Philologenverband erwähnen, der in den letzten Wochen ankündigte, trotz seiner grundlegenden Bedenken die Einführung des achtjährigen Gymnasiums nicht auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler austragen zu wollen. Bedanken möchte ich mich auch beim ISB, das mit der guten Lehrplanarbeit eine ganze Menge geleistet hat. Auch hier konnten wir einen wichtigen Akzent setzen. Wir haben mit den vorliegenden Lehrplanentwürfen für die fünften bis siebten Klassen die ersten Kürzungen – konkret im Inhalt der Lehrpläne – auf den Weg gebracht. Diese Schritte werden wir bis zum Februar bei den achten bis zehnten Klassen weiterführen. Die Konzepte dafür liegen vor.
Der Gesetzentwurf gibt den Rahmen vor. Jetzt sind die vorgeschlagenen Inhalte an den Schulen mit Leben zu füllen; die Vorschläge liegen auf dem Tisch.
Die Einführung des achtjährigen Gymnasiums ist jetzt ein wichtiger Schritt, um die Schülerinnen und Schüler auf eine globalisiertere und mobilisiertere Welt vorzubereiten. Ich darf das Hohe Haus um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf bitten.
Ich gebe jetzt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Gesetzentwurf der Abgeordneten Ulrike Gote, Dr. Martin Runge, Eike Hallitzky und anderer und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Änderung der Bayerischen Bauordnung auf Drucksache 15/658 bekannt: Mit Ja haben 15, mit Nein 135 Abgeordnete gestimmt, Stimmenthaltungen gab es keine. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.
Wir fahren in der Diskussion fort. Als Nächste hat sich Frau Kollegin Schieder zu Wort gemeldet. Bitte schön.
Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerne würde ich Ihnen heute, Frau Staatsministerin Hohlmeier, aber auch Ihnen Herrn Staatssekretär Freller, meinen tiefen Respekt dafür zollen, dass es Ihnen in absolut kurzer Zeit gelungen ist, all die Befürchtungen der Schülerinnen und Schüler, der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Opposition in diesem Haus als unzutreffend zu zerstreuen und die Einführung eines achtjährigen Gymnasiums so vorzubereiten, dass heute das Parlament beruhigt und überzeugt einer solchen Änderung des Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes zustimmen kann. – Aber weit gefehlt; denn statt eines überzeugten Konzeptes mussten wir uns heute – Herr Kollege Sibler, verzeihen Sie, ich kann es nicht anders sagen – eine wirklich schwache Rede und eine einzige Lobhudelei anhören, die mit der Situation vor Ort und mit der Lage an unseren Schulen wirklich gar nichts zu tun hat.
Herr Kollege Wägemann, dann waren Sie vor allem nicht in den letzten Tagen an einem Gymnasium, als dort die Situation der Lehrerversorgung beschrieben wurde; denn an den Schulen, wo das Gesetz rückwirkend umgesetzt werden soll, weil auch die fünften Klassen einbezogen werden, herrscht über diese Reform keine Freude, sondern blankes Entsetzen.
Als Dank dafür, dass man sich an den Schulen wirklich sehr viel Mühe gab, um im Interesse der Schülerinnen und Schüler das Unmögliche noch möglich zu machen und aus dieser völlig unerwarteten, überhasteten und vollkommen unvorbereiteten Aktion noch das Beste herauszuholen, gibt es das Wichtigste nicht, was die Schule braucht, um gut arbeiten zu können: Lehrerinnen und Lehrer.
Aber was hat uns Frau Ministerin Hohlmeier auf unsere Frage, woher denn die nötigen Lehrerinnen und Lehrer kommen sollen, denn nicht alles versprochen? Es war davon die Rede, dass es sich bei dem G 8 keinesfalls um eine Sparmaßnahme handele, sondern dass man für das G 8 wegen der Doppelführung des G 8 und des G 9 sogar erheblich mehr Lehrerinnen und Lehrer bräuchte, vor allen Dingen für die Intensivierungsstunden an den Gymnasien zur individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler, die jetzt endlich ermöglicht werden soll. Herr Kollege Sibler, ob das mit dem vorhandenen Lehrerpotenzial gemacht werden kann, wird sich noch herausstellen.
Es war vor allem immer wieder die Rede davon, dass man die nötigen Lehrerinnen und Lehrer selbstverständlich zur Verfügung stellen wird. Allerdings schickt das Kultusministerium anstelle der angeforderten Lehrerinnen und Lehrer nun ein ernüchterndes – um nicht zu sagen: erschütterndes – E-Mail an die bayerischen Gymnasien, in dem es mitteilt: „Die umfangreichen Personalanforderungen von Lehrkräften mit Fakultas Latein oder Mathematik können wir aufgrund fehlender Bewerber nur zu einem Teil abdecken.“ Wahlunterricht könne daher nur in geringem Umfang erteilt werden, so das Kultusministerium. Die Antragsteilzeiten könnten nicht in vollem Umfang gewährt werden. Teilzeitkräften solle die Unterrichtspflichtzeit um vier Stunden erhöht werden. Für jede Schule gebe es dann die Möglichkeit, für sechs Stunden pro Woche eine nebenberufliche Lehrkraft zu beschäftigen. Freundlicherweise heißt es im E-Mail auch, die Schulen würden gebeten, die zusätzlichen Belastungen für die Lehrkräfte möglichst gleichmäßig auf alle Lehrkräfte zu verteilen. – Vielen Dank, so viel zum Thema „Mangelverwaltung“.
Es kommt noch dicker; denn weiter heißt es, bei Seminarschulen sei ein eigenverantwortlicher Unterricht der Teilnehmer am Lehrerseminar, etwa eine Klasse pro Teilneh
mer, einzuplanen. Das bedeutet, dass Referendare diese Lücke schließen müssen und jetzt, anstatt unter Beobachtung und Anleitung zu unterrichten, selber Klassen übernehmen und in ihrem Fachbereich eigenverantwortlich führen müssen.
Die mobilen Reserven sind völlig ausgeplant. Es gibt jetzt schon, also vor Schuljahresbeginn, für krankheitsbedingte Ausfälle keine Ersatzmöglichkeit mehr. Das Kultusministerium wird wohl nicht verordnen können, dass es keine Krankheiten geben wird. Das Kultusministerium stellt weiter dar, dass man über Abordnungen versuchen werde, die vorhandenen Unterrichtskapazitäten auf alle Schulen gerecht zu verteilen, um den Pflichtunterricht „im Wesentlichen“ sicherstellen zu können. Das hört sich wunderbar und vernünftig an, die konkrete Umsetzung erzeugt aber vor Ort ein ziemliches Chaos, das viele Schulen nicht werden bewältigen können.
Von gut informierten Leuten wurde mir berichtet, dass das Ministerium von 120 Lehreranforderungen für Latein nur 26, von 200 Anforderungen für Mathematik nur 86 erfüllen könne. Es heißt seitens des Kultusministeriums weiter: „Eine leichte Unterversorgung wird sich wegen der deutlich über der Prognose liegenden Anmeldezahlen an Gymnasien nicht immer vermeiden lassen.“ – Eine wunderbare, sehr schöne Sprache, damit können Sie jeden Preis gewinnen.
Das Kultusministerium versucht, das Problem schönzureden – oder besser: schönzuschreiben. Seine Aussagen lassen sich wohl besser so zusammenfassen: Tut uns Leid, liebe Lehrerinnen und Lehrer, wir hatten wieder einmal keinen Überblick darüber, was an unseren Schulen los ist; denn woher sollen wir auch wissen, welche Anforderungen wir bekommen werden.
Herr Kollege, das ist nicht unverschämt, sondern Realität. Gehen Sie hinaus und sagen Sie den Schulleitern, was daran falsch ist.
Weiter könnte man sagen: Wir konnten natürlich wieder einmal nicht ahnen, was all die wissen, die sich in den letzten Jahren mit dem Schulleiter eines Gymnasiums unterhielten, nämlich dass die Gymnasien nach wie vor einen erheblichen Zuwachs an Schülern haben werden; macht euch keine Sorgen, wir werden, wie gehabt, das Kind schon schaukeln; strengt euch halt ein bisschen an, das kann man von einem loyalen Staatsbeamten, der zudem gut bezahlt wird, erwarten; der Mangel, darauf könnt ihr euch verlassen, wird gerecht verteilt, aber die Löcher bleiben groß.
Frau Kollegin, teilen Sie die Auffassung, dass im Mittelpunkt unserer bayerischen Schulpolitik die Schüler stehen?
Herr Kollege Weidenbusch, haben Sie schon einmal davon gehört, dass Schülerinnen und Schüler in der Schule nur dann Unterricht haben können, wenn sie Lehrer haben, die den Unterricht auch erteilen?
Große Lücken tun sich aber nicht nur beim Mathematik- und beim Lateinunterricht auf, sondern auch bei den Fächern Englisch und Deutsch. Davon schreibt das Kultusministerium allerdings nichts; denn sonst könnten die Schulleiter vielleicht auf die Idee kommen nachzufragen, warum man dann nicht Lehrerinnen und Lehrer einstellt, die für diese und für andere Fächer noch zu haben und bereit sind, in den Schuldienst einzutreten.
Für Aushilfslehrkräfte gibt es, so sagte man mir, nicht 350 Verträge wie im Jahr 2003, sondern heuer stehen 140 zur Verfügung. Nach vorsichtigen Schätzungen der Lehrerverbände, aber auch nach den Schätzungen der Schulleiter vor Ort, fehlen im Durchschnitt jeder Schule 30 bis 40, an manchen Schulen, je nach Lehrersituation, sogar 40 bis 50 Wochenstunden, manchmal sogar noch mehr. Man hat im Kultusministerium wohl vollkommen übersehen, dass durch die Einführung der zweiten Fremdsprache bereits in der sechsten Klasse, und durch die Veränderungen im Lehrplan durch das neue G 8, neue Zusammensetzungen erforderlich sind. Die Arbeitszeiterhöhung wirkt sich wegen des Fachlehrerprinzips nur sehr begrenzt und nicht immer so aus, wie man es gerne hätte oder wie man es vor Ort bräuchte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, auch Sie können nicht leugnen: Der Mangel vor Ort ist groß, und die Schulen wissen, was sie tun sollen. Mancherorts wird, so wurde mir gesagt, erwogen, den Sportunterricht ausfallen zu lassen, weil der zuständige Lehrer – Gott sei Dank – ein zweites Fach unterrichtet, das dringend gebraucht wird. Andere Schulleiter sehen sich gezwungen, eine Reihe von Pflichtunterrichtstunden ausfallen zu lassen oder riesengroße Klassen zu bilden. Dabei sind die Klassenstärken ohnedies schon groß. Sie werden aber noch weiter zunehmen, vor allem in der Mittelstufe. Mancherorts wird sogar darüber nachgedacht, Herr Kollege Sibler, die von Ihnen so hoch gelobten Intensivierungsstunden zu streichen.
Man will sie entweder streichen oder überlegt, die Klasse für die Intensivierungsstunden nicht zu teilen, oder sie zu teilen und dafür nur einen Lehrer bereitzuhalten, der dann zwischen den Klassenzimmern hin und her springt. Sollte
es sich bei den Intensivierungsstunden tatsächlich um das so genannte Herzstück des G 8 handeln, wie dies seitens der Kultusministerin und des Kultusministeriums immer wieder dargestellt wurde, dann sage ich Ihnen: Das G 8 steht kurz vor dem Herzstillstand, wenn nicht bald etwas getan wird.
Mich hat aber besonders schockiert, dass diese Vorschläge – für die Intensivierungskurse die Klassen nicht zu teilen oder die Kurse zu streichen – den Schulen vom Kultusministerium unterbreitet wurden, weil man auch dort nicht weiß, wie man mit dem Mangel umgehen soll.
Das stimmt, das ist mir so gesagt worden. Ich kann Ihnen auch Ross und Reiter nennen. Wurden diese Stunden von Ihnen nicht immer wieder als die großen Wundermittel verkauft? Wurde den Eltern nicht überall und immer wieder versprochen, dass man sich gerade um diese Stunden besonders bemühen wird? – Ich kann dazu nur sagen: Die Halbwertszeiten für Zusagen und Versprechungen seitens der Kultusministerin werden immer kürzer. Das G8 ist noch nicht einmal eingeführt, und diese Zusagen sind schon Schnee von gestern.
Sie wissen aber genausogut wie ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Intensivierungsstunden für das achtjährige Gymnasium wirklich unerlässlich sind. Sollte man es zulassen, dass diese Stunden tatsächlich gestrichen oder die Klassen nicht geteilt werden, dann nehmen Sie den Schulen jede Möglichkeit zur individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler. Sie versetzen dem G 8 dann in der Tat den Todesstoß. Sie nehmen es in Kauf, dass die heute ohnedies schon hohe Zahl von jungen Menschen, die an unseren Gymnasien scheitern, noch enorm ansteigen wird. Das können und sollten wir uns nicht leisten.
Frau Staatsministerin, ich kann mir denken, dass Sie diese Analyse nicht gerne hören, aber Sie müssen sie zur Kenntnis nehmen.
Ach, sie ist nicht da. Das ist wahrscheinlich besser. Es hat sich gezeigt – Kollege Sibler hat die Termine angeführt –, dass die ganzen schönen Road-Shows, Flughafengipfel und schönen Leitfäden – und wie diese Schadensbegrenzungsbemühungen sonst noch alle heißen –, nichts geholfen haben. Es ist eben wie in der Schule. Die Hausaufgaben müssen gemacht werden, und zwar zuverlässig, vollständig und konsequent. Das gilt auch, wenn man Kultusministerin ist.