Protokoll der Sitzung vom 04.03.2005

absurd, dass Sie die kommunalen Spitzenverbände untereinander die Reformmöglichkeiten klären lassen wollen. Darüber hat der Gemeindetag geklagt. Eine Reform der Bezirke ist überfällig, sowohl der Bezirksregierungen als auch der Bezirkstage. Diese Reform muss die Staatsregierung vorlegen. Den Bezirksregierungen und den Bezirkstagen fehlen Demokratie, Transparenz und Legitimation. Herr Minister Huber, mit der Aufgabe einer Bezirksreform fühlen Sie sich aber offensichtlich überfordert. Sie schaffen es nicht einmal, die Schulverwaltung zu reformieren. Das hat nichts mehr mit dem zu tun, was der Ministerpräsident in der Regierungserklärung angekündigt hat. Werden Sie doch einmal präzise!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Ministerpräsident hat wortwörtlich gesagt: „Verschlanken und ebenfalls auf drei Stufen reduzieren werden wir die Schulverwaltung.“ Was ist bis heute passiert? – Nichts. Und zwar nicht nur, weil Herr Minister Dr. Beckstein Angst hatte, dass dann sichtbar würde, wie wenig Aufgaben und Legitimation die Bezirksregierungen noch haben. Das geht tiefer. Das liegt daran, dass Sie – die Staatsregierung und die CSU – Angst vor Machtverlust und Kontrollverlust haben. Herr Minister Huber, Sie und der Ministerpräsident beklagen zwar ununterbrochen die Regelungsdichte, Sie wollen aber überhaupt nichts aus der Hand geben. Im Gegenteil: Noch nie wurde so zentralisiert und bis in kleinste Details hineinregiert wie unter Ministerpräsident Stoiber und seinem Adlatus Huber.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese zentralistischen Allmachtsansprüche haben mit moderner Verwaltungsorganisation nichts gemein. Eine moderne Verwaltungsorganisation verlagert Verantwortung nach unten. Sie vereinbart Zielvorgaben, budgetiert und kontrolliert die Ergebnisse und nicht die Details, wie Sie das tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie könnten wenigstens einmal bei den Schulen und den Hochschulen anfangen. Entlassen Sie die Schulen und Hochschulen endlich in die Selbstständigkeit! Die Schulen und Hochschulen können damit umgehen. Bei Ihnen hapert es.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine demokratische Schul- und Hochschulreform könnte für die gesamte Staatsverwaltung zum Vorbild werden. Hier könnten Sie etwas lernen auf dem Weg zu mehr Demokratie, Eigenverantwortung, verbesserter Kostenkontrolle und Effi zienz. Eine demokratische Verwaltungsstruktur ist am kostengünstigsten. Wenn Entscheidungen dort verantwortet und bezahlt werden müssen, wo sie gefällt werden, senkt das immer die Kosten. Überalterte bürokratische Verwaltungsstrukturen wie die, die Sie geschaffen haben, sind nicht nur teuer, sondern verärgern die Bürgerinnen und Bürger. Sie behindern Investitionen und nicht zuletzt die Staatsbediensteten selbst. Statt Bürokratie abzubauen, haben Sie sie in den letzten Monaten ver

mehrt. Das unrühmlichste aller unrühmlichen Beispiele dafür ist das Büchergeld.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Büchergeld ist nicht nur eine Familiensteuer und erschwert den in Bayern ohnehin schweren Zugang zu Bildung für kinderreiche Familien. Es ist auch ein bürokratisches Monster ohnegleichen, das Sie auf die Kommunen loslassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie rechnen selbst mit einem Verwaltungsaufwand von, ich zitiere, „118 900 Stunden zusätzlicher Verwaltungsarbeit bzw. mit 4,2 Millionen Euro Verwaltungskosten. Insgesamt werden 1450 kommunale Verwaltungsstellen mit dem Vollzug befasst“. Da freuen sich die Kommunen. Sie haben jede Menge Ärger, jede Menge Aufwand, jede Menge Arbeit und nur die wenigsten werden fi nanziell besser gestellt. Dafür werden die Eltern bestraft, wenn sie Kinder in die Welt setzen und an bayerische Schulen schicken wollen. Das ist Ihr aktueller Beitrag zum Bürokratieabbau.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist kein Einzelfall. Herr Minister Huber, Sie haben vorhin stolz auf die Unternehmenssoftware „Elster“ hingewiesen. Die trägt ihren Namen zu Recht. Erstens funktioniert sie nicht sicher und zweitens wollen Sie den Unternehmen vorschreiben, dass sie bei Bill Gates einkaufen müssen. Ist das unternehmerische Freiheit, wenn eine Firma protegiert wird?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Huber, Sie haben am 8. Juli letzten Jahres erklärt: „Wir sind deshalb lernfähig nach dem Motto: Soviel Freiheit wie möglich, soviel Staat wie nötig“. Das hört man von Ihnen selten. Das habe ich gestern zum Beispiel nicht gehört. Immer, wenn wir Freiheitsrechte verteidigen wollen, höre ich das von Ihnen nie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Leider steht das nur auf dem Papier. Zu einer demokratischen Modernisierung fehlt Ihnen der Wille, Macht und Verantwortung zu dezentralisieren und vor Ort zu verlagern. Ihnen fehlt es an Vertrauen.

Der Ministerpräsident hat in der Regierungserklärung von 2003 Mut zum Entscheidungsfreiraum gefordert. Aber Sie haben den Mut nicht. Sie haben ihn weder bei den Zielen der Reform noch bei der Umsetzung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihr gesamtes Regierungshandeln ist von einem starken Geist des Misstrauens bestimmt, der nimmermüde nach Kontrolle und Kontrolle der Kontrolle ruft. Sie trauen den Menschen nichts zu. Mit Ihrem bürokratischen Zentralismus – der letzte, den es in Europa noch gibt – schränken Sie die politischen Entscheidungsfreiräume in Bayern immer weiter ein. Genau diese Entscheidungsfreiräume

brauchen die Menschen in Bayern, um ihr Leben nach eigenem Ermessen zu gestalten und um erfolgreich wirtschaften zu können. Deswegen braucht Bayern eine demokratische Verwaltungsreform. Bayern braucht mehr Demokratie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Kollege Dupper.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Herr Staatsminister, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Sackmann, Du hast heute bei dem Vergleich mit Thüringen die Schwelle sehr niedrig gelegt. Normalerweise sind wir sehr viel ambitioniertere Vergleiche gewöhnt. Wir können das Spiel gerne weiter machen. Wir vergleichen uns vielleicht mit Sachsen. Der Freistaat Sachsen verfügt über 770 Gesetze und Verordnungen, während Bayern über 1539 verfügt. Das ist genau das Doppelte. Wenn man schon vergleicht, sollte man die Benchmark etwas höher legen. Immer wieder – auch heute bei den Ausführungen des Herrn Staatsministers –: der große Wurf gen Berlin. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Uns wäre das Kleingeld hier in Bayern genauso lieb.

Angesichts der mir zur Verfügung stehenden Redezeit von sechs Minuten möchte ich auf Zitate von Herrn Schaidinger verzichten. Natürlich schätzen wir den OB Ude und ich weiß, Sie sind neidisch, dass wir einen so profi lierten Kommunalpolitiker in unseren Reihen haben. Wir benutzen aber auch gerne den Sachverstand von CSU-Kommunalpolitikern. Der OB von Regensburg liefert uns zurzeit eine Steilvorlage nach der anderen. Angesichts der mir zu Verfügung stehenden Zeit muss ich jedoch auf Einzelheiten verzichten.

Als vor einigen Jahren das Thema Entbürokratisierung, Deregulierung und Verwaltungsreform wieder einmal fröhliche Urständ feierte – zumindest in den Pressemitteilungen der Staatsregierung –, wurde auch eine gewisse Hoffnung geweckt. In der Tat hatten auch die Kommunalpolitiker und die Menschen vor Ort Hoffnung, dass einmal Ernst gemacht und mit dem Wust aufgeräumt wird. Aber es wurde – auch im Beitrag von Kollegen Sackmann – vorhin deutlich: Eine Verwaltungsreform, die sich als Kostenreduktionsprogramm begreift, ist von vornherein gescheitert. Kostenreduktion kann ein angenehmer Nebeneffekt einer Verwaltungsreform sein – um nicht falsch verstanden zu werden –, aber bei einer Verwaltungsreform stehen an erster Stelle der verbesserte Service und die effi zientere Dienstleistung. Wenn die Kostenreduktion im Mittelpunkt steht, dann enden wir dort, wo wir geendet sind, nämlich beim Geschachere um Straßenbauämter, Diskussionen um Zweigstellen und Resolutionen des CSU-Ortsverbandes Kemnath.

Daran ändern auch die wohlfeilen Beiträge auf der Homepage der Staatskanzlei wie „Process Redesign“ – oder wie das alles heißt – nichts. Man muss den steinigen Weg einer dynamischen Modernisierung beschreiten und nicht nur Ämter zusperren und Stellen streichen.

(Beifall bei der SPD)

Nachdem Sie vorhin Vorschläge von uns vermisst haben, mache ich einmal ganz deutlich, was auch schon bei meiner Vorrednerin angeklungen ist. „One Stop Agency“ – auch etwas von der Homepage der Staatskanzlei –: Lassen Sie doch die Kommunen vom Gängelband. Dutzende von Beispielen kann ich Ihnen nennen. Eines bringe ich Ihnen aus einer Stadt, in der ich mich besonders gut auskenne: Wenn ein Bauamt eine Vergabe durchführt, dann ist derjenige, der den Auftrag nicht erhält, nicht unbedingt mit der Entscheidung einverstanden. Dann ist es sein gutes Recht, sich zu beschweren. Das Bauamt prüft dann erneut, dann prüft die Vergabestelle der Regierung und dann die Oberste. Gott sei Dank war der Stadtrat so klug und hat vor den Prüfungen den Auftrag schon vergeben und die Baumaßnahme begonnen. Sonst würde man immer noch prüfen. Das ist Wirtschaftsförderung à la Bayern, wo notwendige Auftragsvergaben durch diesen Wust blockiert werden.

In diesem Zusammenhang die Feuerwehrrichtlinie als Entbürokratisierung anzukündigen ist schon dreist. Das ist ein Sparpaket und sonst gar nichts. Es ist keine Entbürokratisierung.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann nur sagen: Guten Morgen, CSU-Fraktion! Endlich gibt es Anträge zum neuen Steuerungsmodell. Seit 15 Jahren sind innovative Kommunen – auch in Bayern – dabei, Instrumente des neuen Steuerungsmodells umzusetzen und auszuprobieren – auch gegen den Widerstand der Staatsregierung. Jetzt gibt es endlich auch Anträge der CSU-Fraktion.

(Christa Naaß (SPD): Prüfanträge!)

Es ist gut, dass das Thema bei Ihnen angekommen ist. Jetzt hoffen wir auf eine Umsetzung. KLR, Controlling und Budgetierung – all das, was Kollege Dürr zu Recht angesprochen hat, damit die Kommunen den Spielraum erhalten. Die Kommunen brauchen Spielraum und da helfen Anträge im Landtag nicht. Die Kommunen brauchen auch – das ist ein eigenes Thema – ein modernisiertes FAG.

Zweiter Vorschlag in Bezug auf die Kommunen: die Schulen und die Hochschulen. Das sind zentrale Politikfelder. Dort spielt die Zukunftsmusik und dort werden Freiräume benötigt. Lassen Sie die Schulleiter vom Gängelband und stiften Sie sie nicht an, das Briefgeheimnis zu brechen. Geben Sie ihnen den Freiraum im alltäglichen bildungspolitischen Geschehen genauso wie den Hochschulen.

(Beifall bei der SPD)

Gehen Sie mit gutem Beispiel voran. Der ORH hat es Ihnen in das Stammbuch geschrieben. Von den 189 Stellen, die Sie tatsächlich eingespart haben – 450 hätten es sein sollen –, waren allesamt im Schreib- und Sekretariatsdienst, bei den Registraturen und bei anderen Führungspositionen.

(Dr. Otmar Bernhard (CSU): Stimmt doch überhaupt nicht!)

Dann muss ich doch wirklich sagen, wer Wasser predigt, der kann nicht Wein trinken. Es muss mit gutem Beispiel vorangegangen werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich lade Sie ein – wir haben eine Reihe von sehr guten Vorschlägen gemacht – anstatt den Umweg und den bequemen Weg des Stänkerns gegen Berlin zu gehen: Beackern Sie mit uns das weite und reichhaltige bayerische Feld.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Paulig.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon beeindruckend, Herr Staatsminister Huber, welche Gefolgschaft Sie in Ihrer CSU-Fraktion haben. Sie stehen wirklich Mann für Mann und Frau für Frau hinter Ihrem Konzept zur Verwaltungsreform. Die Präsenz zeigt es überzeugend. Ich bin beeindruckt.

(Dr. Otmar Bernhard (CSU): Beeindruckender Beifall!)

Diese Regierungserklärung hat es in sich. Wenn keine namentliche Abstimmung droht, sind Sie alle weg. Das ist beeindruckend.

Lassen Sie mich kurz zu einem der größten Fehlgriffe neben der Forstreform sprechen: zur Verwaltungsreform bei den Umweltbehörden. Einen größeren Unsinn kann man sich nicht vorstellen. Wir GRÜNEN sagen Ja zur Zusammenlegung der Landesumweltbehörden auf zwei Landesämter. Es gibt Synergieeffekte und einen Kompetenzaustausch. Aber Sie legen zunächst zusammen und zerschlagen es im nächsten Schritt wieder. Wir sagen Nein zu dieser Zerschlagung.

(Beifall bei den GRÜNEN)