Protokoll der Sitzung vom 21.07.2005

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Dem zweiten Satz in der Begründung muss ich aber widersprechen. Kombiklassen – ich nenne sie abkürzend einmal so – sind kein Sparmodell, sondern Kombiklassen – –

(Margarete Bause (GRÜNE): Ich dachte, zwei Minuten! – Gegenruf von der CSU: Lass dich nicht durcheinander bringen!)

Nein, das lasse ich mich sowieso nicht. Bei meinem hohen Alter bringt das keiner mehr fertig.

(Karin Radermacher (SPD): Das ist aber schade!)

Das bringen nicht einmal Sie fertig.

Kombiklassen sind kein Sparmodell, sondern Kombiklassen sind dazu angetan, die Grundschule vor Ort zu halten. Was sollen wir denn tun? Pädagogisch ist das auch sinnvoll.

(Beifall bei der CSU)

Wenn Kombiklassen dort akzeptiert werden, wo ansonsten eine Schule oder eine Klasse geschlossen werden müsste, dann müssen sie genauso auch dort akzeptiert werden, wo Klassen zu reinen Klassen oder meinetwegen auch zu Kombiklassen zusammengelegt werden müssen.

Frau Kollegin Tolle, zu den Schülerzahlen sagen Sie: 25 und nicht mehr in den reinen Klassen. Das beinhaltete der Antrag vor etwa zwei Monaten. Wir haben ihn ablehnen müssen. 27 oder 28 Schüler sind kein Beinbruch. Meistens sind auch in den Kombiklassen nur 20 Schüler.

Wir halten an der Situation fest. Die frei werdenden Lehrer einer Kombiklasse bleiben dem Schulamtsbezirk erhalten.

Diese frei werdenden Lehrer können dann andere Aufgaben, zum Beispiel Förderunterricht erfüllen. Ich bin auch der Meinung, dass es eine Lehrerzuweisung gibt und dass es bei Kombiklassen fünf Stunden Unterricht für Förderlehrer und für die Trennung der Klassen gibt.

Ich meine: Wir müssen den Antrag ablehnen. Alles, was Sie in den Antrag geschrieben haben, wurde bereits gemacht. Aufgrund eines Landtagsbeschlusses wurde ab dem Schuljahr 1998/1999 der Modellversuch durchgeführt; von 2000 bis 2002 haben 26 Grundschulen teilgenommen, betreut vom ISB.

Hier sind methodische Vorgehensweisen eingefl ossen, die man heute übernehmen kann. Sie haben schon gesagt, im Oktober gibt es die Schulung in Dillingen für Lehrerinnen und Lehrer, die noch nicht mit Kombiklassen gearbeitet haben. Es ist wichtig, dass wir diese Lehrkräfte vorbereiten und schulen.

Somit möchte ich den Antrag stellen, beide Anträge abzulehnen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Weikert.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich danke für den Hinweis meines Vorredners auf die beiden Anträge. Wir haben den Antrag, der als Tagesordnungspunkt 26 auf der Tagesordnung steht, mit dem Dringlichkeitsantrag zusammengezogen, um einen Beitrag dazu zu leisten, die heutige Tagesordnung zu straffen.

(Beifall des Abgeordneten Bernd Sibler (CSU))

Kolleginnen und Kollegen, wir streiten seit einigen Wochen und Monaten darüber, wie viele Lehrerplanstellen wir brauchen, wie viele Lehrerwochenstunden nötig sind, wie viele Lehrer in Pension gehen, wie viele ersetzt werden und wie viele zwischen den einzelnen Schularten hin- und hergeschoben werden. Wir streiten darüber, und doch weiß ich letztlich nicht, ob ich dann, wenn ich mit dem Mikrofon vor dem Saal stünde und einen Kollegen Ihrer Fraktion nach der Lehrersituation fragen würde, eine differenzierte Antwort erhalten würde.

Kolleginnen und Kollegen, das ist für mich aber hier und heute gar nicht entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, was vor Ort ankommt. Hier verweise ich auf das, was Frau Kollegin Tolle gesagt hat und was uns in den letzten Wochen intensiv im Bildungsausschuss beschäftigt hat. Was ist da passiert? – Wir hatten im Bildungsausschuss eine Vielzahl von Petitionen zu behandeln, die von Bürgermeistern, Elternbeiräten und Schulen vor allem aus dem ländlichen Raum an den Landtag gerichtet wurden.

Diese Petitionen hatten zum Inhalt, dass sich die Leute mit einer Situation auseinander setzen müssen, die folgendermaßen aussieht: Teilhauptschulen wurden aufgelöst, Schulstandorte wurden aufgelöst, Kombiklassen wurden

gebildet und vieles mehr. Der Protest, der sich in den Petitionen ausdrückt, hat auch deutlich gemacht, dass bei dem Vorgehen des Kultusministeriums eines vorrangig war: Es war vorrangig, letztlich den alten Budgetschlüssel – Frau Kollegin Tolle hat ihn erwähnt – anzuwenden. Auf keinen Fall – keiner konnte das überzeugend darlegen – stand ein pädagogisches Konzept dahinter. Man hat den Budgetschlüssel angewendet und dabei festgestellt, jetzt haben wir plötzlich sehr kleine Klassen, wir müssen Schulstandorte zusammenlegen. Im ländlichen Raum hinterlässt man damit Gemeinden, die zukünftig keine Schulstandorte mehr sind, bzw. leer stehende Schulhäuser, die zum Teil in den vergangenen Jahren mit einem großen Aufwand saniert wurden.

Kolleginnen und Kollegen, mich hat bei dieser Diskussion gewundert, dass dieses Ereignis, dass sich die Schülerzahlen im ländliche Raum so entwickeln, wie sie sich entwickeln, von der Staatsregierung bzw. vom Kultusministerium als plötzlich hereinbrechendes Ereignis gesehen wird und nicht, wie das selbstverständlich sein sollte, als etwas, für das man die Daten hat und kennt und für das man aufgrund der Datenlage längst ein mittel-, wenn nicht langfristiges Konzept erarbeitet hat, um den besonderen Umständen aus pädagogischen und strukturellen Gründen, was den ländlichen Raum betrifft, Rechnung zu tragen.

(Beifall bei der SPD)

Ich bleibe bei dem Thema der Kombiklassen und des Schulversuchs. Der Schulversuch wurde 1998 gestartet. Ich möchte kurz die Ausgangssituation beschreiben, wobei ich wegen der Zeit auf ein Zitat verzichte. Die Ausgangslage war, dass die Grundschule wegen des Entwicklungsstands der Kinder und aufgrund der unterschiedlichen Eingangsstufen und Jahrgangsstufen, aber auch aufgrund der veränderten Kinderzahlen neu geordnet werden musste. Das war die Ausgangssituation dieses Modellversuchs. Der Modellversuch lief bis 2002 mit einem pädagogischen Konzept, das auch wir Sozialdemokraten für ein innovatives Reformkonzept für die Grundschulen unserer Zeit halten.

Hätte man das Ganze aus pädagogischen Gründen ernst genommen, dann wäre die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten im November 2003 anders ausgefallen. Dann wäre nämlich dieses Konzept als eine der wesentlichen Maßnahmen, die man mittel- und langfristig in Bayern fl ächendeckend umsetzen will, erschienen und nicht allein der Hinweis auf ein früheres Einschulungsalter von Grundschulkindern. Das war nämlich das Einzige, was darin an Inhalt stand.

(Beifall bei der SPD)

Dann hätte man mit diesem Konzept in Bayern einen Zustand geschaffen, bei dem die jahrgangsübergreifenden Eingangsklassen als Angebot in der Fläche zur Verfügung stehen. Damit hätte man den Eltern in Bayern eine Wahlmöglichkeit gegeben. Es wäre keine Pfl icht gewesen, wie das ab dem kommenden Schuljahr der Fall ist, sondern eine Wahlmöglichkeit. Man hätte Zeit gehabt, für dieses pädagogische Konzept zu werben. Dadurch,

dass es eine Möglichkeit ist und kein Muss, hätte man auch die Zeit gehabt, Vertrauen in dieses innovative Konzept zu bilden.

Nachdem Sie das nicht getan haben, berufen Sie sich bitte jetzt nicht auf die pädagogische Innovation, sondern bleiben Sie dabei: Es ist nichts anderes als ein Sparmodell, bei dem Sie mit der gleichen Anzahl von Lehrern Stunden zuteilen und aus acht Klassen sechs Klassen und aus vier Klassen drei Klassen machen. Das kommt vor Ort letztlich genau so an.

Kolleginnen und Kollegen, die Petitionen, die wir im Bildungsausschuss behandelt haben, haben alle mit Sätzen wie den folgenden begonnen: Wir haben von der Kombiklasse aus dem Radio erfahren. Wir haben von der Kombiklasse aus der Tagespresse erfahren. Keiner von uns wusste etwas. – Und das am gestrigen Tag. Die letzte Petition ist gestern Nachmittag eingegangen. Zu einer der Petitionen war in der gestrigen Sitzung ein Elternbeirat anwesend. Ich habe extra nachgefragt. Mir wurde wörtlich gesagt, wir haben von dieser Geschichte aus dem Radio erfahren, und zwar wenige Tage vor Schulschluss, damit wenig Widerstand möglich ist.

Kolleginnen und Kollegen von der CSU, stehen Sie doch dazu, es ist ein Sparkonzept und hat nichts mit pädagogischer Innovation zu tun, die wir dringend an den Grundschulen brauchen. Ich stimme Frau Kollegin Tolle zu und verweise auf unsere Diskussion zum Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz. Auf den Anfang kommt es an. – In Kindertagesstätten und in der Grundschule wird das Fundament gelegt für die Schullaufbahn der Kinder. Unser Vorschlag ist ein Beitrag zur Chancengerechtigkeit in unserem Lande. Darum bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Stahl.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Weikert, gleich zu Anfang möchte ich feststellen: Das Kombimodell ist kein Sparmodell, sondern das wird ein Erfolgsmodell.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, in unserem Land und auch außerhalb unseres Landes wird immer wieder festgestellt, in Bayern zu leben und zu wohnen, ist schön.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Auch in der Oberpfalz?)

Auch und gerade in der Oberpfalz. Sie kommen doch aus der Oberpfalz. Wollen Sie die Oberpfalz etwa schlechtmachen?

(Allgemeine Heiterkeit)

Herr Kollege Stahl, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich habe nur drei Minuten. Ich bitte um Verständnis.

Das bedeutet mehr Lebensqualität und in der Bildung auch einen Vorsprung für den Einzelnen, der allerdings mit mehr Anstrengung verbunden ist. Pisa 2 hat der bayerischen Bildungspolitik aktuell ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt. – Dazu kann man Beifall klatschen.

(Beifall bei der CSU)

Darauf können alle Beteiligten stolz sein. Wir können auf dem für die Schule der Gegenwart und der Zukunft Erreichten weiter aufbauen.

Meine Damen und Herren, Leistung muss sich lohnen. Erfolge lassen sich nicht aus dem Ärmel schütteln.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Richtig!)

Die CSU und ihre Mandatsträger in Bayern haben in der parlamentarischen Arbeit für die Bildungs- und Schulpolitik, von der Grundschule bis zum Gymnasium, jahrzehntelang stets die Weichen richtig gestellt. In der Tat haben sich die CSU im Landtag und auch die Staatsregierung bei der Einführung und Fortentwicklung des gegliederten Schulsystems im Freistaat nie vom richtigen und erfolgreichen Weg abbringen lassen. Erfolge bestätigen immer wieder die getroffenen Entscheidungen. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ – Altbundeskanzler Schmidt ist Mitherausgeber – veröffentlichte in ihrer Ausgabe vom 14. Juli 2005 treffend und lobend: „Wer hierzulande in Deutschland Vorbilder für die Bildungspolitik und Schulentwicklung sucht, kann Kosten sparen und die nächste Pilgerreise nach Bayern buchen.“

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Nein!)

Das hat er gesagt.