Tagesordnungspunkt 3 Haushaltsplan 2005/2006; Einzelplan 06 für den Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen
Im Ältestenrat wurde für die Aussprache eine Redezeit von einer Stunde und 30 Minuten festgesetzt. Davon entfallen auf die CSU-Fraktion 46 Minuten, auf die SPD-Fraktion 25 Minuten und auf die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19 Minuten. – Ich eröffne die Aussprache. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Schieder.
Gut, er kommt gleich. Also: Herr Staatssekretär, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen heute die Haushaltsberatungen zum Einzelplan 06 fort. Der Haushalt des Finanzministeriums selbst ist vor allen Dingen ein Verwaltungshaushalt, der die Finanzverwaltung, die Vermessungs- sowie die Schlösser- und Seenverwaltung ausstattet. Deshalb will ich mit einem Dank an die Beschäftigten beginnen. Die Beschäftigten haben es nämlich unter dieser Staatsregierung nicht leicht. Bei dem, was diese Staatsregierung in der öffentlichen Verwaltung an Zumutungen und Demütigungen verbreitet, ist es direkt ein Wunder, dass diese Verwaltung noch so funktioniert.
Das verdanken wir den vielen leistungsbereiten Beschäftigten. Das sage ich ausdrücklich im Namen der SPDFraktion. Die SPD-Fraktion war immer ein verlässlicher Partner für den öffentlichen Dienst, und das wird auch so bleiben.
Bevor ich mich einigen Problemen des Einzelplans 06 zuwende, muss ich einige allgemeine Anmerkungen in Fortführung der letzten Debatte machen; denn wir müssen die Dinge im Zusammenhang sehen. Ich will eine Bemerkung aufgreifen, die Kollege Dr. Kaiser bei der letzten Beratung hat anklingen lassen. Das ist wichtig, und das muss man immer wieder deutlich machen, um das Gesamtkonzept dieses Haushalts zu verstehen. Die aktuellen Haushalte in
Bayern stehen mehr als anderswo unter dem Diktat des ausgeglichenen Haushalts im Jahr 2006 um jeden Preis. Ich muss die Worte „um jeden Preis“ betonen, weil das bedeutet: Der Haushalt muss ausgeglichen sein, egal, wie die Konjunktur läuft. Nun gibt es Leute, die der Meinung sind, dass dann, wenn die Konjunktur nicht so gut läuft, zumal wenn wie derzeit die mangelnde Binnennachfrage ein bedeutsames Problem ist, der Staat etwas mehr ausgeben sollte, um stabilisierend zu wirken. Das nennt man bekanntlich antizyklische Haushaltspolitik. Wenn man, wie die SPD-Fraktion, auf einem pragmatischen Standpunkt steht, ist das eine ganz vernünftige Überlegung. Die versammelten Dogmatiker in der Staatsregierung teilen diese Überlegung allerdings nicht. Der Finanzminister verfolgt keine antizyklische Finanzpolitik, sondern beschädigt vielmehr mit seinem rigorosen Sparkurs in Bayern Wachstum und Arbeitsplätze.
Die eigentlich spannende Frage aber lautet: Welchem Zyklus – wenn nicht dem Antizyklus – folgt die bayerische Haushaltspolitik? Wer diese Politik unter längerfristigen Gesichtspunkten sortiert, findet leicht heraus, was den Zyklus der bayerischen Haushaltspolitik bestimmt und welcher Zyklus das eigentlich ist. Was meine ich damit? – Wie zufällig verkauft die Staatsregierung immer rechtzeitig vor einer Landtagswahl eine bedeutende Tranche bayerischen Volksvermögens, um die Erträge dann mit einem nicht geringen Propagandaaufwand im Land zu verteilen; jedenfalls kündigt sie die Verteilung wahlwirksam an. Das war 1994 so, war 1998 so und war 2003 so. Ich füge hinzu – gewissermaßen in Klammern -: Die CSU kauft praktisch mit bayerischem Volksvermögen Wählermehrheiten.
Das war jeweils vor den letzten Wahlterminen so, und das wird auch im Jahr 2008 wieder so sein. Davor gibt es noch ein bedeutsames Datum, nämlich das Wahljahr 2006. Mit diesem Wahljahr steht das Dogma des ausgeglichenen Haushalts in einer inneren Verbindung; denn der Ministerpräsident braucht für die Bundestagswahl mangels anderer Argumente oder anderer vorzeigbarer Dinge offenbar irgendeine Form von Monstranz, die er vor sich hertragen kann, eine Monstranz, von der er glaubt, er könne damit beeindrucken.
Damit haben wir eine Antwort auf die spannende Frage, welchem Zyklus die bayerische Haushaltspolitik eigentlich folgt.
Die bayerische Finanzpolitik folgt einer festen Regel: Sie ist wahlzyklisch. Das bedeutet, in Bayern geschieht nicht das, was gesamtwirtschaftlich nutzt, sondern das, was der CSU als Partei nutzt.
Die Finanzpolitik wird nicht von pragmatischen Überlegungen geleitet, sondern von wahltaktischen Manövern.
Sie wird von wahltaktischen Manövern überlagert. Mehr noch: Der persönliche Ehrgeiz des Ministerpräsidenten, 2006 unbedingt eine Monstranz haben zu wollen, ist der Staatsregierung wichtiger als die Interessen dieses Landes.
Meine Damen und Herren, anstatt dass der Ministerpräsident dem Land dient, müssen alle von Kürzungen und Streichungen in Bayern Betroffenen für das eigenwillige und eigensinnige Image des Ministerpräsidenten herhalten. Das ist bayerische Finanzpolitik, meine Damen und Herren!
Sie werden gleich sehen, Herr Faltlhauser, dass das mit einem zentralen Punkt im Einzelplan 06 zusammenhängt. Es handelt sich um die allfällige These: Der Staat hat kein Geld. Diese These wird jedem SPD-Haushaltsantrag entgegengehalten. Fixiert man den Blick nur auf die reinen Haushaltszahlen, so scheint es tatsächlich ein Problem zu geben. Wir müssen dieses Problem aber etwas genauer ansehen, um zu erkennen, wie es tatsächlich beschaffen ist. Es stellt sich nämlich die Frage, ob der Staat ein Ausgabeproblem hat oder ein Einnahmeproblem. Diese Frage ist von strategischer Bedeutung. Wenn der Staat in den letzten Jahren immer zu viel ausgegeben hat und der Haushalt deswegen defizitär ist, dann muss man tatsächlich bei den Ausgaben ansetzen. Wenn das aber nicht der Fall ist, dann ist die Lage eine ganz andere.
Die Staatsregierung predigt seit einigen Jahren die Philosophie eines „schlanken Staates“. Wohlgemerkt, gegen effektive Verwaltung und das Vermeiden unnötiger Ausgaben ist nichts zu sagen. Darum geht es aber nicht. Es wird vielmehr behauptet, die Staatstätigkeit sei „von uns allen“ immer mehr ausgedehnt worden, und das sei nun nicht mehr bezahlbar. Bei dieser Sichtweise hat der Staat ein Ausgabeproblem, und so werden die Streichkonzerte auch begründet. Allerdings ist an dieser Sichtweise so ziemlich alles falsch, meine Damen und Herren. Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Dazu muss man nur einen Blick auf die Staatsquote werfen. Damit meine ich die Staatsquote im eigentlichen Sinn, also die Ausgaben
der Gebietskörperschaften im Verhältnis zur gesamten Wirtschaftsleistung. Das Problem der Sozialversicherung kann ich hier ausklammern.
Ein Blick auf die Statistiken zeigt, dass die bayerische Staatsquote, also das Verhältnis der bayerischen Staatsausgaben zum bayerischen Bruttoinlandsprodukt 1975 bei knapp 14 % lag. Heute liegt sie bei knapp 9 %. Die bayerische Staatsquote ist seit den Siebziger Jahren also um fast ein Drittel gesunken. Ich wiederhole: Die bayerische Staatsquote ist in den letzten Jahren nicht gestiegen, sie ist im Gegenteil beträchtlich gesunken. Deshalb kann keine Rede von einer immer mehr ausufernden Staatstätigkeit sein. Das ist falsch. Auf meine Ausgangsfrage, ob oder warum der Staat kein Geld hat, ergibt sich jetzt eine erste Teilantwort: Der Staat hat kein Ausgabeproblem, sondern ein Einnahmeproblem. Meine Damen und Herren, wir sollten deshalb die Finanz- und Haushaltspolitik nicht so sehr auf ein Ausgabeproblem – Stichwort „Streichungen und Kürzungen“ – reduzieren, sondern wir sollten unseren Blick auf das Einnahmeproblem fokussieren.
Das Einnahmeproblem hat selbstverständlich auch mit der schwierigen Wirtschaftslage und den damit verbundenen Steuerausfällen zu tun. Ich habe eingangs schon darauf hingewiesen, dass Ihre konjunkturschädliche, weil wahlzyklische, Politik gerade dieses Wachstum beschädigt. Ich will auch nicht unerwähnt lassen, meine Damen und Herren, dass das Einnahmeproblem strukturelle Gründe hat, die in der Steuerpolitik liegen. Die steuerliche Entlastung der bundesdeutschen Oberschicht in den letzten fünfzehn Jahren hat zu jährlich Zig-Milliarden Einnahmeverlusten geführt, ohne dass die dadurch erhofften Effekte bei Wachstum und Beschäftigung eingetreten wären. Das ist durchaus ein Grund, die steuerpolitische Philosophie der Vergangenheit zu überdenken.
Ich will diese Details hier nicht weiter aufarbeiten, denn mein Anliegen ist zunächst nur, Sie dafür zu sensibilisieren, dass der Staat nicht objektiverweise, quasi wie ein Naturereignis, kein Geld mehr hat, sondern dass der Staat ein massives Einnahmeproblem hat. Dieser Gesichtspunkt aber spielt eine entscheidende Rolle, wenn wir den Einzelplan 06 betrachten.
Die Staatsregierung und Sie, Herr Finanzminister, tragen nämlich die Verantwortung dafür, dass dem bayerischen Haushalt jährlich einstellige Milliardenbeträge fehlen, weil die Staatsregierung immer unfähiger wird, eine funktionierende Steuerverwaltung zu organisieren, die ihre eigentliche Aufgabe, nämlich Steuern nach Recht und Gesetz zu erheben, erfüllen kann. Diesem Problem müssen wir unsere verstärkte Aufmerksamkeit widmen.
Herr Finanzminister, hören Sie gut zu. Sie allein sind politisch für die Steuerverwaltung verantwortlich. Auf diesem Feld haben Sie Ihre Hausaufgaben leider schlecht erledigt. Die bayerische Steuerverwaltung ist dafür zuständig, dass die Steuern nach Recht und Gesetz erhoben wer
den. Das ist in Bayern aber nicht mehr gewährleistet, denn aufgrund der personellen Notlage der Finanzämter wird eine große Zahl von Fällen einfach durchgewunken und abgehakt. Rechtsstaat ade! Deshalb fehlen dem Haushalt einstellige Milliardenbeträge.
Nach der bundeseinheitlichen Personalbedarfsberechnung fehlen in Bayern fast 2000 Stellen. Das ist ein Personalfehlbestand von über 10 %. Das ist dramatisch, weil eine Verwaltung mit solchen Defiziten nicht mehr funktionieren kann. Im Doppelhaushalt sollen nun weitere 400 Stellen gestrichen werden. Auch das ist Folge dieser nur kurzsichtig und wahlzyklisch ausgerichteten Politik. Das wird schlimme Folgen für die Einnahmeseite des Haushalts und für den Ruf der bayerischen Steuerverwaltung haben, wie ich gleich zeigen werde.
Meine Damen und Herren, die Staatsregierung ist auf dem besten Weg, den guten Ruf der bayerischen Steuerverwaltung zu ruinieren.
Meine Damen und Herren, ich muss auf Folgendes hinweise: Die gleichmäßige Besteuerung nach Maßgabe der Gesetze ist eine bundesgesetzliche Vorgabe der Abgabenordnung. Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung hat Verfassungsrang. Das scheint dieser Staatsregierung aber nicht mehr klar zu sein. Der rechtsstaatliche Vollzug der Steuergesetze erfordert nämlich auch das dazu notwendige Personal. Personal kann man abbauen, wenn man Aufgaben abbaut. Das ist ein anderer Punkt. Hier geht es aber darum, dass man Gesetze und die Verfassung zu beachten hat. Nur weil der Zeitgeist meint, weniger öffentlicher Dienst ist modern, kann man noch lange nicht die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung mit Füßen treten. Das aber tut die Staatsregierung. Gesetz und Verfassung, so sage ich, sind aber wichtiger als der Zeitgeist. Wo kämen wir denn da hin, meine Damen und Herren!
Mit anderen Worten: Es ist nicht ins Belieben der Staatsregierung oder der Bundesländer gestellt, wie viel Personal man gerade nach Gusto in der Steuerverwaltung einsetzen will. Es ist vielmehr so viel Personal einzusetzen, wie notwendig ist, und das erfordert auch die Bundestreue. Der Bundesfinanzminister kann einem eigentlich Leid tun. Auf Bundesebene werden die Gesetze gemacht, und der Bundesfinanzminister ist in seinem Haushalt auch auf die Bundestreue der Länder angewiesen. Manche Bundesländer aber interessiert das nur marginal. So geht das aber nicht. Mit solchem Separatismus stellt man den Föderalismus in Frage, meine Damen und Herren!
Genau diesen Separatismus vertritt Herr Faltlhauser. Um in den Ländern Bundestreue und Steuersolidarität zu gewährleisten, ist einst für die Steuerverwaltung eine bun
deseinheitliche Personalbedarfsberechnung eingeführt worden. Anhand von Fallzahlen und anderen Kriterien hat man einen Maßstab dafür, dass die Bundesländer die Gesetze vollziehen, und, dass sie diese gleichmäßig vollziehen. Bayern ist aus dieser Personalbedarfsberechnung jetzt ausgestiegen. Warum? – Weil der Finanzminister es nicht ertragen kann, dass wir ihm seine eigenen offiziellen Zahlen unter die Nase halten. Diese Zahlen zeigen nämlich, dass der bundesweit festgelegte Personalstandard und das tatsächliche Personal in Bayern immer weiter auseinanderklaffen.