Protokoll der Sitzung vom 04.03.2005

Frau Staatsministerin.

Herr Abgeordneter, ich halte diese Weisungen für geeignet. Ich halte aber die Rechtslage nicht für geeignet, weil einige dieser Weisungen im Strafgesetzbuch nicht strafbewehrt sind und damit ihre Durchsetzung für uns nicht möglich war. Insofern stellt eine Therapieweisung einen zahnlosen Tiger dar, wenn es nicht möglich ist, den Probanden dazu zu verpfl ichten.

Es gibt keine weitere Zusatzfrage. Die Frage von Frau Kollegin Narnhammer übernimmt Herr Abgeordneter Schindler. Bitte schön.

Frau Staatsministerin, was hat die Führungsaufsichtsstelle unternommen, nachdem bekannt worden ist, dass Martin P. Aufl agen nicht eingehalten und Kontakt zu Kindern aufgenommen hat, und welche Stellen sind hiervon verständigt worden?

Frau Staatsministerin.

Frau Präsidentin, Hohes Haus, sehr geehrter Herr Abgeordneter! Die Arbeit der Führungsaufsichtsstelle kann nicht isoliert betrachtet werden; denn die Führungsaufsichtsstelle überwacht mit Unterstützung des Bewährungshelfers das Verhalten des Verurteilten. Wir haben die Bewährungshilfe einzubeziehen.

Im Einzelnen ist nach Bekanntwerden der Kontaktaufnahme zu Kindern folgendes unternommen worden:

Als der Verurteilte am 23. August 2004 im BodelschwinghHaus mit einem kleinen Jungen gesehen worden war, wurde die Bewährungshelferin am 24. August 2004 hierüber informiert. Bei dem am 25. August 2004 kurzfristig angesetzten Termin wurde der Verurteilte mit diesem Vorfall konfrontiert. Hierbei ergaben sich auch Hinweise auf die Familie des Kindes.

Die Bewährungshelferin wies Herrn P. mit Nachdruck auf die im Führungsaufsichtsbeschluss enthaltene Weisung, keine Aufsichten von Minderjährigen zu übernehmen, hin und forderte ihn auf, in Zukunft derartige Kontakte zu unterlassen.

Um eine Einschätzung der Sachlage von jemandem zu bekommen, der den Verurteilten besser kennt, rief die Bewährungshelferin den Leiter des sozialtherapeutischen Dienstes der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim an, welchem auch die Familie des Opfers persönlich bekannt war. Dieser setzte einen früheren Therapeuten des Verurteilten in der Justizvollzugsanstalt hiervon in Kenntnis. Am 27. August 2004 führte der Therapeut mit dem Verurteilten ein Gespräch in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim. Anschließend wurde die Bewährungshelferin informiert, dass auch der Psychologe den Verurteilten aufgefordert habe, sich in Zukunft nicht mehr alleine mit den Kindern seines Bekannten aufzuhalten.

Mit Bericht vom 30. August 2004 setzte die Bewährungshelferin die Führungsaufsichtsstelle bei dem Landgericht München I über die Entwicklung in Kenntnis.

Am 17. September 2004 wies die Bewährungshelferin den Verurteilten in einem persönlichen Gespräch nochmals eindringlich auf die Weisungen hin, insbesondere auf die Verbote betreffend den Umgang mit Kindern.

Am 19. Oktober 2004 wurde die Bewährungshelferin von einer Therapeutin der Justizvollzugsanstalt MünchenStadelheim darüber informiert,

(Allgemeine Unruhe – Glocke der Präsidentin)

dass der Verurteilte in einem Einkaufszentrum mit zwei Kindern gesehen worden sei. Hiervon setzte sie die Führungsaufsichtsstelle am 20. Oktober 2004 in Kenntnis. Die Aufsichtsstelle beraumte sofort einen Anhörungstermin für den 28. Oktober 2004 an. In einem telefonischen Gespräch mit der Bewährungshelferin am 21. Oktober 2004 stritt der Verurteilte den Vorfall im Einkaufszentrum ab.

Am 22. Oktober 2004 setzte sich die Bewährungshelferin wieder mit dem früheren Therapeuten in Verbindung. Sie erfuhr dabei Näheres über die Situation der Familie, insbesondere in Bezug auf die Notwendigkeit, die Mutter des Kindes über die kriminelle Vorgeschichte des Verurteilten zu informieren, weil der Vater, der ihn gut kannte, darüber nichts in der Familie berichtet hatte.

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2004 teilte die Führungsaufsichtsstelle der Mutter der Kinder mit, dass der Verurteilte unter Führungsaufsicht stehe und ihm die Weisung erteilt worden sei, keine Aufsicht von Minderjährigen zu übernehmen. Der Mutter wurde noch einmal dringend angeraten, künftig ihre Kinder nicht mehr dem Verurteilten zur Beaufsichtigung zu übergeben.

Im Rahmen des Anhörungstermins bei der Führungsaufsicht am 28. Oktober 2004 räumte der Verurteilte den Vorfall mit den Kindern im Einkaufszentrum ein und berichtete,

(Allgemeine Unruhe – Glocke der Präsidentin)

dass er von sich aus der Mutter mitgeteilt habe, dass es ihm die Weisung aus dem Führungsaufsichtsbeschluss verbiete, die Beaufsichtigung von Kindern zu übernehmen. Der Leiter der Führungsaufsichtsstelle wies den Verurteilten darauf hin, dass er heute einen entsprechenden Brief an die Mutter der Kinder gesandt habe. Dem Verurteilten wurde noch einmal eindringlich klar gemacht, dass er sich an die Weisungen zu halten habe.

Aufgrund von Zustellungsproblemen konnte das Schreiben der Führungsaufsichtsstelle der Mutter der Kinder erst am 16. November 2004 durch Polizeibeamte der Polizeiinspektion Perlach ausgehändigt werden.

Zu einem Gesprächstermin am 10. Januar 2005 erschien der Verurteilte mit der Mutter der Kinder, welche bestätigte, sie werde in Zukunft darauf achten, dass der Verurteilte die Kinder nicht mehr alleine beaufsichtigen wird.

Mit Schreiben vom 26. Januar 2005 wies der Vorgesetze der Bewährungshelferin das Jugendamt auf die Gefahrenlage hin. Das Schreiben hat unter anderem folgenden Wortlaut:

Von meiner Kollegin wird ein 28-jähriger Mann betreut, der wegen Mord an einem Buben, mit sexuellem Hintergrund, eine langjährige Haftstrafe verbüßte. Sein Name ist Martin P. Herr P. hat unter anderem die gerichtliche Weisung, „keine Aufsichten von Minderjährigen zu übernehmen“. Er hält sich jedoch nachweislich bei der oben angegebenen Familie auf und steht auch in Kontakt zu den Kindern, gibt jedoch an, nie alleine mit den Kindern zu sein. Frau A. wurde von der Führungsaufsichtsstelle bereits über diese Angelegenheit informiert. Da Frau A. auch nach diesem Schreiben keine Verhaltensänderung zeigt und auch offensichtlich die möglichen Folgen nicht sieht, sehen wir uns gezwungen, das Jugendamt auf die schwierige Situation der Familie aufmerksam zu machen.

Ein Mitarbeiter des allgemeinen Sozialdienstes – –

(Allgemeine Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Frau Staatsministerin, bitte warten Sie einen Augenblick.

Ich bitte um Ruhe. Vielen Dank. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Ich bin gleich am Ende angelangt. Aber es ist wichtig zu zeigen, was genau stattgefunden hat.

Ein Mitarbeiter des allgemeinen Sozialdienstes rief daraufhin am 1. Februar 2005 die Bewährungshelferin zurück und teilte mit, dass er das Schreiben erhalten habe. Die zuständige Sachbearbeiterin sei gegenwärtig jedoch erkrankt. Wenige Tage später kam es dann nochmals zu einem Telefonat zwischen dem Vorgesetzten der Bewährungshelferin und der Fachberaterin des Jugendamtes, in

welchem diese über die konkreten Umstände informiert wurde. Im Umfeld des Kindes – Schule, Bekannte etc. – wurde recherchiert und überprüft, ob es konkrete Anhaltspunkte gibt, die zu einem Eingreifen hätten Veranlassung geben müssen.

Sie sehen, Herr Abgeordneter, dass sowohl von der Führungsaufsicht als auch von der Bewährungshilfe eine intensive Betreuung stattgefunden hat und im Rahmen des Möglichen alles getan worden ist.

Ich sehe keine Zusatzfrage. – Doch. Bitte, Herr Kollege Ritter.

Frau Präsidentin, ich habe eine Nachfrage. Hat die Polizei nach Bekanntwerden von Weisungsverstößen durch Martin P. Kontrollbesuche durchgeführt, und wenn nein, warum nicht?

Frau Staatsministerin.

Die Polizei hat keine Kontrollbesuche durchgeführt, weil für sie keine Möglichkeit bestand, in irgendeiner Weise einzugreifen. Es gab keine Veranlassung, die Polizei dazu aufzufordern, weil es gar keine Handlungsmöglichkeiten gab.

Weitere Zusatzfragen? – Herr Kollege Schindler.

Frau Staatsministerin, ist Ihnen bekannt, dass die Polizei bei Personen, die man z. B. in Verdacht hat, beim Besuch wichtiger Fußballspiele zu randalieren, sehr häufi g Kontaktbesuche unternimmt, um ihnen zu zeigen, dass man sie beobachtet ? Warum hat man das in diesem Fall nicht gemacht?

Frau Staatsministerin.

Man hat das deshalb nicht gemacht, weil der Proband sehr wohl wusste, dass er unter ständiger Beobachtung stand. Schließlich war er im ständigen Kontakt mit der Führungsaufsicht bzw. mit der Bewährungshilfe und dem Jugendamt gestanden.

Letzte Zusatzfrage: Herr Kollege Schindler.

Frau Staatsministerin, meinen Sie nicht auch, dass es auf den Betroffenen einen anderen Eindruck gemacht hätte, wenn einmal am Tag die Polizei statt der Bewährungshelferin bei ihm vorstellig geworden wäre?

Frau Staatsministerin, bitte.

Ich kann keine Aussage dazu machen, was welchen Eindruck auf den Probanden gemacht hätte. Ich kann nur sagen, dass dieser Proband in der ganzen Zeit unter der Führung bzw. in Kontakt mit seinen Therapeuten war, die ihm gegenüber sehr deutlich waren. Dadurch, dass die Führungsaufsicht schließlich eine gerichtliche Stelle darstellt, hat er die Ernsthaftigkeit der Situation sehr wohl gesehen. Eines muss man immer wieder sagen: Sowohl das Gericht als auch die Polizei haben keinerlei Einfl ussmöglichkeit gehabt, solange kein konkreter Hinweis auf eine bevorstehende Tat gegeben war. Das ist das große Problem, mit dem wir uns auseinander setzen müssen. Wir hätten in diesem Fall gern stärkere Druckmittel gehabt, um dem Probanden deutlich zu machen, in welcher Situation er sich befi ndet. Deshalb liegen auch die Anträge vor, Herr Schindler. Es besteht eine gewisse Hilfl osigkeit, wenn das Instrumentarium nicht ausreicht, wie in einem solchen Fall. Das sage ich ohne jegliche Polemik.

Mit einem Dank an Sie, Frau Staatsministerin Dr. Merk, beende ich die Fragestunde.

Kolleginnen und Kollegen, ich rufe die Tagesordnungspunkte 14, 15, 16, 17 und 18 auf:

Ich wünsche allen einen guten Morgen. Sind mittlerweile alle eingetroffen? Die Aussprache zu den aufgerufenen Anträgen hat bereits gestern stattgefunden. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Tagesordnungspunkte wieder getrennt. Ich bitte um etwas Ruhe und darum, die Plätze einzunehmen. Bevor wir über die beiden Anträge auf den Drucksachen 15/1733 und 15/2108 in der beantragten namentlichen Form abstimmen, stelle ich die Anträge auf den Drucksachen 15/1722, 15/2424 und 15/ 2426 in einfacher Form zur Abstimmung.

Zum Tagesordnungspunkt 15: Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abschaffung der Amtsgerichtszweigstellen, Wirtschaftlichkeitsgutachten (Drucksache 15/1722)

Der Dringlichkeitsantrag wurde vom federführenden Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen auf Drucksache 15/2705 zur Ablehnung empfohlen. Im mitberatenden Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen wurde der Antrag dagegen für erledigt erklärt. Besteht damit Einverständnis?

(Zuruf von den GRÜNEN: Nein!)

Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über den Dringlichkeitsantrag abstimmen. Wer entgegen dem Votum des federführenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen dem Dringlichkeitsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – Die CSU-Fraktion. Wer enthält sich der Stimme? – Bei 3 Stimmenthaltungen aus der CSU-Fraktion ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.