Protokoll der Sitzung vom 14.12.2004

(Heiterkeit)

Es gibt ein wunderschönes Gedicht von Hermann Hesse, das mir zu dem Antrag einfällt. Es beginnt: Seltsam ist’s, im Nebel zu wandern. Es befasst sich damit, dass man sich im Nebel leicht verirren kann. Ein solcher Irrweg ist wohl der Antrag, den wir jetzt zu diskutieren haben. Rein literarisch ist der Unterhaltungswert des Gedichtes aber sicherlich höher als der des Antrags.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Wir reden jetzt also über die Beteiligung der Öffentlichkeit. Da hat die Kollegin Paulig Altbekanntes abgespult; denn es ist ja nicht so, dass der Antrag nicht im federführenden Ausschuss vorgetragen worden wäre. Das Abspulen des Altbekannten machen Sie unverdrossen. Ich vermute, die Frustration über das, was Sie auf Bundesebene erdulden müssen, Frau Kollegin, ist so hoch, dass Ihnen der Rückzug auf Ihre alten Feindbilder gut tut.

(Zurufe und Widerspruch von den GRÜNEN)

Ich frage Sie, sind Sie wirklich so frustriert, dass Sie sämtliche Kollegen jetzt um dreiviertel Zehn mit diesen Dingen langweilen müssen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Es ist erst dreiviertel Neun! – Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Der vorliegende Antrag war im Kern schon im Ausschuss ein Eigentor. Es stellt sich also wirklich die Frage, warum er jetzt noch im Plenum behandelt werden muss. Das eigentliche Problem haben Sie selbst dargestellt. Wir haben selbstverständliche auf Bundesebene aber noch mehr die Staatsregierung und die Betreiber der Kernkraftwerke in Bayern nach den Terroranschlägen vom 11. September

uns Gedanken gemacht, wie Terrorabwehr in diesem Zusammenhang funktionieren kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Idee, nicht die einzige, aber eine, war in diesem Zusammenhang, dass man solche Anlagen auch durch Vernebelung vor denkbaren Terroranschlägen schützen könnte.

Was ist damals passiert? – Lassen Sie mich das kurz darlegen. Sie haben kübelweise Hohn und Spott über Minister Schnappauf ausgeschüttet, der als Erster überhaupt die Thematik überlegt und zur Diskussion gestellt hat. Sie haben sich da gar nicht mehr eingekriegt.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Und nicht nur Sie allein, sondern auch mindestens eine große Münchner Tageszeitung war auf Ihrer Linie.

Was mich angesichts der weiteren Entwicklung wundert, ist, dass Sie heute den Antrag wiederholen. Denn eines steht mittlerweile fest: Die zuständigen Fachgremien haben sich mit dieser Vernebelungsidee befasst. Dabei waren auch Fachgremien des Bundes und insbesondere des Bundesumweltministeriums, aber auch die GRS. Was ist nun das Ergebnis dieser Überlegungen? Es ist Folgendes: Die Vernebelung insgesamt – das ist das Ergebnis der Überlegungen auch auf Bundesebene, um es noch einmal zu sagen –, ist geeignet, die Trefferwahrscheinlichkeit zu verringern. Die Maßnahme ist technisch realisierbar; die Grundsatzentscheidung ist gefallen. Wenn Sie sich heute mit Ihren Ausführungen zur Vernebelung erneut lächerlich gemacht haben, dann ist es sicherlich nicht unser Minister, sondern der Bundesumweltminister Trittin, der dies zu verantworten hat.

(Beifall bei der CSU)

Warum also dieser weitere Antrag im Rahmen der Atomdebatte? Seien Sie nicht böse. Von Ihnen kommen immer mehr lächerliche Dinge; zuletzt haben wir diskutiert, was in Kernkraftwerken ausliegen darf, und was den Schulklassen zugänglich gemacht werden darf. Da hieß es quasi, die Kraftwerksbetreiber müssen Hinweise auf die Gefahren der Atomkraft geben. Das ist so etwas, als wenn Sie in einem Laden des Bund Naturschutz Material der FRAMATOME auflegten. Das bedeutet doch nur, Sie pflegen wiederum Ihre Feindbilder.

Aber jetzt zu Ihrer Öffentlichkeitsbeteiligung. Was hat es mit dieser Auslegung zu tun, die Sie im Kern Ihres Antrags wollen? Zur Information für die noch anwesenden Kollegen nur Folgendes: Ein förmliches Genehmigungsverfahren braucht es nur dann, wenn Rückwirkungen auf die Anlage zu erwarten sind. Solche Rückwirkungen sind im vorliegenden Fall nicht zu erwarten.

(Zurufe von den GRÜNEN und der SPD)

Frau Kollegin Paulig, das hat sich nicht die Bayerische Staatsregierung ausgedacht, sondern das geht auf eine Studie des Bundesumweltministeriums zurück. Solche Auswirkungen, sagt das BMU, sind nicht zu erwarten. Die

Betreiber der Kernkraftwerke haben Anträge auf ein förmliches Verfahren nach § 19 Atomgesetz gestellt, und dies haben Sie rechtlich korrekt getan.

Herr Kollege Meißner, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Paulig? – Bitte, Frau Kollegin Paulig.

Herr Kollege Meißner, ist Ihnen bekannt, dass das Bundesumweltministerium fordert, dass das nach § 7 Atomgesetz durchgeführt wird? Lesen sie doch bitte einmal die atomrechtliche Verfahrensverordnung durch, dann werden Sie feststellen, dass damit die öffentliche Bekanntmachung notwendig ist.

Das wäre Gegenstand meiner weiteren Ausführungen gewesen. Ich bedanke mich, dass Sie mich daran erinnern, damit ich das noch einmal in besonderer Deutlichkeit darstelle. Tatsache ist, dass es ein Antrag nach § 19 ist. Dieses Verfahren braucht einerseits keine Öffentlichkeitsbeteiligung. Andererseits gilt generell, dass in jedem solchen Verfahren die Bevölkerung aufgerufen und jederzeit in der Lage ist, bei den Behörden nachzufragen.

Richtig ist, wenn die Kollegin Paulig sagt, dass zurzeit im Bundesministerium diskutiert wird, ob man nicht doch aufgrund der Rechtssicherheit, die man in diesem Zusammenhang haben will, ein so genanntes Genehmigungsverfahren nach § 7 Atomgesetz, also mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden sollte. Darüber kann man streiten. An und für sich ist in § 7 Atomgesetz – falls ich den Paragrafen richtig gelesen habe – eine abschließende Aufzählung der Fälle enthalten, für die man ein förmliches Genehmigungsverfahren nach § 7 Atomgesetz braucht. Deshalb sagen wir grundsätzlich – da unterstützen wir es, wenn die Staatsregierung so handelt –, Öffentlichkeit dann, wenn sie notwendig ist.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Meißner hat das Wort. Es lohnt sich, ihm zuzuhören.

(Bravo-Rufe und Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN – Zuruf der Ab- geordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Vielen Dank, Frau Präsidentin, das tut gut.

(Lebhafte Zurufe und Heiterkeit)

Wenn der Herr Trittin zu dem Ergebnis kommt, dass die Öffentlichkeit beteiligt werden soll, haben wir damit kein Problem. Wir meinen aber trotzdem, dass unsere Rechtsauffassung nicht ganz so verkehrt ist. Sie haben doch vorhin so thriller-ähnliche Beschreibungen versucht für den Fall der Vernebelung mit Angriffen vom Boden aus und alles Mögliche.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Fast wie Beckstein!)

Wenn Sie die Öffentlichkeit mit Gewalt beteiligen wollen, stelle ich dem entgegen, dass dann auch interessierte Kräfte genau wissen, welches die Vernebelungsstrategien sind. Ist das wirklich zielführend, Frau Kollegin Paulig?

(Beifall des Abgeordneten Henning Kaul (CSU))

Statt das Plenum hier mit diesen Dingen zu belästigen, halte ich es für sinnvoll, Ihre hervorragenden Beziehungen nach Berlin spielen zu lassen. Wenn dann das BMU zu dem Ergebnis kommt, es wolle ein Verfahren nach § 7 Atomgesetz, dann sind Sie glücklich und wir auch. Aber seien Sie sicher, wir gehen nach wie vor sorgfältig mit diesem atomrechtlichen Verfahren um. Wir sind der Meinung, Sie sollten nicht Ihr altes Feindbild pflegen, sondern konstruktiv mitarbeiten und Sie sollten sich insgesamt – das ist für mich das Eigentliche, was wir in diesem Zusammenhang zu diskutieren haben – über unsere zukünftige Energieversorgung. Ich frage mich manchmal, ob wir nicht schneller als gewollt zurück zu der Diskussion kommen, ob wir den Ausstieg quasi revidieren müssen.

(Beifall und Bravo-Rufe von der CSU – Ulrike Gote (GRÜNE): Wie war das mit dem Endlager in Oberfranken? Das schafft Arbeitsplätze! – Weitere Zurufe von den GRÜNEN und von der SPD)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Biedefeld.

(Zuruf der Abgeordneten Ruth Paulig (GRÜNE))

Wissen Sie, Frau Kollegin Paulig, ich bin ja schon froh, wenn die jeweilige Fraktion, die den Redner oder die Rednerin stellt, zuhört. Das ist schon viel wert.

(Heiterkeit und Beifall)

Bitte sehr, Frau Kollegin Biedefeld, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD wird dem Antrag der GRÜNEN zustimmen.

(Henning Kaul (CSU): Nein! – Oh-Rufe von der CSU)

Frau Kollegin Paulig hat zu Beginn Ihrer Ausführungen davon gesprochen, dass man den Eindruck haben könnte, es handle sich um einen Faschingsscherz. Wir haben zunächst auch an den 1. April oder an einen Faschingsscherz gedacht, wobei allerdings das Thema um die Risiken der Kernkraftwerke viel zu ernst ist, als damit Scherze abzulassen. Das muss man einfach sehen.

Daher finde ich nicht ganz okay, was vonseiten der Staatsregierung mit dieser Vernebelungstaktik vorangetrieben wird. Ich gehe davon aus, dass im Ministerium dichter Nebel herrschte, dass der Umweltminister wohl Nebelkerzen geworfen hat, bevor so etwas auf den Tisch gekommen ist. Anders kann ich es mir nicht vorstellen. Denn der Vorschlag, die Atomkraftwerke, gerade zur Abwehr von terroristischen Angriffen zu vernebeln, macht

deutlich, dass hier wirklich der Weitblick, die Weitsicht fehlt. Das vermissen wir hier.

Nach dem 11.09.2001 war eine sehr heftige Diskussion im Gange, wie die Sicherheit erhöht und Terrorangriffe im Bereich der Atomkraftwerke abgewehrt werden können. Wir haben wirklich entsprechende Vorschläge auch von der CSU-Staatsregierung in Bayern, gerade was die bayerischen Atomkraftwerke betrifft, erwartet. Kollegin Paulig hat angeführt, welche Sicherheitsmängel hier vorhanden sind, gerade was Isar I betrifft. Wir haben große Erwartungen auf die Staatsregierung gesetzt, darauf, dass hier ganz konkrete, zielführende Vorschläge kommen, die dazu führen, dass Risiken abgewendet werden, dass die Atomkraftwerke sicherer werden und dass sie vor Terrorangriffen geschützt werden können.

Ernsthafte Vorschläge sind unserer Meinung nach nicht gekommen. Kollege Meißner hat zwar angesprochen, dass die Vernebelung von Atomkraftwerken ein Punkt unter vielen gewesen sei. Wir können das Thema auch gerne nach der Plenardebatte noch vertiefen; mir sind diese anderen Punkte nämlich nicht bekannt. Ganz konkrete Vorschläge zur Abwehr von Risiken für Atomkraftwerke sind an mir anscheinend vorbeigegangen. Ich lerne aber gerne dazu; ich lasse mich gerne eines Besseren belehren. Wir können darüber gerne noch diskutieren. Ich habe jedenfalls keine konkreten, ernsthaften Vorschläge gefunden.

Sie verniedlichen die Risiken, die von unseren Atomkraftwerken ausgehen. Sie täuschen die Bevölkerung und tarnen; nichts anderes tun Sie. Kollege Meißner hat auch schon angeführt, dass das ein sehr sensibler Bereich ist. Gerade weil es ein sehr sensibler Bereich ist, sehen wir Ihr Handeln als unverantwortlich an. Es geht nicht an, wie hier mit dem Sicherheitsbedürfnis und dem Recht der Bevölkerung auf Sicherheit angesichts der gegebenen möglichen Gefährdungen umgegangen wird. Ich kann nur sagen: Erledigen Sie endlich Ihre Hausaufgaben, auch was den Antrag der GRÜNEN betrifft, wenn es um die atomrechtliche Verfahrensordnung geht.

(Christian Meißner (CSU): Das ist doch in der Hand von Trittin, Mensch! – Henning Kaul (CSU): Trittin soll sich doch endlich bewegen!)

Wir sind hier in Bayern, wir sind das bayerische Parlament, wir vertreten die Interessen der bayerischen Bevölkerung. Wir müssen eintreten für die Sicherheit der bayerischen Bevölkerung. Warum können wir dies nicht einfach hier verankern? Wir haben in vielen Bereichen bayerische Sonderwege und warten nicht auf die Gesetzgebung der von Ihnen so oft kritisierten SPD-geführten Bundesregierung.

(Henning Kaul (CSU): Frau Kollegin, die Bundesregierung soll auf Vorschlag der Länder handeln! – Gegenruf der Abgeordneten Johanna WernerMuggendorfer (SPD): Ja, wo ist denn der Vorschlag der Länder?)