Protokoll der Sitzung vom 16.02.2005

Diesen politischen Abwägungsprozess soll es mit Zustimmung der CSU nicht geben. Wir erleben eine weitere Entmachtung des Parlaments nach der Devise: Die Verwaltung wird’s schon richten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dabei tröstet es nicht, dass es immer schon so war und dass es haushaltstechnisch zulässig ist. Mir tun alle diejenigen Leid – das geht sicher auch den Kolleginnen und Kollegen so -, die jetzt wieder losziehen müssen, auf Betteltour gehen müssen und Klinkenputzen müssen bei den CSU-Stadt- und -Landräten. Die CSU-Kollegen vor Ort werden sich wieder an die Spitze der Gegenbewegung stellen, nachdem sie hier im Landtag das Heft des Handels aus der Hand gegeben haben. Und weshalb das alles? – Ich führe das deswegen so aus, weil ich glaube, dass viele dieser Haushalte überhaupt nicht mehr von der Verwaltung und von den Ministerien bestimmt werden, sondern die wichtigen Vorgaben an ganz anderer Stelle getroffen werden. Weshalb das alles? – Weil ein Versprechen im Raum steht, 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.

Wie das mit den bereits vorhandenen 23 Milliarden Euro Schulden gehen soll, ist mir schleierhaft. Dies alles für die Selbstinszenierung eines Ministerpräsidenten, der seinen Abgang von der politischen Bühne mit irgendetwas krönen möchte! Die Krone hat aber, daran möchte ich noch einmal erinnern, wenn er sich selbst auch gerne als Montgelas bezeichnet, keine Montgelas‘schen Ausmaße.

(Zuruf des Abgeordneten Alexander König (CSU))

Das macht nichts. – Herr König, ich träume gern. – Immerhin erleben wir hier an dieser Stelle sowohl vonseiten der Staatsministerin als auch vonseiten des Kollegen Müller eine etwas ehrlichere Bestandsaufnahme, als es bei den anderen Haushaltsdebatten bisher der Fall war; ich denke an den Kultushaushalt und an den Schulhaushalt, wo wirklich alles bestens ist, wo überhaupt keine Probleme bestehen. Hier besteht wenigstens der Mut einzugestehen: Wir haben Probleme. Ich bin zwar nicht mit Ihnen d´accord, was die Lösungsansätze anbelangt, aber man sieht wenigstens die Probleme. Das ist immerhin schon etwas.

Der Justizhaushalt lässt ähnlich zu wünschen übrig wie in den letzten Jahren. Er ist zuvorderst geprägt von Ausgaben für Pflichtaufgaben - wir haben es gehört -, um deren Erfüllung die Justizministerin gar nicht herumkommt. Er ist weiter geprägt von einem mangelnden Selbstbewusstsein der dritten Kraft in unserem Staate im Vergleich zu einem sehr selbstbewusst auftretenden Innenministerium, wenn ich mir den Haushaltsentwurf ansehe. Er zeichnet sich auch aus, leider, durch die schlechte Behandlung derjenigen, die in unserer Gesellschaft kaum mehr Fürsprecherinnen und Fürsprecher haben. Ich denke hier an die JVAInsassen.

Wo hier aber noch Spielraum sein soll für irgendeine Kürzung, sehe ich nicht. Ich bin deshalb schon sehr gespannt, inwieweit – es kommt auch darauf an, wie sehr Sie betroffen sein werden; das ist ja nicht in allen Fällen gleich – Sie hier noch etwas beitragen können.

Genau das ist auch der Grund – das erleben wir ja –, dass viele Entscheidungen mittlerweile nicht mehr im Rahmen dieses Haushaltsentwurfs diskutiert und getroffen werden, sondern außerhalb des Justizhaushaltes, und damit natürlich auch der Entscheidungskompetenz des Landtags entzogen sind. Das ist die so genannte Justizreform, die das nötige Einsparpotenzial bringen soll, eine Reform, die in weiten Teilen auf Kosten der Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger geht. Ich nenne zum Beispiel die wohnortnahen Angebote an den Amtsgerichtszweigstellen. Darüber werden wir noch reden müssen. Ich hoffe, dass wir die Debatte nicht wieder verschieben, wie es leider oft bei diesen hochgezogenen Anträgen der Fall ist. Wir werden sicherlich noch einmal Tacheles reden müssen; denn wir glauben, dass hier ein völlig falscher Weg eingeschlagen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Kosten werden den Bürgerinnen und Bürgern auferlegt; da denke ich nur an die diversen Privatisierungsüberlegungen. Und Sie, Frau Ministerin, suchen Ihr Heil in Aufgabenverlagerungen, die ich aber lieber Entmachtung der Justiz nennen möchte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn künftig Notare für die Erteilung von Erbscheinen, für die amtliche Erbenermittlung oder für einvernehmliche Scheidungen zuständig sein sollen, dann nehmen Sie der Justiz Entscheidungskompetenzen weg. Sie schmieden leider auch auf Bundesebene eine unheilige Allianz mit den anderen Justizministerinnen und Justizministern, die unter demselben Kostendruck stehen. Ich sage Ihnen: Das wird Sie eher ins juristische Fegefeuer führen denn sich als heilbringend erweisen. Sie versündigen sich damit an dieser Justiz als unabhängiger Kraft in unserem Rechtsstaat. Sie sollten besser auf die hervorragenden Kompetenzen im eigenen Haus zu setzen. Ich denke hier an die engagierten Beschäftigten in unserer Justiz, an unsere Rechtspfleger und Rechtspflegerinnen oder auch an die Gerichtsvollzieher und Gerichtsvollzieherinnen. Diese alle miteinander können Ihre Überlegungen letztendlich nur als Affront begreifen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Viele Aufgaben und Kompetenzen, zum Beispiel bei den Gerichtsvollziehern und Gerichtsvollzieherinnen, verdienen mehr Aufmerksamkeit und mehr Unterstützung. Ich denke hier an die Abrechnungsmodi von Amtshandlungen, beispielsweise in der Gebührenordnung. Sie sind noch nicht vollständig zur Zufriedenheit der Gerichtsvollzieher und Gerichtsvollzieherinnen geregelt.

Ich denke hier auch an die Aufgabenverlagerung weg von den Richtern und Richterinnen und Staatsanwälten und Staatsanwältinnen hin zur Polizei. Hier würde ich mir eigentlich wünschen, dass sie mehr Unterstützung bekommen. Ich will – auch wenn Sie zur CSU gehören – eine

starke Justizministerin, weil ich eine starke Justiz will. Ich möchte nicht diese unzähligen Debatten weiter im Hohen Hause führen müssen über das Thema, dass der Polizei mehr Kompetenzen zugewiesen werden, anstatt tatsächlich auf die Rechtsbedingungen eines Rechtsstaates zu setzen und eine richterliche Kontrolle, eine Federführung bei der Staatsanwaltschaft beizubehalten.

Immerhin muss man Ihnen, Frau Ministerin, zugute halten, dass Sie zuletzt dem Finanzminister bei seinen Reformvorschlägen Paroli geboten haben. Sie haben aber auch – ich sage das jetzt etwas süffisant – einiges gutzumachen angesichts der Entscheidungen, die in der Vergangenheit gefallen sind. Der Vorschlag von Herrn Faltlhauser zur Präsenzpflicht von Richterinnen und Richtern mag zwar von Leuten, die nicht weiter als bis zur Stechuhr denken, positiv aufgenommen worden sein. Sie weisen jedoch zu Recht darauf hin, dass letztendlich zählt, in welchem Zeitraum die Pensen bewältigt und die Verfahren abgeschlossen werden, und nicht die körperliche Anwesenheit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei der Bewertung der Pensen sind die Zahlen gut; nicht zuletzt deshalb, weil bei vielen Richterinnen und Richtern und Staatsanwältinnen und Staatsanwälten Selbstausbeutung kein Zauberwort, kein Fremdwort ist und leider aber auch – ich hoffe, nur bei wenigen – die Zeitersparnis vor Sorgfalt geht.

Manche Petitionen im Rechtsausschuss und die Zahl der Verfahrenseinstellungen machen da schon sehr nachdenklich. Mein Kollege hat das schon angesprochen. Auch verdient die Ehrlichkeit des CSU-Kollegen ein Lob; Ihre Ausführungen im Protokoll zu lesen, war wunderbar; denn Sie beschreiben genau, was in der Justiz an Fehlern zu finden ist und wo die Mängel und Defizite liegen. Ich frage mich nur, warum Sie in dieser Partei sind.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Eigentlich ist es unsere Sache aufzuzeigen, dass eben die durchschnittliche Arbeitsbelastung bei 133 % liegt. Sie haben das wunderbar aufgelistet. Bayern hat hier ein überdurchschnittliches Maß bundesweit aufzuweisen.

Da muss ich schon sagen: Wenn Ihnen die Unabhängigkeit der Justiz, wie sie in der „Staatszeitung“ von Ihnen beschrieben wird, wirklich wichtig ist, dann müssen Sie sich auch für eine adäquate personelle Ausstattung einsetzen, und Sie müssen sich gegen die 42-Stunden-Woche aussprechen. Sie dürfen nicht vorrechnen, wie Sie es getan haben, Herr Müller, wie viele Stellen man damit wunderbarerweise einsparen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abgeordne- ten Dr. Helmut Müller (CSU))

Ja, Herr Müller, das ist selbstgewähltes Schicksal. Das kann man bei den Richterinnen und Richtern nicht so sehen.

(Professor Dr. Walter Eykmann (CSU): Das tragen wir mit Fassung!)

Das freut mich aber.

Und jetzt fangen wir an, aufzurechnen, ob die GRÜNEN vielleicht 150 % arbeiten, und dann sind wir wieder beieinander.

(Anhaltende Zurufe von der CSU)

Es freut mich, dass Sie, meine Damen und Herren auf den Hinterbänken, auch einmal etwas beizutragen haben.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin, das war nicht fair gegenüber einer Kollegin.

(Zurufe von der CSU)

Bisher ging die Debatte eigentlich relativ freundlich über die Bühne; weshalb jetzt einzelne Beiträge zu einer derartigen Aufregung führen, entzieht sich meiner Kenntnis.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Otmar Bernhard (CSU))

Herr Bernhard, haben Sie überhaupt etwas mitbekommen, nachdem Sie die ganze Zeit Zeitung lesen?

(Dr. Otmar Bernhard (CSU): Ich höre alles!)

Das ist schön. Aber lassen Sie mich zum Ende kommen, dann haben Sie alles überstanden und müssen sich nicht so echauffieren.

(Dr. Otmar Bernhard (CSU): Da sehen Sie ja, dass ich alles mitbekomme!)

Allerdings halten wir von den circa 490 von der SPD vorgeschlagenen neuen Stellen nicht sehr viel, wie es meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD tun. Sie haben es vorgerechnet. Wir müssen, wenn man knapp durchschnittlich 40 000 bis 50 000 Euro pro Stelle veranschlagt, mit ungefähr 20 Millionen Euro und weiteren Folgekosten rechnen. Das halten wir nicht für finanzierbar. Es ist auch nicht gegenfinanziert. Solche Forderungen aufzustellen, ist nicht unsere Art.

Natürlich müssen Sie sich trotzdem mittel- bis langfristig überlegen, wie Sie mit dem Ergebnis von Studien, beispielsweise der PEBB§Y-Studie, umgehen. Sie können diese Studie bei allen finanziellen Bedrängnissen nicht einfach negieren. Es ist ein ganz grober Fehler – ich habe ein gewisses Verständnis, wenn Sie versuchen, den Status quo zu halten -, wenn Sie gleichzeitig Personal abziehen oder den mittleren Dienst in der Justiz schwächen, indem Sie Personal abziehen, etwa für Vorhaben im Hochschulbereich. Das sollten wir nicht mittragen. – Wie viel ist Ihnen, Frau Ministerin, die Unabhängigkeit wirklich wert? Wir können nicht so recht glauben, dass sie Ihnen sehr viel wert ist; denn sonst hätten Sie das Bayerische Oberste Landesgericht nicht abgeschafft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie hätten da nicht zustimmen dürfen. Dass die Freundinnen und Freunde des Bayerischen Obersten Landesgerichts jetzt Klage eingereicht haben, freut uns; wir wünschen ihnen viel Erfolg.

In der heutigen Debatte hoffe ich, zumindest in einem Punkt – wenn es schon so viel Widerspruch bei relativ kleinen Dingen gibt – zu einer Einigung zu kommen. Die beste Kostenersparnis gelingt mit denjenigen Kosten, die erst gar nicht entstehen. Darin, glaube ich, sind wir uns einig, weil Sie auch von sich aus die Mittel für die Bewährungshilfe aufgestockt haben. Die Bewährungshilfe schützt nachweislich Menschen davor, wieder in den Kreislauf von Straffälligkeit und Bestrafung zu geraten. Zu diesem Punkt gehört auch die Haftvermeidung mit den entsprechenden Alternativen. Zu diesen Alternativen gab es in der letzten Legislaturperiode eine Reihe von Anträgen von uns. Es ist müßig, sie gebetsmühlenartig zu wiederholen. Jetzt hat die SPD zu diesen Alternativen einen Antrag dahin gehend eingereicht, eine eigene Haushaltsstelle einzurichten. Diesem Antrag werden wir zustimmen.

Zur Prävention und damit auch zur Kostenersparnis gehören natürlich auch die Bewährungs- und Strafentlassenenhilfe einschließlich der Vorbereitung für die Zeit nach dem Vollzug. Es gehören auch diejenigen Projekte in der Jugendarbeit dazu, die jetzt durch die vorgesehene zusätzliche Haushaltssperre bedroht sind, wenn sie auch nicht in diesem Haushalt enthalten ist, die aber dennoch Thema sein sollte in einer Debatte über die Prävention.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir halten die Zahlen bei der von Ihnen verstärkten Bewährungshilfe jedoch nicht für ausreichend, weil wir gerade eine intensive und verstärkte Begleitung von Jugendlichen haben wollen, zum Beispiel wenn es um die Suche einer Ausbildungs- oder Arbeitsstelle geht.

Der bayerische Strafvollzug wird dem Gedanken der Prävention und Resozialisierung schon lang nicht mehr gerecht. Deshalb muss es uns allen ein Anliegen sein, dass Jugendliche erst gar nicht in den Kreislauf geraten, der sie am Ende in überbelegten – die Zahlen sind genannt worden – und schlecht ausgestatteten Strafanstalten allein lässt. Es ist auch nicht tröstlich, dass wir von der letzten Stelle im bundesweiten Vergleich auf die vorletzte Stelle gerutscht sind, was den Betreuungsschlüssel von JVABeamten zu JVA-Insassen anbelangt.

(Margarete Bause (GRÜNE): Das ist Ehrgeiz!)

Ja, das ist Ehrgeiz. Danke.