Protokoll der Sitzung vom 16.02.2005

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 36. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Ich darf Ihnen noch die Ergebnisse der zwei namentlichen Abstimmungen vom gestrigen Abend bekannt geben: Zur namentlichen Abstimmung stand der Tagesordnungspunkt 5: „Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Ludwig Spaenle und anderer (CSU) zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages über die Vergabe von Studienplätzen“, Drucksache 15/2098. Mit Ja stimmten 104 Kollegen, mit Nein 35, Enthaltungen gab es keine. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen. Das Gesetz hat den Titel: „Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrags über die Vergabe von Studienplätzen“.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Das Ergebnis der weiteren namentlichen Abstimmung zum Tagesordnungspunkt 6, „Antrag der Abgeordneten Franz Schindler, Rainer Volkmann, Hans Joachim Werner und anderer (SPD), Rechtsverordnung zur Einrichtung einer Härtefallkommission gemäß § 23 a Abs. 2 des neuen Aufenthaltsgesetzes“ auf Drucksache 15/1354: Mit Ja haben 34 Kollegen und mit Nein 90 gestimmt. Es gab 12 Enthaltungen. Damit ist der Antrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Haushaltsplan 2005/2006; Einzelplan 05 für den Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus

Das Wort hat Frau Kollegin Staatsministerin Hohlmeier. Für Ihre Haushaltsrede sind 45 Minuten vorgesehen.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Monaten versuchen Sozialdemokraten und GRÜNE, in einer groß angelegten Kampagne die Arbeit der Schulen in Bayern schlecht zu reden. Sie ignorieren dabei vollkommen, dass wissenschaftliche Studien in den vergangenen Jahren immer die Qualität des bayerischen Bildungswesens bestätigt haben.

(Margarete Bause (GRÜNE): Angriff ist die beste Verteidigung!)

Erstens. Die Studie „Bildungsmonitor Deutschland“ – ein wissenschaftlicher Vergleich der 16 deutschen Bildungssysteme durch die „Initiative Neue Soziale

Marktwirtschaft“ – bestätigt dem bayerischen Bildungssystem, dass es unangefochten auf dem ersten Platz steht, und zwar hinsichtlich der Bildungsausgaben, hinsichtlich der Schülerleistungen und vor allem auch hinsichtlich der Ausbildungsqualität. Bayern erreichte in die

ser Studie 70 Punkte und lag damit weit über dem innerdeutschen Durchschnitt von 52,1 Punkten und himmelweit vor den Schlusslichtern Bremen und Berlin mit noch nicht einmal 30 Punkten.

Zweitens. Die Ländervergleichsstudie Pisa 1 hat Bayern bescheinigt, dass unser Bildungssystem international konkurrenzfähig ist. Bayern erreichte schließlich als einziges deutsches Land einen Wert über dem OECD-Durchschnitt und lag in allen untersuchten Kompetenzbereichen im oberen Drittel der getesteten Staaten.

Bayern liegt in Deutschland in allen drei Kompetenzbereichen – Lesen, Mathematik, Naturwissenschaften – auf Platz 1. In Bayern gelingt über alle Schularten hinweg die Förderung von Kindern aus eher bildungsfernen Schichten am besten. Im Bereich Lesen beispielsweise erzielten bayerische Jugendliche aus Arbeiterfamilien mit in Deutschland geborenen Eltern den höchsten Wert aller Länder. Der Abstand zu den Jugendlichen aus höheren Schichten war geringer als in fast allen anderen Ländern.

Auch die Förderung von Kindern bzw. Jugendlichen mit Migrationshintergrund gelingt in Bayern deutschlandweit am besten. Bemerkenswert sind hier vor allem die Leistungen von Schülern türkischer Herkunft. In der Lesekompetenz erreichen türkischstämmige Schüler in Bayern nahezu denselben Wert, nämlich 444 Punkte, wie die Gesamtheit der Schüler aller Schularten in Bremen mit 448 Punkten.

Drittens. Auch die Grundschulvergleichsuntersuchungen Iglu und Iglu-E haben gezeigt, dass an den Grundschulen in unserem Land eine hervorragende Arbeit geleistet wird. In allen untersuchten Bereichen – Lesen, Rechnen, Naturwissenschaften sowie Rechtschreibung – liegt Bayern bundesweit im Spitzenfeld. Da die Grundschule die Basis für den Lernfortschritt in späteren Jahren legt, lässt dies für die Zukunft noch bessere Ergebnisse bei den Leistungstests in den weiterführenden Schulen erwarten.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, all diese Ergebnisse von Pisa-E und anderen Untersuchungen – Iglu, Iglu-E, Timss und Pisa – zeigen, dass der Vorwurf der Opposition, das bayerische Schulwesen sei selektiv und sozial ungerecht, an den Tatsachen vorbeigeht. Sie sollten lieber in Ihren eigenen Ländern nachsehen.

(Beifall bei der CSU)

Mein Dank gilt in diesem Zusammenhang vor allem allen bayerischen Lehrerinnen und Lehrern. Ich weiß, dass die Lehrkräfte draußen im täglichen Unterricht sowie außerhalb der normalen Unterrichtszeiten harte Arbeit leisten und dass sie ihre Aufgaben engagiert und leistungsbereit erfüllen. Wir sollten sie dafür mit einem entsprechenden Dankeschön versehen und bedenken, dass ihre Arbeit in der heutigen Zeit gegenüber früheren Zeiten anspruchsvoller geworden ist.

(Beifall bei der CSU)

Wir stehen derzeit in wirtschaftlich und finanziell schwierigen Zeiten und müssen wie allen Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes auch unseren Lehrkräften mehr abverlangen. Aber dieser Doppelhaushalt beweist wiederum, dass Bildung für die Staatsregierung Priorität hat.

Des Weiteren gilt mein Dank den Sachaufwandsträgern. Die bayerischen Kommunen und Landkreise leisten Gewaltiges, um ihren Schulen eine gute Ausstattung zu gewährleisten, dies in einer Zeit, in der aufgrund der katastrophalen gesamtwirtschaftlichen Lage unter der verantwortungslosen Finanzpolitik des Bundes der finanzielle Spielraum der Sachaufwandsträger gleich null ist. Die Kommunen und Landkreise werden auch weiterhin mit der Bayerischen Staatsregierung einen verlässlichen Partner an ihrer Seite haben.

Mein Dank gilt aber vor allem auch meinen Kolleginnen und Kollegen in der CSU-Fraktion, die über Jahre hinweg die bayerische Bildungspolitik immer als wesentlichen Schwerpunkt und als Kernaufgabe der Landespolitik gesehen haben.

Im Jahr 2004 betrugen die Ausgaben für Unterricht und Kultus circa 23 % des gesamten Staatshaushalts. 2005 erhöht sich trotz der Konsolidierungserfordernisse das Gesamtvolumen des Einzelplans 05 nochmals um

174,7 Millionen Euro und im Jahr 2006 um 183,6 Millionen Euro. Der Bildungshaushalt steigt damit unter Berücksichtigung der dem Haushaltsausschuss vorliegenden Nachschubliste im Jahr 2005 auf rund 8 Milliarden Euro und im Jahr 2006 auf 8,2 Millionen Euro. Von 2004 bis 2006 bedeutet das eine Steigerung des Bildungsetats um circa 4,5 %, während der Gesamthaushalt in absoluten Zahlen einschließlich der Privatisierungserlöse nur um 3 % wächst.

Die Ausgabenmehrung kommt direkt der Verbesserung der Bildungsqualität zugute und ist eine Investition in die Zukunft der jungen Menschen und damit unserer Gesellschaft. Die Staatsregierung setzt damit auch im Doppelhaushalt 2005/2006 klare Prioritäten zugunsten der Bildung in Bayern, und zwar ohne neue Schulden auf Kosten der kommenden Generationen, sondern mit einem ausgeglichenen Staatshaushalt. Das, meine Damen und Herren von der Opposition, sollten Ihre Kollegen in den rot-grün regierten Ländern der Bundesrepublik oder auch in anderen Staaten erst einmal nachmachen.

Das bayerische Schulsystem ist also solide und gesund und mit ein entscheidender Grund dafür, warum unser Land für viele Menschen so attraktiv ist. Wie kein anderes deutsches Land hat Bayern seit 1990 eine Binnenzuwanderung von fast 537 000 Menschen zu verzeichnen. Innerhalb Deutschlands ziehen zumeist junge Familien mit schulpflichtigen Kindern zu uns, weil ihre Eltern hier gute Arbeitsplätze finden. Entsprechend steigen die Schülerzahlen deutlich über der durchschnittlichen demographischen Entwicklung an.

Hinzu kommt die Zuwanderung aus dem Ausland, die das bayerische Schulwesen bezüglich der Integration der Kinder vor ganz besondere Herausforderungen stellt.

Geht man von der vorsichtigsten Berechnung der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder in der neuesten Bevölkerungsprognose aus, werden im Jahr 2006

13 750 Kinder mehr unsere Grundschulen besuchen – das sind rund 2,7 % mehr – als in der letzten Bevölkerungsprognose vorausberechnet wurde. Im Jahr 2012 wird die Zahl der Sechs- bis Sechzehnjährigen um 54 000 und im Jahr 2020 um 107 000 gegenüber den ursprünglichen Prognosen zunehmen. Das bedeutet eine deutliche Steigerung von 10 % gegenüber den ursprünglichen Bevölkerungsprognosen, die im Jahr 2001 vorangegangen waren.

In den letzten Jahren hat sich auch das Bildungsverhalten verändert. Eltern wünschen sich zunehmend gerade vor dem Hintergrund des Arbeitsmarkts und der wirtschaftlichen Entwicklungen für ihre Kinder bestmögliche Bildungsabschlüsse. Seit dem Schuljahr 1998/1999 haben die Schülerzahlen in Gymnasien um fast 35 000 und an Realschulen – natürlich auch bedingt durch die sechsstufige Realschule – um über 70 000 zugenommen. In den Mittlere-Reife-Klassen der Hauptschule sind bereits 21 % unserer Hauptschüler, und die Tendenz ist steigend. Die Hauptschule ist zur Angebotsschule geworden und sollte für ihre guten Leistungen in der Öffentlichkeit wesentlich mehr Anerkennung erhalten, als ihr zum Beispiel Bundesbildungsministerin Bulmahn zubilligt.

(Beifall bei der CSU)

Für jede andere Schulart ist es selbstverständlich, dass sie als geschlossene pädagogische Einheit ihre Schülerinnen und Schüler zu einem erfolgreichen Schulabschluss führen kann. Von der 5. bis zur 9. oder 10. Klasse müssen für Schüler und Eltern ein klares unterrichtliches Konzept und eine eindeutige inhaltliche und methodische Profilierung erkennbar sein.

Durch die Erarbeitung von Regionalkonzepten und die Integration von Teilhauptschulen wollen wir auch das pädagogische Angebot der Hauptschule inhaltlich und organisatorisch profilieren und die Hauptschule als ernst zu nehmende Alternative im gegliederten Schulwesen stärker ins Bewusstsein von Eltern und Öffentlichkeit rücken. Selbstverständlich werden wir diese Maßnahmen in enger Abstimmung mit den betroffenen Kommunen und Landkreisen durchführen.

Hinzu kommt natürlich auch, dass in manchen ländlichen Gebieten deutlichen demographische Verminderungen stattfinden, sodass kleinste Hauptschulen – einzügige Hauptschulen oder einzügige Teilhauptschulen – auch vor dem Hintergrund der Demographie in Zukunft definitiv keinen Bestand mehr haben können. Es kann nicht darum gehen, in jedem Jahr zu versuchen, gerade noch eine Klasse zusammenzubringen, sondern es geht darum, dass die Hauptschule als profilierte Schulart in unserem dreigliedrigen Schulwesen einen guten Bestand hat.

Neben der Weiterentwicklung unseres allgemein bildenden Schulwesens haben wir aber auch die Vielfalt der Chancen über die berufliche Bildung deutlich ausgebaut. Unsere jungen Menschen nutzen die neuen Wege. In Bayern wurden seit 1996 zehn Fachoberschulen und 42 Be

rufsoberschulen gegründet und zudem beginnend mit dem neuen Schuljahr der Schulversuch FOS 13 an 14 Standorten gestartet. Allein in den letzten zwei Jahren wurden sieben Fachoberschulen und sechs Berufsoberschulen neu gegründet sowie die bestehenden staatlichen Schulen bedarfsgerecht erweitert. So können Jugendliche in allen Schularten den ihrer Begabung und ihren Fähigkeiten entsprechenden Abschluss erwerben. Die Hochschulreife kann mittlerweile über jede Schulart erreicht werden. Den Kindern Chancen und gute Bildungsmöglichkeiten zu geben, das ist unser Ziel.

Gerade die Fach- bzw. Berufsoberschulen erweisen sich als besonders attraktiv und haben in den letzten Jahren um Tausende von Schülern zugenommen. Inzwischen kommt knapp ein Drittel der Studenten an unseren Schulen aus der beruflichen Bildung. Wir machen es nicht so wie in den von Ihnen regierten Ländern, dass wir schlicht und einfach so hohe Notendurchschnitte einführen, dass kein Mensch mehr die jeweiligen Schulen besuchen kann. Vielmehr akzeptieren wir es, dass eine Klasse einmal 33 Schüler hat, weil wir damit Schülern die Chance geben, die richtige Schulart zu besuchen, statt sie auszusperren. Wir haben Tausende von Schülern zusätzlich aufgenommen.

(Beifall bei der CSU)

Wie gesagt, kommt knapp ein Drittel der Studenten an unseren Hochschulen aus der beruflichen Bildung, und zwar ohne Abstriche von der Qualität des bayerischen Abiturs.

Auch das trennt uns von anderen Ländern, die SPD und Grün regiert sind.

Die höheren Schülerzahlen werfen jedoch auch ein Schlaglicht auf die verfehlte Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung.

(Zuruf von den GRÜNEN: Ha, ha, ha!)

Wir haben immer mehr freiwillige Wiederholer.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Ach, wissen Sie was, wenn jemand freiwillig die 9. Klasse wiederholt, wenn immer mehr junge Menschen vollzeitschulische berufliche Angebote besuchen müssen, weil sie arbeitslose Jugendliche sind, dann hat das etwas mit der desaströsen Finanz-, Steuer-, Wirtschafts- und Sozialpolitik des Bundes zu tun.

(Beifall bei der CSU)

Es sehen sich nämlich immer weniger mittelständische und kleine Unternehmen in der Lage, noch Auszubildende aufzunehmen. Die Probleme, die Sie produzieren, sehen Sie ganz selten. Sie sehen meistens nur den Splitter im Auge des anderen, den Balken im eigenen Auge sehen Sie nie.

(Beifall bei der CSU)

Neuere Prognosen gehen sogar von einer Steigerung des Bedarfs aus.