Protokoll der Sitzung vom 18.10.2005

(Karin Radermacher (SPD): Die Entscheidungen werden immer noch hier im Parlament getroffen! – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Für Sie ist das doch ein Einsparungsprogramm!)

Dabei ist es notwendig, dass im gesamten Zuschusswesen die Träger mehr Spielraum im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel erhalten. Ich denke daran, dass in Zukunft Festbetragsfi nanzierungen bei den verschiedensten Formen der Bezuschussung absoluten Vorrang haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sozialpolitik und eine nachhaltige Haushaltspolitik sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Nur miteinander können die Wege beschritten werden, die dauerhaft die Förderung derjenigen ermöglichen, die uns besonders wichtig sind: Das sind die Familien, die Pfl egebedürftigen, die Älteren und die Menschen mit Behinderung. Wir befi nden uns hier auf einem guten Wege, um Nachhaltigkeit in der Haushaltspolitik und Sozialpolitik miteinander zu verbinden. Daran werden derartige, zum wiederholten Male stattfi ndende Aktuelle Stunden, die überhaupt keinen Neuigkeitswert haben, nichts ändern.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Ackermann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss zunächst einmal zurückweisen, dass diese Aktuelle Stunde keinen Neuigkeitswert hat; denn ich habe noch gar nicht geredet. Deshalb können Sie noch gar nicht wissen, ob diese Aktuelle Stunde einen Neuigkeitswert hat oder nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte noch etwas sehr Positives an den Anfang meiner Rede stellen. Wir haben kritisiert, dass Herr Innenminister Beckstein nicht anwesend ist. Als Positives stelle ich fest, dass Frau Staatsministerin Stewens anwesend ist. Das muss man auch einmal sagen.

(Karin Radermacher (SPD): Das ist relativ!)

Das ist relativ, aber immerhin ist sie da. Frau Radermacher, das war ironisch.

(Karin Radermacher (SPD): Ach so!)

Eine vorgezogene Wahl hat manchmal auch einen Vorteil. Im Falle unseres noch amtierenden Ministerpräsidenten hat sie den Vorteil, dass er jetzt seinen Ehrgeiz aufgeben kann, eine radikale Sparpolitik für Bayern zu machen, wobei Ehrgeiz in diesem Fall weniger von Ehre als von Geiz geprägt ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dieser radikale Sparkurs hat im schönen Bayernland sehr viele Menschen geschädigt und sehr viele Organisationen in den Ruin getrieben.

(Renate Dodell (CSU): Welche denn? – Unruhe bei der CSU)

Zum Beispiel die Insolvenzberatung, der Sie sämtliche Mittel gestrichen haben.

(Widerspruch bei der CSU)

Zuhören, Herr Unterländer! Hinterher haben Sie die Insolvenzberatung durch die Hintertüre schnell wieder eingeführt, aber in viel zu geringem Umfang fi nanziell ausgestattet. Die Mittel waren bereits im September letzten Jahres verbraucht, und die Insolvenzberatung stand wieder vor dem Aus; das wissen Sie ganz genau.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben bei der Betreuung von Asylbewerbern gespart, und Sie haben bei der Ausländersozialberatung gespart. Sparen ist eigentlich das falsche Wort; Sie haben ganz einfach gekürzt. Sparen hätte ja noch einen Sinn, der sich hinterher herausstellt. Ihre Kürzung aber stellt sich, rückblickend betrachtet, als sehr viel teurer heraus, als Sie es sich je hätten träumen lassen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben bei der Ausstattung der Bezirke gekürzt, welche die Kürzungen sofort mutig an die behinderten Menschen weitergegeben haben. Dazu könnte ich Ihnen vieles erzählen. Ich komme aus der Behindertenarbeit. Es ist nicht lustig, dass behinderte Menschen jetzt am Wochenende in den Heimen sitzen müssen, weil kein Personal mehr da ist, das mit ihnen nach draußen gehen könnte. Sie haben bei notwendigen Investitionen für Altenheime und für Krankenhäuser gekürzt. Sie haben bei der Kinder

betreuung gekürzt. Sie haben ein Spargesetz auf den Weg gebracht, das sich „BayKiBiG“ nennt, bei dem von vornherein klar war, dass es die Existenz vieler kleiner Einrichtungen bedrohen würde. Ich könnte Ihnen jetzt schon einige nennen – weil sie mir geschrieben haben –, deren Existenz bedroht ist, wenn sie nicht sogar schon dichtmachen müssen. Sie wissen das. Ich will die Diskussion über dieses Gesetz nicht neu eröffnen; denn die Folgen werden Sie noch früh genug einholen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihr Nachtragshaushalt ist ein Beispiel für ungerechtes, falsch eingesetztes Sparen, das im gesamten Land zu einem sozial schlechten Klima geführt hat. Sie wissen das ganz genau. Sie haben sehr, sehr viel Kritik dafür eingesteckt, und zwar von kompetenter Seite. Sie sind von den Wohlfahrtsverbänden kritisiert worden; Sie sind von den Betroffenen kritisiert worden; Sie sind von Sachverständigen in Anhörungen kritisiert worden. Das alles hat Sie absolut kalt gelassen. Sie haben Ihre so genannte Sparpolitik unbeirrt fortgesetzt.

Gott sei Dank gibt es ab und zu einmal Wahlen. Bei diesen Wahlen haben Sie genau dafür mit einem erdrutschartigen Verlust von 10 % die Quittung bekommen. Für die CSU ist es ein Erdrutsch, wenn sie unter 50 % rutscht. Sie haben es geschafft. Ich kann Ihnen auch sagen warum: weil die Bürger in Bayern nicht mehr bereit sind, die Politik, die Sie vertreten, weiterhin mitzutragen und zu schlucken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Bürger in Bayern sind die Leidtragenden dieser Politik. Sie haben das „S“ in Ihrem Parteinamen infrage gestellt. Sie haben ein politisches Klima geschaffen, das von sozialer Kälte geprägt ist, und Sie haben dafür die Quittung bekommen. Das haben Sie unterdessen auch bemerkt. Deshalb kommen jetzt plötzlich ganz neue Töne, zum Beispiel von Staatskanzleichef Erwin Huber, der bei einer Caritas-Fachtagung in Augsburg plötzlich die große Bedeutung eines starken sozialen Netzes betonte. Er sagte auch, die soziale Sicherheit werde künftig immer stärker von einer guten Bildung und Ausbildung der Kinder abhängen. Das sind ganz neue Töne, die wir gerne hören und die uns hoffen lassen, dass es vielleicht doch noch zu einem gewissen Richtungswechsel kommen könnte.

(Dr. Otmar Bernhard (CSU): Das haben wir schon immer gesagt, Sie haben nicht zugehört!)

Staatskanzleichef Erwin Huber hat vor einem Jahr oder vor zwei Jahren noch ganz andere Töne von sich gegeben. So gab es eine Nachricht, dass er intensiven Druck auf die Bezirke ausübt und fordert, dass die Fachkraftquote in der Pfl ege gesenkt wird. Davon wird man jetzt vermutlich – oder hoffentlich – so schnell nichts mehr hören. Herr Huber dankt – man höre! – der Caritas, vor allem den vielen ehrenamtlich engagierten Mitarbeitern für ihre praktizierte Mitmenschlichkeit in der Sozialarbeit.

(Margarete Bause (GRÜNE): Das ist doch zynisch!)

Gleichzeitig hat die CSU-Fraktion bei den Nachtragshaushaltsberatungen die Mittel für die ehrenamtliche Arbeit weit zurückgefahren. Ich weiß zwar nicht, wo da die Logik ist, aber Sie können mir das sicher erklären.

(Dr. Otmar Bernhard (CSU): Für die Ehrenamtlichen?)

Die Mittel für die Betreuung durch Ehrenamtliche sind gestrichen worden. Wissen Sie das gar nicht? Gleichzeitig werden die Ehrenamtlichen gelobt. Ja, das kann man machen.

(Margarete Bause (GRÜNE): Das kostet ja nichts!)

Das ist Politik.

Die Folgen Ihrer Kürzungen machen Ihre Einsparungen mehr als wett. Da bei den Sozialpsychiatrischen Diensten am Personal gespart wird, müssen die Menschen, die dort niederschwellig betreut wurden, in die Psychiatrie eingeliefert und stationär behandelt werden. Das führt zu einer Kostensteigerung und ist volkswirtschaftlicher Unsinn.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wer weiß, dass Sie ein Recht auf den Kinderkrippenplatz nicht gesetzlich verankern wollen, sondern lieber Notlösungen mit Tagesmüttern schaffen wollen, weiß auch, was Sie von Erziehung und Bildung von Kindern unter drei Jahren halten. Sie werden in einigen Jahren merken, dass auch das teuer wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Erst kürzlich haben Sie dann versucht, Ihr soziales Renommee dadurch aufzupolieren, dass Sie Herrn Seehofer aus der Versenkung geholt haben.

(Zuruf von der CSU: Das haben wir schon einmal gehört!)

Sie haben Herrn Seehofer zum Landwirtschaftsminister gemacht. Er wird als Landwirtschaftsminister mehr soziale Kompetenz besitzen und einbringen als viele der Kolleginnen und Kollegen, die heute hier sind und soziale Kompetenz heucheln. Ich glaube, dass Herr Seehofer, der zurücktreten musste, weil er sich nach eigenen Aussagen gegen etwas wendete, was nicht kommen wird – die Kopfpauschale – ein Lichtblick in der Sozialpolitik ist. Ich hoffe, dass ein kleiner Funken dieses Lichts auf die CSUFraktion im Bayerischen Landtag fallen wird.

Wir haben noch eine Hoffnung. Wir hoffen, dass ein neuer bayerischer Ministerpräsident, ganz gleich wie er heißen wird, neue Akzente setzen wird. Wir hoffen, dass er Sozialpolitik ernster als sein Vorgänger nehmen wird, dass er Bayern zur Spitze auf sozialem Gebiet bringt, nämlich dann, wenn er in der Sozialpolitik eine Kehrtwende schafft. Dazu aber gehört Einiges. Der neue Ministerpräsident müsste Akzente setzen für Chancengerechtigkeit, für Geschlechtergerechtigkeit, für sozialen Ausgleich und für

ein integratives Bayern. Wenn der neue Ministerpräsident dies täte, könnte er zu Recht behaupten: Bayern ist auch sozial Spitze. Jetzt kann man aber nur sagen: Bayern ist Spitze, was soziale Kälte anbelangt. Das aber ist kein Ruhmesblatt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir GRÜNEN fordern deshalb einen Richtungswechsel in der Sozialpolitik. Wir hoffen, dass ein solcher mit einem anderen Ministerpräsidenten gelingen wird. Nur so kann Bayern für alle Bürger Spitze werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Steiger.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Unterländer, zu dem Teil Ihrer Rede, der die Bundespolitik betrifft, kann ich nur sagen: Dunkel war Ihrer Rede Sinn. – Wir sind in Bayern und für Bayern gewählt. Nichts anderes.

(Beifall bei der SPD)