Leider, Herr Schneider, ist dies das Problem, das Sie haben und bei dem Sie offenkundig – wenn ich Ihre Intervention jetzt richtig verstehe – nicht mit der Unterstützung der CSU-Fraktion rechnen können. Wer sagt: Bildung hat Vorrang –
der muss auch dafür kämpfen, dass Bildung tatsächlich den Vorrang bekommt vor äußerst fragwürdigen fi nanzpolitischen Dogmen.
Davon, Herr Schneider, hängt letztlich Ihr Erfolg oder Misserfolg ab, davon, dass Sie den Mut aufbringen, sich gegen die Politik des Ministerpräsidenten durchzusetzen. Entweder Sie kämpfen, oder wir können das Kultusministerium gleich aufl ösen und es zu einer Abteilung in der Staatskanzlei machen,
Ich wünsche Ihnen und unseren Schulen, dass Sie diesen Mut haben und dass Sie kämpfen. Wenn es um die Bildungschancen unserer Kinder geht, wenn es um bessere Schulen geht, wenn es um mehr individuelle Förderung geht und wenn es um mehr Lehrerinnen und Lehrer geht, haben Sie unsere Unterstützung. Wenn es weiterhin beim Lehrermangel bleibt und nicht schnellstmöglich gehandelt wird, wenn Bayern Schlusslicht bei Ganztagsschulen bleibt, wenn weiterhin Kinder eingeschult werden, die kein Deutsch sprechen, wenn wir es uns weiter leisten wollen, dass fast 10 % der Kinder jedes Jahrgangs die Schule ohne Abschluss verlassen, dann erfahren Sie unseren Widerstand und dann werden wir leidenschaftliche Debatten führen.
(Manfred Ach (CSU): Ist das nur ein bayerisches Problem? – Joachim Wahnschaffe (SPD): Solche Wahrheiten hören Sie nicht gern!)
(Zuruf von der CSU – Gegenruf des Abgeordne- ten Joachim Wahnschaffe (SPD): Das bedeutet Zustimmung!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, Sie haben angekündigt, gern zur Tagesordnung übergehen zu wollen; Vergangenheitsbewältigung hielten Sie für wenig sinnvoll. Ich kann gut verstehen,
dass Sie das so empfi nden. Denn im Umgang mit der Affäre Hohlmeier, mit der quälend langen Selbstdemontage der ehemaligen Kultusministerin und mit der Demontage der bayerischen Bildungspolitik haben Sie sich wirklich nicht mir Ruhm bekleckert.
In der Affäre um Frau Hohlmeier geht es nicht nur um die Frage, inwieweit die ehemalige Kultusministerin in die kriminellen Machenschaften in der Münchner CSU, in Wahlfälschungen und in den Stimmenkauf verstrickt ist. Es geht auch – aber nicht nur – um das Versagen der ehemaligen Kultusministerin in der Bildungspolitik. Herr Stoiber, es geht auch um Ihre Rolle und Ihre Verantwortung in dieser ganzen Misere. Das muss hier angesprochen werden. Es ist beschämend, dass Sie die Dinge so lange laufen ließen. Sie waren unfähig, zur rechten Zeit einzugreifen. Von Krisenmanagement keine Spur.
Herr Stoiber, Sie haben zum Schluss völlig die Kontrolle verloren. Die Ereignisse haben sich überstürzt, spätestens nach der Aussage der Staatsanwältin im Untersuchungsausschuss. Sie waren nicht in der Lage, die Dinge wieder in den Griff zu bekommen, geschweige denn, selbst zu handeln. Die Dinge haben sich überstürzt, und Sie selbst sind in diesen Strudel hineingerissen worden, obwohl Sie sich sonst so gern als zupackender Macher gerieren, als Manager, der die Dinge anpackt, sofort handelt und nichts anbrennen lässt. In dieser Frage waren Sie gelähmt und völlig unfähig zu handeln.
Wenn Sie schon in einer solchen Krise, die Ihre eigene Partei und Ihre eigene Regierungsmannschaft betrifft, unfähig zum Handeln sind, sollten Sie sich nicht länger als Krisenmanager für die Probleme auf der Bundesebene aufspielen.
Dann sollten Sie ganz still sein, wenn es um die wirklich großen Probleme, um die wirklich großen Herausforderungen in unserem Land geht. Sie sollten ganz bescheiden an Ihrem Platz sitzen bleiben und sagen: Ich kann es nicht.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD – Wi- derspruch bei der CSU – Manfred Ach (CSU): Visa-Affäre!)
Sie sollten sich auch nicht über die angeblich ruhige Hand des Bundeskanzlers mokieren, Herr Dr. Stoiber. In dieser Frage hatten Sie nicht nur eine ruhige Hand, Sie waren vielmehr beidseitig gelähmt, und das über ein halbes Jahr lang.
Der Untersuchungsausschuss hat nicht nur einen Einblick in den „Abgrund von Lüge und Täuschung“ gegeben, wie das Ihr eigener Kollege, Herr Podiuk, geäußert hat. Der
Untersuchungsausschuss hat nicht nur Einblick gegeben, wie es in der CSU – insbesondere in der Münchner CSU – zugeht. Herr Ministerpräsident, er hat auch Ihre Schwächen und Ihre Unfähigkeit zum Krisenmanagement schonungslos offen gelegt.
Deswegen können wir eben nicht zur Tagesordnung übergehen, selbst wenn Sie sich nichts sehnlicher wünschen. Wir haben auch noch zwei weitere Gründe, warum wir nicht zur Tagesordnung übergehen können. Der eine ist die weitere Aufklärung der Affäre. Ich spreche von der Aufklärung der Frage nach der Mitwisserschaft oder der Beteiligung der ehemaligen Ministerin Hohlmeier. Dabei geht es um nichts Geringeres als um Verstöße gegen die Grundregeln der Demokratie. So hat das die Richterin in ihrem Urteil in dankenswerter Deutlichkeit geschrieben. Genau darum geht es. Davon können wir nicht ablassen. Hier ist Aufklärung bitter nötig.
CSU-Insider sagen selbst, dass erst ein Bruchteil der Dinge überhaupt ans Tageslicht gekommen sei. Für Ihr Demokratieverständnis ist es wirklich entlarvend, wenn Ihnen nach dem Rücktritt der Ministerin nichts Eiligeres einfällt, als zu sagen: Jetzt brauchen wir nichts mehr aufzuklären, jetzt ist es erledigt. Der Untersuchungsausschuss hat seine Schuldigkeit getan; er muss sofort seine Arbeit einstellen. Wir wollen gar nichts mehr wissen. Wir wollen nicht, dass der Untersuchungsausschuss noch weiter in dieser Affäre herumstochert. Das kann ich nachvollziehen. Herr Kollege Bernhard, ich möchte nicht in Ihrer Haut stecken. Ich kann nachvollziehen, wie hochnotpeinlich Ihnen diese Sache ist. Das ist aber nicht unsere Verantwortung, sondern Ihre Verantwortung.
Es tut mir Leid. Die Dinge müssen auf den Tisch. Hier sind Fehler gemacht worden und kriminelle Machenschaften gelaufen. Da können wir nicht so tun, als wenn diese Probleme mit dem Rücktritt der Ministerin erledigt wären. Der Rücktritt der Ministerin ist nur eine längst überfällige Konsequenz aus diesen Verfehlungen. Die Tatsache, dass es diese Verfehlungen, diese kriminellen Machenschaften und diese Seilschaften gegeben hat, ist damit nicht aus der Welt. Deshalb ist es weiterhin Aufgabe des Untersuchungsausschusses, mit allem Druck die Wahrheit herauszufi nden und Aufklärung zu betreiben.
Das Recht der Öffentlichkeit auf Aufklärung besteht natürlich nach wie vor. Sie wollen gern Ihr eigenes Interesse an Aufklärung mit dem Interesse der Öffentlichkeit an Aufklärung gleichsetzen. In Bayern sind wir Gott sei Dank noch nicht an diesem Punkt. Das Aufklärungsinteresse der CSU ist nicht mit dem öffentlichen Interesse deckungsgleich.
(Dr. Otmar Bernhard (CSU): Es geht um die Zulässigkeit! Das verstehen Sie anscheinend überhaupt nicht!)
Herr Bernhard, offenbar haben Sie es nicht verstanden. Es geht um die Zulässigkeit. Wenn Sie die Fragen nach der Beteiligung der Ministerin in der Parteiaffäre für nicht zulässig erachtet hätten, hätten Sie diesem Untersuchungsauftrag nicht zustimmen dürfen. Natürlich handelt es sich hier auch um eine Parteiaffäre. Deshalb ist sie Ihnen ja so unangenehm. Dieser Untersuchungsauftrag ist unabhängig davon, ob die Ministerin im Amt ist oder ob sie Ex-Ministerin ist. Die Öffentlichkeit hat ein Interesse an der Aufklärung der genauen Umstände.
Herr Bernhard, Sie haben gesagt, die Angelegenheit könnte jetzt den parteiinternen Aufklärungsinstanzen der CSU überlassen werden. Meine Güte! Was erwartet uns da? – Wie war es denn in dem Schiedsgerichtsverfahren, bei dem es um die Perlacher Wahlfälschungsaffäre ging? – Bis heute liegt in dieser Sache kein schriftliches Urteil vor. Das Ganze ist anderthalb Jahre her. Bis heute hat es Ihr Schiedsgerichtsvorsitzender nicht fertig gebracht, die Urteilsgründe schriftlich darzulegen. Was sollen wir da von Ihrem Aufklärungsinteresse halten? – Ich bin gespannt, wie in der nächsten Woche das Schiedsgerichtsverfahren gegen Herrn Haedke geführt wird. Was können wir da erwarten? – Ich befürchte, dass es wie immer ablaufen wird: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.
Wir können auch aus einem dritten Grund nicht zur Tagesordnung übergehen, der für mich der zentrale Grund ist: Hier geht es um die Zukunft und um die Zukunftschancen unserer Kinder. Wir dürfen auch aufgrund der Situation in der Bildungspolitik nicht zur Tagesordnung übergehen. Das würde „Business as usual“ bedeuten. Alles würde weitergehen wie bisher. Um Gottes Willen. Alles, bloß das nicht. Die erste Aufgabe, die der Nachfolger von Frau Hohlmeier haben wird, wird das Zusammenkehren des Scherbenhaufens sein, den Frau Hohlmeier hinterlassen hat.
Natürlich ist das eine undankbare Aufgabe. Er muss die riesigen Baustellen, die auch mit Hilfe des Ministerpräsidenten aufgerissen worden sind – Herr Kollege Maget hat schon darauf hingewiesen –, in den Griff bekommen. Er muss einen Plan vorlegen, wie wir an diesen Baustellen zu richtigen Gebäuden kommen können. Wir haben Unterrichtsausfall, Lehrermangel und zu große Klassen. Ich will nicht alle Probleme aufzählen. Meine Kollegin Simone Tolle wird noch Einiges zu den Aufgaben sagen, die jetzt in der Bildungspolitik anstehen. Da wird Freude aufkommen.
Die Grundvoraussetzung zur Lösung dieser Probleme ist, dass Sie für die Bildung endlich mehr Geld in die Hand nehmen.
Andernfalls würden Sie zwar einen neuen Minister in das Amt setzen, er hätte aber keinerlei Chance, die Dinge wirklich zum Besseren zu führen. Wenn es Ihnen ernst
damit ist, dass Sie in der Bildungspolitik zu positiven Schlagzeilen kommen wollen, werden Sie nicht darum herumkommen, mehr zu investieren und Ihr Spardiktat an dieser Stelle infrage zu stellen. Sie müssen mehr für die Zukunft unserer Kinder tun.