Neben der Missachtung der sozialen Frage in diesem Bundesland, gilt es aber auch, inhaltliche Mängel am Gesetzentwurf zu kritisieren. Fangen wir einmal damit an, dass die 20 oder 40 Euro, die Sie einsammeln lassen, jeglicher Grundlage entbehren. Sie haben diese Zahlen vollkommen aus der Luft gegriffen. Der Staatssekretär musste mir das in einer Mündlichen Anfrage bestätigen. Sie verlangen also den Eltern Geld ab und können noch nicht einmal sagen, aus welchen rechnerischen Grundlagen sich dieses Büchergeld ableitet.
Wer zahlt, schafft an, haben Sie vorhin gesagt, Herr Kollege Eisenreich. Deshalb haben Sie den Eltern im Vorwort des Gesetzentwurfs ein Mitwirkungsrecht eingeräumt. Aber Sie haben nicht genau defi niert, was das bedeutet. Im Betriebsverfassungsgesetz beispielsweise ist das Mitwirkungsrecht genau defi niert. Aber wenn man weiter hinten in diesem Gesetzentwurf nachsieht, erkennt man, dass die Eltern eigentlich gar kein Mitwirkungsrecht besitzen. Es heißt dort: Über die Einführung zugelassener Lernmittel an der Schule entscheidet die Lehrerkonferenz oder der zuständige Ausschuss im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel in Abstimmung mit dem Schulforum. – Das ist eine Oder-Bestimmung. Es kann also irgendwer entscheiden, ob die Lehrerkonferenz über die Bücheranschaffung entscheiden soll oder ein zuständiger Ausschuss in Abstimmung mit dem Schulforum. Das bedeutet für mich: Sie haben das Mitwirkungsrecht, das Sie im Vorwort zum Gesetzentwurf den Eltern eingeräumt haben, an anderer Stelle wieder ausgehöhlt. Das ist nicht redlich.
Ich komme zu einem weiteren Punkt. Wer legt wem Rechenschaft über die verwendeten Gelder ab? Es muss doch so sein wie überall, wo Geld eingezahlt wird, dass jemand, der das Geld eingezahlt hat, Rechenschaft darüber bekommt, für was das Geld verwendet wurde und wie viel übrig ist. Diese Dinge sind nicht geregelt.
Jetzt komme ich zu den Folgen für die Kommunen. Der Städtetag schreibt Ihnen Folgendes ins Stammbuch – ein klassisches Negativbeispiel für überzogenen Bürokratismus: Für die Kommunalpolitiker ist es unverständlich, dass die Staatsregierung, die sonst den Abbau des Verwaltungsapparats auf ihre Fahnen schreibt, ein derartiges Beschäftigungsprogramm für die Verwaltung aufl egt.
Machen wir damit weiter, wie Sie die Bearbeitungszeiten für die kommunalen Beamten kalkulieren. Schüler, die ihr Büchergeld bezahlen, werden mit einer Minute Bearbeitungszeit veranschlagt, für die sozialen Härtefälle darf man in der Verwaltung fünf Minuten brauchen. Ich glaube, jeder, der ein wenig Ahnung von einer solchen Arbeit hat, weiß sofort, dass diese Bearbeitungszeiten in das Reich der Märchen und Träume gehören. Der Städtetag hält
Ihnen 15 Minuten Bearbeitungszeit vor, also dreimal so viel und rechnet mit 40 Euro Kosten pro Stunde. Sie wollen lediglich 26,88 Euro erstatten.
Auch bezüglich der Bearbeitungszeit habe ich im Ausschuss gefragt, wie man auf die eine und auf die fünf Minuten kommt. Auch hier lautete die Antwort: Man hat einmal so ein bisschen Bearbeitungszeit angesetzt, ohne sich genau kundig zu machen, ob das überhaupt reicht. Ich behaupte, Sie haben es mit Absicht getan, damit die Kommunen die ganze Last tragen müssen.
Im Gesetzentwurf prognostizieren Sie für die Kommunen Einsparungen in Höhe von zwei Millionen Euro, die kommunalen Spitzenverbände rechnen mit einer Mehrbelastung in einer Bandbreite zwischen 2,1 und 3,7 Millionen Euro. Ich denke, man wird es schwer haben, die Revisionsklausel herbeizuziehen, wenn Sie den Kommunen schon jetzt nicht glauben.
Das, was dem Ganzen dann noch die Krone aufsetzt, ist, dass Sie schon bei der Umsetzung zulasten der Kommunen sparen. Der staatliche Zuschuss nach dem alten Recht soll nur noch für die ersten sieben Monate des Jahres 2005 gelten. Das kann man noch nachvollziehen. Aber dass Sie für die restlichen fünf Monate den Zuschuss nach neuem Recht den Kommunen verweigern, ist nicht gerecht. Hiermit zocken Sie die Kommunen quasi noch einmal um 2,83 Millionen Euro ab. Das ist Politik à la Staatsregierung.
Ich komme zu einem letzten Punkt, der die Kommunen angeht. Büchergeld ist schülerbezogen, der Verwaltungsaufwand wird jedoch nicht schülerbezogen ermittelt. Sie haben stattdessen mit einem Durchschnitt gerechnet. Dieser Durchschnitt wird der Situation vor Ort nicht gerecht. Die Kommunen, die wenig Sozialhilfeempfänger haben, werden profi tieren, die anderen werden draufl egen müssen.
Meine Damen und Herren, es gibt noch viele weitere Dinge in den Ausführungsbestimmungen zu bemängeln. Als Beispiel nenne ich die Frage, wie das Einsammeln des Büchergeldes auf die Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer angerechnet wird. Wie regeln Sie das Büchergeld an Schulen, die gar nicht mit Büchern arbeiten? Warum werden kinderreiche Familien erst ab dem dritten Kind befreit und nicht bereits ab dem ersten Kind?
Ein letzter Punkt: Haben Sie eine Übereinkunft mit den Schulbuchverlagen, dass Sie eine mehr als vierjährige Verwendung nicht für nichtig untersagen. Das ist in Niedersachsen bereits eingetroffen. Eine seriöse Kostenfolgeabschätzungserklärung sollte das nicht verschweigen.
Das zum materiellen Teil. Ich denke, ich habe gut aufgezeigt, wie unprofessionell Ihr Gesetzentwurf letzten Endes erarbeitet wurde, denn er entbehrt jeglicher kalkulatorischer Grundlage und die Durchführung ist nicht durchdacht.
Der wichtigste Grund, warum wir den Gesetzentwurf ablehnen: Die Lernmittelfreiheit hatte einen Hintergrund und gab an alle Familien ein Signal, dass alle den gleichen Zugang zu Bildung bekommen sollen. Für die Lernmittelfreiheit schaufeln Sie, die CSU, heute das Grab.
Bildung ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, von der wir alle profi tieren. Schon allein deshalb dürfen die Eltern nicht mit weiteren Kosten belastet werden.
Die Bildung müssen wir alle fi nanzieren. Die Zukunft unserer Kinder sollte uns das eigentlich wert sein.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist klar, dass wir vonseiten der CSU-Fraktion einige Dinge richtig stellen müssen; denn die Vorredner der Opposition haben den Blick nicht auf die wesentlichen Dinge gerichtet, wie es eigentlich sein sollte.
Frau Kollegin Tolle, ich möchte zunächst auf Ihren Beitrag eingehen: Dieser Gesetzentwurf ist keine Beerdigung der Lernmittelfreiheit, um das ganz deutlich zu sagen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich doch ausreden. Ich möchte das nur in aller Sachlichkeit richtig stellen. Ausschussprotokolle haben die Problematik, dass sie vom Redner nicht autorisiert sind. Frau Kollegin Tolle hatte jedoch die Gelegenheit, auf den Vortrag von Herrn Kollegen Eisenreich einzugehen. Im Protokoll steht wörtlich – nicht aus dem Zusammenhang gerissen –, dass Frau Kollegin Tolle behauptet hat, der vorliegende Gesetzentwurf sei eine Beerdigung der Lernmittelfreiheit. Ich zitiere: „Die Botschaft, die damit den Bürgern übermittelt werde, laute: Bildung kostet. Die Bildung könne sich nicht jeder leisten“. Jetzt kommt der entscheidende Satz, auf den Herr Kollege Eisenreich verwiesen hat: „Eine Mutter mit drei Kindern müsste künftig auswählen, welches ihrer Kinder sie auf das Gymnasium schicke“.
Dem ist von Frau Kollegin Tolle nicht widersprochen worden. Das stimmt einfach nicht. Hier muss die berühmte Kirche im Dorf gelassen werden. Ich werde im Folgenden noch auf den einen oder anderen Punkt eingehen.
Wir müssen uns einmal darüber klar werden, worüber wir reden. Wir sprechen über 40 Euro im Jahr, wobei bei sozialen Härten, die breit im Gesetzentwurf aufgeführt sind,
Ausnahmen gemacht werden. Wir sprechen über eine maximal zumutbare Belastung von weniger als 3,50 Euro im Monat. Diese Größenordnung muss man sich bei der Würdigung der Gesamtbelastung der Eltern auf der Zunge zergehen lassen.
Eines kann ich Ihnen sagen: Die CSU-Fraktion nimmt alle Vorschläge ernst. Wir hinterfragen alle Möglichkeiten der Umsetzung. Ohne Herrn Kollegen Pfaffmann zurückstellen zu wollen, muss ich mich doch sehr wundern, dass bei dieser Thematik Ihre Bildungsexpertin, die stellvertretende Vorsitzende des Bildungsausschusses, nicht im Plenum anwesend ist, um mitzudiskutieren. Vielleicht nimmt die SPD dieses Thema nicht so ernst wie wir.
(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist eine Frechheit! Das ist eine Unverschämtheit! Sie wissen überhaupt nicht, warum sie nicht anwesend ist!)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich stelle dies nur fest. Auch unser Fraktionsvorsitzender war anwesend. Ihr Fraktionsvorsitzender war nicht anwesend. Ich stelle das einfach nur fest. Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.
Jetzt komme ich zur Sache zurück. Das Büchergeld ist keine Abschaffung der Lernmittelfreiheit, ich wiederhole das noch einmal, sondern es ist eine solidarische Verbesserung der Rahmenbedingungen. Ein maßvoller Eigenbeitrag ist sicher auch eine hohe Motivation, pfl eglicher mit Büchern umzugehen. Dieser pfl eglichere Umgang bedeutet nicht nur eine Verbesserung der Rahmenbedingungen.
Heute wurde aufgerechnet, was Bildung alles kostet. Nach einiger Zeit werden wir sehen, wer Recht gehabt hat. Vielleicht hat sich dann die pädagogische Situation verbessert, sodass die eine oder andere Nachhilfe nicht mehr benötigt wird, Herr Kollege Pfaffmann.
Ein Ziel, das wir mit diesem Gesetzentwurf verfolgen, wurde noch nicht erwähnt: Denkbar wäre es nämlich, dass sich die teilweise außerordentlich hohen Kopierkosten, die von den Schulen erhoben werden, signifi kant vermindern, wenn moderne, zeitnahe und aktuelle Bücher vorliegen. Darauf möchte ich nur hinweisen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, zum Verfahren: Bei manchen Punkten befi nden wir uns durchaus auf einer Linie und sind diskussionsfähig. Es ist keine Frage, dass beim Einkassieren möglichst bargeldlos verfahren werden soll. Nach Möglichkeit sollten die Eltern mit Überweisungsträgern arbeiten oder das Homebanking nutzen, damit nicht soviel Bargeld an den Schulen verbleibt. Den Schulen ist es sicher zumutbar, dass sie am Beginn des Schuljahres entsprechende Informationen weitergeben.
Von der Opposition wird vorgetragen, dass die Schulen häufi g Gelder erheben müssen. Die Opposition ist sicher nicht dagegen, dass pädagogisch sinnvolle Schulfahrten stattfi nden. Niemand wird behaupten, dass dies Neuland wäre. Das ist ein Verfahren, das an den Schulen schon immer so durchgeführt wird. Wer aus der pädagogischen
Praxis kommt, kann über solche Vorhaltungen nur den Kopf schütteln. Wer bei Themen wie dem Inkasso oder dem Mahnverfahren vom Untergang des Abendlandes spricht, dem kann ich nur sagen, dass die Kommunen in diesem Zusammenhang große Erfahrungen haben. Sie fordern zum Beispiel bei Verkehrsverstößen kleinerer Art schon geringe Beträge ein.
Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass der Gesetzentwurf eine Revisionsklausel enthält. Wenn es notwendig sein sollte, werden wir von dieser Revisionsklausel, nach gründlicher Vorbereitung, Gebrauch machen und notwendige Änderungen herbeiführen. Die Schulen und die Eltern haben eine gemeinsame solidarische Verantwortung für das Wohl unserer Kinder.
Herr Kollege Pfaffmann, Sie haben heute hochgerechnet, was Kinder alles in ihrer Freizeit tun und was dies kostet. Damit sind Sie dem Ernst der heutigen Lage nicht gerecht geworden. Ich könnte auch aufaddieren, welche Belastungen Kinder, die in einen Sportverein gehen, dadurch haben, dass sie mehr duschen müssen, sodass mehr Duschgel verwendet werden muss. Ich könnte auch aufrechnen, dass die Kinder im Sportverein mehr Durst haben und daher mehr Getränke benötigen, usw.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, lassen Sie die Kirche im Dorf. Haben Sie mehr Vertrauen zu unseren Schulen. Haben Sie mehr Vertrauen zur Solidarität unserer Eltern in einer fi nanzpolitisch schwierigen Zeit. Gestern hat die Pisa-Diskussion gezeigt, dass wir insgesamt auf dem richtigen Weg sind. Wir haben eine Verantwortung, die wir gemeinsam tragen wollen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, außerhalb der Tagesordnung möchte ich feststellen, dass Frau Kollegin Schieder krankheitsbedingt heute nicht im Plenum anwesend ist. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Weikert.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin, vielen Dank für den Hinweis über Frau Kollegin Schieder. Herr Kollege Prof. Dr. Waschler, unabhängig davon: Frau Kollegin Schieder muss sich bei Ihnen nicht entschuldigen, wenn sie an der Plenarsitzung nicht teilnimmt. Soweit sind wir Gott sei Dank noch nicht.
Wir alle sind frei gewählte Abgeordnete und Herr unseres Tun und Lassens. Wir alle machen unsere Arbeit und brauchen uns so etwas von Ihnen nicht sagen zu lassen. Das sollten Sie hintanstellen.