Protokoll der Sitzung vom 20.07.2004

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Kaiser.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Der EuGH bestätigt den bayerischen Konsolidierungskurs als richtig – Bund mutiert vom Musterknaben zum Totengräber des Stabilitätspaktes.“

(Beifall bei der CSU)

Wer sich diesen Titel ausgedacht hat, muss an einem erheblichen Realitätsverlust leiden. Das Urteil des EuGH, das jetzt als Anlass für diese Aktuelle Stunde herhalten muss, ist in der Tat ein Meilenstein für Europa. Der EuGH klärt mit diesem Urteil die Beziehung zwischen Kommission und Rat. Es ist insbesondere in Zeiten der Osterweiterung außerordentlich wichtig, dass Regeln und Grundsätze für die Zusammenarbeit der europäischen Institutionen aufgestellt werden. Deshalb begrüßen wir dieses Urteil.

Das Urteil enthält aber entgegen der Behauptung des Kollegen Ach keine Aussagen über die Auslegung und den Inhalt des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Das Urteil gibt die Möglichkeit, in der Fortsetzung des Defizitverfahrens den europäischen Pakt weiterzuentwickeln und zu modernisieren. Einer mechanistischen Auslegung des Paktes wurde vom EuGH entgegen Ihrer Meinung eine deutliche Absage erteilt.

Insofern ist der erste Teil des Titels der Aktuellen Stunde falsch und irreführend. Der Bezug des Titels zu Bayern ist weder eine Ohrfeige für Berlin noch eine Bestätigung für Bayern. Diese Aktuelle Stunde ist im Grunde genommen nur kleinkariert und provinziell.

(Beifall bei der SPD)

Bei der Behauptung, der Bund sei vom Musterknaben zum Totengräber mutiert, verschlägt es einem fast die Sprache. Hier wird dreist und frech gelogen!

(Beifall bei der SPD)

Ein Blick in den Haushaltsplan des Bundesfinanzministeriums würde genügen,

(Johann Neumeier (CSU): Wenn man den liest, wird einem ja schlecht!)

um zu widerlegen, was Sie hier behaupten. Sie wollen vergessen machen, dass Ihr Finanzminister Theo Waigel, der vom Kollegen Ach so gelobt worden ist, von 1994 bis 1998, also im Lauf einer einzigen Legislaturperiode, Schulden in Höhe von 230 Milliarden Euro gemacht hat. Er hat damit in dieser Legislaturperiode die Schuldenlast des Bundes um – sage und schreibe: – 45 % erhöht. Nicht Hans Eichel ist der größte Schuldenmacher der Republik,

sondern der größte Schuldenmacher der Republik heißt Theo Waigel. Er ist es und bleibt es!

(Beifall bei der SPD – Manfred Ach (CSU): Der Steuerzahler sieht das aber anders!)

Lassen Sie uns noch etwas weiter zurückblicken: Als Sie 1982 die Regierungsverantwortung übernommen haben, lag die Bundesschuld bei 160 Milliarden Euro. Als Sie aufgehört haben, lag sie bei 743 Milliarden Euro. Das ist fast eine Vervierfachung der Schuldenlast! Als die rot-grüne Koalition die Verantwortung übernahm, hatten wir 743 Milliarden Euro Schulden, und jetzt sind es 815 Milliarden Euro.

(Manfred Ach (CSU): Also, was wollen Sie denn!)

Damit sind gerade einmal 10 % der Schuldenlast zugelegt worden. Ich gebe zu, dass die 100 Milliarden für die Erlöse aus der UMTS-Versteigerung abgezogen sind. Aber nach wie vor gilt: Nicht Hans Eichel hat die Schulden gemacht, sondern Theo Waigel. Das muss man einmal deutlich machen.

Hätten Länder und Kommunen in den Jahren 1996, 1997 und 1998 nicht eine so starke Haushaltsdisziplin gewahrt, hätte Deutschland damals schon die europäischen Stabilitätskriterien deutlich überschritten. 1998 sind 88,6 % aller Schulden in Deutschland vom Bund gemacht worden. Das sollten sie einmal zur Kenntnis nehmen!

(Beifall bei der SPD)

Die Legendenbildung, die Sie hier betreiben, ist völlig abwegig. Vergleicht man die Haushaltssalden international, so zeigt sich, dass Deutschland im Jahr 2004 bei 3,6 % liegt, Frankreich liegt bei 3,7 %, während die viel gerühmten USA bei 4,5 % und Japan gar bei 7,4 % liegen. Zur Panikmache Ihrerseits besteht also keine Veranlassung. Das Gleiche gilt bei der Staatsschuldenquote im internationalen Vergleich. Die Gesamtschuld liegt in Deutschland bei 65,6 % des Bruttoinlandprodukts, in den USA sind es 66,1 %, und in Japan sind es 161,5 %. Das sind nüchterne Zahlen. Aber sie sagen mehr aus als die Polemik meines Vorredners, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt kommt ein besonders starkes Stück: Kollege Ach stellt sich mit sorgenvollem Blick hierher ans Rednerpult. Er hat Angst um die Stabilität des Euro.

(Manfred Ach (CSU): Habe ich nicht!)

Ja, in welcher Welt leben Sie denn eigentlich, Herr Ach? Die Preissteigerungsrate beträgt 2004 1,3 %. Sie ist damit niedriger, als sie es zu DM-Zeiten jemals war, meine Damen und Herren.

(Franz Maget (SPD): Der Euro ist jetzt so viel wert wie ein Dollar!)

In den Ländern der EU sind es im Durchschnitt 1,8 %, in den USA sind es 1,4 %. Herr Kollege Ach, das Problem ist nicht die Inflationsrate,

(Manfred Ach (CSU): Das ist doch gar nicht das Thema!)

sondern das Problem ist die Stärke des Euro gegenüber dem Dollar.

(Beifall bei der SPD)

Wie haben Sie denn aufgeschrien, als der Euro bei 0,88 US-Dollar lag? Der Euro ist eine weiche Währung, haben Sie damals gesagt. Jetzt ist der Euro stark, und er steht bei 1,24 gegenüber dem Dollar. Der Euro ist stark und nicht schwach, Herr Kollege Ach! Sie verfälschen die Wirklichkeit.

(Beifall bei der SPD – Manfred Ach (CSU): Woher kommt denn das Defizit?)

Die Stärke des Euro macht uns schon Sorgen, weil sie die Exportwirtschaft beeinträchtigen könnte.

Zu den Rahmenbedingungen der letzten Jahre, Herr Kollege Ach: Ich darf daran erinnern, dass wir drei Jahre hinter uns haben, in denen die Wirtschaft stagnierte

(Manfred Ach (CSU): Das liegt natürlich an der CDU/CSU, weil die in der Opposition ist, oder?)

und in denen natürlich auch die Steuereinnahmen schwächer waren. Ich erinnere daran, dass die rot-grüne Koalition

(Manfred Ach (CSU): …. bis jetzt nichts auf den Weg gebracht hat!)

seit 1999 den Bürgern jährlich 52 Milliarden Euro an Steuern zurückgegeben hat; bei der Steuerreform 2001 waren es 32 Milliarden Euro.

(Manfred Ach (CSU): Und das Ergebnis?)

Die rot-grüne Koalition hat also auch Strukturveränderungen in die Wege geleitet, Stichwort: Agenda 2010. Was haben Sie getan? Sie haben den Konsolidierungskurs der Regierung im Bundesrat blockiert.

(Beifall bei der SPD)

Ich erinnere an das Steuervergünstigungsabbaugesetz und an die Eigenheimzulage. Hans Eichel könnte 10 Milliarden Euro sparen, wenn Sie den Vorlagen im Bundesrat zugestimmt hätten.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Manfred Ach (CSU))

Ich bin sehr darauf gespannt, was Sie jetzt tun werden, Herr Kollege Ach, nachdem heute in der Zeitung steht,

dass die Europäische Kommission gegen die Eigenheimzulage klagt. Begrüßen Sie diese Klage auch, oder sind Sie im Fall eines Erfolges bereit, die Eigenheimzulage abzuschaffen?

(Manfred Ach (CSU): Warten wir es ab!)

Die Haushaltspolitik in Bayern

(Manfred Ach (CSU): … ist gut!)

mit einer Ausgabenkürzung um 2,6 % ist eine Konsolidierung, die die Konjunktur schwächt.

(Beifall bei der SPD – Manfred Ach (CSU): Was macht der Bund?)

Alle sagen, die Konjunktur geht nach oben. Der Export ist heuer nicht nur um 5 % gewachsen, sondern er wächst um 10 %. Die Binnennachfrage aber, die öffentliche Nachfrage, die Verbrauchernachfrage, sie lahmen.