Protokoll der Sitzung vom 29.06.2004

(Beifall bei den GRÜNEN)

Atomkraft ist nicht nur ökologisch unverantwortlich. Sie ist auch ökonomisch ein absolutes Auslaufmodell, das Sie allenfalls mit versteckten oder offenen Subventionierungen über die nächste Runde retten können. Am Dahinsiechen dieser Energieform wird das nichts ändern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wer weiterhin Atomkraft subventioniert, handelt den künftigen Generationen gegenüber unverantwortlich, denn die Zukunftsfähigkeit liegt in Energieeffizienz, modernen Technologien, der Energieeinsparung und weltweit in den Technologien der erneuerbaren Energien.

Ein letztes zum Märchen von der „sicheren Atomenergie“: In Finnland soll ein Prototyp gebaut werden. Er soll noch größer und leistungsstärker werden als es die bisherigen waren, 1600 MW statt bisher 1300 MW haben, und trotzdem soll der Reaktor billiger als die bisherigen sein. Man muss nach dem Sicherheitskonzept fragen. Die Kritik an den Werbebotschaften des Herstellers Framatom ist inzwischen bei Experten vielfach bestätigt. Die Zweifel sind umfassend und das Märchen von der billigen und sicheren Atomenergie werden Sie mit dem weiteren Kapitel nicht wahr machen. Stattdessen fügen Sie der bayerischen Wirtschaft, der Ökologie, dem Klimaschutz weiteren Schaden zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte darauf hinweisen, dass die restliche Zeit für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN jetzt noch eine Minute beträgt. Sie haben insgesamt zehn Minuten Redezeit, neun Minuten sind verbraucht. Nächste Wortmeldung: Herr

Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser.

Staatsminister Prof. Dr. Kurt Faltlhauser

(Finanzministerium) : Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der materielle Gehalt des Themas der Aktuellen Stunde, beantragt von den GRÜNEN, zielt auf die Entscheidung einer Geschäftsbank. Deshalb geht es hier nicht um die Energiepolitik in diesem Lande. Sie kann auch auf anderer Ebene debattiert werden. Diese Auseinandersetzung muss geführt werden, und sie lohnt sich auch. (Simone Tolle (GRÜNE): Wer zahlt, schafft an!)

Hier ist keine Debatte über Vor- und Nachteile der Atomenergie zu führen. Wir alle wissen: Die

Bundesregierung hat den Ausstieg beschlossen. Das ist die derzeitige Beschlusslage, an der wir uns orientieren müssen. Sie wissen aber auch, dass die Bayerische Staatsregierung hierzu eine ganz andere Meinung hat. Ich persönlich bin der Auffassung, dass diese Entscheidung spätestens in der Mitte des nächsten Jahrzehnts allen in diesem Lande in ihren desaströsen Folgen deutlich werden wird. Wir werden energiepolitisch gegen die Wand laufen.

Weltweit sind gegenwärtig 440 Atomkraftwerke am Netz. 16 % der gesamten Elektrizität in der Welt werden in Kernkraftwerken produziert, und 27 Kernkraftwerke sind gegenwärtig im Bau. Das zeigt: In der Welt ist die Kernenergie eine ganz gebräuchliche Energieform. Zahlreiche Länder sind von dieser Energieform abhängig, um ihren Energiebedarf decken zu können. Auch der Bau und damit die Finanzierung der Kernkraftwerke ist ein völlig üblicher Vorgang in der Welt. Und deshalb ist es auch ein völlig legitimer und üblicher Vorgang, dass sich wirtschaftliche Unternehmen an der Entwicklung oder dem Betrieb von Kernkraftwerken beteiligen, sei es als

Kraftwerksbauer, sei es als Lieferanten, sei es als Betreiber oder auch als Kreditgeber.

Sie wollen jedoch Ihre politischen Ziele und Überzeugungen zum Maßstab für die Geschäftspolitik eines wirtschaftlich handelnden Unternehmens machen! Haben Sie nicht in der Vergangenheit der Bayerischen Staatsregierung genau diese Einflussnahme auf politische Entscheidungen bei der Landesbank vorgehalten? – Haben Sie nicht immer gesagt, wir würden in irgendwelchen politischen Einzelentscheidungen die Landesbank zu dem einen oder andern zwingen? – Genau das wollen Sie jetzt selber tun. Meine Damen und Herren, das ist aber nicht unsere Politik.

(Beifall bei der CSU – Margarete Bause (GRÜNE): Was haben Sie denn gemacht? Haben Sie sich herausgehalten oder was? – Susann Biedefeld (SPD): Mit welchem Ergebnis?)

Ich zum Beispiel habe massive Einwände gegen die Verspargelung unseres Landes durch übersubventionierte Windkraftwerke.

(Margarete Bause (GRÜNE): Aber Atomkraftwerke sind schön!)

Aber trotzdem würde ich nach betriebswirtschaftlich positiver Beurteilung eines Kredits für Windkraftanlagen dem Vorstand der Landesbank nicht in den Arm fallen. Ihre ideologisch motivierte Festlegung auf den Ausstieg aus der Kernkraft kann also nicht Maßstab für die geschäftliche Entscheidung einer Geschäftsbank sein.

(Beifall bei der CSU – Margarete Bause (GRÜNE): Aber natürlich!)

Die von Ihnen versuchte Vermischung von Politik und Privatwirtschaft mag ja Politik von Herrn Trittin oder auch von Herrn Fischer sein. Das interessiert uns aber nicht. Derart staatsinterventionistische Vorstellungen haben wir nicht. Mein Ziel in den nächsten Monaten innerhalb des Verwaltungsrates der Landesbank wird sein, erstens die Rentabilität der Landesbank zu stärken und zweitens aktiv und massiv daran mitzuwirken, dass die Landesbank ein A-Rating bekommt. Das wird langfristig entscheidend sein. Punktuelle politische Eingriffe, wie Sie sie vorhaben – das zeigt ja die heutige Aktuelle Stunde -, werden dieses Rating in massiver Weise beschädigen. Das werden wir verhindern. – Ich bedanke mich.

Nächste Wortmeldung, Frau Kollegin Biedefeld.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich haben wir alle – ich spreche hier das Plenum an – und wohl auch Sie von der CSU relativ wenig Informationen. Wir stochern im Nebel, was definitiv dahinter steckt. Die Staatsregierung zieht sich auf das Bankgeheimnis zurück. Dazu sage ich: Auch wir von der SPD erkennen das Bankgeheimnis eindeutig an.

Aber sollte es so sein, wie es hier von der Vertreterin des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN geschildert wurde, fordern auch wir als SPD-Fraktion die Staatsregierung ganz klar und unmissverständlich auf, dafür Sorge zu tragen, dass dieses Geschäft nicht zustande kommt, unabhängig von den Konditionen.

(Beifall bei der SPD)

Sie sprechen von der Rentabilität und überwiegend von energie- und umweltpolitischen Aspekten, weniger in Ihrer Eigenschaft als Finanzminister, der auch für die Bayerische Landesbank, also eine öffentliche Bank, zuständig ist. Die Bayerische Landesbank ist keine Privatbank. Man hört hier keinerlei Informationen von Ihnen. Sie ziehen sich auf andere Aspekte zurück. Diese Diskussion können Sie gerne haben; dann steigen wir eben ein auf die Energiediskussion und auf die umweltpolitischen Aspekte der Atomenergie. Die Bundesregierung hat den Ausstieg aus der Atomenergie mit Erfolg auf den Weg gebracht. Und das ist auch gut so. Wir werden die Energiepolitik nicht an die Wand fahren; das werden viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Hohen Hause hier miterleben werden. Die Atomenergie hat nach wie vor unkalkulierbare Risiken, denen Sie die Menschen einfach so aussetzen. Wir hingegen setzen auf Zukunftstechnologien, möglichst auch mit einem Kreditgeber Bayerische Landesbank. Wir wollen nicht in ein Auslaufmodell, nicht in eine DinosaurierTechnologie investieren, wie es die Atomkraft ist, sondern wir wollen Investitionen in Zukunftstechnologien, und die Unterstützung durch Kreditgeber wie die Landesbank. Das soll nicht irgendwo in der Welt geschehen, nicht irgendwo in Europa, in Finnland oder sonst wo, sondern hier in Bayern. Wir haben hier genug Potenzial. Wir haben genug Möglichkeiten, um diesen Ausstieg aus der Atomenergie hier in Bayern vorzunehmen, liebe

Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der SPD)

Der Atomkonsens – ich betone: Konsens! – wurde zwischen Bundesregierung und Energiewirtschaft, also den deutschen Atomkraftbetreibern, hergestellt, auch wenn er Ihnen, meine Damen und Herren von der CSU und von der Staatsregierung, nicht schmecken mag. Aber auch Sie müssen sich an vorgegebene Gesetze und Regeln halten, und das Gesetz befasst sich ganz klar mit dem Ausstieg aus der Atomenergie. Darum kommen Sie nicht herum. Das ist die Gesetzeslage in Deutschland. Nachdem Bayern immer noch zu Deutschland gehört, sind auch wir in Bayern aufgefordert, dieses Gesetz zu vollziehen und den Ausstieg vorzubereiten. Parallel zum Ausstieg müssen wir die erneuerbaren Energien ausbauen, die Effizienz der Energieverwendung durch neue Technologien und durch Innovation steigern. CSU und Staatsregierung wären gut beraten, auf diesen Weg einzuschwenken. Sie reden von Ideologien? – Ich frage mich, wer hier in diesem Hohen Hause ständig Ideologie predigt. Beteiligen Sie sich endlich aktiv am Atomausstieg und am Ausbau erneuerbarer Energien, an der Steigerung der effizienten Energieverwendung und an der

Energieeinsparung. Das wäre ein sinnvoller Weg.

(Henning Kaul (CSU): Wer macht denn mehr als Bayern? Nehmen Sie die Zahlen doch endlich zur Kenntnis!)

Schauen Sie sich doch an, was wir an zukunftsweisenden Arbeitsplätzen möglich machen könnten und teilweise aufgrund des Atomkonsenses schon gemacht haben! Hier kommt der Energie eine besondere Schlüsselrolle zu.

(Henning Kaul (CSU): Einverstanden! Die Zahlen sprechen für Bayern!)

Schauen Sie sich an, was im Bereich der erneuerbaren Energien an neuen, in die Zukunft gerichteten

Arbeitsplätzen entstanden ist! Dann werden Sie vielleicht eines Besseren belehrt. Aber manches wollen Sie ja nicht wahrhaben und manches wollen Sie einfach nicht lesen. Es geht auch nicht darum, dass wir Finnland Vorschriften machen, welche Energiepolitik es betreiben soll. Das können wir nicht und das wollen wir nicht. Das geht nicht. Wir wollen auch der Firma Siemens, die hier beteiligt ist, nicht vorschreiben, wo sie investiert und wie sie ihre Geschäfte betreibt. Das ist nicht unsere Sache. Aber es ist sehr wohl unsere Sache, wenn unsere Bayerische Landesbank, eine öffentlich-rechtliche Bank, einen Kredit gibt an eine Technologie, aus der der Ausstieg bereits beschlossen ist. Da gehen wir nicht mit; das möchte ich hier noch einmal ganz klar sagen: ohne uns!

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte darauf hinweisen, dass selbst anerkannte Ärzteorganisationen vor sicherheitstechnischen Defiziten des EPR, dieses Reaktors, der in Finnland mit bayerischen Geldern, mit Krediten der bayerischen Landesbank entstehen soll, warnen. Es geht um eine unausgegorene digitale Sicherheitsleistungstechnik beim Reaktorschutz, es geht um Risiken wie Dampfexplosionen und und und. Selbst die Firma Siemens hält die Möglichkeit einer Kernschmelze für nicht ausgeschlossen. Bedarf es da eigentlich noch mehr Worte, wenn wir hier über einen Kredit der Bayerischen Landesbank in eine derartige Technik reden?

(Beifall bei der SPD)

Sie reden von der Selbstverständlichkeit, dass sich die Bayerische Landesbank im Wettbewerb mit anderen Banken, die weltweit arbeiten, engagiert. Ich sage nur, man weiß ja von der Landesbank, dass sie gewissermaßen ein „Näschen“ für Fehlinvestitionen und Projekte hat,

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

dass sie viel Geld in den Sand gesetzt hat, Herr Minister, das wissen wir alle in diesem Hohen Haus. Ich denke nur an die gescheiterten millionenschweren Ostasiengeschäfte und und und. Es ist nicht Aufgabe einer Bayerischen Landesbank, irgendwo in der Welt zu investieren und Kredite zu vergeben, sondern hier in Bayern die Hausaufgaben zu erledigen, und hier müssen wir ansetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben Ihnen immer und immer wieder mit einer Vielzahl von parlamentarischen Initiativen aufgezeigt, wo wir gerne Investitionen hätten. Ich kann aufgrund der Redezeit nur einen Bereich herausnehmen. Nehmen Sie den Bereich Biomasse, was es für die Landwirtschaft bedeuten würde, wenn sie Kredite bekäme für neue Technologien, für neue Anlagen mit mehr Energieeffizienz. Hier liegt ein großes Potenzial noch brach. Andere Beispiele könnte ich anführen, aber ich kann es wie gesagt wegen der Kürze der Zeit nicht tun.

Es gäbe vieles für das bayerische Handwerk zu tun, nicht für das finnische, ich rede für das bayerische Handwerk, für den bayerischen Mittelstand. Ich rede nicht für den finnischen Mittelstand, sondern für den bayerischen Mittelstand gäbe es in Bayern viel zu tun. Hier könnte die Bayerische Landesbank ihr Füllhorn ausschütten, und die Energie wäre der richtige Bereich.

(Beifall bei der SPD)

Wir fordern die Staatsregierung auf, sollte das der Fall sein, was sich vonseiten der GRÜNEN darstellt - - Wir haben bei allen Bemühungen der Recherchen und des Nachfragens keine konkreten Hinweise und hätten keine derartige Aktuelle Stunde beantragt.

(Zuruf der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜ- NE))

Sie haben ja auch nicht sehr viel. Was Ihre Kollegin Paulig an Informationen ausgeführt hat, ist ja auch nicht belastbar.

(Zuruf von der CSU: Wäre ja noch schöner!)

Wir hätten das nicht zur Aktuellen Stunde aufgegriffen. Aber ich sage noch einmal: Wir werden dies nicht mitmachen. Wir fordern Sie auf: Sollte dies der Fall sein, greifen Sie ein, machen Sie da nicht mit. Intervenieren Sie im Interesse unserer bayerischen Energiepolitik, im Interesse unseres Handwerks und unseres Mittelstands.

(Beifall bei der SPD)