Protokoll der Sitzung vom 05.04.2005

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Kaiser.

(Unruhe)

Die Sitzung ist noch nicht geschlossen. Die Staatsregierung hat sich auch noch zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Pschierer, Sie haben gerade ausgeführt, uns fehlten Mut, Ideen und Visionen. Das haben wir bei Ihnen vermisst. Außer Kritik, Madigmachen und Herunterreden haben Sie nichts anderes gesagt. Alle Sprecher der CSU haben an diesem Rednerpult nur Kritik geübt und unseren Standort schlecht geredet. Sie haben in Schwarz gemalt. Wo sind denn Ihre Visionen für unser Land? Fehlanzeige! Sie zeigen immer nur auf uns, meine Damen und Herren.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Kündigungs schutz!)

Ich finde es interessant, dass die Staatsregierung erst zum Abschluss der Debatte spricht. Wir haben heute wieder festgestellt, dass die CSU ihre alte Strategie, die sie schon seit über 30 Jahren fährt, wiederholt. Wenn sie in der Opposition ist, redet sie alles schlecht. Der Karren muss aus ihrer Sicht noch tiefer in den Dreck fahren, damit Sie dann die Wahlen gewinnen und die Macht erlangen können.

Die heutige Diskussion war keine Standortdiskussion und keine wirtschaftspolitische Diskussion. Sie war keine Arbeitsmarktdiskussion, sondern es ging Ihnen nur darum, weitere Mosaiksteine zu setzen, alles schlecht zu reden und die Macht in Berlin zu erreichen.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Es ging nicht um Menschen, sondern nur um Macht!)

Ich nenne nur einige wenige Beispiele. Graf von und zu Lerchenfeld sagte, wir seien Exportweltmeister bei den Arbeitsplätzen. Wir sind Exportweltmeister bei Waren und bei Dienstleistungen in unserem Land.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Trotz Kündigungsschutzes!)

Herr Kollege Pschierer, Sie hätten darüber reden sollen, dass Bayerns Industrie im Jahr 2004 den Export um 12,8 % gesteigert hat. 12,8 % Exportsteigerung hatten wir in einem Jahr. Sie reden aber vom Exportweltmeister

bei den Arbeitsplätzen. Wir haben einen hervorragenden Standort.

(Franz Josef Pschierer (CSU): In Bayern ja!)

Sie widersprechen sich in einem Satz. Sie sagen, wir würden nur für die Großen eine Steuerpolitik machen. Sie kritisieren das. Im nächsten Halbsatz sagen Sie, die Steuersätze für die Aktiengesellschaften usw. seien im internationalen Vergleich viel zu hoch. Was stimmt denn jetzt eigentlich? Sie vergaloppieren sich in Ihrer Kritik. Nehmen Sie bitte einmal zur Kenntnis, dass wir in der Einkommensteuer einen Spitzensteuersatz von 53 % hatten, als wir 1998 die Regierung übernommen haben. Heute haben wir einen von 42 %. Das müssen Sie bitte zur Kenntnis nehmen. Der Mittelständler, der Einkommensteuer bezahlt, weil er keine Kapitalgesellschaft hat, kann von den 42 % Einkommensteuer noch die Gewerbesteuer abziehen. Vorher kam die zu den 53 % noch hinzu. Das müssen Sie doch bitte zur Kenntnis nehmen. Reden Sie unseren Standort doch nicht ständig herunter.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben die Presse zitiert. Ich kann mich auch auf die Presse berufen. Lesen Sie eigentlich gar nicht die Zeitung? Nehmen Sie das gar nicht zur Kenntnis? Ich habe ganz willkürlich ein paar Presseartikel aus meinem Archiv herausgezogen. In der „Süddeutschen Zeitung“ vom 26. Juni 2004 steht ein Interview mit Thomas Limberger, dem Deutschlandchef von General Electric.

„Deutschland ist besser als sein Ruf.“ Das ist ein wörtliches Zitat des Statthalters von General Electric über einen geschmähten Standort, den Jobexport und Patriotismus in der Wirtschaft.

Dann haben Sie einfach eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft herausgegriffen. Ich habe hier eine ausländische Studie, nämlich von World Economic Forum im „Handelsblatt“, das kein Organ ist, das uns nahe steht. Darin heißt es: „Deutschland ist einer der besten Standorte der Welt.“ Dem World Economic Forum zufolge ist Deutschland eines der zehn Länder mit der weltweit höchsten Wettbewerbsfähigkeit. Nehmen Sie das bitte einmal zur Kenntnis.

„DIE WELT“ vom 23. Februar 2005 schreibt:

Deutschland lockt. Vor allem US-Investoren entdecken den Standort wieder wegen der Reformen und Renditechancen.

Was wollen Sie eigentlich mehr?

Für die Manager der weltgrößten Kapitalbeteiligungsgesellschaften ist Deutschland ungeachtet der Negativschlagzeilen über steigende Arbeitslosenzahlen und hohe Steuern am Standort, an dem sich in den vergangenen Jahren höhere Renditen erzielen ließen als in den Vereinigten Staaten … Selbst bei der Produktivität hat Deutschland im Vergleich zu Amerika aufgeholt.

Am 17. März 2005 schreibt der „Münchner Merkur“:

Der unterschätzte Standort

Firmen aus aller Welt setzen auf Deutschland. Vorteile werden hierzulande unter den Teppich gekehrt.

Jawohl, Sie kehren die Vorteile unseres Standortes unter den Teppich, Sie reden den Standort schlecht.

(Zustimmung bei der SPD)

Im Ausland wird unser Standort weitaus besser gesehen als im Inland. Warum? – Weil Sie die Schwierigkeiten herbeireden.

Natürlich haben wir auch Schwierigkeiten; das will ich gar nicht bestreiten. 5,2 Millionen Arbeitslose mit den Sozialhilfeempfängern, die wir in den Arbeitsmarkt überhaupt erst einmal hineingeholt haben, sind eine bedrückende Zahl. Ich wundere mich aber über eines, Herr Kollege Pschierer und die anderen Redner der CSU: Sie haben in all Ihren Ausführungen kein einziges Wort über die Ursachen dieser Schwierigkeiten verloren, kein Wort darüber, worauf sie zurückzuführen sind.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Richtig!)

Sie sind nämlich auf die Wiedervereinigung unseres Landes und die falsche Finanzierung, die Sie durchgeführt haben, zurückzuführen, und auch auf unsere Lasten in Europa.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren von der CSU, Sie sprechen davon, dass wir in Europa das Schlusslicht wären. Dann sagen Sie bitte auch, wer Maggie Thatcher erlaubt hat, sich jedes Jahr 5 Milliarden Euro Zuschuss an Europa zu sparen. Helmut Kohl und Theo Waigel haben zugestimmt, als sie gerufen hat: „I want my money back“. Jetzt holen uns die Sünden der verfehlten Politik von Schwarz-Gelb während 16 Jahren ein. Nicht Rot-Grün ist dafür verantwortlich, sondern wir tun unser Bestes, um aus dieser Situation herauszukommen. Wir wollen unseren Standort gut reden, ihn positiv darstellen und die Menschen dazu animieren, zu konsumieren, und die Unternehmer dazu, zu investieren. Nur gemeinsam können wir es schaffen, die Arbeitslosigkeit zu drücken. Das gelingt nicht mit Aktuellen Stunden wie jener von heute Nachmittag, in der alles schlecht geredet wird.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Nun darf ich Frau Staatsministerin Stewens für die Staatsregierung das Wort erteilen. Bitte, Frau Staatsministerin.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich mache es jetzt wirklich kurz. Herr Kollege Kaiser, Ihre ganzen

Bemühungen, auch Ihre Versuche, den Standort gut zu reden, nützen offensichtlich überhaupt nichts.

(Zuruf der Abgeordneten Heidi Lück (SPD))

Schönreden bringt uns bei dieser hohen Arbeitslosigkeit überhaupt nicht weiter. Wir haben in der Bundesrepublik die höchste Arbeitslosigkeit seit Kriegsende. Ich gebe zu – das ist gar keine Frage –, dass dazu auch die Altlasten des Kommunismus, die Globalisierung und der internationale Wettbewerb beitragen. Wir haben aber in Deutschland die höchsten Lohnnebenkosten der Welt.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heinz Kaiser (SPD))

Wir brauchen also dringend Reformen der sozialen Sicherungssysteme. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Wir reden unseren Standort mit Sicherheit nicht kaputt.

(Zurufe von der SPD: Doch!)

Wir machen hier eine sehr gute Investitionspolitik, eine gute Bildungspolitik, eine gute Wissenschafts- und Wirtschaftspolitik, auch eine ausgesprochen gute Haushaltspolitik.

(Zahlreiche Zurufe von der SPD – Unruhe)

Unter den Bundesländern hat Bayern im Jahr 2004 mit 2,3 % das höchste Wirtschaftswachstum, während es in Deutschland 1,6 % betrug. Wir haben nun einmal zusammen mit Baden-Württemberg die niedrigsten Arbeitslosenquoten in Deutschland, weil wir in Bayern eine gute Politik, auch eine gute Investitions-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik machen. Auch darauf möchte ich hinweisen.

(Zuruf der Abgeordneten Heidi Lück (SPD))

Sie müssen schlicht und einfach sehen, dass die Bundesregierung auch für die Situation auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland in der Verantwortung steht. Zu den 5 176 000 arbeitslosen Menschen müssen wir noch die 2 Millionen hinzurechnen, die sich nicht arbeitslos melden; Sie kennen das, das ist die stille Reserve.

(Dr. Heinz Kaiser (SPD): Die gab es vorher auch schon!)

Die gab es sicher vorher auch schon, aber die Zahl war nicht so groß. Die Zahlen wachsen ständig an, Herr Kollege Kaiser, und das ist der ganz große Unterschied.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heinz Kaiser (SPD))

Diesen Zahlen stehen die Versprechungen der Bundesregierung gegenüber. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Bundeskanzler Schröder und Peter Hartz vor zweieinhalb Jahren im Französischen Dom das HartzKonzept vorgestellt haben. Da wurde gesagt: In drei Jahren wird die Zahl der Arbeitslosen um zwei Millionen reduziert sein. Die drei Jahre sind im August dieses Jahres vorbei. Pustekuchen! Die Arbeitslosenzahlen steigen, steigen und steigen. Lediglich in Bayern haben wir eine Zu