Herr Kollege Spaenle, einen Moment bitte. Es braucht noch ein wenig Abregungszeit, aber dann müssen Sie wieder das Wort haben. Ich bitte wieder um Aufmerksamkeit.
Ich habe gesagt, die Frage, wo die „Rindviecher“ sitzen, überlasse ich Ihrer eigenen Beurteilung. Ich kann auch wiederkäuen, wenn es hilft. Das ist mir auch recht.
Das bedeutet: Engagement in der Lehre, die Lehre gerade unter dem strategischen Aspekt der Ausbildung der letzten geburtenstarken Jahrgänge als Leistungsträger der kommenden Generation noch deutlicher in den Mittelpunkt des akademischen Lebens zu rücken
und dies mit dem Mehrwert, dem zusätzlichen Erlös, mit der Lehre im eigenen akademischen Verantwortungsbereich zu verknüpfen. Das ist die strategische Grundausrichtung, unter der wir Studiengebühren und Eigenbeiträge der Studierenden für wissenschaftspolitisch geboten und sozialpolitisch vertretbar und zumutbar halten.
Wir wissen um die grundlegende Bedeutung dieses Paradigmenwechsels. Ich gebrauche diesen Begriff bewusst, und ich freue mich über den humanistischen Grundkonsens mit meinem stellvertretenden Vorsitzenden, den ich persönlich sehr schätze. Den gesellschaftspolitischen Paradigmenwechsel, Studierende zu einem Eigenbeitrag ihrer Studienkosten heranzuziehen, halten wir dann für sozialpolitisch vertretbar, wenn es keine soziale Verdrängungswirkung für Studienbewerber, gleich welcher sozialer Herkunft, gibt.
Es ist die Kernaufgabe des Staates und der Wissenschaftspolitik, für Studierende aus einem sozial schwächeren Hintergrund ein Konzept zu entwickeln und anzubieten, das die Aufnahme eines Studiums mit nachlaufender Finanzierung, also einer Finanzierung nach Aufnahme einer Berufstätigkeit, mithilfe eines Kreditmodells mit moderater Verzinsung – unabhängig vom Geldbeutel der Eltern – ermöglicht. Das ist in Bezug auf die Einführung von Eigenbeiträgen Studierender das Kernstück einer verantwortlichen und auf soziale Ausgewogenheit orientierten Hochschulpolitik. Diese Aufstellung von Eigenbeiträgen von Studierenden, die ausschließlich für die Lehre zu konzipieren und einzusetzen sind, wobei die Universitäten und Fachhochschulen gegenüber denjenigen, die sie erbringen, zur Rechenschaft verpfl ichtetet sind, ist eine wichtige Komponente einer zukunftsorientierten Hochschulpolitik.
Lassen Sie mich ein Letztes anmerken: Wir stehen im bundesdeutschen Hochschulwesen vor einer der größten Umwälzungen, nämlich vor der Umsetzung des BolognaProzesses. Dies ist eine einmalige Chance, einen gemeinsamen europäischen Hochschulrahmen zu schaffen. Auch hier ist der Weg Bayerns klar: Qualität vor Zeit. Die Form kann nicht vor dem Inhalt stehen. Nicht der Quotient der Einführung neuer Studienabschlüsse und Etiketten ist
entscheidend, sondern die Frage ist, ob es uns gelingt, in einem größeren Zusammenhang, nämlich dem neu getakteten, europaweit angeglichenen Abschlusssystem, die Qualität unserer Hochschulausbildung und die Berufsbefähigung unserer bisherigen Examina in das neue Abschlusssystem, in das neue System modularisierter Studieneinheiten, ECTS-Punkten und Ähnlichem zu übertragen. Das Motto „Qualität vor Zeit“ gilt auch in der Frage der Umsetzung des Bologna-Prozesses.
Wir können es uns nicht leisten, unseren jungen Menschen Abschlüsse anzubieten, die ihnen nicht die gleiche Qualität und die gleichen Chancen auf dem Weg in die Arbeitswelt einräumen wie andere Länder.
Das ist der entscheidende Unterschied zu vielen anderen Bundesländern. Bei uns geht es um die Qualität und nicht ums Etikett. Auch deshalb werden wir diesen Weg konsequent und in Ruhe weiter beschreiten und dabei unsere Verantwortung gegenüber den jungen Menschen in der akademischen Ausbildung nicht aus dem Auge verlieren. Wir haben heute eine wichtige Wegmarke erreicht; unser Staatsminister hat es ausgesprochen. Wir haben zu Beginn dieser Legislaturperiode versprochen, die Aufgaben der langfristigen Planungssicherheit, der fi nanzpolitischen Stabilität, der qualitätsorientierten Fortentwicklung des Hochschulwesens und der Schaffung eines neuen hochschulrechtlichen Rahmens Stück für Stück abzuarbeiten. Wir haben heute in diesem Hause eine wichtige Wegmarke erreicht und bitten um Ihre Zustimmung.
Herr Kollege Spaenle, manchmal wäre es doch gut, wenn man etwas aufgeschrieben hätte; dann wäre zumindest Sinn und Richtung in Ihrer Rede drin gewesen.
Herr Minister, Sie unterschreiben heute Nachmittag einen öffentlich-rechtlichen Vertrag. Wer heute schon Zeitung gelesen hat und bis zum Feuilleton gekommen ist, weiß: Das ist jetzt für Sie dumm gelaufen. Das ist heute wahrlich nicht der Tag, an dem Sie sich als jemand präsentieren können, der besonders gut Verträge aushandeln kann.
Das Gegeneinander wird nun zum Miteinander. – Das haben Sie verkündet, als Sie diesen Pakt vorgestellt haben. Wie zwei Kriegsparteien, die miteinander einen Nichtangriffspakt schließen müssen. Das sagt viel über Ihr Verständnis von Hochschulpolitik aus und über Ihre Sichtweise der bayerischen Hochschulen.
Planungssicherheit ist das große Label, das Sie diesem Bündnis aufdrücken wollen. Sie verkaufen das gesamte Innovationsbündnis unter dieser Überschrift. Von Planungssicherheit kann aber gar keine Rede sein. Planungssicherheit hatten unsere Hochschulen in Bayern einmal; Planungssicherheit war einmal. Ab heute wird paktiert. Das Innovationsbündnis, dieser gesamte Vertrag, ist nur deshalb – ich behaupte: anscheinend – notwendig geworden, weil es Planungssicherheit für Hochschulen im Freistaat Bayern nicht mehr gibt. Allein deshalb greifen Sie zu dem Mittel des öffentlich-rechtlichen Vertrags, das sich nach meiner Meinung bisher noch nirgends in der Politik bewährt hat. Das ist so überfl üssig wie ein Kropf und soll nur verschleiern, dass Sie im Grunde genommen Ihrer Aufgabe nicht nachkommen.
Wir als Gesetzgeber haben den Auftrag, den Sie als Staatsregierung umzusetzen haben, den Hochschulen eine angemessene Finanzausstattung zu geben. Selbstverständlich können sich die Hochschulen darauf verlassen; denn das ist unser gesellschaftlicher Auftrag. Man braucht keinen Vertrag, um das den Hochschulen zuzusichern. Es besteht nämlich schon längst ein Vertrag, nämlich ein Gesellschaftsvertrag. Nur wenn Sie den infrage stellen, brauchen Sie so etwas wie einen öffentlich-rechtlichen Vertrag. Wenn Sie zu diesem Mittel greifen, ist das letztlich eine Bankrotterklärung der Hochschulpolitik in diesem Lande.
Sie laufen damit einem Mainstream hinterher, der sich auf globalisierten Wettbewerbsdruck, hohe Staatsverschuldung – wir haben heute schon viele derartige Stichworte gehört –, auf neoliberale Denkzwänge und den angeblichen Zwang zu immer stärkeren Kosten-Nutzen-Kalkülen beruft und die Ökonomisierung sämtlicher öffentlicher Bereiche fordert und vorantreibt. Ging es an den Hochschulen bislang primär um den Wettbewerb der besten Ideen, so wird daraus jetzt immer mehr ein Wettbewerb um die angeblich knappen Mittel. Planungssicherheit – das war also einmal.
Das möchte ich mit Zahlen belegen. Schon längst macht der Hochschulhaushalt nicht einmal mehr ein Zehntel des Staatshaushalts aus. 1993 betrug sein Anteil am Gesamthaushalt noch 8,4 %, bereits 2002 nur noch 7,7 %, und das bei Haushalten, in denen nicht netto gespart wurde, sondern in denen es nur weniger Zuwachs gab. Im Jahr 2004 wurde kräftig zugelangt. Da wurde zum ersten Mal auch tatsächlich netto gekürzt. Herr Kollege Spaenle, wo war denn beim Nachtragshaushalt 2004 die Selbstverpfl ichtung und Selbstbindung des Landtags?
Auf dieser Basis schließen Sie jetzt das Innovationsbündnis. Sie schreiben damit den Mangel des Sparhaushalts 2004 fest. Sie berücksichtigen noch nicht einmal die ganz normalen Kostensteigerungen, die unseren Hoch
schulen schon seit Jahren zu schaffen machen. Ich meine damit die Steigerung bei den Sachkosten und vor allem bei den Betriebskosten und beim Bauunterhalt. Das Einzige, was Sie zusichern, ist die Angleichung an das Tarifrecht. Die Personalkosten sind also berücksichtigt, aber das ist auch schon alles.
Wo ist denn der Aufwuchs, von dem Sie immer sprechen? Sie sichern den Hochschulen doch ständig einen Aufwuchs von Jahr zu Jahr zu. Tatsächlich sichern Sie aber keinesfalls irgendetwas zu; sie versprechen allerhöchstens, und das mit überaus vagen Formulierungen. Ich erwarte nicht von allen Kolleginnen und Kollegen, dass sie dieses Innovationsbündnis von vorne bis hinten durchlesen. Deshalb muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen, was da drin festgeschrieben und als großer Erfolg gefeiert wird. In „I. Sachverhalt“ fi nden Sie folgende Formulierung:
der Hochschulautonomie und die Bereitstellung weiterer Haushaltsmittel als leistungsbezogene Zuwachsoption, sobald die Entwicklung der Haushalts- und Einnahmesituation des Staates entsprechende Spielräume eröffnet.
Für den Haushalt 2007/2008 ist die Bereitstellung weiterer Mittel aus dem zweiten Teil des „Investitionsprogramms Zukunft Bayern“ geplant.
wird die Möglichkeit der grundstockskonformen Finanzierung von Erneuerungsinvestitionen aus Verkaufserlösen bisher im Ressortbereich genutzter Grundstücke im Einzelfall – vorbehaltlich der Zustimmung des Staatsministeriums der Finanzen – in Aussicht gestellt.