Protokoll der Sitzung vom 20.10.2004

Klassen und schlechterer Präventions- und Fördermöglichkeit als in der Förderschule. Gewalt gegen Mitschüler und Bedrohungen gegen Lehrer greifen immer stärker um sich.

Das sagt der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband, das muss ich Ihnen auch sagen. Auch das ist kein grober Unfug, sondern ein Warnsignal, das Sie ernst nehmen sollten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie müssen es wenigstens ernst nehmen – und nicht wegreden wollen –, das wäre verantwortliche Politik eines Staatsministeriums, das sich für Bildung zuständig fühlt. Aber wir haben halt ein Problem des Ministeriums, das eigentlich für Bildungspolitik zuständig wäre. Es ist übernommen von den Finanzkräften und vom Finanzminister. Das ist das eigentliche Problem, das wir haben. Sie können sich nicht mehr durchsetzen. Sie wissen genau, dass es Probleme gibt. Diese müssen Sie wegreden, wegdiskutieren, nicht weil es die Probleme nicht gibt, sondern weil Sie sich gegenüber dem Finanzministerium nicht mehr durchsetzen können. Das ist die Wahrheit, die hier einmal ausgesprochen werden muss.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

„Hauptschullehrer gehen in die innere Emigration“, steht da. „Das Burn-out-Syndrom greift unter Lehrerinnen um sich. Immer mehr Kollegen sind gefährdet, nach Jahren mit hohem Idealismus in die innere Emigration zu gehen.“ Das ist auch ein großes Problem. Lehrer gehen in die innere Emigration. Ist es denn grober Unfug, wenn der Lehrerinnen- und Lehrerverband sagt: Unsere Lehrer gehen in die innere Emigration? Um Gottes willen, hören Sie doch endlich auf, das schlechtzureden und kaputtzureden. Nehmen Sie das doch zur Kenntnis und versuchen Sie Lösungen und nicht rhetorische Abwehrtricks, damit wir weiterkommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Diese Liste, liebe Kolleginnen und Kollegen, könnte ich jetzt weiterführen: Druck auf die Grundschüler. Ich bin nicht der Meinung von Frau Tolle, dass die Welt an den Grundschulen noch in Ordnung ist. Es ist ein Verbrechen an den zehnjährigen Kindern, wie Sie mit Leistungsdruck per Übertrittszeugnis die Lebenschancen dieser Kinder verschlechtern. Das ist die Wahrheit an den Grundschulen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Unruhe und Zurufe von der CSU – Thomas Kreuzer (CSU): Sie haben überhaupt keine Ahnung! Sie sind ein bildungspolitischer Amokläufer!)

Auch das wissen Sie ganz genau.

Meine Damen und Herren, ich will es bei der Aufzählung der Wahrheiten bewenden lassen und Sie herzlich bitten – dazu gibt es durchaus den Wunsch und den Willen zur Zusammenarbeit – aufzuhören, mit Tricks das alles schönzureden, sondern zu versuchen, diese Warnsignale ernst zu nehmen und gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten. Das wäre eine gute Sache und eine richtige Politik. Unsere Bereitschaft dazu gibt es natürlich. Aber solange Sie alles abstreiten, was alle sagen, was offensichtlich nur im Staatsminis

terium noch nicht gesehen wird, kann es natürlich noch keine Zusammenarbeit geben. Hören Sie auf damit, dann kommen wir, glaube ich, weiter.

Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas zu der Bildungsmilliarde sagen. Sie müssen investieren. Alle Debatten um alles und jedes Detailthema sind ja wunderbar, aber zum Schluss fällt die Katze immer auf die gleichen Füße: Das Geld muss her, um das zu finanzieren, kleinere Klassen, mehr Lehrer. Deswegen ist eine Investition in die Bildungspolitik dringend erforderlich, und ich bin der Auffassung, dass das auch geht. Deswegen bitte ich Sie noch mal, in sich zu gehen und darüber nachzudenken, ob Sie einer Investition von einer Milliarde Euro in fünf Jahren zustimmen können, um zumindest das schlechte Niveau der Bildungsinvestitionen im Vergleich der deutschen Bundesländer zu erreichen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Professor Dr. Waschler.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Aus Zeitgründen kann ich nur stichpunktartig auf Dinge eingehen, die man so nicht stehen lassen kann. Ich fange unmittelbar beim Kollegen Pfaffmann an.

Ich möchte nur zur Kenntnis bringen, dass es ein pädagogisches Prinzip gibt, das ganz einfach lautet, dass man durch Fordern fördert. Von einem ungesteuerten Leistungsdruck zu sprechen, ist genauso wenig seriös, wie die Fachhochschulreife zu diskriminieren, wie es gerade in diesem Parlament geschehen ist.

(Beifall bei der CSU – Marianne Schieder (SPD): Das ist eine Unverschämtheit!)

Frau Kollegin Schieder, Sie haben sich praktisch durch Zwischenruf zu Wort gemeldet.

(Marianne Schieder (SPD): Nehmen Sie diese Unverschämtheit zurück, Herr Kollege Waschler!)

Frau Kollegin Schieder, darf ich gleich in punkto Interpretation etwas anmerken. Sie haben mich mit der Aussage zum G 8 zitiert, es sei brauchbar in der Einführung. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass bei einer Nominalskala zwischen „brauchbar“ und „unbrauchbar“ ein Nominalniveau zwischen „ja“ und „nein“ vorliegt. Wenn ich sagte, Beiträge der Opposition sind unbrauchbar, aber die Beiträge der CSU sind brauchbar, dann sind das ganz klare, eindeutige Aussagen.

Herr Kollege Maget, ich glaube fast, dass Ihnen das Lachen vergehen wird. Ich habe Sie ja gestern aufgefordert, auf eine Wette einzugehen, und Sie haben ausweislich des Protokolls zugestimmt.

(Franz Maget (SPD): Ja, freilich!)

Ich darf Ihnen gleich den Sachstand sagen.

(Franz Maget (SPD): Ja, bitte!)

Sie haben eine Grundschulklasse in der Höhe von 42 Schülern nachzuweisen. In eine solche wurde ich persönlich 1963 eingeschult.

(Lachen des Abg. Franz Maget (SPD))

Im Gymnasium hatte ich 1984 als Lehrer eine Klasse mit 39 Schülern.

(Franz Maget (SPD): Sie vergleichen mit den Sechzigerjahren!)

Moment, Herr Kollege Maget. Sie behaupten in diesem Parlament, dass es heute schlechter ist als früher, und das muss man beim Wort nehmen.

(Franz Maget (SPD): Und Sie meinen die Sechzigerjahre – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): 1860 war es noch einmal anders!)

Da muss man Sie beim Wort nehmen, und nur bei diesem Punkt nehme ich Sie beim Wort. Das tragen wir dann entsprechend intern aus. Pauschal das große Wort führen, das geht wirklich nicht.

Das andere, Herr Kollege: Wenn Sie hingehört hätten, hätten Sie gehört, dass ich gesagt habe, ich hatte auch eine Gymnasialklasse. Ich kenne nämlich die Gymnasien nicht nur von außen oder aus Tagesbesuchen, wie Frau Tolle es sagt, sondern ich kenne sie im Detail. Ich kenne sie als Lehrer, ich kenne sie auch als stellvertretender Schulleiter, der für viele Dinge verantwortlich war. Wenn ich einen Artikel aus der „tz“ sehe mit der Überschrift: „Hier unterrichtet Papa Hans“, was die Opposition immer als Kronzeugen dafür anführt, dass das so fürchterlich schlecht wäre, dann kann ich sagen: Hier hat eines von 400 Gymnasien wirklich vorbildlich im Sinne einer aktiven Bürgergesellschaft vorsorglich gehandelt.

(Lachen bei der SPD)

Man hat sich umgeschaut, wer in einer Notlage aushelfen kann. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, man muss wirklich sagen, dieser Schulleiter hat auf seinen Unterrichtsbetrieb vorsorglich geschaut und hat die Probleme, ohne dass er laut nach draußen schreit, gelöst.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Er schon, aber ihr nicht! Der Schulleiter ist vorbildlich, aber ihr seid eine Katastrophe!)

Herr Kollege Dürr, auch für Sie wäre es vielleicht hilfreich, wenn Sie manchmal ein bisschen hinhören würden. Dann würden aus Ihrer Fraktion nicht so unsinnige Dinge behauptet wie von Frau Kollegin Tolle, die auf Kollegen Sibler einfach antwortete, dass die Steigerungen im Einzelplan 05 auf Bundesmittel aus dem Ganztagsprogramm zurückzuführen seien. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind durchlaufende Bundesmittel, die bereinigt sind. Die Steigerungsrate ist 4,3 %. Ein anderes Argument wäre vielleicht treffender gewesen, aber das von Ihnen gebrauchte passt schlicht und ergreifend überhaupt nicht.

Eine Tatsache können Sie auch nicht wegwischen, dass nämlich von 1999 bis 2003 – Moment, ich möchte es korrekt sagen, damit ich mich nicht korrigieren muss wie vielleicht Kollege Maget bei den Klassengrößen –

(Franz Maget (SPD): Schauen wir mal, wer sich da korrigieren muss!)

im Vergleich zum Gesamthaushalt der Bildungshaushalt um insgesamt 13 % mehr angestiegen ist.

Mich persönlich würde aus pädagogischen Gründen noch interessieren – dann komme ich schon zum Ende –, warum Kollege Pfaffmann eine Pressemitteilung des Philologenverbandes anführt, die vor dem ersten Schultag herausgegeben wurde und in der als These behauptet wird, die Intensivierungsstunden seien ein Abenteuer. Warum bringt er das als Argument dafür, dass es jetzt noch genauso sei? Ich kann dazu nur sagen: Wir werden deutschlandweit darum beneidet, dass wir Intensivierungsstunden anbieten, dass wir hinsichtlich der Stundenzahl am G 8 eine vorbildliche Spitzenstellung haben.

Zu allen Dingen im Zusammenhang mit Unterrichtsausfall kann ich nur sagen: Das hat es früher auch gegeben; heute ist der Umfang nicht größer. Wir kennen die Probleme; wir nehmen die Probleme ernst. Wir haben aber keine irgendwie geartete Brille auf, wie Kollege Kaiser, den ich sonst sehr schätze. Er wird es humorvoll nehmen, wenn ich etwas zu dem anmerke, was er gesagt hat. Er behauptet, die bayerische Bildung müsste auf das gesamtdeutsche Niveau gebracht werden. – Um Gottes willen! Bitte nicht! Lassen wir das bayerische Spitzenniveau! Ich verstehe das als humorvolle Anmerkung. Das war wirklich ein ausgemachter Kaiser-Schmarrn.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der SPD-Antrag und der GRÜNEN-Antrag sind wohl gut gemeint – das unterstelle ich positiv –, sie gehen aber meilenweit an der Realität vorbei.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das stimmt! Die Realität ist eine Katastrophe!)

Die Forderung nach einer Milliarde Euro unkontrollierter Verschuldung ist nicht im Interesse unserer Kinder. Sie ist gegen das Wohl unserer Kinder gerichtet, die das zurückzahlen müssen. In diesem Sinne bitte ich um Ablehnung dieser beiden Anträge.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat Frau Kollegin Paulig. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Frau Staatsministerin, erlauben Sie mir ein paar Intensivierungsminuten. Nachhilfe in politischer Allgemeinbildung kann nicht schaden. Sie haben hier – meine Frage dazu haben Sie leider nicht zugelassen – von zusätzlichen Energiekosten aufgrund der Energiesteuer in Höhe von 200 bis 300 Euro gesprochen. Ich glaube, man muss die Dinge wieder zurechtrücken. Die Belastungen beispielsweise

durch die Umlage im EEG betragen 12 Euro pro Familie und Jahr. Das entspricht drei Zigarettenschachteln.

Sie sprechen hier die Ökosteuer an. Ihr Anteil an der Gesamtbelastung aufgrund steigender Kosten ist minimal. Es handelt sich um eine Belastung, die fest ist, die nicht prozentual mit den Gesamtkosten steigt. Schauen Sie sich die Ökosteuer an. Sie werden sehen: Die Ökosteuer hat 250 000 zusätzliche Arbeitsplätze gebracht; sie hat die Sozialversicherungssysteme um 17 Milliarden Euro entlastet; sie hat die Wirtschaft steuerbegünstigt durch reduzierte Beiträge um 4,5 Milliarden Euro entlastet.

Das Ganze hat dazu geführt – ich meine, das gehört zur politischen Bildung –, dass erstmals seit Jahrzehnten seit 1999 mit der Einführung der Ökosteuer der Spritverbrauch um circa 1 % pro Jahr sinkt. Dies führt dazu – auch dieser Hinweis sei mir in der Intensivierungsminute noch erlaubt –, dass die wirtschaftlichen Schäden gemindert werden, die der Klimawandel und die Zunahme der Treibhausgase mit sich bringen. Auch dieses sei Ihnen mit auf den Weg gegeben. Dann, meine ich, kann man mit diesen Faktoren künftig verantwortlich umgehen. Anschließend haben wir den Dringlichkeitsantrag „Weg vom Öl“. Ich glaube das ist der Weg, der in die Zukunft führt, nicht aber Polemik, mit der falsche Zahlen in dem Raum gestellt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Kollegin Schieder. Bitte, Frau Kollegin.