Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 47. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Meine Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, eines ehemaligen Kollegen zu gedenken.
Gestern, am 18. Juli, verstarb im Alter von 96 Jahren Herr Hannsheinz Bauer. Hannsheinz Bauer war das letzte noch lebende Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung in Bayern von 1946 und des Parlamentarischen Rates, der 1949 in Bonn das Grundgesetz verabschiedete.
Dem Bayerischen Landtag gehörte er von 1946 bis 1953 an. Er vertrat für die SPD den Wahlkreis Unterfranken und war Mitglied des Ausschusses für Wahlprüfung und des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen.
Hannsheinz Bauer engagierte sich in der Weimarer Republik in der Würzburger Arbeiterbewegung und in der SPD. In der NS-Diktatur wurde er aus rassistischen Gründen verfolgt und zum Abbruch seines Jurastudiums gezwungen.
Nach der Rückkehr aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft wurde er 1946 zu einem der Gründerväter der SPD in Unterfranken, deren Ehrenvorsitzender er auch war.
Hannsheinz Bauer gehörte fünf Legislativorganen an: der Verfassunggebenden Landesversammlung, dem Bayerischen Landtag, dem Parlamentarischen Rat, dem Deutschen Bundestag und der Parlamentarischen Versammlung des Europarats.
Bis zuletzt meldete er sich zum aktuellen politischen Geschehen zu Wort. Sein besonderes Engagement galt stets der demokratischen Verfassung, dem sozialen Rechtsstaat und dem Europagedanken.
Der Bayerische Landtag wird dem Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren. – Sie haben sich zu Ehren des Toten erhoben. Ich danke Ihnen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich einige Geburtstagsglückwünsche aussprechen:
Am 4. Juli feierte Herr Kollege Hans Herold seinen 50. Geburtstag. Heute haben die Frau Kollegin Christa Götz und die Kollegen Herbert Ettengruber und Ernst Weidenbusch Geburtstag. Ich gratuliere allen Genannten sehr herzlich im Namen des gesamten Hohen Hauses und wünsche ihnen alles Gute.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Herr Staatsminister für Unterricht und Kultus hat gebeten, zu Beginn der heutigen Plenarsitzung Gelegenheit zur Abgabe einer Erklärung gemäß § 177 Absatz 1 der Geschäftsordnung zu den Ergebnissen des Pisa-Ländervergleichs 2003 zu geben. Die Fraktionen haben je 15 Minuten Redezeit vereinbart, ausgehend von der Ankündigung, dass der Staatsminister 15 Minuten sprechen wird. Bei einer längeren Rede des Herrn Staatsministers verändert sich um dieses Maß auch die Redezeit der Fraktionen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wann immer in den letzten Jahren eine nationale oder internationale Studie veröffentlicht wurde, die Deutschland pauschal schlechte Noten ausstellte, schon wussten SPD und GRÜNE die Lösung: Wir brauchen eine andere, eine neue Schulstruktur.
Ich kann heute nur feststellen, Herr Kollege Dürr: Gott sei Dank ist Bildungspolitik Ländersache. Noch einmal: Gott sei Dank ist Bildungspolitik Ländersache.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das hat der am 14. Juli veröffentlichte Vorbericht der Ländervergleichsstudie 2003 eindrucksvoll gezeigt. Auch wenn alle Länder in Deutschland zugelegt haben, zeigen sich fundamentale Unterschiede bei den Ergebnissen der einzelnen Länder. In allen vier untersuchten Bereichen – Mathematik, Lesen, Naturwissenschaften und Problemlösen – belegt Bayern in Deutschland mit deutlichem Abstand den ersten Platz. Anders als noch in der ersten Runde von Pisa 2000 nehmen die bayerischen Schülerinnen und Schüler mit ihren Leistungen auch international Spitzenplätze ein. Im Einzelnen stellen sich die Ergebnisse wie folgt dar:
In Mathematik hat sich Bayern mit 533 Punkten gegenüber 2000 um 17 Punkte verbessert. International hat es damit zur Spitzengruppe aufgeschlossen und liegt auf dem 5. Platz. Der Kompetenzvorsprung bayerischer Schülerinnen und Schüler gegenüber den Gleichaltrigen z. B. in Bremen beträgt 62 Punkte. Das entspricht einem Kompetenzvorsprung von 1,5 Schuljahren.
Auch in den Naturwissenschaften belegt Bayern mit einer deutlichen Verbesserung um 22 auf 530 Punkte national den ersten Platz. International liegen wir auf Platz vier. Bei der 2003 neu getesteten Problemlösekompetenz belegt Bayern national mit 534 Punkten den Spitzenplatz und liegt international nach Korea, Finnland und Japan wieder an vierter Stelle.
Das ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine großartige Leistung unserer Schulen, für die ich allen, die zu diesem Erfolg beigetragen haben, danke und herzlich gratuliere.
An erster Stelle gratuliere ich natürlich unseren Schülerinnen und Schülern, die diese Leistung erbracht haben. Sie haben erkannt, dass Bildung ein wichtiges Kapital für den Start ins Leben ist und es sich lohnt, dafür zu lernen und zu arbeiten.
Ich danke aber auch allen bayerischen Lehrerinnen und Lehrern, die sich täglich mit vollem Einsatz in Unterricht und Schule einbringen. Mit ihrem Einsatz und ihrer Professionalität hat sich Bayern gegenüber Pisa 2000 noch einmal deutlich gesteigert. Ich danke allen Eltern, die das Arbeiten in unseren Schulen mitgetragen, unterstützt und bereichert haben. Und ich danke meiner Vorgängerin Monika Hohlmeier für die zielstrebige und konsequente Weiterentwicklung unserer Bildungspolitik sowie der Mehrheitsfraktion im Bayerischen Landtag für die stetige Unterstützung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Gründe dafür, dass die bayerischen Schulen so gut abgeschnitten haben, sind neben dem Engagement aller am Bildungsprozess Beteiligten aus meiner Sicht vor allem folgende: In Bayern haben wir zentrale Schulabschlussprüfungen und landesweite Standards. Damit erreicht jede Schule ein hohes Qualitätsniveau. Wir haben konsequente landesweite Vergleichstests wie Jahrgangsstufentests und Orientierungsarbeiten eingeführt. Letzteres geschah übrigens – wie Sie sich sicherlich alle in diesem Hohen Haus erinnern – gegen den wütenden Protest der Opposition. Des Weiteren haben wir in Bayern immer auf die zu Unrecht geschmähten Sekundärtugenden Wert gelegt.
Ich habe das schon des Öfteren gesagt: Gott sei Dank haben sich die Alt-Achtundsechziger nicht so tief in Bayern eingraben können; für uns waren Ordnung, Pünktlichkeit und Verlässlichkeit immer wichtige Werte an unseren Schulen und die unabdingbare Basis für Leistungsbereitschaft und Leistungswillen.
In Bayern wurde nicht nur stets der Wert von Bildung und Schule betont, sondern die Staatsregierung und die Mehrheitsfraktion haben auch über Jahre hinweg stets in das Bildungssystem investiert.
In den letzten Jahren wurden kontinuierlich neue Lehrkräfte eingestellt. Allein seit 1998 waren es rund 6000.
Hinzu kommen 100 ab Februar 2005. Zum Schuljahr 2005/2006 werden weitere 500 Stellen zur Verfügung gestellt, und speziell für Fachoberschulen und Berufsoberschulen sind für das kommende Schuljahr weitere 50 zusätzliche Stellen geschaffen worden.
In den internationalen Pisa-Berichten – meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt kommt ein ganz wichtiger Punkt – wird auf eine vergleichsweise starke Koppelung von sozialer Herkunft und Kompetenzerwerb in Deutschland verwiesen. Aber auch hier bestehen große Unterschiede zwischen den Ländern. Ein starker Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Kompetenzerwerb wird in Mecklenburg-Vorpommern, in Nordrhein-Westfalen und in Bremen beobachtet, ein schwacher dagegen in Bayern, Brandenburg, Thüringen und Sachsen. Bayern erzielte also besonders gute Testergebnisse bei einer gleichzeitig geringen Abhängigkeit von der sozialen Herkunft der Schüler.
Damit sind die wiederholt von der Opposition in diesem Hohen Haus gemachten Vorwürfe, Bayerns Schulen würden Kinder und Jugendliche aus sozial schwächer gestellten Schichten nicht genügend fördern, in das Reich der Märchen zu verweisen. Bereits das Ergebnis von Pisa 2000 hat deutlich gezeigt, dass zum Beispiel Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in Bayern im Lesen bessere Leistungen erbringen, als viele ihrer deutschen Altersgenossen in andern Ländern Deutschlands. Das wird sich auch bei Pisa 2003 im November wieder zeigen.
Das von der Opposition so viel geschmähte gegliederte bayerische Schulsystem erbringt also eine ganz enorme Bildungs- und Integrationsleistung. Der erste Platz bei Pisa 2000 und 2003 ist der Beleg für die Überlegenheit des gegliederten Schulsystems in Deutschland.
Bei Pisa 2003 haben sich genau die Länder an die Spitze gesetzt, die in den vergangenen Jahrzehnten konsequent auf schulische Leistungsförderung innerhalb des gegliederten Schulsystems gesetzt haben, und anders als in der jüngst veröffentlichten Studie der GEW behauptet wird, sind es eben nicht nur die besseren Rahmenbedingungen, die den Erfolg eines Bildungssystems ausmachen, es zeigt sich vielmehr sehr deutlich an Sachsen und Thüringen, die sicherlich sehr viel schlechtere wirtschaftliche Rahmenbedingungen haben als Nordrhein-Westfalen, dass es besser gelingt, die Schülerinnen und Schüler in ihren Ländern zu fördern.
Eines kann man als Fazit festhalten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Schere zu den SPD-geführten Ländern klafft immer weiter auseinander. Es zeigt sich sehr deutlich: Je länger die Union in einem Land regiert, desto besser sind die Ergebnisse, und der Umkehrschluss stimmt auch.
Wir werden uns aber nicht zurücklehnen, sondern unseren Weg, den wir eingeschlagen haben, konsequent fortsetzen. In die Spitzengruppe zu gelangen, ist eine große Leistung unserer Schulen. Sich langfristig in der Spitzengruppe zu halten, erfordert weitere Anstrengungen. Das Fazit aus allen nationalen und internationalen Bildungsstudien ist die möglichst frühe und individuelle Förderung. In der frühen Förderung haben wir in den letzten Jahren eine ganz enorme Arbeit geleistet. Ich erinnere an die Stärkung der Zusammenarbeit von Kindergarten und Grundschule. Ich erinnere an die frühe Sprachförderung, an die Sprachlernklassen, an den Lehrplan Deutsch als Fremdsprache. Wir bauen deshalb auch die Vorkurse Deutsch aus. Die Förderung wird von 40 auf 160 Stunden in den Kindergärten vervierfacht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der zweite große Bereich ist die individuelle Förderung. Deshalb haben wir in allen Schularten Maßnahmen ergriffen, um die Nachhaltigkeit des Lernens zu verbessern. Die Lehrpläne sind überarbeitet und bieten mehr Zeit zum Üben, Wiederholen, Vertiefen und Anwenden. Mit den Intensivierungsstunden an den Gymnasien sind wir deutschlandweit einen völlig neuen Weg gegangen. Ich bin überzeugt, dass sich dies in den nächsten Jahren positiv auf die Leistungen der Schülerinnen und Schüler auswirken wird. Außerdem sind wir das einzige Land in Deutschland, das mit 1500 Förderlehrern einen ganz gezielten Förderunterricht an unseren Volksschulen anbietet. Damit geben wir gerade den leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern die notwendige Unterstützung.
Ich sage aber auch deutlich: Unser Ziel muss und wird es sein, möglichst alle Schülerinnen und Schüler zu guten schulischen Abschlüssen zu führen. Das ist große Anstrengungen wert.