Protokoll der Sitzung vom 16.02.2005

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Warum gibt es dann Probleme?)

Sie tun in Ihrem Antrag so, als würde in Bayern nichts geschehen, als würde man sich nicht darum kümmern.

(Margarete Bause (GRÜNE): Warum fühlen Sie sich so angegriffen? Da muss doch etwas nicht stimmen!)

Ich fühle mich angegriffen, weil mir der Antrag nicht gefällt. Mir gefällt der Antrag aus Sicht der Staatsregierung deshalb nicht, weil ich weiß, mit welchem Fleiß, begleitet von großem Engagement in den Haushaltsentscheidungen und Beschlüssen des Landtags, wir hier alles tun, um gerade den rechtsextremen Tendenzen keinen Vorschub zu leisten, sondern diese rechtzeitig abzuwehren.

(Beifall bei der CSU – Margarete Bause (GRÜNE): Ist das so gut, als dass es nicht noch besser gemacht werden könnte?)

Wissen Sie, ich mache noch weiter; ich habe durchaus noch einiges zu sagen. Liebe Frau Bause, wir haben in Bayern eine Landeszentrale für politische Bildung, die exzellente Arbeit leistet. Ich werde 20 Seiten einer Rede von mir zu Protokoll geben, in der festgehalten ist, was allein gegen rechtsextremistische Tendenzen im Schulbereich getan wird. Diese Rede, die ich hier nicht in der Gänze ausführen kann, gebe ich zu Protokoll, damit jeder im bayerischen Lande, auch im Internet, nachlesen kann, was wir allein in Bayern leisten, um gegen den Rechtsextremismus vorzugehen.

(siehe Anlage 5)

Und dies hat Erfolg. Auf diesen Erfolg werde ich auch noch zu sprechen kommen.

Im EUG, Artikel 131 mit dem Titel „Oberste Bildungs- und Erziehungsziele“ heißt es, dass wir eine Erziehung im Geiste der Demokratie und im Sinne der Völkerversöhnung als verbindliche Richtschnur für jegliche Unterrichts- und Erziehungsarbeit an allen Schulen haben wollen. Wir haben in Bayern – vielleicht ist Ihnen das schon aufgefallen, wenn nicht, sage ich es Ihnen heute – kein Schulgesetz. Wir haben ein Gesetz für Erziehung und Unterricht, weil gerade auch dieser erzieherische Part eine ganz wichtige Rolle spielt. Dieser erzieherische Part, die Persönlichkeitsbildung an unseren Schulen, hat für uns einen mindest ähnlich hohen Stellenwert wie die Wissensvermittlung. Als Hans Maier das vor 30 Jahren propagiert und hier eingeführt hat, wurde er zum Teil übel beschimpft, gerade auch von roter Seite, die GRÜNEN gab es damals noch nicht, dass er diesen Erziehungsauftrag der Schulen so klar formuliert hat. Heute sind wir froh, dass dieser Auftrag so klar formuliert ist.

Das geht in die konkreten Entscheidungen bis in diese Tage hinein. Das Zeugnis, das in Zukunft, an den Grundschulen beginnend, vergeben wird, wird etwas beinhalten, was gerade diese Erziehungsziele, die Sie so anmahnen, sehr wohl berücksichtigt. Wir sind der Auffassung, dass das gelingende Miteinander eines Menschen mit anderen auch seine Berücksichtigung in einem Zeugnis finden sollte. Es sollten nicht nur die kognitiven Fähigkeiten beurteilt werden, wie gut der Schüler in Mathe oder Deutsch ist, sondern es soll darin auch zu finden sein, wie er mit anderen kooperiert. Soziales Verhalten, soziale Verantwortung, Kooperation, Kommunikation und Konfliktverhalten werden in Zukunft in unseren Zeugnissen einen eigenen Platz haben. Das ist für mich genau das, was letzten Endes auch zum Ausdruck bringt, wie ein junger Mensch mit anderen Menschen umgeht. Das sollte man positiv würdigend zum Ausdruck bringen.

(Zuruf der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜ- NE))

Deswegen haben wir unsere Zeugnisse geändert. Sie haben das kritisiert. Ich meine, wir liegen hier absolut auf der richtigen Seite.

Ihr Antrag enthält auch Sätze, die mir sofort gefallen würden, wenn Sie sie nicht selbst widerlegen wollten. Kollege

Kreuzer hat das bereits angesprochen. Es heißt da unter II Buchstabe c:

Kinder und Jugendliche benötigen eine faire Chance, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Diese Chance erhalten sie unter anderem durch einen Ausbildungsplatz. Es sind nicht nur genügend Ausbildungsplätze bereitzustellen, sondern es ist auch sicherzustellen, dass die Berufsausbildung abgeschlossen werden kann.

Diesen Satz kann ich nur unterstreichen; er ist in Ordnung. Aber Sie bringen damit ganz klar zum Ausdruck, dass unser Ministerpräsident zu 100 % Recht hat.

(Margarete Bause (GRÜNE): Zu 150 %!)

Stellen Sie sich einmal Folgendes vor: In einem Land, in dem es 5 Millionen Arbeitslose gibt und es 40 000 Firmeninsolvenzen im letzten Jahr gab und wo es einen 26 %-igen Anstieg in der Jugendarbeitslosigkeit gibt, findet sich natürlich ein Resonanzboden für extreme Parteien. Da kann man doch nicht widersprechen, wenn ein Zusammenhang hergestellt wird zwischen der miserablen Wirtschaftspolitik von Rot-Grün und dem Erstarken einer rechtsextremen Gruppierung. Das ist doch nahe liegend, und das muss man auch deutlich sagen. Vielleicht kommen da sogar berechtigte alte deutsche Ängste zum Ausdruck. War es nicht so im letzten Jahrhundert, dass die Arbeitslosigkeit letzten Endes diesen großen Resonanzboden geschaffen hat, dass extreme Parteien gewählt worden sind? Oder besonders eine extreme Partei?

(Beifall bei der CSU – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Es ist nahe liegend, aber nachweislich falsch, und durch Wiederholung wird der Unsinn nicht richtiger!)

Hätten Sie doch einmal den Kommentar in der „Welt“ letzte Woche gelesen! Da ist Stoiber bestätigt worden, als er angesprochen hat, was eine nachvollziehbare deutsche Urangst ist, nämlich die Urangst, dass mit einer zu hohen Arbeitslosigkeit die politischen Verhältnisse wieder instabil werden könnten,

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Urangst schon, aber blöd ist das!)

weil sich die Menschen in höchster Unzufriedenheit eventuell extremen Parteien zuwenden. Für mich ist das beste Programm, um Extreme nicht groß werden zu lassen, dass die Menschen Beschäftigung haben, dass sie Arbeit haben und dass es wirtschaftlich funktioniert. Dann hat keiner ein Interesse daran, rechtsradikal zu wählen.

(Beifall bei der CSU)

Den Damen und Herren der SPD darf ich auch noch etwas bestätigen. Ich hoffe, Sie stimmen mir da zu, wenn nicht, bitte ich, laut zu widersprechen. Es gibt da einen Satz mit folgendem Wortlaut: „Das Wiedererstarken des Rechtsextremismus liegt vor allem in der Perspektivlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt.“ Ich wiederhole für alle zum Mitschreiben, die es mitschreiben wollen: „Das Wiedererstarken des Rechtsextremismus liegt vor allem in der Perspektivlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt.“ Meine Damen und Herren, dieser Satz, der absolut richtig ist, kommt in diesem Fall nicht vom bayerischen Ministerpräsidenten, sondern er steht in einem Antrag der SPD von ihrem Bundesparteitag 1998. Wer im Internet etwas sauber recherchiert, wie es einige Journalisten getan haben, entdeckt so etwas. Ich glaube, jetzt habt Ihr diesen Satz herausgenommen, aber meine Damen und Herren von der SPD, gebt euch wenigstens selbst Recht, wenn ihr schon den anderen nicht Recht gebt.

(Beifall bei der CSU)

Ich will das Ganze nicht weiter vertiefen, möchte nur noch einen Punkt aufgreifen. Da hat es mir wirklich nachhaltig gestunken, weil dieser Punkt eine Ohrfeige für alle Eltern im Land ist. Diesen Satz muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Es heißt da unter Buchstabe d: „In Ganztagsschulen kann demokratische Erziehung und emotionale Bildung besser gedeihen...“.

(Margarete Bause (GRÜNE): Ja und? – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das stimmt doch!)

Wissen Sie, was das heißt? – Das ist eine Ohrfeige für alle Eltern in diesem Lande, die sich am Nachmittag um die Erziehung Ihrer Kinder redlich bemühen.

(Beifall bei der CSU – Lebhafte Zurufe von den GRÜNEN)

So ein Familienbild wollen wir nicht. Es kann nicht wahr sein, dass hier die Eltern, die ihre Kinder mit Vorbildwirkung erziehen, als erfolgloser dargestellt werden als die Ganztagsschulen.

(Lebhafte Zurufe von den GRÜNEN – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das ist doch ein Popanz, den Sie hier aufbauen! Legen Sie doch eine Besinnungsminute ein!)

Ich habe nichts gegen Ganztagsschulen. Wir werden in einer Stunde noch auf dieses Thema kommen. Aber mit den Ganztagsschulen begründen zu wollen, dass unsere Eltern schlecht erziehen, ist für mich eine Unverschämtheit gegenüber den Eltern.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Sie reden sich doch um Kopf und Kragen! – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Nehmen Sie endlich eine Besinnungsminute! – Zahlreiche Zurufe und Widerspruch bei den GRÜNEN)

Nein, nein, warten Sie ab. Können Sie nicht zuhören? Ich werde der Letzte sein, der gegen die Ganztagsschulen etwas sagt, die ich sehr intensiv und nachweisbar gefördert habe. Ich werde vielleicht in einer Stunde an gleicher Stelle noch einmal zu ihrer Ausweitung sprechen.

Allerdings habe ich etwas dagegen, wenn das eine gegen das andere ausgespielt wird und Ganztagschulen als Heilmittel für gesellschaftspolitische Probleme angesehen werden. Ganztagsschulen sind pädagogisch sinnvoll, familienergänzend und verhelfen vor allem Frauen, die arbeiten möchten, aber wegen der Kinder nicht können, zu neuen Möglichkeiten. Ein gesellschaftspolitisches Heilmittel sind sie aber nicht.

Sie fügen den Ganztagsschulen schweren Schaden zu, indem Sie sie als Heilmittel für gesellschaftliche Probleme verkaufen. Wenn man das tut, begibt man sich in gefährliches Fahrwasser; denn dann führen wir wieder die Ganztagsschuldebatte einer Ex-DDR, die wir nicht wollen. Wir brauchen Ganztagsschulen, weil wir unseren Eltern helfen wollen und weil wir eine schulische Situation entschärfen wollen. Am Nachmittag soll vieles verbessert und verstärkt werden, aber wir brauchen keine Ganztagsschulen, um rechtsextremistische Tendenzen abzubauen. Ich meine, wir haben in Bayern noch Elternhäuser, die funktionieren und intakt sind.

Sehen Sie sich doch die Zahlen bezüglich rechtsextremistischer Ausschreitungen an. Darauf möchte ich hinweisen, weil es mir wichtig ist. Bayern ist der Flächenstaat, der die geringste Zahl von Gewalttaten rechtsextremistischer Art zu verbuchen hat. Bezogen auf 100 000 Einwohner gibt es hier 0,13 solche Taten. In von Ihnen regierten Ländern ist das ein Vierfaches. Jetzt wissen Sie wenigstens, was los ist. Mir war es wichtig, dass Sie das gehört haben.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/2763 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Bevor ich den nächsten Antrag aufrufe, gebe ich das Ergebnis der Neuwahl zweier berufsrichterlicher Mitglieder sowie der Wahl des zweiten Vertreters der Präsidentin des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs bekannt.

Zur Neuwahl eines berufsrichterlichen Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs, Wahlvorschlag Michael Meisenberg: An der Wahl teilgenommen haben 145 Abgeordnete. Herr Meisenberg bekam 97 Stimmen. Mit Nein stimmten 11 Abgeordnete. Ihrer Stimme enthalten haben sich 37 Abgeordnete. Damit ist Herr Meisenberg gewählt.

Zur Neuwahl eines berufsrichterlichen Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs, zwei Wahlvorschläge: Wahlvorschlag Raphael Singer, Gegenkandidat Peter Falk.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

An der Wahl haben ebenfalls 145 Abgeordnete teilgenommen. Auf Herrn Singer entfielen 98 Stimmen, auf Herrn Falk 33 Stimmen. Beide Kandidaten wurden von 3 Abgeordneten abgelehnt. Ihrer Stimme enthielten sich 11 Abgeordnete. Damit ist Herr Singer gewählt.

Zur Wahl des zweiten Vertreters der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, Wahlvorschlag Michael Meisenberg: An der Wahl teilgenommen haben wiederum 145 Abgeordnete. Herr Meisenberg erhielt 97 Stimmen. Es gab 11 Nein-Stimmen. 37 Abgeordnete haben sich enthalten.

Damit stelle ich fest, dass der Bayerische Landtag die Herren Michael Meisenberg und Raphael Singer zu berufsrichterlichen Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs gewählt hat. Herr Michael Meisenberg wurde außerdem zum zweiten Vertreter der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs gewählt. Den Gewählten alles Gute für die Erfüllung ihrer Aufgaben!

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Joachim Herrmann, Dr. Otmar Bernhard, Renate Dodell und anderer und Fraktion (CSU) Arbeitslosigkeit wirksam bekämpfen (Drucksache 15/2764)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Unterländer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Erreichen einer Zahl von mehr als fünf Millionen registrierten Arbeitslosen und einer Arbeitslosenquote von über 12 % hat Deutschland einen Höchststand an Arbeitslosigkeit in der Nachkriegsgeschichte erlangt. Betrachtet man sich dazu die mehr als hilflosen Reaktionen der rot-grünen Bundesregierung, dann muss man feststellen, wer wie der Bundeskanzler angesichts von fünf Millionen Arbeitslosen weiterhin die Politik der ruhigen Hand betreibt, der fördert bei den betroffenen Menschen, Unternehmen und in der gesamten Gesellschaft Perspektivlosigkeit und Frustration.

(Beifall bei der CSU)