Protokoll der Sitzung vom 15.12.2004

Zur Kirch-Pleite: Hier gab es eine milliardenschwere Unterstützung durch die Bayerische Landesbank. Vor allem gab es politische Unterstützung durch Kohl und die Bayerische Staatsregierung. Wozu hat das geführt? Zum einen wurde die Konkurrenz mit Mondpreisen an die Wand gedrückt, und zum anderen hat sich das Ganze doch als Seifenblase entpuppt. Der Steuerzahler hat immens viel Geld verloren; zahllose Arbeitsplätze sind zerstört worden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt jede Menge anderer Beispiele. Bei der Maxhütte wurde versucht, eine nicht wettbewerbsfähige Stahlproduktion am Leben zu erhalten. Ergebnis war, dass eine halbe Milliarde Mark an Steuergeldern versenkt worden ist. Der Staatsregierung ist vorzuwerfen, die falsche Strategie gefahren zu haben, vor allem aber auf die falsche Technik und die falschen Leute gesetzt zu haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie wissen schon, wen wir mit den falschen Leuten meinen. Das ist der CSU-Großspender Max Aicher, der Mitgesellschafter war und die unternehmerische Führung hatte. Ich kann mich noch daran erinnern, wie dumm Sie aus der Wäsche geschaut haben, als Sie auf einmal erfuhren, dass er sich Grundpfandrechte für seine Darlehen eintragen hat lassen, der andere Gesellschafter, der Freistaat, aber nicht. Daran scheiterte eine sinnvolle Verwertung beider Werke. Sie wollten ihm eigentlich die Übernahme mit weiteren Millionengeschenken versüßen, wenn nicht die Europäische Kommission dazwischengefunkt hätte. Dann hätten Sie hier noch weitere Millionen ausgegeben. Ich sagen Ihnen eines: Wenn Sie damals, 1993/ 1994, gemacht hätten, was Kollege Kamm gesagt hat und was wir in den folgenden Jahren gesagt haben – speckt ab, geht in ein anderes Verfahren, in das Elektrostahlverfahren nämlich, mehr Recycling –, wäre die Maxhütte heute ein florierendes Werk. Wir sehen doch, was aus dem Stahlpreis geworden ist. Diese Behauptung ist also wenig spekulativ, aber es mussten andere bedient werden.

Die Liste von Pleiten, Pech und Pannen, Herr Minister Wiesheu, kennen Sie; deswegen brauche ich Sie hier auch nicht vorzutragen: Deutscher Orden, Dorfhelferinnenskandal, CD Pilz, Zellstofffabrik und was es alles gab. Aktuellere Fehlleistungen und Fehlgriffe sind Grundig, Schneider Rundfunkwerke, Fairchild-Dornier. Das alles ist bereits angesprochen worden. Auf der einen Seite geben Sie sich immer so streng marktwirtschaftlich, auf der anderen Seite beobachten wir immer wieder, dass Sie doch die Fahne der Staatswirtschaft und des Interventionismus hochhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Damit sind wir bei einem nächsten Punkt. Es geht eben in vielen Fällen nicht nur um Subventionitis und um Staatswirtschaft, sondern oft wird tatsächlich auch massiv in Personalfragen und in Fragen der Unternehmensführung hineinregiert. Anlässlich der Schneider-Debatte, die ich heute gar nicht führen will,

(Franz Josef Pschierer (CSU): Ist auch besser!)

habe ich mir viele andere Unterlagen angesehen. – Sie freuen sich jetzt und grinsen darüber, dass ich die Debatte zu Schneider heute nicht weiterführen will. Nachdem Kollege Kaiser eine Zwischenfrage gestellt hat, muss ich sagen: Hier lohnt sich keine große Aufregung; denn das ist nur ein kleines Beispiel dafür, wie häufig der Landtag von Mitgliedern der Staatsregierung mit der Unwahrheit bedient wird. Wir treffen dieses Phänomen vor allem häufig beim Kollegen Wiesheu an. Im Fall Schneider hatte er hier reihenweise falsche Dinge gesagt. Vulgo kann man das auch anders nennen. Wir haben solche Auftritte aber auch beim Staatskanzlei-Minister reihenweise erlebt, beispielsweise bei den Online-Aktivitäten. Wir würden uns freuen, wenn diese Praxis abgestellt würde, aber auch da habe ich nicht mehr allzu große Hoffnung.

Ich habe mir im Zusammenhang mit dem Fall Schneider also auch andere Unterlagen angesehen; denn wir haben letzte Woche auch in der Folge von Schneider ein bisschen über Grundig diskutiert. Wie war es denn bei Grundig? Da sagte Minister Wiesheu – ich zitiere jetzt Protokolle: „Es werden Gespräche geführt, und ich bin dabei.“ – „Bild war dabei“ – Diese Bildunterschrift gibt es auch immer wieder. Wenn Wiesheu sagt: „Ich war dabei“, meint er ein bisschen mehr damit. Er sagte, es werde bei Grundig keine Insolvenz geben. Kurze Zeit danach war man dann so weit. Es gab sehr wohl eine Insolvenz.

Damit sind wir bei einer anderen Geschichte: Sie loben sich selber dauernd. Geht dann etwas schief, waren es immer die anderen. Jedes Mal waren es die anderen, und die Staatsregierung war gleich gar nicht beteiligt. Da werden wir in Zukunft sehr genau hinsehen und werden aufzeigen, wo Sie beteiligt waren und wo Sie auch, wie es in manchen Fällen leider der Fall ist, Dreck am Stecken haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zur Mittelstandspolitik. Der Minister ist darauf eingegangen. Wir sagen, es gibt kaum ein Feld, wo Anspruch und

Realität, Wahlkampfgetöse und politische Umsetzung so weit auseinander klaffen wie in der Mittelstandspolitik der Bayerischen Staatsregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Einige wenige Beispiele hierzu; denn damit könnte man Wochen füllen: Sie haben über den Handel geredet, Herr Minister. Was war denn hier vor wenigen Jahren? - Auf Druck deutscher Großunternehmer und amerikanischer Lobbyisten ist das Landesentwicklungsprogramm so zurechtgebogen worden, dass ein bestimmtes Großmarktprojekt, nämlich das FOC in Ingolstadt, genehmigungsfähig wurde. Dafür wurden die Quoten im Sortiment geändert, die vorherige Vorgabe „städtebaulich integrierte Lage“ wurde geändert. Nachdem man selbstverständlich keine Lex Ingolstadt schaffen konnte, war das das Einfallstor für Großmärkte auf der grünen Wiese in ganz Bayern zulasten der Arbeitsplätze und der Ausbildungsplätze. Wenn Sie sich über Nordrhein-Westfalen so besonders beschweren, müssen Sie sich schon fragen lassen: Warum machen Sie nach, was schlecht ist? – Dazu hätte doch keine Notwendigkeit bestanden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein anderes Beispiel: Wir hatten jüngst das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Dosenpfand. Was haben Sie da gemacht? - Sie haben über Jahre hinaus eine praktikable Lösung blockiert, die einfach und im Interesse der bayerischen kleinen und mittelständischen Brauereien und Getränkeabfüller gewesen wäre. Erst nach drei, vier Jahren haben Sie sich endlich da hinbiegen lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben hier ja nicht nur Kollegen aus Altbayern oder der Oberpfalz, sondern auch fränkische Kollegen. Da fällt mir das Bayerische Weinabsatzförderungsgesetz ein. Das ist in unseren Augen Bürokratismus pur und alles andere als mittelstandsfreundlich.

Letzter Gedanke in diesem Zusammenhang: die Subsidiaritätsklausel und generell die Subsidiarität im kommunalen Wirtschaftsrecht. Die Klausel, die vor einigen Jahren neu formuliert worden ist in der Gemeindeordnung, Kreisordnung und Bezirksordnung, ist das Papier nicht wert, auf dem sie steht. Viele IT-Dienstleister, virtuelle Marktplätze, Telecenter, kommerzielle Schlüsseldienste werden von der öffentlichen Hand, von Gemeinden oder von Unternehmen, die vom Freistaat massiv gefördert worden sind, betrieben, während den kleinen Unternehmen, die nicht gefördert wurden, nur das Nachsehen bleibt. Hier sagen wir, Herr Minister: Als Anwalt für kleine und mittlere Unternehmen taugen Sie nicht mal als Bettvorleger.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Entwurf des Mittelstandsförderungsgesetzes, den wir im Sommer 2001 formuliert und eingebracht haben: Das Gesetz ist in Bayern seit fast 30 Jahren nicht verändert worden. Wir meinen, dass sich der Rahmen für kleine und mittlere Unternehmen massiv verändert hat.

Es gibt viele wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Veränderungen, die man bei der Novellierung des Gesetzes hätte berücksichtigen müssen. Was war das Ergebnis? – Wir haben das Gesetz in den Ausschüssen diskutiert. Die CSU lehnte es ab und machte keine eigenen Vorschläge. Sie hat behauptet, das sei nicht nötig. Im Sommer 2003 – zwei Jahre nach unserem Vorstoß – sehen wir mit Staunen, dass die Staatsregierung einen Entwurf zur Änderung des Mittelstandsförderungsgesetzes vorgelegt hat, in dem sehr viele Formulierungen unseres Gesetzentwurfes beinhaltet waren, obwohl unser Gesetzentwurf von der CSU und der Staatsregierung in Bausch und Bogen verdammt wurde.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): So machen die das immer!)

Ja, so machen sie es immer. Das wissen wir.

Die Geschichte geht weiter. Im Sommer 2003 ging das Gesetz in die Verbandsanhörung. Die Verbände diskutierten darüber, klopften dem Minister auf die Schulter. Seitdem ging aber nichts weiter. Warum wohl? – Darüber lässt sich spekulieren.

(Dr. Hildegard Kronawitter (SPD): Es soll nichts weiter gehen!)

Ich sage nur „Bettvorleger.“ Nicht einmal dazu sind Sie tauglich, wenn es um die Interessen des Mittelstandes geht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun einige wenige Worte zum Verkehr: Sie spielen immer das gleiche Spiel. Sie jammern, Sie zeigen auf den bösen Bund, und Sie sagen, der Bund gebe viel zu wenig Geld, und deshalb ließen sich die schönen Projekte nicht realisieren. Andererseits sorgen sie dafür, dass zu wenig Geld vorhanden ist, um sinnvolle Projekte finanzieren zu können. Warum? – Sie sorgen mit ihrer Großmannssucht dafür, dass Milliarden über Milliarden verschwendet werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Paradebeispiel ist die Bahnstrecke München – Ingolstadt – Nürnberg. Sie sagten, die Strecke würde 4 Milliarden Mark kosten. Das war uns damals schon viel zu viel. Tatsächlich kostet sie fast 4 Milliarden Euro. Die Fortführung Nürnberg – Erfurt durch den „Gottesgarten“ und den Thüringer Wald ist ökologisch äußerst bedenklich und wird noch wesentlich teurer. Hier gehen die Gelder drauf.

Beim Straßenbau ist es ähnlich. Sie wollen partout den staustufengestützten Ausbau der Donau. Das ist ökologisch äußerst bedenklich und auch äußerst teuer. Ohne die Anfrage des Kollegen Eike Hallitzky – wir helfen Ihnen auch noch – hätten Sie es versäumt, die Aufwendungen für die Erarbeitung der Unterlagen im Verfahren zum Donauausbau, Varianten C und D 2, in der Nachschubliste zum Haushalt unterzubringen. Seien Sie froh, dass wir Ihnen formalrechtlich hin und wieder den richtigen Weg weisen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun bin ich bei den Gründen angelangt, weshalb wir dem Entwurf zum Einzelplan 07 nicht zustimmen werden. Ein Grund ist die Förderung des Nahluftverkehrs. Kollege Traublinger sprach es an: Jeder Fluggast auf der „überaus wichtigen“ Verbindung Frankfurt – Hof wird mit Steuergeldern des Freistaates und zum Teil mit Zuschüssen von kommunalen Trägern subventioniert. Wir stoßen uns ganz generell daran, dass die Fliegerei gemästet wird. Als Stichworte nenne ich nur den Kerosinzuschuss am Flughafen München II oder den Verzicht auf die Verzinsung und Tilgung der Gesellschafterdarlehen, um das Fliegen künstlich billig zu halten. Hier könnten und sollten Sie anfangen zu sparen. Sie wollen das aber partout nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da Kollege Traublinger es angesprochen hat – ich hätte es mich schon gar nicht mehr getraut –, will auch ich auf den Transrapid hinweisen. Hier sorgen Sie wirklich für eine gigantische Geldvernichtung. Sie wissen ganz genau, dass schon jetzt Nahverkehrsgelder in zweistelliger Millionenhöhe für dieses Projekt verbraten werden. Wir raten: Nehmen Sie endlich Abstand vom Transrapid, setzen Sie die Steuergelder für sinnvollere Projekte ein. Das Projekt ist ein finanzpolitischer Fehler. Es gibt eine riesengroße Deckungslücke zwischen dem, was der Bund zugesagt, und dem, was der Freistaat bereit ist auszugeben. Zudem sind die Gelder des Freistaates Nahverkehrsmittel. Das wollen wir nicht.

Die Magnetschwebebahn zum Flughafen München II wäre ein verkehrspolitischer Unfug. Alle Systemvorteile der Magnetschwebetechnik – hohe Geschwindigkeiten, enge Kurvenradien, große Steigungsfähigkeiten – kommen auf der Kurzstrecke in der Münchner Schotterebene nicht zum Tragen. Warum fahren die Leute mit dem Auto und nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln? - Nicht die Zeit ist das entscheidende Argument, sondern die Bequemlichkeit. Beim Transrapid gibt es die unbequemen Verkehrsbrüche weiterhin.

Das Transrapid-Projekt ist auch umweltpolitisch ein Fehler. Ich erinnere hier nur an den sehr hohen Energieverbrauch auf kurzen Distanzen und auch an die miserable CO2-Bilanz. Schließlich ist das Projekt auch industriepolitisch wenig zielführend, wenig tragfähig.

Unsere Forderungen lauten: sofortiger Verzicht auf das Transrapid-Projekt in München, sofortige Auflösung der BMG, Realisierung einer Express-S-Bahn auf bestehenden Trassen. Dass dies geht, dafür haben Sie uns eindrucksvolle Gutachten geliefert. Dass Sie nun zurückrudern, ist verständlich.

Über den „Copy-Shop Landtag“ haben wir gestern gesprochen. Mit dem Mittelstandsförderungsgesetz habe ich ein weiteres Beispiel geliefert. Gestern war es die Sperrstunde – wir sind also wieder beim Thema Wirtschaft. Die bisherige Regelung war im doppelten Sinne wirtschaftsfeindlich. Sie war schlecht für die Gastronomie und für den Fremdenverkehr. Es wäre wunderschön gewesen, Sie wären uns damals gefolgt. Sie hätten es dann

mit der Argumentation leichter gehabt. Jedenfalls gibt es eine Reihe von Beispielen.

Beim Einzelplan 07 hat Kollege Hallitzky im Haushaltsausschuss daran erinnert, dass die GRÜNEN zum Nachtragshaushalt 2004 beantragt haben, die Mittel für die Betreuung von Existenzgründern und Betriebsübernehmern in ausreichender Höhe einzustellen. Der Antrag wurde abgelehnt. Heute finden wir diesen Etatposten entsprechend erhöht. Begründung ist, dass der Förderbedarf entsprechend hoch sei. Wir haben Sie im letzten Jahr schon darauf hingewiesen.

Die Präsidentin gibt mir ein Signal; ich muss zum Schluss kommen.

Gleiches gilt für die Einmal-Zinszuschüsse der LfA: Wir haben das vorgeschlagen. Das wurde abgelehnt. Nun ist es doch gekommen.

Meine Damen und Herren, ich würde gerne noch manches zu den Aussagen des Kollegen Traublinger und zu unseren Anträgen sagen. Ich mache das vielleicht nachher. Für die GRÜNEN gibt es gute Gründe, dem Haushalt nicht zuzustimmen. Wir führen das anhand von elf einzelnen Anträgen vor. Leider stimmten Sie diesen Anträgen nicht zu - vielleicht das nächste Mal. Die Anträge wären nicht nur haushaltsneutral gewesen, sondern hätten auch zu Ersparnissen geführt. Vielleicht sind Sie lernfähig, so wie wir das gestern erleben durften.

(Lang anhaltender Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung für die CSU-Fraktion: Herr Kollege Pschierer. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Frau Kollegin Dr. Kronawitter und Herr Kollege Dr. Runge, wer auf Bundesebene eine solch miserable Bilanz vorzuweisen hat, sollte hier keine dicke Lippe riskieren.