Protokoll der Sitzung vom 30.06.2004

Wir haben schon so oft über das Thema geredet, dass es eigentlich müßig ist, noch einmal zu versuchen, Sie zu überzeugen. Deswegen möchte ich in ein Bild fassen, wie ich Ihre Position sehe. Weil ich gelernter Tierarzt bin, wollte ich eigentlich von einem kranken Hund sprechen, aber das lasse ich lieber, denn das ist kein besonders schönes Beispiel. Ich spreche stattdessen von einem Menschen, der zum Arzt geht und sagt: Herr Doktor, wenn ich die Treppen hinaufgehe, muss ich immer so schnaufen, und das Herz tut mir weh. Der erste Arzt sagt: Um Gottes Willen, Sie müssen Ihr Leben komplett umstellen, 10 Kilo

gramm abnehmen, jeden Tag eine Stunde Sport treiben, sich vernünftig ernähren und das Rauchen, Trinken und Schnupfen einstellen, dann wird das schon wieder. Ich verschreibe Ihnen nichts, aber Sie müssen sich auf einen grundlegend anderen Weg begeben.

Dann gibt es aber auch andere Ärzte, die sagen: Gut, dass Sie zu mir kommen, ich habe eine tolle Medizin. Nehmen Sie diese Pillen, Sie bekommen von mir eine Aufbauspritze, und ich empfehle Ihnen, fahren Sie mit dem Aufzug, dann müssen Sie nicht so schnaufen.

Wenn man die Aussagen der beiden Ärzte vergleicht, dann muss man sagen: Die CSU macht es so wie der erste Arzt. Wir versuchen die Dinge fundamental anzugehen. Wir versuchen die Dinge an der Wurzel zu packen.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir versuchen, die Dinge grundlegend zu verbessern, auch wenn es unbequem ist. Die Tatsache, dass es unbequem ist, hat leider auch Konsequenzen.

(Zuruf von der SPD: Glauben Sie das auch, was Sie erzählen?)

Selbstverständlich, sonst würde ich es nicht erzählen.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wörner?

Lassen Sie mich den Gedanken zu Ende führen, sonst gerne.

Sie jedoch verteilen nach wie vor Beruhigungspillen und erzählen den Menschen, dass alles so bleiben kann, wie es ist und dann ist es gut. Das Verteilen von Beruhigungspillen halten wir für längst überholt, ich will Ihnen sagen, was dabei herauskommt. Mittelfristig – da sind wir eigentlich schon – haben wir ganz schwere Nebenwirkungen, die wir jetzt schon bemerken. Langfristig führt die Nichtumsetzung einer solchen Korrektur des Lebens zum vorzeitigen Tode und das möchte ich unserem Bayernland ersparen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Huber, für den medizinischen Ausflug.

(Prof. Dr. Walter Eykmann (CSU): Frage!)

Die Frage kommt schon noch. Nur ruhig, Herr Professor Eykmann.

Herr Dr. Huber, sind Sie mit mir einer Meinung, dass solche Rosskuren gelegentlich auch zum Tode des Patienten führen und es eigentlich notwendig ist, solche Dinge peu à peu zu machen und dabei das vernünftige Augenmaß von Wegnehmen und Belohnen zu erhalten?

(Beifall bei der SPD)

Darin sind wir uns einig. Wenn Sie ein bisschen Geduld gehabt hätten, dann hätte ich genau diesen Punkt erwähnt.

Ich will nun von den Bildern weggehen und zu harten Fakten kommen: Aufgrund der katastrophalen Arbeitsmarkt-, Finanz- und Wirtschaftspolitik von Rot-Grün haben wir zurzeit Probleme bei den Einnahmen.

(Widerspruch bei der SPD)

Ich weiß schon, das hat einen erheblichen Bart, aber das muss man einfach an dieser Stelle sagen. Wir haben bei den Einnahmen massive Einbrüche und müssen aus diesem Grunde sparen. Wir haben ein Wirtschaftswachstum, das fast einer Stagnation gleichkommt.

(Susanne Biedefeld (SPD): Sie setzen doch so viel Geld in den Sand!)

Aufgrund der geringen Einnahmen und der Steigerung der Ausgaben für Leistungsgesetze und der Lohnsteigerungen müssen wir im Nachtragshaushalt 2004 ein Einsparvolumen – korrigieren Sie mich, Herr Staatssekretär – von gut 2,4 Milliarden Euro machen.

(Dr. Heinz Kaiser (SPD): Das stimmt doch gar nicht!)

Die 10 % Haushaltseinsparung haben ein Volumen von 2,4 Milliarden. Das ist genau das Geld, aus dem Sie zurzeit politisches Kapital zu schlagen versuchen. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass wir eine Neuverschuldung von 350 Millionen machen wollten bzw. mussten und wenn wir aus dem Steuerreformgesetz die 400 Millionen dazurechnen, dann muss man summa summarum sagen: Wenn wir alles beim Alten lassen wollten, so wie Sie das immer fordern, wenn wir alle Ausgaben, den gesamten Personalumfang, wenn wir das alles so lassen wollten, wie wir es bisher hatten, und alle Leute wären zufrieden, dann hätten wir heuer über 3 Milliarden Neuverschuldung aufnehmen müssen. Ich frage Sie ganz konkret: Wollen Sie das wirklich? Das können wir alle nicht wollen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Dr. Kaiser? Diese wird nicht auf die Redezeit angerechnet.

Herr Kollege Huber, wären Sie bereit, in den Haushalt hineinzublicken und dann festzustellen, dass das Haushaltsvolumen lediglich um 900 Millionen Euro, sprich um 2,6 % gesunken ist und nicht um 10 % bzw. 2,4 Milliarden Euro, wie Sie ständig behaupten?

(Prof. Dr. Walter Eykmann (CSU): Er verspricht Ihnen hineinzuschauen, dann ist die Sache erledigt!)

Ich verspreche Ihnen, hineinzuschauen und werde meine Berater mitnehmen; Manfred Ach wird mich dabei begleiten.

Ich will Ihnen noch ein weiteres Faktum vortragen: Die Verlängerung der Wochenarbeitszeit im öffentlichen Dienst ist das eigentliche Thema und man sollte sich die Entwicklung des Personalkostenanteils im Gesamthaushalt anschauen. Wir wissen, dass es zur Zeit 43 % beträgt. Nach den Hochrechnungen sind wir für 2008 bei 53 %, für 2011 bei 55 % und für 2015 bei 58 %. Gleichzeitig steigen auch die Festlegungen, wenn auch nicht in gleichem Maße. Wenn man diese Zahlen hochrechnet, kann man davon ausgehen, dass das Investitionsvolumen, das uns im Haushalt für 2008 noch bleibt, auf einem Niveau ist, bei dem es fast nicht mehr wert ist, darüber zu reden. Man muss sich das ernsthaft vorstellen und das geht uns alle hier an. Wir haben 2008 Wahlen – vielleicht bin ich noch da, wenn ich wieder gewählt werde; das weiß keiner – und wenn wir 2008 in Haushaltsverhandlungen eintreten, dann müssen wir uns hinsetzen und sagen: Wir haben keine Manövriermasse mehr, weil der gesamte Haushalt in den Personalkosten und den Festlegungen aufgeht und die paar hundert Millionen, die wir noch hin und her schieben können, sind fast nicht wert, damit politisch zu gestalten.

Ich komme daraus zu dem Schluss: Wir müssen eine maßvolle Verlängerung der Wochenarbeitszeit für die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes anpacken, auch wenn es nicht erfreulich ist. Aber ich halte es in dieser Dimension für zumutbar. Man bedenke: gleicher Lohn für nur 5 % mehr Arbeit. Ziel unserer ganzen Übung ist nicht, mit den Gehältern des öffentlichen Dienstes die Haushaltslöcher zu stopfen. Unser gemeinsames Ziel muss sein, die Kosten für die bayerische Staatsverwaltung dauerhaft so zu senken, damit wir sie uns leisten können.

Ich sehe – ganz konkret von mir differenziert – zwei notwendige Schritte: Der erste Schritt ist die Verlängerung der Arbeitszeiten und die daraus resultierende geringere Stellenzahl im öffentlichen Dienst. Da sind wir übrigens in guter Gesellschaft. Nicht nur Siemens oder Daimler denken daran, auch Continental, Thomas Cook oder die Deutsche Bahn – alle reden darüber. Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, der Bund oder die Stadt München – alle haben dieses Tool inzwischen in die Hand genommen und haben es zum Teil schon umgesetzt. Das möchte ich besonders hervorheben.

Daneben muss gleichzeitig auch die Verwaltungsreform gesehen werden. Es reicht nicht, die Arbeitszeit heraufzusetzen, sondern wir müssen gleichzeitig auch eine Reduzierung der Aufgaben und dadurch eine Senkung des Verwaltungsaufwandes erzielen, damit auf diese Weise die Mehrarbeit in den verschiedenen Bereichen bewältigbar ist.

Dabei kommt es ganz natürlich – jetzt komme ich auf den Kollegen Wörner zu sprechen – bei einem solchen Vorgehen zu Schwierigkeiten. Auch die verschiedenen Arbeitszeitbelastungen sind schwierig. Das gilt aber nur für eine Übergangszeit. Wir haben mit der Mehrarbeit in belasteten Behörden, zum Beispiel bei der Polizei oder in der

Justiz, Probleme. Wir haben Probleme bei der Einstellung von jungen Menschen. Es gibt soziale Ungerechtigkeiten. Genau deswegen fordere ich Sie auf: Lassen Sie die prinzipielle Schelte darüber, dass wir das Thema anpacken, viel gescheiter wäre es, mit zu helfen, um die Ungerechtigkeiten und die sozialen Ungleichheiten so zu gestalten, dass sie von den Menschen verstanden werden. Es ist tatsächlich so: Wenn man draußen ist und an den Stammtisch geht, wie Sie, Herr Kollege Wörner, das gerne tun, dann hört man: 42 Stunden, das wäre alles gar nicht so schlimm, aber es muss gerecht und es muss nachvollziehbar geschehen. In diesem Zusammenhang haben wir einige Möglichkeiten: Altersstaffelung – haben wir schon besprochen –, die möglichst schnelle Herstellung des Gleichklangs, die Begrenzung der Lebensarbeitszeit, wie wir es bei den Wechselschichten, bei der Polizei haben, die Flexibilisierung der Arbeitszeit, Altersteilzeitregelungen, Sonderregelungen für spezielle Berufsgruppen, Einstellungskorridore – das alles sind Werkzeuge, die man verwenden kann, damit die Änderung sozial einigermaßen gerecht abzuwickeln ist.

Ich meine, es gibt so viel zu tun, dass wir es gemeinsam anpacken sollten. Versuchen wir also miteinander diese leider notwendige Maßnahme anzupacken, damit wir unseren öffentlichen Verwaltungsapparat in den nächsten 10 Jahren noch weiter finanzieren können. Versuchen wir, die Maßnahmen so sozial wie möglich zu gestalten.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat der Kollege Sprinkart.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die von der Staatsregierung beschlossene Erhöhung der Wochenarbeitszeit für Beamtinnen und Beamte auf 42 Stunden ist ein Schnellschuss, der auf eine kurzfristige Entlastung des Haushalts zielt. Herr Huber, wenn Sie uns heute viel über den Personalkostenanteil erzählt haben, dann muss ich Ihnen sagen: Der Vorsitzende des Ausschusses für Fragen des öffentlichen Dienstes hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Personalquote entscheidend von der Investitionsquote abhängt.

Wenn ich nichts mehr investiere, steigt die Personalquote automatisch.

Ich will Ihnen aber noch etwas anderes sagen: Das Problem, dass die Personalquote so ansteigt, liegt an den Pensionslasten. Haben Sie sich schon einmal überlegt, wenn Sie so weiter machen, wie Sie das wollen, dann werden wir in 10 oder 15 Jahren zwar 20 Prozent Personalquote aber keinen aktiven Beamten oder Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes mehr haben. Das kann es doch wohl nicht sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ob das Ziel der Entlastung des Haushalts erreicht wird, ist fraglich. Wenn es erreicht wird, wird man schauen müssen, zu welchem Preis. Zum Preis der Demotivation und der sinkenden Effizienz –, und das sagen nicht nur die kommunalen Spitzenverbände, sondern selbst der Perso

nalratsvorsitzende der Staatskanzlei. Er klagt, die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes würden von der Regierungsfraktion nur noch als Kostenfaktor wahrgenommen.

Wie wenig durchdacht die Maßnahme ist, zeigt, dass Staatskanzleichef Huber kurz nach Verkündigung der Arbeitszeitverlängerung entdeckt hat, dass er in machen Bereichen plötzlich zu viele Arbeitskräfte hat. Er meint, diesem Problem jetzt mit einer Ausdehnung der Altersteilzeit begegnen zu müssen. Diese Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Es bietet sich eher ein Bild des Chaos als des überlegten Handelns.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch die lückenhafte Beantwortung meiner Anfrage zu diesem Thema ist ein Beleg dafür, dass zuerst verkündet und dann erst überlegt wurde. Ein anderes Beispiel. An den Förderschulen bringt die Arbeitszeitverlängerung nichts, da dort in der Regel nur Vormittagsunterricht stattfindet. Unter anderem deshalb, weil die Schüler von sehr weit her gebracht werden müssen. Hier braucht man Köpfe, denn die zusätzlichen Stunden kann man in der Zeit am Vormittag gar nicht unterbringen.

Längere Arbeitszeiten behindern zudem die Flexibilisierung, die Sie, Herr Kollege Huber, für den öffentlichen Dienst doch gerade gefordert haben. Das hat auch ein Vertreter des Bundesverwaltungsamtes bei einer Anhörung unserer Fraktion in der vergangenen Woche deutlich gemacht. Von dem Arbeitszeitmodell des Bundesverwaltungsamtes könnten Sie im Übrigen manches lernen, wenn Sie genauer hinschauen würden, bevor Sie Entscheidungen treffen. Dort hat man zum Beispiel durch eine Flexibilisierung der Arbeitszeit Einsparungen erreicht. Einsparungen bei einer sehr hohen Akzeptanz durch die Beschäftigten und einer herausragenden Arbeitszufriedenheit. Machen Sie bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Bayern doch einmal eine Umfrage über die Arbeitszufriedenheit. Sie wird vernichtend sein. Sie haben im Internet schon einmal so etwas probiert, und das hat zu einer klaren Aussage geführt. Sie könnten darüber hinaus davon lernen, wie man eine Regelungsdichte im öffentlichen Dienst auf ein Minimum zurückfährt, und zwar nicht nach außen, sondern im Innenverhältnis.

(Ernst Weidenbusch (CSU): Die Arbeitszeitflexibilisierung hat Frau Reiche begonnen!)

Das kann schon sein. Habe ich etwas Gegenteiliges gesagt? Die Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst ist ein Programm zur gezielten Arbeitsplatzvernichtung. Was aber noch viel schlimmer ist, sie ist nahezu ausschließlich gegen die Jugend gerichtet. Sie fordern und fördern zwar zusätzliche Ausbildungsplätze in der freien Wirtschaft, aber Sie reduzieren das Ausbildungsangebot im eigenen Zuständigkeitsbereich um ein Drittel. Wobei ich befürchte, dass das noch nicht das Ende der Fahnenstange sein wird. Das nenne ich einfach übel.