Protokoll der Sitzung vom 15.12.2004

Wir haben ein Weiteres getan, das uns von Ihnen unterscheidet, meine Damen und Herren. Wir haben über neue Strukturen, neue Technologien und über die Modernisierung der Wirtschaft nicht nur geredet, sondern wir haben Zeichen gesetzt. „Offensive Zukunft Bayern“ und „Hightech-Offensive“ setzen konsequent auf neue Technologi

en – ob das Biotechnologie ist, ob das neue Materialien sind, Mikrosystemtechnik, Nanotechnik, Mechatronik und vieles andere. Betrachten Sie das Thema Luft- und Raumfahrt. Welchen Standort haben wir denn noch in Deutschland, der in der Luft- und Raumfahrt international eine Rolle spielt? – Das ist der Freistaat Bayern und sonst keiner in Deutschland. Das ist auch ein Verdienst der Bayerischen Staatsregierung, meine Damen und Herren.

(Dr. Heinz Kaiser (SPD): Hamburg! Airbus!)

Ein Weiteres. Wir haben konsequent auf den Ausbau der Infrastruktur bei Straße, Schiene und Luft gesetzt. Herr Kollege Dr. Runge und Frau Kollegin Kronawitter,

(Dr. Hildegard Kronawitter (SPD): Ich bin auch promoviert!)

wir schimpfen nicht leichtfertig auf Berlin. Wir hätten es aber gerne einmal gesehen, wenn Sie seit 1998 das getan hätten, was wir nach 1990 getan haben. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, überlegen Sie sich einmal, was von 1990 bis 1998 bei den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit im Bundesfernstraßenbau passiert ist und wie schnell es die Bundesregierung Kohl/Waigel damals geschafft hat, die Verkehrsströme, was den Bundesfernstraßenbau angeht, auch auf die Ost-West-Achse zu lenken und konsequent Strukturen zu schaffen, die das Zusammenwachsen der alten Bundesrepublik Deutschland mit den fünf neuen Bundesländern ermöglicht haben.

Das Gleiche hätte ich von Ihnen beim Thema Schiene erwartet. Überlegen Sie einmal, wie lange es dauert, bis man auf der Schiene von München nach Berlin kommt. In den letzten Jahren wäre es Ihre Aufgabe gewesen, dafür zu sorgen, dass wir beim Schienenausbau - das gilt vor allem für die Hochgeschwindigkeitsstrecken -, vorankommen.

Nun zur Verbesserung der Finanzierungssituation unserer Wirtschaft. Liebe Freunde, wir erleben derzeit, dass der Standort Bundesrepublik für viele Betriebe nicht mehr attraktiv ist. Er ist nicht mehr attraktiv wegen der Rahmenbedingungen, die wir bei der Steuer-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik haben. Er ist aber auch nicht mehr attraktiv, was die Finanzierungskultur angeht. Wir müssen in den nächsten Jahren höllisch aufpassen: Wir müssen Finanzierungsinstrumente schaffen, die uns wieder Wachstum ermöglichen. Die besten Unternehmer helfen uns nicht, wenn es nicht möglich ist, einen Konjunkturaufschwung zu finanzieren.

Deshalb ist es konsequent und richtig, dass wir beim Thema Finanzierung auch die Beteiligungsfinanzierung berücksichtigen. Der Minister hat es angesprochen. Sie haben diese Beteiligungsfinanzierung zurückgefahren. Sie haben beim Venture Capital einen völlig falschen Weg eingeschlagen. Statt Strukturen zu schaffen, bei denen das Privatkapital, das in diesem Land reichlich vorhanden ist, für Investitionen verwendet wird und sich Privatpersonen an Firmen beteiligen, haben Sie die Strukturen verschlechtert. Damit können Sie einen modernen Industriestandort nicht voranbringen. Es hilft uns nichts, wenn wir nach England, Frankreich oder in andere Länder schauen.

Wir müssen vielmehr vor Ort selbst unsere Hausaufgaben machen.

Nun zur Erbschaftsteuer. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von den GRÜNEN, Sie pflegen die Neiddebatten der Nachkriegsjahre. Sie haben in den letzten Jahren nichts dazugelernt. Frau Kollegin Dr. Kronawitter, mit dumpfen Parolen mögen Sie vielleicht in manchen Hinterhofzimmern in München Beifall bekommen. Mit der Diskussion über die Vermögensteuer können Sie aber nicht die Finanzierungskultur in einem Land verbessern. Substanzbesteuernde Elemente in der Gewerbesteuer und viele andere Punkte schrecken Investoren ab. Wann waren Sie bereit, mit uns über Themen wie das Tarifrecht, das Arbeitsrecht oder die Mitbestimmung zu reden? Wegen dieser Themen können ausländische Investoren heute sagen: So lange diese Bundesregierung am Werke ist, ist Deutschland nicht unser Standort.

(Franz Schindler (SPD): Herr Rogowski sagt aber etwas anderes!)

Dass es uns in Bayern besser geht, liegt insbesondere daran, dass wir eine aktive Wirtschaftspolitik machen und einen Wirtschaftsminister Otto Wiesheu haben, der, was das Thema Exportmärkte angeht, einen großartigen Beitrag leistet.

(Dr. Hildegard Kronawitter (SPD): Unpatriotisch!)

Frau Kollegin Dr. Kronawitter, wenn wir in Bayern die Zahlen hätten, die Sie in den Bundesländern haben, in denen die SPD noch regiert, würde es hier düster aussehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie schmücken sich auf Berliner Ebene mit den bayerischen Erfolgen. Dass die Bilanz der Bundesrepublik Deutschland nicht noch schlechter ist, ist das Verdienst der Bayerischen Staatsregierung und unserer Nachbarländer Baden-Württemberg und Hessen.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, deshalb habe ich kein Verständnis dafür, dass Sie den Einzelplan 07, also den Etat des Wirtschaftsministeriums des Freistaates Bayern, ablehnen. Sie schaden damit dem Freistaat Bayern nicht besonders; wir sind auf Ihre Zustimmung nicht angewiesen. Es wäre jedoch schön gewesen, weil es uns gezeigt hätte, dass auf Ihrer Seite noch ein gewisses Maß an Lernfähigkeit vorhanden ist. Ich nehme zur Kenntnis, dass dem nicht so ist. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Etatansatz.

(Beifall bei der CSU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

(Widerspruch bei der SPD)

Die SPD-Fraktion muss sich einig werden und sich um ihre Wortmeldungen kümmern. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Liebe Frau Kollegin Dr. Kronawitter,

Sie hätten sich rechtzeitig darum kümmern müssen, ob Sie noch Redezeit haben oder nicht. – Sie haben noch Redezeit, weil der Staatsminister zu lange gesprochen hat; das ist richtig. Ich würde aber bitten, dass die Fraktionsgeschäftsführung das künftig rechtzeitig auf den Weg bringt. Wie einigen wir uns in Güte? – Bitte schön, Frau Dr. Kronawitter.

Frau Präsidentin, wir haben festgestellt, dass der Minister länger geredet hat.

Frau Dr. Kronawitter, ich habe Ihnen gerade gesagt, dass Sie Recht haben, wenn Sie sagen, dass Herr Staatsminister Dr. Wiesheu länger geredet hat. Damit verlängert sich die Redezeit für die Fraktionen. Damit haben Sie auch Recht. Es ist aber nicht meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass weitere Wortmeldungen von den Fraktionen kommen.

(Beifall bei der CSU)

Das müssen Sie rechtzeitig erledigen. Ich persönlich wurde nicht gefragt, ob Sie noch Redezeit haben.

(Susann Biedefeld (SPD): Da waren Sie noch gar nicht da!)

Ich möchte das jetzt in Güte regeln. Habe ich noch eine Wortmeldung oder nicht? - Bitte, Frau Dr. Kronawitter.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten bei Herrn Präsident Glück nachgefragt, ob wir noch Redezeit haben. Er sagte: Nein, er hätte das gestoppt, wir hätten keine mehr. Darauf haben wir uns eingestellt. Ich bin dankbar, dass ich noch einen Satz sagen kann. Herr Kollege Dr. Beyer hatte sich für den Fall vorbereitet, dass es noch eine Verlängerung gibt.

Ich sage jetzt nur Folgendes: Wenn wir über den Standort Deutschland reden, sollten wir bei unserer unterschiedlichen Bewertung der Reformpolitik der Bundesregierung festhalten, was internationale Studien zur Standortbewertung sagen. Ich weiß, hier gibt es unterschiedliche Ergebnisse und Detailergebnisse. Lassen Sie mich aber festhalten: Der überwiegende Teil der Studien kommt zu dem Fazit, dass Deutschland ein guter Standort sei. Ich beziehe mich auf das World-Economic-Forum. Ich könnte auch andere Studien nennen.

Wir hatten vor zwei Tagen eine Veranstaltung mit dem Vorsitzenden des Sachverständigenrates, Herrn

Prof. Dr. Wiegard. Er hat betont, dass die Aussage des Sachverständigenrates durchaus optimistisch sei. Er hat – bezogen auf die Reformfelder – unterschiedliche Aussagen gemacht. Er hat zum Beispiel – bezogen auf die Maßnahmen im Arbeitsbereich – den Rat gegeben, man sollte in Geduld abwarten, wie die Reformen wirken. Herr Kollege Pschierer, Sie haben das, was Sie für falsch halten, so verinnerlicht, dass Sie es wie eine Scheibe abspulen.

(Franz Josef Pschierer (CSU): Das stimmt nicht!)

Wir sagen nicht, dass die Zahlen in Bayern im Durchschnitt schlecht seien. Wir weisen aber darauf hin – das ist das Recht und die Pflicht der Opposition –, wo Disparitäten sind und Probleme bestehen bzw. absehbar sind.

Im Übrigen möchte ich noch einmal betonen, dass wir im Fachausschuss nicht über das große Infrastrukturprojekt Ethylen-Pipeline gesprochen haben. Ich finde das nicht gut. Der Ausschuss heißt „Ausschuss für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie“. Über die Infrastruktur haben wir nicht geredet. Seit Oktober liegt von meiner Fraktion ein Antrag zu diesem Thema vor. Dieser Antrag wurde verschleppt. Ich habe darum gebeten, ihn auf die Tagesordnung zu nehmen. Das ist jedoch nicht geschehen. Sie betreiben Ihre Machtpolitik sogar im Landtag.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Runge. Bitte.

(Zurufe von der CSU)

Es ist richtig, ich habe vorhin schon um einige Minuten überzogen. Deshalb bedanke ich mich bei der Präsidentin für das unverhoffte Weihnachtsgeschenk, in meiner Rede fortfahren zu dürfen.

(Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Traublinger, jetzt kann ich es Ihnen auch öffentlich sagen; es wird auch nicht so schlimm. Wir waren gerade dabei, den CopyShop Landtag vorzuführen und mit Beispielen, die den Einzelplan 07 betreffen, zu zeigen, wie Sie jahrelang mit sehr scharfen Argumenten gegen unsere Anträge waren; dann waren es auf einmal Anträge der Staatsregierung, und alle Argumente hatten sich umgedreht. Ich hatte über die Betreuung von Existenzgründern und Betriebsübernehmern berichtet. Beim Nachtragshaushalt 2004 ging es um den Titel „Einmalzinszuschüsse an die LfA-Förderbank zur Ausreichung von zinsgünstigen Darlehen im Rahmen des MKP“. Wir haben gefordert, die Mittel nicht zu kürzen, weil die Nachfrage dafür schon da ist. Damals sind wir abgemeiert worden. Jetzt gilt genau das Gegenteil: Der Entwurf des Haushaltsplans enthält dafür einen höheren Ansatz, was uns erfreut.

Herr Traublinger, ein Beispiel dafür, wie bei Ihrer Staatsregierung Anspruch und Realität, wie Wort und Tat und wie Wort hier und Wort da auseinander klaffen, war das soeben angesprochene Mittelstandskreditprogramm. Wir haben den Einzelplan 07 des Nachtragshaushalts hier am 19. Februar 2004 diskutiert. Wir haben damals darüber diskutiert, ob wir diesen Haushaltsansatz weiter herunterfahren sollen; ich glaube, es ging damals um 10 Millionen Euro. Herr Minister, Sie haben die Kürzung damit begründet, dass die Fördermittel im vergangenen Jahr regelmäßig nicht vollständig ausgeschöpft worden seien. Wenige Wochen später, am 29. März 2004, fand die Bilanzpressekonferenz der LfA statt. Was konnten wir da staunend aus dem Munde des Ministers vernehmen? – Da hieß es auf einmal – das ist Minister Wiesheu im Originalton –: Wir

mussten die Zuschussprogramme aus Spargründen beschneiden.

(Anhaltende Unruhe)

Da fragen wir uns: Was gilt eigentlich? Hier im Plenarsaal wird gesagt, das Geld wird nicht abgerufen, also kann man den Ansatz herunterfahren. Bei der LfA-Pressekonferenz sagt der gleiche Minister: Tut uns Leid, aus Spargründen mussten wir den Ansatz herunterfahren.

Ich habe vorhin kurz unsere Anträge angesprochen und gesagt, sie seien nicht nur haushaltsneutral, sondern würden den Haushalt sogar geringfügig entlasten. Kollege Traublinger ist auf den einen oder anderen Antrag eingegangen und hat sich darüber empört, wie man nur solche Anträge stellen kann. Herr Kollege Traublinger, die GRÜNEN haben zur Ethylen-Pipeline in Richtung Ludwigshafen nicht Nein gesagt, sondern uns ging es schlicht und einfach um die unseriöse Art und Weise, wie man damit haushalts- und finanztechnisch umgeht. Es heißt nämlich, die Hälfte der Kosten soll von der Industrie getragen werden – der geht es bekanntermaßen sehr gut, was erfreulich ist – und die andere Hälfte aus öffentlichen Mitteln bestritten werden. Wer nachsieht, was dafür im Haushalt der Europäischen Union eingestellt ist und was da in der Diskussion ist, stellt fest, dass da noch große Nebelschwaden und große Ungenauigkeit bestehen. Wir wollen nicht, dass hier dafür Mittel eingestellt werden, solange nicht klar ist, wie die Finanzierung läuft.

Herr Traublinger, ich komme zu den Schulungsstätten der Wirtschaft. Es ist klar, dass Sie das gesagt haben. In Realität gibt es aber ein Übermaß an Schulungsstätten und Seminarangeboten; die Wirtschaft bietet ihre Schulungen wie saueres Bier an. Die Kammern – das gilt nicht so sehr für die Handwerkskammer, sondern mehr für Industrie- und Handelskammer – machen ihren Zwangsmitgliedern über Schulungsstätten Konkurrenz, die sie massiv mit Steuergeldern finanziert haben. Deshalb sagen wir: Hier wollen wir endlich einmal einen Deckel einziehen, das ist ein Fass ohne Boden, hier gibt es immer wieder höhere Ansätze.

(Anhaltende Unruhe)

Ich will noch einige wenige Sätze zu den Aussagen des Kollegen Pschierer sagen.

(Zuruf des Abgeordneten Henning Kaul (CSU))

Herr Kollege Kaul, im Gegensatz zu Ihnen würdige ich Herrn Pschierer. Auf die falschen Dinge, die Sie erzählen, muss man nicht eingehen.