Protokoll der Sitzung vom 30.06.2004

Das kann schon sein. Habe ich etwas Gegenteiliges gesagt? Die Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst ist ein Programm zur gezielten Arbeitsplatzvernichtung. Was aber noch viel schlimmer ist, sie ist nahezu ausschließlich gegen die Jugend gerichtet. Sie fordern und fördern zwar zusätzliche Ausbildungsplätze in der freien Wirtschaft, aber Sie reduzieren das Ausbildungsangebot im eigenen Zuständigkeitsbereich um ein Drittel. Wobei ich befürchte, dass das noch nicht das Ende der Fahnenstange sein wird. Das nenne ich einfach übel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie missbrauchen durch Ihren Vorstoß die Beamtinnen und Beamten um Druck auf die Tarifbeschäftigungen aus

üben zu können und gefährden darüber hinaus die Verhandlungen für eine längst überfällige und dringend notwendige Flexibilisierung des BAT. Die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes sind sehr wohl bereit, ihren Beitrag angesichts einer schwierigen Haushaltslage zu leisten.

Herr Kollege Sprinkart, erlauben Sie eine Zwischenfrage -

Anstatt die Beschäftigten einzubeziehen, entscheiden Sie auf Gutsherrenart über deren Köpfe hinweg und richten einen Flurschaden an, dessen Auswirkungen wir noch lange spüren werden. Jetzt wollte Kollege Dr. Waschler etwas sagen.

Wenn Sie so nett sind und ihm gleich das Wort erteilen: Herr Prof. Dr. Waschler, bitte.

Herr Kollege Sprinkart, ich bedanke mich herzlich. Ist Ihnen bekannt, dass ausweislich der „Süddeutschen Zeitung“ von heute das rot-grün regierte Land Nordrhein-Westfalen nichts Geringeres vor hat, als die komplette Abschaffung des Beamtentums?

Herr Kollege Sprinkart, bitte.

Das kann sein, das wird dadurch aber nicht besser. Wenn Sie meine persönliche Meinung dazu wissen wollen, so wird das Land Nordrhein-Westfalen das vermutlich aber nicht machen.

(Prof. Dr. Walter Eykmann (CSU): Weil Sie dann nicht mehr an der Regierung sind! – Lachen bei der CSU)

Nein, Herr Eykmann. Man wird es in Nordrhein-Westfalen aus einem ganz einfachen Grund nicht machen. Wie wir alle wissen, würde die Abschaffung des Berufsbeamtentums den Staat in den nächsten 20 Jahren deutlich mehr Geld kosten. Wenn ich uns alle als Politiker so ansehe: Wann treffen wir denn heute Entscheidungen, von den wir wissen, dass sie sich erst in 20 Jahren rentieren? Allein aus diesem Grund würde ich die Ankündigung von Nordrhein-Westfalen schlicht und ergreifend bezweifeln. Wenn die Abschaffung kommt, dann ist das ok. Kein Zweifel.

(Beifall bei den GRÜNEN – Prof. Dr. Walter Eyk- mann (CSU): Sehr gut!)

Das Wort hat Herr Staatssekretär Meyer. Bitte, Herr Staatssekretär.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir alle kennen die Lage der öffentlichen Haushalte. Die wirtschaftlichen und vor allem auch die finanziellen Rahmenbedingungen haben sich innerhalb eines Jahres grundlegend geändert. Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, scheinen offenbar nicht

wahrhaben zu wollen, dass sich die Situation der öffentlichen Haushalte im Vergleich zum Frühjahr des letzten Jahres noch einmal dramatisch verschlechtert hat. Ich möchte schon darauf hinweisen, dass gerade die Bundesregierung ihr konzeptloses Handeln fortgesetzt hat.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Ich weiß, dass hier ein Aufschrei von Seiten der Opposition kommt, denn die Wahrheit tut immer weh. Durchgreifende, längst überfällige Reformen beispielsweise am Arbeitsmarkt wurden verschleppt. Der Abwärtstrend in Deutschland ist ungebremst weitergegangen. Auch Bayern wurde von diesen Entwicklungen hart getroffen. Die Steuerschätzung vom November 2003 endete erneut mit massiven Steuerausfällen. Dieser Trend hat sich im Jahr 2004 fortgesetzt. Das Ergebnis der Steuerschätzung vom Mai dieses Jahres hat das leider deutlich aufgezeigt. Diese geänderten Rahmenbedingungen machen weitere Einsparungen in allen Bereichen notwendig. Andernfalls ist die Finanzierungsgrundlage der öffentlichen Haushalte in Gefahr.

Wenn der Staat insgesamt umsteuert und spart und den Bürgern in allen Bereichen Opfer abverlangen muss, dann darf er seinen eigenen Bereich nicht ausschließen. Die Personalausgaben im bayerischen Haushalt betragen mittlerweile rund 14,5 Milliarden Euro. Das sind, wie wir heute bereits mehrmals gehört haben, über 43 Prozent der Gesamtausgaben. Beinahe jeder zweite Euro im Haushalt entfällt auf Personalkosten. Bei dieser Größenordnung kann der Personalsektor bei den notwendigen Sparmaßnahmen nicht außen vor bleiben. Wir müssen deshalb von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des öffentlichen Dienstes einen weiteren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung verlangen. Wir kommen im öffentlichen Dienst an einer Arbeitszeitverlängerung nicht vorbei.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, trotz der Opfer, die wir von den Beschäftigten im öffentlichen Dienst einfordern müssen, darf ich an dieser Stelle in aller Deutlichkeit feststellen: Die Bayerische Staatsregierung steht seit jeher zu den Beschäftigten im bayerischen öffentlichen Dienst.

(Christa Naaß (SPD): Das sieht Herr Huber nicht so!)

Im Gegensatz zu manch anderem Bundesland – die Zwischenfrage des Kollegen Prof. Dr. Waschler hat das zum Ausdruck gebracht – bekennt sich Bayern klar und deutlich zum Berufsbeamtentum. Das ist die Haltung der Bayerischen Staatsregierung.

(Karin Radermacher (SPD): Sind Sie sich da ganz sicher?)

Unsere Verwaltung leistet eine hervorragende Arbeit.

(Christa Naaß (SPD): Ich glaube Ihnen nicht mehr!)

Wir wissen das sehr wohl zu schätzen.

(Christe Naaß (SPD): Aber Sie erhöhen die Arbeitszeit auf 42 Stunden!)

Meine Kolleginnen und Kollegen, auch in anderen Ländern wurden die Zeichen der Zeit erkannt. Die Arbeitszeit der Beamten wurde dort bereits verlängert. So müssen die Beamten in Nordrhein-Westfalen und Hessen seit dem 01. Januar 2004, 42 beziehungsweise 41 Wochenstunden arbeiten. Baden-Württemberg hat die Arbeitszeit sogar schon mit Wirkung zum 01. September 2003 auf 41 Wochenstunden angehoben. Auch die neu eingestellten Arbeitnehmer in Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen müssen längere Wochenarbeitszeiten zwischen 40 und 42 Stunden in Kauf nehmen.

Herr Staatssekretär, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Sprinkart?

Nein, ich möchte zuerst meine Ausführungen zu Ende bringen.

(Zurufe von den GRÜNEN: Oh! Oh!)

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die aktuelle Diskussion zeigt sehr deutlich, dass das Thema Arbeitszeitverlängerung inzwischen auch in der Wirtschaft hohe Priorität hat.

In großen und bedeutenden Unternehmen wurde wieder die 40-Stunden-Woche eingeführt. Die Wirtschaft sieht in dieser Entwicklung einen wichtigen Durchbruch und auch ein Signal für die Abkehr von kürzeren Arbeitszeiten. Der Kollege Dr. Huber hat in seinem Beitrag bereits deutlich darauf hingewiesen.

Die kommunalen Arbeitgeber teilen mittlerweile die Auffassung der Länder, dass die bisherigen Verhandlungsergebnisse unbefriedigend sind. Die Zwischenbilanz ist nach dem Beschluss des Präsidiums der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 21. April 2004 außerordentlich enttäuschend.

Woraus Sie Ihre Feststellung ableiten, dass die Funktionsfähigkeit der bayerischen Verwaltung seit langem nicht mehr ausreichend gegeben sei, ist mir, werte Kolleginnen und Kollegen der SPD, ein Rätsel. Die bayerische Verwaltung genießt einen ausgezeichneten Ruf. Die Funktionsfähigkeit der bayerischen Steuerverwaltung war und ist gewährleistet.

Ebenso unzutreffend sind auch Ihre Behauptungen zur Funktionsfähigkeit der Polizei. Bayern kann auf eine ausgezeichnete Sicherheitslage verweisen. Zusammen mit Baden-Württemberg ist Bayern nach wie vor das sicherste Bundesland.

(Zuruf der Abgeordneten Heidi Lück (SPD))

Der von Ihnen, werte Kollegin, konstruierte Zusammenhang zwischen der Arbeitszeitverlängerung und der Funktionsfähigkeit der Verwaltung ist nicht nachvollziehbar. Die Arbeitszeitverlängerung schafft eine beachtliche zusätzliche Arbeitskapazität. Auch nach dem Vollzug des Stellenabbaus wird diese Arbeitskapazität im Vergleich zum Status quo nicht geringer sein. Natürlich müssen die aus der Arbeitszeitverlängerung resultierenden Kapazitätsgewinne zugunsten des Staatshaushalts abgeschöpft werden.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ein besonderes Augenmerk gilt selbstverständlich der Jugendarbeitslosigkeit. Bei allen notwendigen Einsparmaßnahmen wurde und wird deshalb auf die Aufrechterhaltung eines Einstellungskorridors für Schul- und Hochschulabgänger geachtet.

Weniger Staat und weniger Bürokratie sind nicht nur zentrale Aufgaben unserer Zeit, sondern unbedingte Voraussetzungen auch für eine international konkurrenzfähige Wirtschaft. Die im staatlichen Bereich erreichte Kostenentlastung muss an die Wirtschaft weitergegeben werden, damit dort bestehende Arbeitsplätze gesichert und auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Mit diesem Kurs tragen wir nachhaltig auch zu einem Mehr an Beschäftigung bei.

Die Einheitlichkeit der Arbeitszeit für alle Beschäftigungsgruppen im öffentlichen Dienst ist zweifelsohne ein erstrebenswertes Ziel. Das war schon immer auch unsere Forderung.

Meine werten Damen und Herren der Opposition, dieses Ziel kann erreicht werden. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder hat ja die Tarifverträge über die Arbeitszeit der Angestellten und Arbeiter gekündigt. Die Gewerkschaften sind nunmehr aufgefordert, die Zeichen der Zeit, die Notwendigkeiten für die öffentlichen Haushalte und die besondere Situation des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu erkennen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Sie fordern in Ihrem Antrag die Staatsregierung auf, konstruktiv an der Modernisierung des Tarifrechtes mitzuarbeiten. Diese Forderung wird an der Staatsregierung nicht scheitern. Es waren die Gewerkschaften, die die Länder vom Neugestaltungsprozess ausgeschlossen haben. Trotzdem hat die Tarifgemeinschaft deutscher Länder auch weiterhin ihre Gesprächsbereitschaft angeboten.

Am 12. Mai dieses Jahres fanden Tarifverhandlungen mit Verdi und Tarifunion statt. Dabei haben die Gewerkschaften die Fortsetzung des Neugestaltungsprozesses mit unannehmbaren Forderungen verbunden. Sie haben weitere Verhandlungen von der Rücknahme der Kündigung der Zuwendungs- und Urlaubsgeldtarifverträge sowie der tariflichen Arbeitszeitvorschriften abhängig gemacht. Diese Forderung hat die Tarifgemeinschaft deutscher Länder abgelehnt. In dieser Tarifgemeinschaft, werte Kolleginnen und Kollegen, sind auch SPD-geführte Bundesländer. Verdi hat noch am gleichen Tag schriftlich das Scheitern der Verhandlungen erklärt.

Meine werten Kolleginnen und Kollegen, die bayerische SPD macht es sich zu einfach, wenn sie sich pauschal gegen die beabsichtigte Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst stellt und nicht in der Lage ist, konstruktive Vorschläge auf den Tisch zu legen. Wir stehen in der Verantwortung für die Zukunft unseres Landes. Wir gehen diese Herausforderungen an. Diese Reformen sind notwendig, meine werten Kolleginnen und Kollegen, damit unser Land auch künftig zukunftsfähig ist. Ich bitte Sie, diesen Weg der Bayerischen Staatsregierung zu unterstützen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen und wir kommen zur Abstimmung.

Der federführende Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes empfiehlt auf Drucksache 15/1259 die Ablehnung des Dringlichkeitsantrages. Wer diesem Votum zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist

die Fraktion der CSU. Wer ist dagegen? – Das sind die Fraktionen der SPD und der GRÜNEN. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen noch das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES/90 DIE GRÜNEN, betreffend Gezerre um die Verpackungsverordnung beenden – Einbringen und Verabschieden des Kompromissentwurfes in den/im Bundesrat am 9. Juli 2004, Drucksache 15/1291, bekannt geben: Mit Ja gestimmt haben 40, mit Nein 88 Abgeordnete. Es gab 2 Stimmenthaltungen. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 5)