Protokoll der Sitzung vom 14.12.2004

Das Wort für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Dr. Kronawitter.

Frau Präsidentin, meine Kollegen und Kolleginnen! Herr Kollege Bocklet hat Themen angesprochen, auf die ich nachher etwas näher eingehen möchte. Lassen Sie mich vorweg feststellen: Raumordnung, Landes- und Regionalplanung sowie Entwicklung erfahren derzeit keine besondere Aufmerksamkeit. Dagegen steht der Zeitgeist. Eben diesem Zeitgeist wollten Ministerpräsident Dr. Stoiber und Staatsminister Huber huldigen, als sie im vorigen Jahr erst von der Abschaffung der regionalen Planungsverbände gesprochen haben und dann ankündigten, die Landesplanung radikal auf das bundesrechtlich notwendige Mindestmaß zurückzudrängen.

Fachleute haben damals sofort und wiederholt vor einem solchen Schritt gewarnt; denn angesichts der Begrenztheit von Grund und Boden darf die Gestaltung unseres

Staatsgebietes und seiner Regionen nicht dem freien Spiel der Kräfte und damit dem Zufall überlassen werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir stimmen dem Gesetzentwurf in jenen Teilen zu, in denen das Bayerische Landesplanungsgesetz den rahmenrechtlichen Vorgaben des Raumordnungsgesetzes des Bundes von 1998 angepasst wird. Im Übrigen hätte dies schon längst erfolgen müssen. Das Datum war das Ende des Jahres 2001. Bayern hat hierbei wirklich große Verspätung.

Wir stimmen außerdem den Teilen des Gesetzentwurfes zu, in denen das EU-Recht umgesetzt und die Prüfung der Umweltauswirkungen bei Plänen und Programmen in das Gesetz aufgenommen wird. Nicht zustimmen können wir jedoch den Teilen des Gesetzentwurfs, die davon geprägt sind, die Eigenverantwortung der regionalen Planungsverbände zu schwächen, zentralistische Vorgaben der Staatsregierung durchzusetzen und die Kommunen als Träger der Regionalplanung zu bevormunden.

In den Ausschussberatungen haben wir wenigstens erreicht, dass nach dem In-Kraft-Treten des neuen Gesetzes die Planungsausschüsse nicht sofort geändert werden, wie das vorgesehen war, sondern dies erst im Mai 2008, also nach der nächsten Kommunalwahl, erfolgen wird. Dieser minimale Erfolg freut uns im Interesse der arbeitsfähigen Gremien vor Ort. Wir sind auch froh darüber, dass nach Meinung des gesamten Umweltausschusses die Reduzierung des Flächenverbrauchs in den Grundsätzen des Gesetzes verankert werden sollte. Ich muss sagen, zunächst wurden die CSU-Kollegen, die dem Umweltausschuss angehören, von ihrer Fraktion in den Ausschussberatungen schmählich im Stich gelassen.

(Susann Biedefeld (SPD): Das ist eine Schande!)

Ich habe das, was da passierte, als schmählich empfunden. Wir haben zwar das nun ergänzte Gesetz, aber ich finde, dass in diesem Punkt ein nicht akzeptabler Eiertanz veranstaltet wurde, der nicht notwendig gewesen wäre.

Ich möchte feststellen: Bayern ist nach wie vor das Land mit dem höchsten Flächenverbrauch pro Kopf in Deutschland. Herr Staatsminister Dr. Schnappauf hat vor wenigen Tagen dargestellt, dass in Bayern trotz der schlechten Konjunktur täglich im letzten Jahr 18 Hektar Grund und Boden praktisch zubetoniert wurden. Da ist es doch selbstverständlich, dass die Reduzierung des Flächenverbrauchs ins Gesetz aufgenommen wird und dass dieser Grundsatz im Gesetz verankert wird.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Bocklet, Sie sind wiederum auf das Bundesraumordnungsgesetz eingegangen. Sie wissen, dass dort nur bestimmte Teilaussagen stehen. Die Grundsätze sind dort nicht geregelt. Darum müssen wir sie endlich festschreiben. Kolleginnen und Kollegen, einen wesentlichen Teil des vorliegenden Gesetzes lehnen wir entschieden

ab. Die Gründe dafür sind so gravierend, dass wir das Gesetz insgesamt ablehnen werden.

Mit dem von uns kritisierten Teil soll nämlich propagandistisch die Botschaft des Ministerpräsidenten überhöht werden, die da heißt: Wir sind die Radikalreformer, wir schaffen ab, koste es, was es wolle.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Und wen es wolle!)

Und wen es wolle, vielen Dank, Herr Kollege. Diese Parole wird leider die anerkannte Landes- und Regionalplanung in Bayern eine ganze Menge kosten, nicht nur ein paar institutionelle Bauernopfer, wie die Regionsbeauftragten bei den Bezirksregierungen oder die Beiräte für regionale Planungsverbände.

Ich nenne fünf Gründe für unsere Ablehnung. Erstens. Im Gesetz werden keine neuen landesplanerischen Instrumente aufgegriffen und dort als Option verankert. Am Beispiel des regionalen Flächennutzungsplanes bzw. an der fehlenden Ausgestaltung des regionalen Managements lässt sich das wirklich festmachen. Herr Kollege Bocklet, Sie haben unseren Änderungsantrag offensichtlich nicht gelesen; sonst hätten Sie gesehen, welchen weitergehenden Fortschritt wir wollten. Während andere Länder, zum Beispiel Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen und Nordrhein-Westfalen neue landesplanerische Wege, insbesondere für Verdichtungsräume, gehen, scheut sich die Staatsregierung, die Anwendung neuer Instrumente zu ermöglichen.

(Zuruf des Abgeordneten Joachim Wahnschaffe (SPD))

Sie lehnt es insbesondere dann ab, wenn diese Instrumente dem so genannten Bottom-up-Ansatz folgen und teilräumliche Entwicklungen in den Regionen forcieren. Mit Händen und Füßen wehrten Sie sich in den Ausschussberatungen gegen unseren Antrag, den regionalen Flächennutzungsplan als Option vorzusehen. Mit diesem Instrument könnten bei Bedarf – bei Bedarf! – regionale Planungsverbände in Ballungsräumen oder in ländlichen Stadt-Umland-Bereichen bestimmten planerischen Herausforderungen begegnen und könnten Entwicklungsaufgaben gemeinsam mit den Mitgliedsgemeinden gelöst werden. Sie könnten damit eine Planungsebene einsparen. Ich weiß gar nicht, warum Sie immer sagen, wir wollten eine zusätzliche Planungsebene. Wir wollten aber ermöglichen, dass gegebenenfalls die vier Planungsebenen auf drei reduziert werden. Das war unsere Intention; das ist sozusagen der neue Ansatz.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Das Gesetz ist vom Ansatz her zentralistisch und bevormundend, auch wenn die kommunale Verfasstheit der Träger der Regionalplanung formal aufrechterhalten wird. Per Gesetz werden als Organe der regionalen Planungsverbände ausschließlich Verbandsversammlung, Planungsausschuss und Verbandsvorsitzende bestimmt. Daneben darf es niemanden und nichts geben, keine Beiräte, keine weiteren Ausschüsse. So ist Ihre Absicht. Sie

haben – das wurde gerade wieder dargestellt – durchaus anerkannt, dass Sachverstand aus Wirtschaft, Sozialwesen und Umwelt einbezogen werden muss, aber das darf eben nicht in Form eines Gremiums sein. Herr Kollege Bocklet, da muss ich wirklich aus der Ausschusssitzung zitieren. Sie haben da ganz despektierlich gesagt: Der Gremienwirtschaft ist eine Grenze zu setzen; deshalb sollte es keine Planungsbeiräte geben.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian Magerl (GRÜNE))

So despektierlich und arrogant haben Sie sich gegenüber Kommunen und Verbänden geäußert. Nein, das ist wirklich nicht gerechtfertigt.

(Beifall bei der SPD)

Ich zitiere dazu die Äußerung des Bayerischen Städtetags in der Verbändeanhörung:

Die vorgesehene Abschaffung der regionalen Planungsbeiräte ist kontraproduktiv. Die aktive Mitarbeit der Interessengruppen im Beirat erhöht die Akzeptanz der Regionalplanung. Darüber hinaus verkürzt ihre aktive Mitarbeit die Aufstellung des Regionalplans, da sie bereits im Vorfeld ihren Sachverstand einbringen.

Ich frage Sie: Warum überlassen Sie es nicht den Verbänden, Beiräte oder weitere Organe zu berufen, wie es Städtetag, Gemeindetag und viele andere fordern? Geben Sie doch dafür die Möglichkeit im Gesetz, und lassen Sie die kommunale Ebene selbst entscheiden!

Mit unserem Änderungsantrag zielen wir auf das Recht der Planungsverbände, in ihren Satzungen weitere Organe vorzusehen. Mit dieser Forderung sind wir in bester Gesellschaft. Ich zitiere jetzt nur kurz die Stellungnahme des Bayerischen Gemeindetags. Da heißt es:

Aus unserer Sicht wäre es vorzuziehen, wenn es der Entscheidung der regionalen Planungsverbände überlassen würde, wo und welche zusätzlichen Organe für sinnvoll gehalten werden.

Ja, das finden wir eigentlich auch; denn Regionalplanung ist den Verbänden als Aufgabe im übertragenen Wirkungskreis gegeben worden, und da sollten sie auch gestalten können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ihre Gängelung ist da fehl am Platze.

Als bevormundend und gängelnd ist auch die detaillierte Vorgabe der Zahl der Mitglieder in den Planungsausschüssen in Abhängigkeit von der Zahl der Verbandsmitglieder zu bezeichnen.

Wir haben eben gehört, dass die Verfahrensbeschleunigung angestrebt sei. Im Interesse einer rascheren Entscheidungsfindung stimmen wir auch einer Stärkung der

Planungsausschüsse zu. Wir wollen jedoch nicht so weit gehen, dass die Verbandsversammlung – und damit vor allem die kreisangehörigen Gemeinden – fast nichts mehr zu sagen haben. Es grenzt schon an Formenmissbrauch, wenn Sie einerseits die Mitgliedschaft aller Gemeinden im regionalen Planungsverband anpreisen, es aber auf der anderen Seite den einzelnen Gemeinden verwehren, über sie berührende Angelegenheiten mit zu entscheiden. Sie erinnern sich: Im Ausschuss haben wir über zwei oder drei Beispiele diskutiert, anhand derer genau nachzuvollziehen ist, dass Gemeinden in sie betreffenden Angelegenheiten zwar gehört werden können, aber nicht mitentscheiden können.

Wir halten es für unzulässig, die Beschlussfassung über den Haushalt der Verbandsversammlung zu entziehen – denn das tun Sie faktisch mit den Regelungen – und diese dem Planungsausschuss zu übertragen. Da haben wir dann das Argument gehört, die kommunalen Körperschaften seien vom Haushalt nicht betroffen, weil die Finanzierung der Verbände ausschließlich durch staatliche Mittel und nicht durch Umlage erfolge. Wir haben es überprüft, und diese Aussage ist dezidiert falsch. Mehrere Verbände erheben Umlagen. Außerdem sieht die Mustersatzung, welche die oberste Landesplanungsbehörde bekannt macht, vor, dass Umlagen erhoben werden. Das ist eine falsche Aussage, damit wir in diesem Punkt nicht weiter insistieren sollten. Nein, Kolleginnen und Kollegen, dies ist für uns ein Beispiel dafür, dass es mit Ihrer Kommunalfreundlichkeit wahrlich nicht weit her ist.

(Beifall bei der SPD)

Drittens. Wir lehnen die Streichung des Regionsbeauftragten aus dem Landesplanungsgesetz ab und sehen in der vorgesehenen drastischen Personalreduzierung eine empfindliche Schwächung der gesamten Aufgabe der Landes- und Regionalplanung. Sie wissen: Diese Regionsbeauftragten wurden 1997 ins Gesetz genommen. Es gibt sie seither bei den Bezirksregierungen. Wenn Sie diese jetzt abschaffen, und das in Verbindung mit einer drastischen Personalreduzierung bei den Bezirksregierungen auf diesen Arbeitsfeldern tun, dann sage ich: Diese Streichung in Kombination mit der Personalreduzierung ist nichts anderes als ein unvertretbares Sparkonzept.

Ich begründe noch einmal, warum wir die Regionsbeauftragten im Gesetz behalten wollen:

Erstens. Wir wollen sie behalten, weil regionale Planungsverbände den fachkundigen und erfahrenen Ansprechpartner kontinuierlich brauchen. Zweitens. Die Verbände werden sonst zu Bittstellern, gerade auch wegen der Personalreduzierung. Drittens. Das ist ein juristisches Argument: Die Zuständigkeiten für die Erarbeitung und für die Verbindlichkeitserklärung der Regionalplanung werden sonst verwischt.

Nun mein vierter Kritikpunkt: Wir kritisieren den Vorrang der Fachplanung vor der Landesplanung. Das sehe ich anders als Sie, Herr Kollege Bocklet. Es klingt zwar gut, wenn man sagt, wir wollen keine Doppelplanung mehr. Raumordnung und Landesplanung haben aber gerade die Aufgabe, die vielfältigen Ansprüche von Fachplanungsträ

gern und Kommunen an den Raum zu koordinieren und dabei für einen fairen Interessenausgleich zu sorgen. In der Wahrnehmung dieser Koordinierungsaufgabe müssen die Landes- und die Regionalplanung den Fachplanungen Ziele der Raumordnung vorgeben. Wenn man Landes- und Regionalplanung auf Aufgabenfelder wie Luftverkehr oder Windenergie reduziert, weil es in diesen Fragen noch keine fachplanerischen Festlegungen gibt, dann verliert die Raumordnung ihren Stellenwert als Querschnittsaufgabe und gerät in eine Lückenbüßerfunktion.

Mein letzter Kritikpunkt ist folgender: Im Gesetz ist keine überregionale Zusammenarbeit von regionalen Planungsverbänden vorgesehen. Das kommt in der Tat einem Verbot gleich. Ich werde das gleich begründen.

(Susann Biedefeld (SPD): Wieder eine Chance vertan!)

Ja, damit ist eine große Chance vertan worden. Die Notwendigkeit der regionsübergreifenden Zusammenarbeit hat sich wie ein roter Faden durch die Anhörung gezogen. Es gibt drei Ebenen, auf denen die Zusammenarbeit immer deutlicher wird.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Das ist der Fall zwischen benachbarten bayerischen Regionen, bei länderübergreifenden Regionen und bei solchen Regionen, die die deutsche Grenze überschreiten wie beispielsweise die Region Passau Richtung Österreich oder die fränkische Region Richtung Tschechien. Es zeigt sich aber auch am Beispiel der Metropolregion Nürnberg. In den letzten Wochen haben wir sie intensiv im Ausschuss diskutiert. Es lässt sich daran deutlich machen, dass hier in der Tat eine Chance vertan wird.

(Beifall bei der SPD)

Im Ausschuss wurde uns gesagt, die Metropolregion Nürnberg soll aus der Großregion herauswachsen. Es soll, sozusagen, von unten nach oben ein Gebilde entstehen. Es muss deshalb möglich sein, dass die regionalen Planungsverbände beim Zusammenwachsen ein gemeinsames informelles oder formalisiertes Vorgehen entwickeln können. Sie müssen sogar miteinander Verträge schließen, gegebenenfalls auch eine Institution gründen können, damit Teilaufgaben der Metropolregion übernommen werden können. Sie wollen diese Kooperation nicht. Sie argumentieren auch heute wieder, es bleibe den Kommunen unbenommen, zusammenzuarbeiten. Das Thema sei nicht verboten, es sei erlaubt. Dann greifen Sie einmal auf dieses Argument in der Bund-Länder-Diskussion zurück nach dem Motto: Was nicht verboten ist, das ist erlaubt. Es ist einfach falsch! Es gibt ein klares juristisches Argument, warum es so ist, wie wir das vertreten, und wie es hier von mir wiederholt wird.