Protokoll der Sitzung vom 14.12.2004

Tagesordnungspunkt 10 Abstimmung über Anträge etc., die gemäß § 59 Absatz 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden

Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.

(siehe Anlage 2)

Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. dem jeweiligen Abstimmungsverhalten seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Es besteht Übereinstimmung in diesem Hohen Hause. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit übernimmt der Landtag diese Voten.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 11 a Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Landesjustizkostengesetzes (Drucksache 15/2198) – Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Staatsregierung nicht begründet. Es findet auch keine Aussprache statt. Deshalb schlage ich im Einvernehmen mit dem Ältestenrat vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 11 b Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Arbeitsschutz-Zuständigkeitsgesetzes (Drucksache 15/2199) – Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Staatsregierung nicht begründet. Eine Aussprache findet ebenfalls nicht statt. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik als federführendem Aus

schuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 11 c Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesetzes über die Bayerische Landesbank (Drucksache 15/2200) – Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Staatsregierung nicht begründet. Eine Aussprache findet ebenfalls nicht statt. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das Hohe Haus stimmt zu. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 11 d Gesetzentwurf der Staatsregierung eines Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Architektengesetzes, der Bayerischen Bauordnung, des Bayerischen Lehrerbildungsgesetzes, des Bayerischen Beamtengesetzes und des Bayerischen Ingenieurgesetzes (Drucksache 15/2322) – Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Staatsregierung nicht begründet. Eine Aussprache findet nicht statt. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 21 Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Öffentlichkeitsbeteiligung bei den Genehmigungsverfahren zur geplanten Vernebelung der Atomkraftwerke (Drucksache 15/1582)

Hierzu findet eine Aussprache statt. Ich eröffne die Aussprache. Die Redezeit beträgt 15 Minuten pro Fraktion. Für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN hat sich Frau Paulig zu Wort gemeldet. Bitte, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn draußen sicher wieder dichter Nebel ist, müssen wir uns jetzt mit den Genehmigungsverfahren zur geplanten Vernebelung der Atomkraftwerke in Bayern beschäftigen. Als im Mai 2004 Oberbürgermeister Deimer vom Bayerischen Rundfunk zu der geplanten Maßnahme befragt wurde, sagte er, er habe zunächst gemeint, es handle sich um einen Aprilscherz oder einen Faschingsjux. Dem ist leider nicht so. Denn in der Tat haben im März und April 2004 die Betreiber der Atomkraftwerke in Bay

ern für alle Standorte die Genehmigung zur Errichtung von Vernebelungsanlagen beantragt. In unserem Antrag geht es nun darum, dass wir bei diesen Genehmigungsverfahren die Beteiligung der Öffentlichkeit wollen.

In der Tat war es so, dass die Genehmigungsanträge fast wie unter dem Deckmantel eines Nebels eingereicht wurden. Die Öffentlichkeit selbst – ich habe gerade Herrn Deimer zitiert – hält die Vernebelung als Maßnahme zur Verhinderung von terroristischen Angriffen überhaupt nicht für möglich. Im Gegenteil: Man macht sich über diese so genannte Schutzmaßnahme nur lustig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber lustig ist es nun wirklich nicht, dass dies eine geeignete Maßnahme sein soll, um zum Beispiel das Atomkraftwerk Isar I zu schützen, das von der technischen Ausstattung und von der Bausubstanz her völlig unzureichend gegen den Absturz von Flugzeugen gesichert ist.

(Christian Meißner (CSU): Herr Trittin sagt das auch!)

Herr Meißner, ich greife Ihren Zwischenruf gerne auf und stelle kurz noch einmal die Entwicklung dar. Es war ja so, dass vom Bundesumweltministerium nach dem Terrorangriff im Jahr 2001 bei der Gesellschaft für Reaktorsicherheit eine Studie in Auftrag gegeben wurde, wieweit die deutschen Atomkraftwerke gegen absichtlich herbeigeführte Flugzeugabstürze sicher sind. Diese Studie wurde im Januar 2003 den Ländern zur Verfügung gestellt mit der Maßgabe, standortspezifische Untersuchungen für die einzelnen Atomkraftwerkstandorte durchzuführen. Diese Aufforderung liegt jetzt fast ein Jahr zurück, und in Bayern ist keinerlei standortspezifische Untersuchung für die einzelnen Standorte durchgeführt worden. Genau das ist der Punkt, den wir kritisieren.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Es hat daraufhin die Gesellschaft für Reaktorsicherheit auch einzelne Maßnahmen untersucht, darunter die Vernebelungsanlagen, und hat erklärt, grundsätzlich könne es eine Maßnahme sein, aber nichtsdestotrotz sei standardspezifisch genau zu untersuchen, ob dies eine wirksame Maßnahme sei. Wir GRÜNE sind aufgrund verschiedener Sachverständigenaussagen der Überzeugung, dass diese Maßnahme nicht geeignet ist, zumindest nicht ausreichend ist, wenn wir den Schutz vor Terrorangriffen gewährleisten wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

In diesem Zusammenhang sei mir erlaubt, auf Äußerungen der Pilotenvereinigung Cockpit hinzuweisen. Ich zitiere den Cockpit-Sprecher Markus Kirschneck nach einer Äußerung der „Frankfurter Rundschau“: Solche Vorschläge seien unsinnig, weil jede Atomanlage mit GPS-Systemen genau geortet werden und starker Wind den Nebel wegblasen könne. Schließlich könne ein flugkundiger Terrorist ein anvisiertes Ziel durchaus ein zweites Mal ansteuern. – Selbst die Pilotenvereinigung Cockpit erklärt also, dass diese Maßnahmen völlig unwirksam sind, wenn es

darum geht, Flugzeugabstürze herbeizuführen und ein Atomkraftwerk zu treffen.

Es sei auch erlaubt, darauf hinzuweisen, dass ein Experte der internationalen Länderkommission Kernenergie, die Sie immer so gerne zitieren, wenn es um die Sicherheit von Atomkraftwerken in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen geht,

(Henning Kaul (CSU): Aber dem Sie noch nie etwas geglaubt haben!)

der Karlsruher Baumechanikprofessor Josef Eibl, ganz andere Schutzmaßnahmen vorgeschlagen hat. Er empfiehlt eine 70 bis 80 Meter lange Gitterstruktur, die vor Atomkraftwerken aufzustellen wäre. In diesem stabilen Gitterwerk könne beispielsweise ein Flugzeug aufgehalten werden bzw. die Aufprallwucht vermindert werden. Er hat gleichzeitig auch die Kosten für ein solches Betongitter genannt. Sie entsprechen etwa dem Wert der Stromproduktion eines Kernkraftwerkes an 20 Tagen. Das zeigt auf, dass diese Maßnahme laut Eibl „absolut bezahlbar“ ist. Aber nein, man greift zu der billigsten Maßnahme, die sich noch dazu sehr dezent im Umfeld von Atomkraftwerken errichten lässt.

Lassen Sie mich ein Drittes anführen, warum diese Maßnahme ungeeignet ist. Die Sachverständigen Hirsch, Becker, Neumann haben einen Bericht für Greenpeace Deutschland erstellt über diese Systeme und ihre Anwendungsmöglichkeiten. Sie kommen zu dem Schluss, dass diese militärischen Vernebelungssysteme eben nicht ausreichend geeignet sind, ja sogar im Gegenteil kontraproduktiv wirken können, wenn Flugzeugabstürze von Terroristen auf Atomkraftwerke geplant sind. Denn ein dichtes Nebelwerk kann beispielsweise die Zufahrt von Hilfs- und Rettungskräften, insbesondere auch der Feuerwehr, behindern. Löschmaßnahmen, Räumarbeiten, Evakuierung, Bergung von Menschen, all das kann behindert werden und damit erhebliche Schwierigkeiten bei einem derartigen Angriff verursachen. Es kann beispielsweise auch nicht festgestellt werden, ob und gegebenenfalls welche Schäden am Reaktorgebäude entstanden sind. Es können sich in der Phase der Vernebelung Brände ausbreiten und es kann in dieser Zeit der Angriff einer bewaffneten Truppe vom Boden aus durchgeführt werden, beispielsweise mit Sprengmitteln vom Boden aus. Dieses Eindringen wird durch die Vernebelung erleichtert werden. Auch der Angriff von Innentätern kann dadurch begünstigt werden.

(Christian Meißner (CSU): Sie lesen zu viele Thriller!)

Ich lese aus dem Bericht, der von Sachverständigen erarbeitet wurde zu dieser Maßnahme. Diesen Bericht stelle ich Ihnen gerne zur Verfügung. Vielleicht lesen Sie ihn auch einmal. Das wäre nicht verkehrt.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

„Terrorangriffe auf deutsche Atomkraftwerke – Bewertung der Gegenmaßnahmen“. Dieser Bericht ist öffentlich und setzt sich mit dem System sehr kritisch auseinander.

Das Mindeste, was notwendig ist, ist ein öffentliches Genehmigungsverfahren und, wie wir in diesem Zusammenhang ganz klar sagen, ein Genehmigungsverfahren, das öffentlich bekannt gemacht wird, das öffentlich durchgeführt werden muss, eben nach § 7 des Atomgesetzes.

In der Debatte im Umweltausschuss ist gesagt worden, man will es dezent in einem anderen Verfahren durchführen, das quasi nichtöffentlich durchgeführt wird, also nach § 19 des Atomgesetzes. Wir sagen ganz klar: nach § 7 des Atomgesetzes. Vor einiger Zeit hat das Bundesumweltministerium sich an die Länder gewandt und darauf hingewiesen, dass dieses Verfahren nach § 7 des Atomgesetzes durchgeführt werden sollte. Es hat die Länder quasi aufgefordert, den § 7 des Atomgesetzes heranzuziehen.

Der weitere rechtliche Hinweis sei mir erlaubt: Nach der atomrechtlichen Verfahrensverordnung für diese Genehmigungsschritte ist vorgeschrieben, dass dieses Genehmigungsverfahren öffentlich bekannt gemacht wird, dass es im amtlichen Veröffentlichungsblatt steht und dass es in den örtlichen Tageszeitungen im Bereich des Standorts der Anlage bekannt gemacht wird. Es geht darum, dieses Verfahren durch eine kritische Öffentlichkeit begleiten zu können, genau dann, wenn durch eine geplante Maßnahme Nachteile auftreten können. Ich habe sehr wohl ausgeführt – wenn Sie zugehört hätten, wüssten Sie es, zum Teil haben Sie zugehört, das sehe ich an Ihren bedenklichen Gesichtern –: Wenn die Nachteile einer Maßnahme überwiegen können, wenn mögliche Schäden überwiegen, die quasi diese Schutzmaßnahme wieder konterkarieren, dann muss in jedem Fall die öffentliche Bekanntmachung erfolgen.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Wie ausgeführt, handelt es sich um eine Maßnahme, die durchaus erhebliche Nachteile für die Sicherheit von Atomkraftwerken gegen Terrorangriffe beinhalten kann. Genau darum ist die öffentliche Bekanntmachung nach der atomrechtlichen Verfahrensverordnung notwendig.

Insgesamt fordern wir die Bayerische Staatsregierung auf, dieses Verfahren ordnungsgemäß mit öffentlicher Bekanntmachung und unter Beiziehung von Experten durchzuführen. Außerdem möchte ich die notwendige standortspezifische Untersuchung für die bayerischen Atomkraftwerke noch einmal nachdrücklich einfordern. Denn es kann ja wohl nicht sein, dass Sie tatsächlich meinen, das Atomkraftwerk Isar 1, das unzureichend gegen militärische Flieger abgesichert ist – ich darf in dem Zusammenhang an den jüngsten Tornadoabsturz erinnern – sei gegen terroristische Flugzeugattacken gesichert. Isar 1 ist ausgelegt gegen Starfighter, aber nicht gegen Tornados. Das AKW Isar 1 liegt in der An- und Abflugroute des großen Münchner Flughafens, es ist Zentrum in der Warteschleife, die geflogen wird, wenn die Landung nicht zügig erfolgen kann. Ich bitte Sie, wirklich ernsthaft darüber nachzudenken, ob die Errichtung von Nebelanlagen, die Vernebelung dieses unsicheren Atomkraftwerks eine ausreichende Schutzmaßnahme gegen gezielte Terrorangriffe darstellen kann.

Wenn Sie ernsthaft dieses Problem und die Gefährdung der Bevölkerung im Umfeld dieser Atomanlage bei einem terroristischen Angriff bedenken, dann müssen Sie eigentlich zu der Überzeugung kommen, dass diese geplanten Maßnahmen unzureichend sind, dass eine kritische öffentliche Debatte notwendig ist und zusätzlich Maßnahmen notwendig sind. Im Falle des Atomkraftwerkes Isar I kann die effektive Maßnahme angesichts der unzureichenden technischen Ausgestaltung nur die Abschaltung dieses Atomkraftwerkes sein.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Jetzt habe ich wieder die Sicht zum Kollegen Meißner. Ich kann ihn also aufrufen. Bitte sehr, Herr Kollege Meißner, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Präsidentin, bei einem Antrag, in dem es um die Vernebelung geht, ist eine gute Sicht auch auf die Kollegen verhältnismäßig wichtig.

(Heiterkeit)