das müssen Sie jedoch Ihren Kollegen in Berlin sagen. Das Steuerrecht muss zu den unterschiedlichen Verhältnissen der Mitgliedstaaten passen.
Der Vorschlag einer Steuerharmonisierung, den die Bundesregierung jetzt plötzlich präsentiert, kommt deshalb nicht nur zu spät. Man hätte diesen Vorschlag bei den Beitrittsverhandlungen einbringen müssen. Er ist schlicht falsch und im Übrigen in der Europäischen Uni
on nicht durchsetzbar. Das haben Vertreter der EUKommission und andere Mitgliedstaaten in den letzten Tagen unmissverständlich deutlich gemacht.
In den Beitrittsverhandlungen – ich komme zum entscheidenden Punkt – hätte die Bundesregierung deshalb eine Ergänzung des EU-Verhaltenskodex gegen unfairen Steuerwettbewerb durchsetzen müssen. Die Bundesregierung hätte für eine Steuermindestquote sorgen müssen. Wer im Verhältnis zu seiner Wirtschaftskraft auf ein Mindestmaß an eigenen Steuereinnahmen verzichtet – das kann er machen –, darf dann aber auch keine EU-Höchstförderung von 50 % oder mehr erhalten.
Die Staatsregierung hat hierzu eine Initiative in den Bundesrat eingebracht. Sie wissen alle, dass das nicht berücksichtigt wird und dass die Bundesregierung diese Themen bei den Verhandlungen nicht eingebracht hat.
Was hat die SPD als Opposition in Bayern und als Regierung in Berlin gemacht? – Nach der Bundestagswahl hat sie sich selbst zur wahren Interessensvertretung Bayerns hochstilisiert. Was kam heraus? – Nur Sprüche und keine Initiativen für Bayern. Das zeigt die SPD-Liste zur Europawahl. Die SPD hat nur einen einzigen Genossen aus Bayern auf den ersten zwanzig Listenplätzen. Im „Genossenranking“ liegen die bayerischen Kandidaten offenbar ganz hinten.
Die GRÜNEN müssen ganz still sein. Sie haben gar keinen Vertreter im Europäischen Parlament. Sie kennen wahrscheinlich Ihre eigene Liste nicht.
Die Osterweiterung bedeutet eine massive Zunahme des Verkehrs, speziell auf den Hauptverkehrsadern in den grenznahen Räumen. Nach aktuellen Schätzungen wird sich zum Beispiel der grenzüberschreitende Güterverkehr bis zum Jahre 2015 verdoppeln bis vervierfachen.
Auch hier hat die Bundesregierung Bayern bei vielen Projekten bis heute im Stich gelassen. Ich nenne hier nur die wichtige Autobahnverbindung A6 von Nürnberg nach Prag. Die Lücke zwischen Amberg und Pfreimd soll erst 2008/2009 geschlossen werden. Aber selbst dafür ist die Finanzierung nicht gesichert. Die Tschechen dagegen haben auf ihrer Seite die Autobahn im Wesentlichen fertig gestellt.