Christa Steiger
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Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Bevor wir heute über die Neufassung des Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetzes abstimmen, gibt es zunächst einmal einen Ausflug in die Chronik. Wir als SPD-Fraktion haben damals erkämpft – das war ein langer Kampf –, dass in die Bayerische Verfassung 1998 der Artikel 118 a zur Gleichstellung und zur aktiven Förderung der Menschen mit Behinderung aufgenommen worden ist. Die logische Folge war dann das Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung.
Wir als SPD-Fraktion haben 2002 einen Gesetzentwurf eingebracht, der abgelehnt worden ist; aber der Druck sowohl innerhalb als auch außerhalb des Parlaments war so groß, dass die Bayerische Staatsregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der 2003 einstimmig von allen drei Fraktionen beschlossen worden ist – trotz der Kritikpunkte, die wir damals angebracht haben, und trotz der Kritikpunkte, die von den betroffenen Verbänden vorgebracht worden sind.
Die Defizite sind benannt worden. Es ist überhaupt keine Frage, dass hier jetzt deutliche Verbesserungen stattfinden müssen.
Es gibt immer noch Barrieren sichtbarer und unsichtbarer Art, nicht nur Barrieren für Menschen mit körperlicher Behinderung, sondern auch für Menschen mit Sinnesbehinderungen sowie Barrieren für psychisch behinderte Menschen.
Wir wollen in der nächsten Legislaturperiode eine umfassende Anhörung haben. Sie ist bitter nötig. Wenn man nämlich die Belange der Betroffenen und Beteiligten ernst nimmt, muss man diese Anhörung durchführen.
Die Kritik, die es gibt, ist berechtigt. Ich habe sie formuliert. Ich transportiere damit teilweise auch die Kritik derjenigen, die Stellungnahmen abgegeben haben. Ich nenne die kommunalen Behindertenverbände, die Gehörlosenverbände und die Selbsthilfeorganisationen psychisch Erkrankter, psychisch Behinderter und ihrer Angehörigen.
Wegen der berechtigten Kritik ist die Anhörung notwendig. Trotz der Kritik stimmen wir dem Gesetzentwurf zu. Im federführenden sozialpolitischen Ausschuss haben alle Fraktionen zugestimmt.
Was wäre die Folge, wenn wir das Gesetz jetzt ablehnen? Wir hätten dann eine gesetzlose Zeit. Das alte Gesetz wird nämlich am 1. August obsolet. Dann hätten wir kein Gesetz mehr. Was weg ist, ist weg und kommt nicht wieder. Diese Befürchtung habe ich. Wenn ein Gesetz verfällt, kommt ein neues nicht so leicht wieder. Dann müssten wir wieder von vorn anfangen.
Wie gesagt, stimmen wir dem Gesetz trotz aller Mängel zu. Aber ich sage noch einmal: In der nächsten Legislaturperiode muss die Anhörung durchgeführt werden.
Frau Kollegin Ackermann, Sie haben jetzt einige Gründe genannt, warum Sie das Gesetz ablehnen. Das ist Ihre Entscheidung. Aber ich darf Sie darauf hinweisen, dass das, was die kommunalen Behindertenbeauftragten bei ihrer Tagung in Bad Gögging formuliert haben – ich habe es vorhin schon gesagt, aber vielleicht ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen –, in unsere Änderungsanträge, soweit es ging, aufgenommen wurde, soweit es also im gesetzlichen Rahmen aufzunehmen war. Das wurde von der CSU abgelehnt. Wir haben es im Ausschuss ausführlichst diskutiert. Dass es natürlich im Rahmen einer Anhörung besser gewesen wäre, habe ich auch formuliert.
Ist es des Weiteren Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, dass Frau Knochner gesagt hat, sie werde noch in Erfahrung bringen, weshalb die Stellungnahme den Abgeordneten nicht vorliegt? Ich denke mir, dass dies sehr wohl eine Bringschuld der Behindertenbeauftragten der Staatsregierung ist, ihre Stellungnahme dem Landtag zur Verfügung zu stellen. Sie hat gesagt – so ist es im Protokoll vermerkt –, die in ihrer Stellungnahme relevanten Aspekte seien von der SPD-Fraktion dargelegt worden. Es stimmt also nicht, dass gar nichts passiert ist. Deshalb frage ich Sie: Wie können Sie sagen, dass der Ausschuss, der sich wirklich stundenlang mit dem Gesetz auseinandergesetzt hat, nicht ausführlich diskutiert hat? Vonseiten der Fraktion der GRÜNEN ist hingegen nicht ein einziger Änderungsantrag eingebracht worden.
Ich verwahre mich dagegen, dass der Eindruck entsteht, im federführenden Sozialausschuss sei nicht ordentlich beraten worden. Dass wir eine ganz andere Verfahrensweise wollten mit einer Anhörung, ist eine ganz andere
dass wir ein Bayerisches Gleichstellungsgesetz in dieser Qualität haben. Ich denke schon, es ist ein gemeinsames Anliegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen in Bayern verbessern.
Aber ich möchte doch noch sagen: Für mich ist durchaus interessant, dass die SPD einen Gesetzentwurf eingebracht hat, der lediglich die Entfristung zum Ziele hatte.
Die Begründung war aber, ehrlich gesagt, ganz schön fadenscheinig, nicht mit Qualitätsverbesserungen begründet,
sondern als Gesetzentwurf im Landtag eingebracht, und hinterher wurde ein Änderungsantrag nachgeschoben. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, solche Entschuldigungen lasse ich ehrlich gesagt nicht gelten.
Ferner möchte ich sagen: Wir haben mit dem Behindertengleichstellungsgesetz in Bayern seit 2003 wirklich viel erreicht. Dies sagt übrigens auch der Landesbehindertenrat ganz klar. Ich habe dort bei der letzten Sitzung nachgefragt. Da ist sehr viel passiert.
Gleichzeitig möchte ich sagen, dass die Behindertenbeauftragte in alle Kommunen gereist ist und sich intensiv dafür eingesetzt hat, dass überall ein Behindertengleichstellungsbeauftragter installiert wird. Da ist in Bayern unendlich viel geschehen, gerade auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung. Ich denke an barrierefreie Internet- und Intranetauftritte, an die Zugänglichmachung von Dokumenten für blinde und sehbehinderte Menschen in geeigneter Form. Ich denke an die Erstattung der Kosten für Gebärdensprachdolmetscher für das Dolmetschen im Verwaltungsverfahren und im Bereich der Kommunikation mit der Schule, also auch bei Elternsprechstunden.
Im vorliegenden Gesetzentwurf ist mit Sicherheit die Entfristung wichtig. Wir wollen noch einmal zusätzlich eine Qualitätsverbesserung für die Menschen auf den Weg bringen. Ich bin durchaus stolz darauf, das möchte ich hier klar und deutlich sagen, dass uns hier neben der unbefristeten Fortführung noch wesentliche Verbesserungen gelungen sind: Menschen mit seelischer Behinderung werden in Artikel 1 des Gesetzes ausdrücklich und explizit erwähnt. Es wird gesagt, dass sie unter den Geltungsbereich des Gesetzes fallen. Seelische Behinderungen sind oft nicht sichtbar, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deswegen ist es wichtig, dass die Menschen mit seelischen Behinderungen hier in das Gesetz aufgenommen werden.
können Sie sich nur erlauben, weil SPD und CSU zustimmen. Ich denke nicht, dass Sie wirklich wollen, dass in Bayern kein Behindertengleichstellungsgesetz mehr gilt.
Vor diesem Hintergrund denke ich schon, Frau Kollegin Ackermann, Sie sollten insgesamt in Ihrem Redebeitrag ein Stück weit sachlicher sein.
Wir haben natürlich die Behindertenverbände beteiligt, 62 an der Zahl, und davon haben 31 Stellungnahmen in das ganz normale Anhörungsverfahren Eingang gefunden.
Ich möchte Ihnen ganz klar sagen, Frau Kollegin Ackermann: Ihr Vergleich mit den Fröschen
war gerade hinsichtlich der Anhörung der Behindertenverbände ausgesprochen unpassend. Deswegen möchte ich ihn in aller Form zurückweisen.
Die Ziele im Bayerischen Gleichstellungsgesetz sind und waren immer die gleichen. Wir wollen auf der einen Seite das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Selbstbestimmung. Dieses Recht auf Selbstbestimmung wollen wir in Bayern weiterhin auf ein stabiles rechtliches Fundament stellen. Wir wollen Barrieren abbauen, tatsächliche, aber auch mentale Barrieren, und wir wollen ein deutliches Signal für ein soziales Bayern geben.
Frau Kollegin Steiger, Bayern kommt hier schon eine Vorreiterrolle zu. Wir waren eines der ersten Länder, die nach Inkrafttreten des Bundesgleichstellungsgesetzes ein eigenständiges Gleichstellungsgesetz geschaffen haben.
Nein, Niedersachsen hat erst im Januar 2008 ein Landesgesetz geschaffen,
und viele andere Länder – ich weiß schon, dass Ihnen das nicht passt – in Deutschland – ich zähle sie nicht auf – waren wesentlich später dran als Bayern.
Wir leben in einer parlamentarischen Demokratie. Natürlich hat auch die Opposition das Ihre dazu beigetragen,
Sie haben noch drei Minuten und 53 Sekunden Redezeit.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich gehe recht in der Annahme, dass der Themenbereich Mindestlohn für Sie nicht ganz so ein Reizthema ist wie das vorhergehende Thema, aber ähn
Anlass gegeben wäre. Sie können auch von uns befragt werden. Das ist ja auch zum Vorteil dieser Tätigkeit.
Nun zu den Gesprächen mit der LBBW. Sie wissen, dass die Landesbank Baden-Württemberg im Herbst letzten Jahres Signale ausgesandt hat, sie würde eine Fusion begrüßen. Sie wissen auch, dass sich der Vorstand der Landesbank damit beschäftigt hat und dort die Mehrheit der Vorstandsmitglieder die Meinung vertreten hat, entweder diese Fusion oder als Zweites die bayerische Lösung. Dazu, muss ich sagen, habe ich im November letzten Jahres ausführlichst den Haushaltsausschuss informiert. Herr Kollege Ach, Sie können es bestätigen.
Und Herr Mütze, Sie waren doch dabei. Da muss ich fragen: Wozu rede ich denn eigentlich stundenlang im Haushaltsausschuss, wenn Sie mir zwei Monate später im Februar wieder die gleichen Fragen stellen? Das ist für mich der Beweis dafür, dass es Ihnen nicht um Information, sondern um Polemik geht, meine Damen und Herren.
SPD und CSU oder besser gesagt CSU und SPD sind in dieser Sitzung übereinstimmend zu der Meinung gekommen, dass wir die bayerische Lösung befürworten.
Wir haben dann aufgrund dieser Entscheidung in einer Sitzung des Verwaltungsrats vom Dezember einvernehmlich den Vorstand beauftragt, ein Geschäftsmodell zu erarbeiten und dem Verwaltungsrat vorzulegen.
Das wird– wenn Sie richtig zugehört hätten – am 4. März dieses Jahres kommen. Das heißt, ich habe in Sachen Fusion mit der LBBW, mit Vertretern der Landesbank von Baden-Württemberg, zu keinem Zeitpunkt Gespräche geführt. Und sie hatten sich übrigens, weil andere in Gesprächen waren, mit der Entscheidung vom Dezember erledigt.
Nun zu den zwei letzten Fragen. Herr Schmidt hat aufgrund der bekannten Situation seine Position niedergelegt. Natürlich sind damit die bekannten Probleme im Zusammenhang mit diesen Anlagen - mögliche Zahlungsausfälle und Wertberichtigungen - nicht erledigt. Ich wiederhole, dass es auch von der Marktentwicklung abhängt, dass es rauf- oder runtergehen kann. Wertberichtigungen sind keine endgültigen Ausfälle, sondern eine Reaktion auf die Marktsituation. Wenn sich die Marktsituation weiter verbessert, wird es andere Zahlen geben.
Ich fasse noch einmal zusammen, meine Damen und Herren.
Wenn der Oberbürgermeister und Präsident des Städtetages, Herr Schaidinger, der ebenfalls Ihrer Partei angehört, sagt „Wenn es die Tarifparteien nicht schaffen, dass Menschen von ihrer Arbeit leben können, dann muss der Staat einen Mindestlohn gewährleisten“, dann ist das ein deutliches Zeichen, Kolleginnen und Kollegen.
Wenn dann noch dazukommt, dass die OECD vor der zunehmenden Altersarmut in Deutschland warnt – denn Deutschland hat die niedrigsten Renten für die Geringverdiener –, dann ist das auch ein deutliches Zeichen, wohin es läuft. Warum fordern denn wohl namhafte Kommunalpolitiker der CSU Mindestlöhne? Sind Ihre Kommunalpolitiker für die Planwirtschaft, nachdem Minister Glos gemeint hat, dass Mindestlöhne der erste Schritt dorthin wären? Da frage ich Sie, wo die 20 Länder in der Europäischen Union, die Mindestlöhne haben, eine Planwirtschaft haben. Das ist doch Ideologie, was hier verbreitet wird.
Das hilft keinem der Menschen, die dringend ordentliche Löhne brauchen, um davon mit ihrer Familie noch leben zu können.
Wenn wir uns anschauen, dass wir eine zunehmende Zahl von Aufstockern haben, 500 000 Vollzeitbeschäftigte in Deutschland, und die Kommunen diese Pfl ichtleistungen übernehmen und Armutsrenten dann die Folge von Armutslöhnen sind, dann können Sie so nicht weitermachen, Kolleginnen und Kollegen. Bis jetzt werden aus dem Bundeshaushalt allein 1,5 Milliarden Euro für die Aufstocker in Deutschland aufgewendet. Wenn der Lohn nicht ausreicht, um bei 40 Stunden Arbeit eine Familie zu ernähren, dann ist das ein Skandal. Und sagen Sie nicht, was sehr oft von Ihrer Seite kommt, dass das alles Geringqualifi zierte sind. Das ist schlichtweg falsch. 60 % haben eine abgeschlossene Berufsausbildung.
Die Gehälter der Topmanager sind deutlich gestiegen, wie in den Zeitungen zu lesen war. Gleichzeitig arbeiten 2,5 Millionen Menschen in Deutschland für Armutslöhne. Das kann nicht sein. Hier werden die Gewinne privatisiert und die Kosten sozialisiert. Damit müssen wir ein Ende machen.
Es kann nicht die Aufgabe des Staates sein, aus seinem Haushalt Lohndumping zu fördern. Es ist die Aufgabe des Staates, für eine gute öffentliche Infrastruktur zu sorgen, für eine gute Bildung aller Kinder und für eine gute Gesundheitsversorgung. Gleiches gilt auch für die Kommunen.
Kolleginnen und Kollegen, in diesem Haus haben wir die Situation der Kinder in Bayern diskutiert, und wir haben feststellen müssen, dass 160 000 Kinder in Bayern an oder unter der Armutsgrenze leben. Wenn wir uns darüber einig sind, dass wir einen Weg fi nden müssen, in den Kindertagesstätten und Schulen ein Mittagessen zu fi nanzieren, weil die Kinder hungrig in diese Einrichtung
lich. Ich sage Ihnen, das ist selbstverschuldet. Sie sollten die Argumente für einen Mindestlohn ernst nehmen, und Sie sollten vor allen Dingen diejenigen ernst nehmen, die mit guten Gründen für den Mindestlohn sprechen. Und das werden immer mehr,
vor allem auch in Ihrer Partei, in der Union. Es ist nicht nur der Chef der Jungen Union. Es ist nicht nur der Kollege Kobler – ich sehe ihn gerade nicht –, und es ist nicht nur Herr Blüm von der CDU, der in seinem sehr bemerkenswerten Gastkommentar in der „SZ“ im April letzten Jahres mit der Überschrift „Der Mindestlohn muss her“ gesagt hat: „Die Neoliberalen ramponieren das Leistungsprinzip, indem sie Arbeitnehmer nur noch mit Almosen abspeisen wollen.“
Oder Herr Seehofer, der zu Recht meint: „Bei Löhnen, die staatlich aufgestockt werden, wird der Sozialstaat zum Sozialhilfestaat.“
Sie hören das nicht gerne, das wissen wir. Aber hören Sie doch bitte auch einmal auf Ihre Kommunalpolitiker.
Hören Sie auf den Oberbürgermeister von Ingolstadt, der Ihrer Partei angehört und gesagt hat:
Wenn jemand den ganzen Monat arbeitet und danach noch zum Sozialamt gehen muss, dann stimmt etwas nicht.
Das können wir nur unterschreiben!
Abschließend forderte er bei einem Neujahrsempfang den Ministerpräsidenten Beckstein und alle Parteioberen auf, intensiv darüber nachzudenken, ob es noch christlich und sozial sei, Familienvätern Löhne zu zahlen, die nicht zum Überleben reichen. Die 1200 Zuhörer im Theaterfestsaal applaudierten, und Beckstein staunte. Ich ergänze noch: nicht nur die Familienväter, sondern auch die Familienmütter.
Wenn er dann noch nachlegt und sagt, als Wirtschaftswissenschaftler bezweifl e er, dass ein Mindestlohn Arbeitsplätze koste, dann können wir das nur unterstreichen. Wir wissen das aus den einschlägigen Untersuchungen.
gerechte Arbeit“ einschlägig geäußert haben. Das war Papst Leo und das ist Papst Benedikt.
Sie – nicht wir – haben nach der Hessenwahl angekündigt, Sie wollten im Wahlkampf die soziale Karte spielen. Fangen Sie doch bitte mit dem Mindestlohn an. Dazu braucht es keinen Wahlkampf und auch keine Hessenwahl. Im Grunde genommen wissen Sie, dass Sie sich in Ihrer Ablehnung verrannt haben. Tun Sie etwas. Seien Sie endlich bereit, sich für einen gesetzlichen Mindestlohn einzusetzen, Kolleginnen und Kollegen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frau Ackermann, ich muss Sie schon nach dem Sinn Ihres Tuns fragen, weil in dem Antrag eindeutig steht, dass Sie die Staatsregierung auffordern, im November dieses Jahres im Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik mündlich und schriftlich zu berichten, wie der Stand bei der Erstellung des Landessozialberichts ist, wie sich die Konzeption des Landessozialberichtes derzeit darstellt und wann die Fertigstellung und Veröffentlichung des Landessozialberichts vorgesehen ist. Das ist wirklich in aller Ausführlichkeit und in epischer Breite geschehen.
Man kann es auch im Protokoll der Sitzung nachlesen. Die Sitzung war öffentlich, auch die Wohlfahrtsverbände waren vertreten.
Wir haben uns als SPD-Fraktion mit der Staatsregierung und mit der CSU immer auseinandergesetzt, was die Chronologie und die Veröffentlichung des Sozialberichtes anbelangt. Deshalb ist es eigenartig, wenn nun vonseiten der GRÜNEN hierzu wirklich ein Schaufensterantrag gestellt worden ist. Der Antrag ist obsolet. Er hat sich erledigt. Dass der Sozialbericht in den letzten Legislaturperioden entgegen dem in diesem Hause gefassten einstimmigen Votum nicht fortgeschrieben worden ist, haben wir ausführlich diskutiert. Das kritisieren wir, und das haben wir immer kritisiert.
Aber die SPD-Fraktion hat vielfach Anträge und Initiativen gestellt. Die CSU hat den einstimmigen Beschluss zur Fortführung des Sozialberichtes gebrochen. Jetzt wird ein Sozialbericht vorgelegt, zu spät, wie wir meinen. Aber wie gesagt, es ist im Ausschuss berichtet worden.
Frau Ackermann, da Sie jetzt beklagen, dass nur ein Vierteljahr Zeit für die Erstellung des neuen Berichts sei, wäre die Konsequenz aus Ihrer Argumentationsschiene: Der Bericht kommt noch später. Das wollen Sie aber auch nicht. Also, was wollen Sie denn eigentlich?
Ich möchte noch etwas sagen, was mich besonders ärgert. Vonseiten der Staatsregierung und auch der CSU war eine Argumentationsschiene, dass die Erstellung des Sozialberichtes, die mit 500 000 Euro angesetzt war, zu teuer sei. Auf der anderen Seite hat der Oberste Rech
nungshof nachgewiesen, dass zwei Millionen Euro aus der Ausgleichsabgabe in den vergangenen fünf Jahren für eine mehr oder weniger fragwürdige Öffentlichkeitsarbeit „verschwendet“ worden sind. Da frage ich mich auch, wie es nach den Gesetzen der Logik geht, dass auf der einen Seite 500 000 Euro zu viel sind, aber auf der anderen Seite zwei Millionen mehr oder weniger in den Sand gesetzt worden sind.
Ich halte diesen hochgezogenen Dringlichkeitsantrag, der in aller Ausführlichkeit im Ausschuss behandelt wurde und mit der Berichterstattung eigentlich erledigt ist, für eine ausgesprochen merkwürdige Geschichte und für einen Schaufensterantrag. Damit kommen wir nicht weiter. Der Sozialbericht wird kommen, wenn auch in unseren Augen viel zu spät. Dann werden wir die politischen Konsequenzen daraus ziehen.
Frau Kollegin Ackermann, ich möchte Ihnen noch einmal ganz deutlich sagen: Uns liegen der Bericht zur sozialen Lage und die Lebenslagen sehr am Herzen.
Es war von Anfang an unsere Initiative, einen Sozialbericht zu erstellen.
Sie haben mir jetzt schlichtweg das Wort im Mund umgedreht, weil Sie nicht begreifen, was in Ihrem Antrag steht. Dieser Antrag ist in dieser Formulierung letzte Woche am Donnerstag durch den Bericht schlicht erledigt worden, aus und Ende.
Ich habe vorhin gesagt: Es ist zu viel Zeit versäumt worden. Das beklagen wir. Aber wenn Sie nicht zuhören und nicht zuhören wollen, dann tut es mir leid. Aber das hilft nichts und niemandem.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diesen Gesetzentwurf zur Änderung des AGSG im sozialpolitischen Ausschuss ausführlichst beraten. Die Änderungen im Bereich des SG II und des Ausführungsgesetzes für das Freiwillige Soziale Jahr sind unproblematisch, sodass es sich eigentlich erübrigt, noch einmal darauf einzugehen. Problematisch ist aber der Bereich der Zusammenführung der Eingliederungshilfe im SGB XII. Wir hatten damals vorgeschlagen: Ziehen Sie diesen Gesetzentwurf zurück, bis es eine gesamte, sinnvolle Lösung gibt, nämlich nicht nur die ambulante und stationäre Eingliederungshilfe, sondern auch die ambulante und stationäre Hilfe der Pflege zusammenzuführen. Dazu sage ich später noch etwas. Bisher war es so, dass die ambulante Eingliederungshilfe bei den Kommunen – sprich: bei den Landkreisen und den kreisfreien Städten –, die stationäre Eingliederungshilfe bei den Bezirken angesiedelt war. Das hat zwischen ambulanter und stationärer Eingliederungshilfe zu Drehtüreffekten geführt.
Um Kosten zu sparen, wurde auch verhindert, neue Wohn-, Lebens- und Betreuungsformen zu entwickeln, die dringend notwendig sind; denn Menschen mit Behinderung sind derart vielfältig, dass man Konzepte erarbeiten muss, die auf die Menschen zielgenau ausgerichtet sind. Wir halten die Zusammenführung bei den Bezirken für richtig – das sage ich auch –, wobei wir ganz genau beobachten und in absehbarer Zeit überprüfen werden, wie die Bezirke im Sinne der betroffenen Menschen handeln und wie sie das AGSG umsetzen. Die Zusammenführung darf keinesfalls die Aufforderung zu einer Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner sein oder zu Leistungskürzungen führen.
Darin sind wir uns einig, das ist überhaupt keine Frage. Ich will hier noch einmal deutlich machen und den Bezirken im wahrsten Sinne des Wortes ins Stammbuch schreiben, dass wir dieses ganz genau beobachten werden.
Ich weiß, weshalb ich das so deutlich sage; denn ich komme aus Oberfranken, und ich habe es satt – das sage ich auch –, dass ich jedes Mal, wenn ich zum Thema „Politik für Menschen mit Behinderung“ durch den ganzen Freistaat Bayern reise und sage, ich komme aus Oberfranken, höre, ach ja, der Bezirk Oberfranken. Das kann es nicht sein.
Wenn das AGSG so umgesetzt wird, wie wir es uns vorstellen, können Bezirke und Wohlfahrtsverbände mit den und für die Betroffenen optimale Hilfen konzipieren, und zwar ohne Zuständigkeitsrangeleien. In der Frage, wie man das handhaben könnte, wären natürlich die Sozialhilfeausschüsse ein wichtiger Faktor; das ist einer unserer Kritikpunkte.
Aber leider Gottes haben Sie von der Staatsregierung und von der Mehrheitsfraktion die Sozialhilfeausschüsse der Beliebigkeit anheimgestellt.
Und damit praktisch abgeschafft. Die Entbürokratisierung, die Zusammenlegung der Verwaltung, also auch eine Straffung der verwaltungstechnischen Dinge, ist ein Bereich. Bei der Abrechnung und bei den Entgeltverhandlungen ist mit sieben Bezirken leichter zu verhandeln als mit 96 örtlichen Sozialhilfeträgern. Aber wir müssen das Augenmerk darauf richten, welche Auswirkungen das auf die betroffenen Menschen hat. Die berechtigten Ängste bei Änderungen der Zuständigkeiten im ambulanten Bereich sind auch dadurch deutlich geworden, dass es zum AGSG Petitionen gab, und das müssen wir als Gesetzgeber ernst nehmen. Die Bezirke sind künftig dafür verantwortlich, diese Bedenken zu zerstreuen. Wir werden, wie gesagt, die Umsetzung genau beobachten.
Herr Unterländer, der Entschließungsantrag, auf den Sie verwiesen haben, zeigt, dass auch Sie der Auffassung sind, im Vorfeld der Gesetzesänderung ist vonseiten der Staatsregierung nicht alles Notwendige getan worden, um hier die Bedenken zu zerstreuen.
Die Zusage der Bezirke, die bestehenden Verträge und Vereinbarungen eins zu eins zu übernehmen, steht. Aber es stellt sich auch die Frage, was dann passiert, wenn diese Vereinbarungen abgelaufen sind und wenn neu verhandelt werden muss. Das müssen wir begleiten. Um die Bedenken der Betroffenen zu zerstreuen, wäre es besser gewesen, die Staatsregierung hätte hier vorgearbeitet – sprich: im Vorfeld klare Maßgaben getroffen – und mit den Bezirken klare Vereinbarungen getroffen.
Herr Unterländer, ganz ruhig!
Selbstverständlich wäre das gegangen; denn die Behinderungen sind so vielfältig und unterschiedlich wie die Menschen. Deshalb müssen auch die Konzepte dafür unterschiedlich und vielfältig sein.
Wir haben einen massiven Kritikpunkt, nämlich dass die Zusammenführung der Eingliederungshilfe nur der erste Schritt ist. Sinnvoll und konsequent wäre es gewesen, die Hilfe zur Pflege mit der Eingliederungshilfe, mit der Zusammenführung der ambulanten und stationären Bereiche auf den Weg zu bringen.
Das haben Sie sich nicht getraut. Das haben Sie nicht gemacht. Das haben Sie unter Umständen nicht gewollt, um im kommenden Jahr Ärger zu vermeiden.
Ich sage Ihnen aber, warum wir das für sinnvoll halten: Es gibt zunehmend Menschen, die sowohl Eingliederungshilfe als auch Hilfe zur Pflege erhalten. Damit gibt es ein neues Problemfeld, wenn zum Beispiel die Eingliederungshilfe zusammengeführt wird und die Hilfe zur Pflege bei einem anderen Sozialhilfeträger liegt, wenn also die Hilfen nicht in einer Hand liegen. Es gab bei der Beratung im sozialpolitischen Ausschuss vonseiten der Staatsregierung die Aussage, dass bei Menschen mit Behinderung, die Eingliederungshilfe bekommen, auch die Hilfe zur Pflege zu den Bezirken komme.
Warum macht man es denn dann nicht gleich insgesamt?
Hier erschließt sich MIR, mit Verlaub, nicht die Logik Ihres Tuns.
Auch bei der Hilfe zur Pflege macht es Sinn, die Trennung von ambulant und stationär aufzuheben; denn das entspricht nicht mehr den Erfordernissen der älter werdenden Gesellschaft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, trotz unserer berechtigten Kritik stimmen wir zu, weil die Zusammenführung grundsätzlich richtig ist. Aber die Bezirke werden mit unserer kritischen Begleitung rechnen müssen. Wir werden genau hinschauen, und, Herr Unterländer, wir werden nicht nur ein Auge darauf werfen, das ist zu wenig. Mit beiden Augen sieht man besser.
Wir werden beide Augen darauf werfen müssen, und das ganz genau. Ich kündige jetzt schon an, dass wir in der neuen Legislaturperiode einen Antrag auf eine Anhörung mit allen Beteiligten, vor allen Dingen den Organisationen der Behindertenverbände, stellen werden. Es ist notwendig, den Bezirken schon im Vorfeld deutlich zu machen, dass wir das weiter begleiten; Denn sonst macht die Zusammenführung keinen Sinn.
Wie gesagt, wir stimmen dem Gesetzentwurf zur Zusammenführung der Eingliederungshilfe zu mit unseren kritischen Anmerkungen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frau Staatsministerin, Sie haben gerade die Ausgleichsabgabe angesprochen und darauf hingewiesen, dass der Freistaat Bayern bei den Integrationsfirmen so viel zahlt. Wenn man sich auf den Tabellen ansieht, was die einzelnen Länder mit der Ausgleichsabgabe machen, stellt man fest, dass es sehr unterschiedlich ist. Bayern steht dabei nicht immer an der Spitze.
Ich will Ihnen aber auch noch etwas anderes sagen. Ihnen ist sicherlich der Bericht des Obersten Rechnungshofes bekannt. Er führt aus, dass in den Jahren 2000 bis 2005 knapp zwei Millionen Euro aus der Ausgleichsabgabe für die Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben worden sind. Mit großem Aufwand sind Präsentationen auf verschiedenen Messen gefördert worden. Das fehlt den Menschen in den Werkstätten, das fehlt den Menschen in den Integrationsfirmen, und das fehlt den Integrationsfachdiensten.
Ein Weiteres noch: In den Jahren zwischen 1996 und 2005 sind mindestens drei Millionen Euro für letztlich nicht oder zumindest nicht dauerhaft eingesetzte Software aufgewendet worden. Auch das fehlt den Menschen mit Behinderung in den Werkstätten und in den Integrationsfirmen, und es fehlt den Integrationsfachdiensten. Rund fünf Millionen Euro sind damit quasi in den Sand gesetzt worden, die bei den Menschen, die das Geld brauchen, hätten ankommen müssen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Bayerische Gesetz zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung tritt mit Ablauf des 31. Juli nächsten Jahres außer Kraft. Es war auf fünf Jahre begrenzt. Eine Verlängerung, die wir für dringend notwendig halten, bedarf einer entsprechenden Novellierung des Gesetzes.
Ich möchte anfangs einen kurzen Rückblick in die Geschichte des Gesetzes geben. Die SPD-Fraktion hat im Jahre 2002 einen Gesetzentwurf im Bayerischen Landtag eingebracht, der nicht das Wohlwollen der Mehrheit gefunden hat. Die Staatsregierung hat dann ein Jahr später nachgezogen. Nun liegt ein einstimmiger Beschluss des Hohen Hauses vor. Aber das Gesetz ist, wie gesagt, auf fünf Jahre befristet.
Diese Frist wird im nächsten Jahr ablaufen und wir müssen – hier herrscht hoffentlich Einigkeit in diesem Hohen Hause – das Gesetz verlängern und unbefristet stellen.
Es betrifft nämlich eine Daueraufgabe. Trotz des allgemeinen Gleichstellungsgesetzes des Bundes und des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes müssen wir wegen der Föderalismusreform, die den Ländern deutlich mehr Kompetenzen gegeben hat, die jetzt zum Tragen kommen, darauf achten, dass das Gesetz weitergeführt wird.
Trotz des Gleichstellungsgesetzes gibt es immer noch Barrieren und Diskriminierung. Es gibt sichtbare und unsichtbare Barrieren, vor allen Dingen in den Köpfen vieler.
Es stellt sich die Frage nach der bisherigen Umsetzung des Gesetzes, das wir als SPD-Fraktion deutlich weiter gefasst haben wollten. Ich meine, im Rahmen der Beratung wird auch eine Anhörung nötig sein. Da hoffe ich auf die Zustimmung des gesamten Hohen Hauses, dass eine Anhörung durchgeführt wird.
Bei diesem Gesetz ist zu fragen: Was hat sich bewährt? Was muss verbessert werden? Welche Erkenntnisse haben wir in den vergangenen fünf Jahren gewonnen? Wie sehen die Betroffenen und die Verbände die Umsetzung des Gesetzes? Was hat es also gebracht?
Unser Vorschlag war damals, dem Landtag zweimal je Legislaturperiode über die Umsetzung berichten zu lassen. Er ist damals leider von der Mehrheitsfraktion abgelehnt worden. Aber jetzt stellt sich heraus, dass sich die Verwirklichung des Vorschlags durchaus bewährt hätte.
Wir sahen damals einen Verbesserungsbedarf und sehen ihn nach wie vor. Es hat Jahre gedauert, bis zum Beispiel die Rechtsverordnungen, die die Gebärdensprache und die Gebärdendolmetscher betreffen, bezüglich des barrierefreien Ausbaus von Internet und Intranet erlassen wurden und bis die kommunalen Behindertenbeauftragten in allen Kommunen bestellt worden sind.
Die Frage ist auch: Was ist im Bereich des barrierefreien Bauens, des barrierefreien Lebens und Wohnens im Bereich der Bauordnung, des Denkmalschutzes und des ÖPNV passiert? Was ist da aufgrund des Gesetzes verbessert worden? Was muss noch verbessert werden? Das betrifft zum Beispiel auch den Bereich des Studien
gangs Architektur. Wir wissen ja um die Freiheit der Lehre und der Entscheidung der Hochschulen, wie der Studiengang auszugestalten ist.
Zu unserem Leidwesen fehlen in dem Gesetz die Bereiche Bildung und Integration in den Kindertagesstätten und Schulen. Man muss fragen: Ist eine Änderung bzw. eine Aufnahme in das Gleichstellungsgesetz und in das BayKiBiG sowie in das EUG notwendig? Was ist bezüglich des Zugangs zur Hochschule in der Zwischenzeit passiert? Hat sich das Verbandsklagerecht bewährt? Ist es in Anspruch genommen worden? Hat sich das Konstrukt „Kommunikationshilfe“ bewährt? Hat sich die Konstruktion bewährt, dass die Behindertenbeauftragte der Staatsregierung eben bei der Staatsregierung angesiedelt ist, oder wäre es nicht besser gewesen, die Behindertenbeauftragte wie den Datenschutzbeauftragten beim Landtag anzusiedeln, wie wir es gewollt haben?
Wir sollten die Betroffenen während der Gesetzesberatung im Rahmen einer Anhörung zu Wort kommen lassen. Dies haben wir bewusst noch nicht beantragt. Denn ich hoffe, dass das gesamte Hohe Haus so beschließt. Das wäre ein deutliches Signal. – Herr Unterländer, Sie schütteln noch nicht Ihren Kopf. Damit sehe ich, dass wir zu einer Einigung kommen werden. Diese Einigung halte ich für notwendig.
Wir haben bisher keine Änderungsanträge gestellt, sondern mit dem Gesetzentwurf nur eine Verlängerung vorgesehen. Denn es ist notwendig, aufgrund einer Anhörung zu Änderungsanträgen zu kommen. Bei uns wird dies sicherlich der Fall sein. Es muss zu Änderungen und vor allem Verbesserungen des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes kommen. Artikel 118 a der Bayerischen Verfassung mit dem eindeutigen Benachteiligungsverbot und das Gleichstellungsgesetz sind noch nicht erfüllt und so umgesetzt, dass man sagen könnte: In diesen fünf Jahren wurde alles erreicht.
Die gesamtgesellschaftliche Aufgabe, wie sie in Artikel 1 des Gleichstellungsgesetzes mit Blick auf die Integration von Menschen mit Behinderung beschrieben ist, ist eine Daueraufgabe. Der müssen wir uns stellen. Wir haben mit dem Gesetzentwurf das Gesetz unbefristet über den 31. Juli 2008 hinaus fortzuführen. Wir haben es jetzt in den Geschäftsgang des Landtags eingebracht, damit hier nichts versäumt wird und wir bis zum Juli kommenden Jahres Zeit haben, die Dinge ausführlich zu diskutieren. Alle Betroffenen sollten wir ausführlich zu Wort kommen lassen, damit wir mit der Integration und der gesamtgesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderung sowie dem Austausch zwischen Menschen mit und ohne Behinderung ein Stück weiterkommen.
Ich hoffe, dass wir im Rahmen der Beratung dieses Gesetzes deutliche Verbesserungen beschließen werden.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Es ist höchste Zeit für Mindestlöhne. Wir haben dies schon vielfach diskutiert. Ich kann Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, gleich mit einem Zitat von Norbert Blüm auf dieses Thema einstimmen.
Er hat deutlich gesagt: Beim Mindestlohn ist es schon längst nicht mehr die Frage, ob, sondern nur noch die Frage, wann.
Inzwischen haben 21von 27 Staaten der Europäischen Union Mindestlöhne. Ich frage Sie ernsthaft: Können sich 21 EU-Staaten in dieser Frage irren? – Ist in 21 Staaten der Europäischen Union das geschehen, was Sie jedes Mal, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, als Szenario an die Wand malen, dass nämlich Mindestlöhne Arbeitsplätze kosten, dass sie Schwarzarbeit fördern und dass Firmen abwandern? – Es gibt keine empirische Untersuchung, durch die dieses Szenario bestätigt wird. Im Gegenteil: Mindestlöhne sorgen für Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt. Die Low Pay Commission in Großbritannien, die nun wirklich eine lange Erfahrung hat, hat sogar eine Beschäftigungszunahme konstatiert.
Das ist nicht wahr, Herr Kollege Kupka, das stimmt überhaupt nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sollten sich damit wirklich auseinandersetzen und das nachlesen. Sie sollten sich die Tabellen anschauen,
bevor Sie hier etwas in die Debatte werfen, was nicht stimmt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, spätestens dann, wenn die EU-weite Öffnung der Arbeitsmärkte kommt – wann das ist, ist abzusehen –, kommt auch auf den deutschen Arbeitsmarkt zu, dass wir einen flächendeckenden Mindestlohn brauchen. Spätestens dann
muss er eingeführt sein. Dann heißt es: gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort.
Das ist eine ganz simple Formel, Herr Kollege Kupka: gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Es gibt das gute Beispiel im Baugewerbe, ein gutes Beispiel bei den Gebäudereinigern. Das wollten auch die verantwortungsvollen Arbeitgeber haben. Lohndumping geht zulasten aller. Wir sehen das am Beispiel der Postdienste, wo Sie sich nach wie vor sperren und wo Frau Kanzlerin Merkel wortbrüchig geworden ist. So war es. Während die Deutsche Post AG 11,80 Euro pro Stunde zahlt, liegt der durchschnittliche Stundenlohn der neuen Briefdienstleister in Ostdeutschland bei 5,90 Euro, in Westdeutschland bei 7 Euro. Es gibt auch in Westdeutschland Unternehmen, die nur noch 4 Euro Grundlohn und einen zusätzlichen Akkordzuschlag von ein paar Cent pro ausgetragenem Stück zahlen. Solche Billiglöhne kommen den Kunden aber nur vermeintlich zugute; denn wenn Menschen, die zu Dumpinglöhnen arbeiten, davon nicht leben können, haben sie Anspruch auf aufstockende Hilfe. Das hat Frau Ministerin Stewens selbst gesagt: Da gibt es einen Anspruch. Es kann aber nicht sein, dass der Steuerzahler dann die Billiglöhne und damit die Unternehmer subventioniert. Dadurch, dass sie sich einem durchgängigen Mindestlohn und der Ausweitung des Entsendegesetzes im Postbereich verweigern, werden Sie zu Lobbyisten des Springer-Verlags und der Otto-Gruppe. Das muss man Ihnen sagen.
Die Einkommensschere geht weiter auseinander. Wir haben zweieinhalb Millionen Menschen, die in Vollzeit im Armutslohnbereich beschäftigt sind. 500 000 erhalten ergänzende SGB-II-Hilfen. Dumpinglöhne schaden der Wettbewerbsfähigkeit von Betrieben, die faire Löhne zahlen. Das können wir so nicht wollen.
Es gibt auch Tariflöhne in Bayern, die bei 4, 5 oder 6 Euro liegen. Das sind keine gering qualifizierten Arbeitsplätze. 60 % der Niedriglohnbezieher haben eine abgeschlossene Berufsausbildung. Das muss man sich vor Augen halten. Wir haben deshalb den vorliegenden Dringlichkeitsantrag gestellt, mit dem wir die Staatsregierung auffordern, die Initiative des Bundeslandes Rheinland-Pfalz im Bundesrat zur Einführung eines flächendeckenden Mindestlohnes zu unterstützen; denn nur so kommen wir ein Stück weiter. Billige Löhne sind letztendlich viel zu teuer. Wir haben weniger Einnahmen in den Sozialkassen, wir haben weniger Einnahmen bei den Steuern; das engt den Spielraum für staatliches Handeln und für Investitionen ein. Das können wir uns schlichtweg nicht erlauben. Wir können nicht hinnehmen, dass einige wenige sehr gut an Billiglöhnen verdienen,
während alle anderen dafür die Zeche zahlen müssen. Deshalb unser Antrag.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ältere Arbeitnehmer und ältere Arbeitnehmerinnen in Beschäftigung zu bringen, zu halten und sie auch zu qualifizieren, ist nicht nur eine Frage der demografischen Entwicklung und der steigenden Nachfrage nach Fachkräften, sondern hat vor allem zu tun mit Würde, Menschenwürde, dem Recht auf Arbeit und dem Erfahrungsschatz älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auf die wir nicht verzichten können. Insofern sind wir uns einig, Herr Kollege. Es ist einfach nicht mehr hinnehmbar, dass es in der Bundesrepublik Deutschland und in Bayern Betriebe gibt, die kaum mehr Beschäftigte über 45 oder 50 haben. Auch wenn die Maßnahmen der vorhergehenden und der jetzigen Bundesregierung und die Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit hier schon Erfolge zeigen, muss noch mehr getan werden. Das ist keine Frage.
Die alte wie auch die derzeitige Bundesregierung haben eine Reihe von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen für ältere Menschen auf dem Arbeitsmarkt auf den Weg gebracht. Ich erwähne nur das Projekt „50 plus“ und – ganz aktuell – mit Wirkung vom 01.01.2007 das Gesetz zur Verbesserung von Beschäftigungschancen älterer Menschen, und zwar in Bezug – weil es um den Antrag geht, den die CSU hier als Dringlichkeitsantrag eingebracht hat – auf Qualifizierung und Weiterbildung. In diesem Gesetz steht unter anderem, dass Beschäftigte in Betrieben bis zu 250 Mitarbeitern – bisher war es auf 100 begrenzt – künftig bereits ab dem 45. Lebensjahr – vorher war es ab dem 50. Lebensjahr – Bildungsgutscheine für zertifizierte Weiterbildungen erhalten. Das ist ein wichtiger Schritt. Das nur als Vorbemerkung.
Nun zu Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Man reibt sich manchmal schon sehr verwundert die Augen, wenn man hört, was bei Ihnen dringlich ist. Vor sage und schreibe einem Jahr fand der Kongress „Aufbruch mit 50!“ der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft mit der Staatsregierung statt. Der damalige Ministerpräsident hat das eben erwähnte Neun-PunkteProgramm vorgestellt. Der Inhalt waren Appelle an Unternehmen, Tarifpartner und den Bund. Zielgerichtete Maßnahmen der Staatsregierung – keine, Fehlanzeige. Vor einem Jahr haben wir von der SPD-Fraktion – federführend war Frau Kollegin Dr. Kronawitter, die sich mit dem Thema älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihrer Chancen auf dem Arbeitsmarkt intensiv beschäftigt hat – ein Antragspaket vorgelegt mit dem Titel: „Beschäftigungschancen für ältere Erwerbstätige erhöhen“. Wissen Sie überhaupt noch, was Sie damit gemacht haben? – Sie haben es abgelehnt. Sie haben unsere Initiativen nicht gewollt. Einzig für den Bereich der Gesund
heit waren Sie gnädig und bereit zu einer Umwandlung in einen Berichtsantrag.
Vor einem Jahr haben Sie diese Initiativen also abgelehnt, und jetzt kommen Sie mit einem Dringlichkeitsantrag zur gleichen Thematik. Sagen Sie bitte jetzt nichts. Ich kenne sämtliche Argumente, die Sie immer anführen, wenn es um Anträge der SPD geht.
Sie kommen immer zur Unzeit und sie sind vor allem nicht von Ihnen. Ich weiß, Sie brauchen Zeit. Das ist ganz klar. Im Januar kam es zur Rücktrittsforderung gegen Herrn Stoiber. Es gab den Pauli-Ärger und die Frage, wer Ministerpräsident und wer Parteivorsitzender wird, war zu klären. Sie hatten eine ganze Menge zu tun. Sie waren sehr mit sich selbst beschäftigt. Das ist aber jetzt vorbei. In der heutigen Regierungserklärung des Ministerpräsidenten ist zum Thema „Weiterbildung älterer Arbeitnehmer“ auf der Seite 22 zu lesen:
Zusätzliche Anstrengungen sind besonders bei der Weiterbildung älterer Arbeitnehmer erforderlich. Ich möchte dazu die Hand in Richtung Arbeitgeber und Gewerkschaften ausstrecken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, von einer ausgestreckten Hand hat man herzlich wenig.
Eine ausgestreckte Hand ist im Allgemeinen leer. Wir kranken immer noch an den Folgen des Nachtragshaushalts 2004, weil gerade bei der Arbeitsförderung, den Berufsförderungswerken überproportional gekürzt worden ist. Das Landesarbeitsmarktprogramm, das wir immer wieder gefordert haben, haben Sie immer wieder abgelehnt. Wer finanziert in Bayern das Nachholen der Schulabschlüsse? Die Arbeitsagentur? Welche Mittel werden für die Erwachsenenbildung zur Verfügung gestellt? Unser Fraktionsvorsitzender Franz Maget hat es Ihnen vorhin gesagt: Nur 8 % dieser Mittel werden vom Freistaat getragen. Was ist mit der ausgestreckten Hand des Ministerpräsidenten – der sie gerade nach hinten in Richtung der Tarifpartner und der Gewerkschaften gereicht hat – hinsichtlich eines Weiterbildungsgesetzes?
Hier ist nichts vorhanden.
Nun zu den konkreten Projekten für die Krankenkassen und Betriebe zur präventiven Förderung für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Auch hier stellt sich die Frage, wie sich der Freistaat daran beteiligt. Was tut der Freistaat Bayern zum Beispiel in seinem eigenen Bereich, dem öffentlichen Dienst?
Hier gilt die 42-Stunden-Woche und außerdem müssen Nachtschichten geleistet werden. Wo gibt es hier Projekte der präventiven Gesundheitsfürsorge?
Der Ansatz der SPD im Bund und im Land war immer die Stärkung der Prävention. Hier hatten Sie immer eine sehr merkwürdige Haltung. Ich erinnere Sie nur daran, dass ein gewisser Herr Seehofer – damals noch als Bundesminister – die Präventionsmodelle der Krankenkassen massiv abgelehnt hat. Ich möchte jetzt gar nicht zitieren, was er dazu gesagt hat.
Zur Prävention und zur Gesundheitsförderung gehört in den Betrieben und im Gewerbe die Gewerbeaufsicht. Im letzten Bericht über die Gewerbeaufsicht im sozialpolitischen Ausschuss wurde eindeutig festgestellt, dass den Gewerbeaufsichtsämtern das Personal fehlt, um in die Betriebe zu gehen, aufsuchende Prävention zu betreiben und Kontrollen durchzuführen. Auch das ist eine Folge des Kürzungshaushalts und der Verwaltungsreform. Man kann die heutige Regierungserklärung übrigens drehen und wenden wie man will: Dort steht kein Wort und kein Satz zur Gesundheitsvorsorge, auch nicht zur Prävention.
Was tut der Freistaat für die Qualifikation, die Weiterbildung und die Gesundheitsvorsorge? Sie ziehen sich wieder aus der Affäre nach dem Motto: Lassen wir es die anderen machen. Wir haben schließlich die Tarifpartner, die Sozialpartner und den Bund. Das muss ich Ihnen lassen: Das machen Sie wirklich perfekt. Sie haben kreative Vorschläge, aber immer für die anderen. Bei Ihnen selbst hapert es jedoch gewaltig.
Nun zu Ihrem Wunsch, das Finnland-Konzept zu prüfen. Das ist sicherlich sinnvoll. Es gibt in den Niederlanden, in Dänemark und Schweden Programme zur Unterstützung älterer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Ich könnte mir das sehr gut als Modell für eine Region in Bayern vorstellen, wo die demografische Entwicklung zu einer besonders starken Abwanderung führt, wo die Arbeitslosenquote immer noch am höchsten ist und wo wir einen hohen Anteil von gering qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern haben, nämlich in Nordostbayern, sprich, dem nördlichen Oberfranken und der nördlichen Oberpfalz. Wir werden diesem Prüfwunsch zustimmen, wenn Sie bereit sind, den letzten Absatz mit den Frühverrentungsanreizen zu canceln bzw. zu streichen. Ansonsten werden wir Nein sagen, vor allem zum letzten Absatz.
Sie erinnern sich sicher: Die von Ihnen so genannte Frühverrentungskultur, also das vorgezogene Altersruhegeld, wurde von der Regierung Helmut Kohl eingeführt. Es war eine verheerende Entwicklung, als sich Unternehmen auf Kosten der Sozialversicherten und der Rentenkassen ihrer älteren Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen entledigt haben. Im Gegensatz zu Ihnen sehen wir keinen Handlungsbedarf; denn wir haben folgende Regelung, die im Koalitionsausschuss verhandelt worden ist: Die verlängerte Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für ältere Arbeitnehmer wird ab dem 50. Lebensjahr bei 15 Monaten, ab dem 55. Lebensjahr bei 18 Monaten und ab dem 58. Lebensjahr bei 24 Monaten liegen.
Von den bisher nicht verwendeten Eingliederungsmitteln der Bundesagentur in Höhe von 700 Millionen Euro wird ein Betrag von rund 500 Millionen Euro für folgende Maßnahmen eingesetzt: Jeder, der einen Anspruch auf das verlängerte Arbeitslosengeld hat, bekommt einen Eingliederungsgutschein, entweder gekoppelt mit den konkreten Arbeitsangeboten oder mit dem Auftrag, sich um dessen Einlösung zu bemühen. Gelingt ihm das nicht, wird ihm für die Verlängerung die Zahlung des Arbeitslosengelds gewährt. Das ist Konsens.
Keinen Konsens gibt es hingegen bei der so genannten Zwangsverrentung. Arbeitslose, die mindestens 58 Jahre alt sind, haben die Möglichkeit, weiterhin Arbeitslosengeld zu beziehen. Danach können sie auch ohne Abschläge in Rente gehen. Dieser erleichterte Leistungsbezug wird häufig ab dem 31. Dezember 2007 ausfallen. Im Jahr 2008 können die Träger Arbeitssuchende, soweit die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, auch gegen ihren Willen in eine abschlagsgeminderte vorzeitige Altersrente verweisen. Das wollen wir nicht.
Deshalb hat das Bundesarbeitsministerium einen Gesetzentwurf mit einer wirkungsvollen Regelung zur Vermeidung der Zwangsverrentung mit Rentenabschlag eingebracht. Die Union hat diesen Gesetzentwurf im Koalitionsausschuss am 12. November zurückgewiesen. Das nehmen wir so nicht hin. Hier muss neu verhandelt werden. Das Thema muss in den nächsten Koalitionsausschuss.
Wir lehnen deshalb Ihren Dringlichkeitsantrag ab, es sei denn, Sie würden sich Ihrer sozialen Komponente besinnen und den letzten Absatz streichen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Entscheidung in Berlin zum Thema Mindestlohn kann uns in keiner Weise zufriedenstellen. Sie kann auch nur ein erster Schritt, eine Zwischenlösung sein. Was Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, in Berlin durchgedrückt haben, ist die Blockade einer längst überfälligen Neuregelung.
Solange wir in der Bundesrepublik Deutschland 2,5 Millionen Armutslohnempfänger und -empfängerinnen haben, solange ein Vollzeitjob nicht vor Armut schützt, solange Tarifl öhne deutlich unter 7,50 Euro liegen, solange eine Million Menschen – das muss man sich einmal vorstellen! – zum Lohn ergänzende Sozialleistungen nach ALG II beziehen müssen, so lange werden wir uns für einen gesetzlichen Mindestlohn einsetzen; denn nur dann ist die Würde des arbeitenden Menschen gewährleistet.
Auch in Bayern, Kolleginnen und Kollegen, gibt es in manchen Branchen Stundenlöhne von 4 und 5 Euro. Auch in Bayern werden Dumpinglöhne gezahlt, die die Bezeichnung „Lohn“ nicht verdienen. Es ist eine Schande, was in manchen Bereichen passiert.
Deutschland – das muss man auch wissen – hat in absoluten Zahlen den größten Niedriglohnsektor in Europa. Der Anteil liegt mit 17 % über dem europäischen Durchschnitt. Der jetzige Kompromiss ist, wie gesagt, ein Schrittchen, er löst aber das Kernproblem, das ich eben skizziert habe, in keiner Weise, denn die Lohnspreizung in Deutschland ist im europäischen Vergleich ebenfalls überdurchschnittlich. Die Arbeitslosenquote bei Geringqualifi zierten ist deutlich höher als in anderen EU-Staaten, die einen Mindestlohn haben, was für die Festlegung eines gesetzlichen Mindestlohnes spricht.
Andererseits haben bei uns in der Bundesrepublik 60 % der Niedriglohnbezieher eine abgeschlossene Berufsausbildung. Es sind also nicht nur die Nichtqualifi zierten, wie immer wieder gesagt wird.
Das Ziel der SPD ist also nach wie vor ein gesetzlicher Mindestlohn.
Lassen Sie mich ein paar Punkte aufzählen, die für einen gesetzlichen Mindestlohn sprechen.
Von Mindestlöhnen – das ist das Ergebnis neuer internationaler Studien – gehen sogar leicht positive Beschäftigungseffekte aus; denn die Mindestlöhne fördern auch die private Konsumnachfrage. Das hat einen positiven Effekt, der auch direkt in die Produktion hineinwirkt.
Ein Mindestlohn zielt eindeutig auf eine Begrenzung des Niedriglohnsektors. Er nimmt die Unternehmen in die Verantwortung, existenzsichernde Löhne zu zahlen. Ein Kombilohn bewirkt genau das Gegenteil. Das Beispiel Großbritannien zeigt, dass seit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes – das ist eine Studie der London School of Economics – eine spürbare Erhöhung der Produktivität zu verzeichnen ist, wodurch die erhöhten Lohnkosten ausgeglichen werden.
Außerdem schließen ein einheitlicher Mindestlohn und branchenbezogene Lösungen sich nicht gegenseitig aus; denn die Tarifpartner können ohne Weiteres auch höhere Mindestlöhne vereinbaren. Wenn nicht tarifgebundene Unternehmen in die allgemein verbindlichen Tarifverträge eingebunden sind, ist damit die unlautere Konkurrenz durch Lohndumping eingeschränkt.
Das ist auch ein ganz wichtiger Gesichtspunkt, aber wenn der zuständige Arbeitgeberverband der Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht zustimmt, greift diese vermeintliche Lösung nicht. Es ist also im Endeffekt keine Lösung.
Die Erweiterung des Arbeitnehmerentsendegesetzes ist zwar ein Schritt nach vorne, aber er greift auch wiederum nur dann, wenn die Tarifparteien tarifl iche Mindestlöhne für die gesamte jeweils betroffene Branche vereinbaren. Schert nur ein einziger regionaler Arbeitgeberverband aus, kann das Gesetz nicht angewandt werden. All das muss man wissen,
und all das, was Sie als Erfolg bezeichnen, ist im Endeffekt kein Erfolg.
Ein gesetzlicher Mindestlohn gefährdet auch nicht die Tarifautonomie, wie ebenfalls immer wieder gesagt wird. In etlichen Branchen funktioniert die Tarifautonomie eben nicht, und ein gesetzlicher Mindestlohn würde die Tarifautonomie stabilisieren.
In den meisten EU-Ländern sind die Tarifpartner, also die Arbeitgeber und die Gewerkschaften, an der Ausgestaltung der Mindestlohnpolitik aktiv beteiligt. Das ist sinnvoll. Sie, meine Damen und Herren von der CSU, sollten sich auch einmal die Folgen von Armuts- und Niedriglöhnen überlegen. Was bleibt am Ende eines Arbeitslebens eines solchen Arbeitnehmers oder einer solchen Arbeitneh
merin als Rente übrig? – Sie liegt dann unter dem Existenzminimum.
Zusammenfassend möchte ich feststellen: Es ist für die SPD ein Anliegen, es ist für sie das Ziel, die Würde arbeitender Menschen dahin zu unterstützen, dass sie ihre Familie ernähren können: Denn der arbeitende Mensch und seine Familie müssen würdig leben können. Dazu gehört ein gesetzlicher Mindestlohn. Stimmen Sie deshalb bitte unserem Antrag zu, wie beispielsweise die CSA und Teile der CDA, die auch einen Mindestlohn fordern. Das sollten Sie sich von Ihrer Arbeitnehmerorganisation einmal ins Stammbuch schreiben lassen, und Sie sollten diese Empfehlung annehmen.
Frau Ministerin, Fakt ist doch, dass es für immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schwieriger wird, durch ihre Arbeit ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen. Betroffen sind vor allen Dingen Dienstleistungsberufe, und die auch noch mit einem besonders hohen Frauenanteil. Nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, dass mehr als 2,5 Millionen, fast 3 Millionen Vollzeitbeschäftigte in Deutschland für Armutslöhne arbeiten, die weniger als 50 % des Durchschnittslohnes betragen. Lassen Sie mich bitte einige Tarifvergütungen aus Bayern anführen – wir brauchen nicht nach Sachsen zu der berühmten Friseurin zu gehen –: Im Erwerbsgartenbau gibt es einen Stundenlohn von 5,41 Euro. Das ergibt bei einer 38-Stunden-Woche im Monat einen Arbeitnehmerbruttoverdienst von 822,32 Euro. In der Landwirtschaft beträgt der Stundenlohn 5,45 Euro, in der Floristik 5,94 Euro, im Friseurhandwerk 6,06 Euro, im Dachdeckerhandwerk 6,13 Euro, im Bewachungsge
werbe 6,26 Euro, in der Zeitarbeit 7,38 Euro, und im Einzelhandel werden 7,54 Euro in der Stunde bezahlt. Diese Arbeitsplätze und auch die Arbeitsplätze im Küchen- und Haushaltshilfenbereich sind Dienstleistungen, die nicht ins Ausland verlagert werden können. Ihre These ist ja, dass ein gesetzlicher Mindestlohn eine Ausweitung der Schwarzarbeit bedeutet. Dazu frage ich Sie: Wo liegt nach Ihrer Auffassung die Untergrenze eines menschenwürdigen Erwerbseinkommens, das Schwarzarbeit verhindert? – Wo soll diese Grenze liegen?
Sie weisen immer darauf hin, dass im Niedriglohnsektor Geringqualifizierte beschäftigt sind. Ist Ihnen bekannt, dass 60 % der Beschäftigten im Niedriglohnsektor über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen? – In diesen Berufen sind die Aufstiegsmöglichkeiten gering.
Frau Staatsministerin, stimmen Sie mit mir der Aussage zu, dass, wer Qualität in der Beschäftigung haben will, auch anständig entlohnen muss? – Denn das hat auch etwas mit der Würde des Menschen zu tun. 500 000 Menschen im Vollerwerb erhalten ergänzende Sozialleistungen, weil ihr Lohn nicht zum Leben ausreicht. Das heißt: Die gesamte Gesellschaft subventioniert Dumpinglöhne.
Sie haben vorhin gesagt, dass Menschen über SGB II Lohnersatzleistungen bzw. ergänzende Sozialleistungen bekommen. Sie vermengen dabei Fürsorge mit dem Erwerbseinkommen.
Soll der Staat nach Ihrer Auffassung als Reparaturbetrieb für Lohndumping auftreten? – Auf diese Frage möchte ich gerne eine Antwort von Ihnen. Die Einführung von Kombilöhnen – das wäre eine Lösung durch die Hintertür – wird das Problem der Lohndrückerei nicht lösen, sondern eher verschärfen.
Frau Ministerin, ist Ihnen bekannt, dass Bundeswirtschaftsminister Glos – er gehört bekanntlich der CSU an – festgestellt hat: Wenn es Kombilöhne gibt, muss es eine Lohnschranke nach unten geben. Nachdem die CSU auch in Berlin Regierungsverantwortung trägt, frage ich Sie: Warum sperrt sich die Staatsregierung angesichts der Tatsache, dass viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre Familien vom erarbeiteten Lohn nicht leben können, gegen die gesetzliche Einführung eines Mindestlohnes, der sich in seiner Höhe am Niveau vergleichbarer europäischer Staaten orientiert? – Diese Frage haben Sie bis jetzt noch nicht beantwortet.
Ein letzter Satz. – Welchen Lösungsansatz haben Sie denn? – Auch auf diese Frage hätte ich gern eine Antwort. Trotz mehrfachen Fragens haben Sie darauf noch keine Antwort gegeben.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Unterländer, Sie haben sich reichlich gequält. Man könnte diese Diskussion überschreiben „Die Geschichte der Sozialberichterstattung“ oder „Warum die CSU keinen Sozialbericht will“. Herr Kollege Unterländer, bevor ich in die Sachdiskussion einsteige gleich eines vorneweg: Sie sagten, die CSU wolle keine Fortschreibung des Sozialberichts, weil ständige Reformen die Sozialgesetzgebung veränderten. Wenn wir überall so handeln würden, säßen wir noch in den Höhlen und das Rad wäre noch nicht erfunden. Es kann doch nicht sein, dass wir immer auf irgendetwas warten, was vielleicht noch kommen könnte.
Darauf komme ich auch noch zu sprechen. Was im Haushalt steht, ist ebenfalls mit Vorsicht zu genießen. Herr Unterländer, Sie sagten, wir hätten Anfragen- oder Interpellations-Orgien gestartet. Die vornehmste Aufgabe der Opposition ist es, darauf zu achten, wie die Staatsregierung zum Beispiel einen einstimmigen Landtagsbeschluss umsetzt.
Es ist die vornehmste Aufgabe der Opposition, die Arbeit der Staatsregierung zu beobachten und zu bewerten. Es ist nicht Ihre Aufgabe, zu reglementieren, zu bewerten
oder vielleicht mit Noten zu versehen, was die Opposition tut. So weit sind wir hier noch nicht.
Herr Kollege Unterländer, die CSU hat sich im Jahr 2004 geweigert, einen Sozialbericht neu aufzulegen. Die Begründung lautete, 500 000 Euro seien für einen Bericht einfach zu teuer. Sie müssen aber zugestehen, dass es noch eine weitere Ursache für die Zögerlichkeit der vergangenen Jahre gibt: Die Ergebnisse des ersten und bisher einzigen Sozialberichts waren so brisant, dass sie nicht im Jahre 1997, als sie von den Wissenschaftlern erhoben wurden, sondern erst mit einjähriger Verspätung nach der Wahl im Jahre 1998 vorgelegt worden sind.
Der Sozialbericht geht auf eine Initiative der SPD zurück. Am 19. März 1996 hat der Landtag einstimmig beschlossen, in jeder Legislaturperiode einen Sozialbericht vorzulegen, der sich insbesondere mit den Lebenslagen von arbeitslosen Menschen, von kinderreichen Familien, von Alleinerziehenden, von älteren Menschen und vor allem von älteren Frauen sowie von Menschen mit Migrationshintergrund beschäftigt. Er sollte außerdem die Lebenssituation der Menschen in ganz Bayern aufzeigen, insbesondere im Hinblick auf die im Landesentwicklungsprogramm festgeschriebene Gleichwertigkeit der Lebens- und Arbeitsbedingungen in diesem Freistaat.
Dieser Bericht sollte in der 13. Legislaturperiode vorgelegt werden. Die 14. Legislaturperiode ist inzwischen vorbei. Die 15. Legislaturperiode liegt nahezu in den letzten Zügen. In knapp anderthalb Jahren wird diese Legislaturperiode vorbei sein. Herr Kollege Unterländer, Sie haben erklärt, jetzt sei der richtige Zeitpunkt für die Vorlage eines Sozialberichts. Dazu kann ich nur sagen: Das ist wie so oft. Kaum wartet man zehn Jahre, kaum stellt man zehn Jahre lang Anträge, Geldmittel in den Haushalt einzustellen und den Sozialbericht neu aufzulegen bzw. fortzuschreiben, schon ist die CSU so weit und sagt: Jetzt machen wir es vielleicht doch.
Herr Kollege Unterländer, es kann doch nicht Aufgabe der Politik sein, so zu handeln.
Ich möchte auf die Ergebnisse des Landessozialberichts eingehen; denn diese Ergebnisse spiegelten nicht das Credo der Bayerischen Staatsregierung wider, wonach Bayern überall spitze sei. Das vorgestellte Lebenslagenkonzept hat einen großen Handlungsbedarf aufgezeigt, vor allem bei Frauen, bei Alleinerziehenden, bei kinderreichen Familien, bei jungen Erwachsenen, bei Arbeitslosen, bei älteren Menschen, bei Pfl egebedürftigen, bei Menschen mit Behinderung, bei Ausländern und Ausländerinnen und auf den Feldern Einkommen, Arbeitsmarkt, Bildung, Wohnen und Gesundheit.
Bei der Gesundheit und der Verschuldung ergaben sich große Unterschiede in den einzelnen Regierungsbezirken Bayerns. Die Schere zwischen Nord- und Süd
bayern hat sich geöffnet. Es wäre gut gewesen, wenn die Konsequenzen aus diesem Sozialbericht gezogen und Maßnahmen ergriffen worden wären. Das ist aber nicht geschehen. Herr Kollege Unterländer, Sie haben mit den Krippenplätzen eine schöne Vorlage geliefert. Frage eins: Worüber reden wir, und worüber reden Sie, wenn es um Krippenplätze geht? – Krippenplätze sind Krippenplätze und nicht Tagespfl ege, Mütterinitiativen oder Sonstiges. Das ist etwas anderes.
Es ist interessant, wie sich innerhalb eines Vierteljahres die Anzahl der Krippenplätze explosionsartig vermehrt hat. Im Dezember waren es noch 5,7 %. Vor 14 Tagen waren es schon 7 %, jetzt sind es 9 %.
Das sind aber nicht nur Krippenplätze, sondern das bezieht sich auf den gesamten Bereich Betreuung, Erziehung und Bildung von Kindern unter drei Jahren. Die Hälfte dieser Plätze wurde in der Stadt München geschaffen. Der Rest verteilt sich auf den übrigen Freistaat Bayern. Das kann es nicht sein. Hier haben Sie noch viel zu tun.
Herr Kollege Unterländer, nach der Erstellung des Bayerischen Sozialberichts – des ersten und einzigen – gab es drei Armutskonferenzen der freien Wohlfahrtspfl ege.
Der Appell und die Forderung der freien Wohlfahrtspfl ege, der Kirchen, der Sozialverbände und aller anderen war jedes Mal unisono, gerade in einer Zeit, in der es gesetzliche Änderungen gibt, die Sozialberichterstattung fortzuschreiben. Die Bundesregierung hat es vorgemacht: Gerade in der Zeit der vielen Änderungen in der Sozialgesetzgebung hat sie einen neuen Armuts- und Reichtumsbericht vorgelegt.
Es gibt genug zu tun. Nach allem, was die wissenschaftliche Berichterstattung im Rahmen des Sozialberichts ergeben hat, haben Sie viel zu tun. Da ist das Wort von der Bildungsarmut gefallen. Sie haben aufgeschrien. Nach zehn Jahren kommen Sie nun endlich darauf, das andeutungsweise umzusetzen, was seinerzeit schon schnell in Angriff genommen hätte werden sollen. Es geht um den Ausbau von Kindertagesstätten, die Betreuung von Kindern unter drei Jahren, Horte, die Ganztagsschule, kleinere Klassen, Jugendsozialarbeit an Schulen, die Stärkung des ländlichen Raums, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf usw., usw. Wie gesagt, schon nach zehn Jahren kommen Sie langsam darauf.
Man muss wissen, wie man das Geld zielgenau einsetzen und wie man zielgenau Hilfen und Strukturen schaffen kann. In diesem Punkt sind wir uns einig. Man kann das aber nur wissen, wenn man über aktuelle Zahlen und Informationen verfügt.
Noch eines: Wenn Sie sagen, veränderte Bedingungen bedürften einer Überprüfung und daraus seien Konsequenzen zu ziehen, dann muss ich sagen, genau so ist
es. Die Überprüfung ist der Sozialbericht. Diesen hätten wir in der letzten Legislaturperiode haben müssen; denn dann gäbe es nicht ständig die Diskussion darüber, was nötig ist.
Noch etwas muss ich Ihnen sagen. Wenn mit dem unerträglichen Kürzungshaushalt 2004 die Jugendsozialarbeit eingeschränkt wird und die Insolvenzberatung nahezu an die Wand gefahren wird, dann ist das genau das Gegenteil von dem, was der Sozialbericht indiziert.
Herr Unterländer, machen Sie eine Zwischenintervention. Ich antworte Ihnen gern.
Ich komme zu meinem letzten Punkt.
Ja, Frau Dodell, das muss sein.
Wenn im Haushalt steht, 210 000 Euro werden eingestellt zur Entwicklung transparenter gemeinsamer Strukturen für eine vergleichbare Armuts- und Reichtumsberichterstattung, so ist das noch nicht das Geld für einen Armuts- und Reichtumsbericht. Transparente gemeinsame Strukturen zu schaffen, ist etwas anderes, als einen Sozialbericht zu erstellen. Ein solcher Armuts- und Reichtumsbericht ist aber notwendig. Transparente Strukturen zu schaffen, ist die Vorleistung dazu, aber noch nicht der Bericht. Was wir brauchen, ist der Bericht. Deshalb stimmen wir dem Gesetzentwurf der GRÜNEN zu, die Forderung in das AGSGB aufzunehmen, wenn es der Sache dient.
Herr Kollege Maget, wie schätzen Sie die Forderung ein, die Herr Kollege Eduard Nöth von der CSU in einem Brief an den Ministerpräsidenten formuliert hat, wonach die vorausgesagten steigenden Steuereinnahmen für die Bildungspolitik einzusetzen seien, weil die Personalausstattung an den Schulen absolut „auf Kante genäht“ sei, weil es zu große Klassen gebe, weil der Unterricht ausfalle, weil die Lehrer fehlten und weil zur individuellen Förderung keine Möglichkeiten bestünden?
Herr Kollege Magerl, könnten Sie Herrn Abgeordneten Beckstein sagen, dass der Diesel in der Schweiz und in Italien deutlich teurer ist als in der Bundesrepublik Deutschland, nachdem wir schon über Benzin- und Dieselpreise reden?
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Der Dringlichkeitsantrag, den wir gestellt haben, ist mehr als dringlich. Es ist dringend notwendig darüber zu beraten, denn am 01.09. wird das Kindergartenjahr mit den Vorgaben nach dem BayKiBiG, dem Bayerischen
Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, beginnen. Die Finanzierung von integrativen Einrichtungen für Kinder mit Behinderung oder für Kinder, die von Behinderung bedroht sind, ist nicht geklärt. Wenn es noch eines Beweises bedurft hat, dass das BayBiKiG schlecht ist, so ist er durch die Vorgehensweise bezüglich der Integration von Kindern mit Behinderung erbracht.
Das zeigt auch die Tatsache, dass die anderen Fraktionen einen Antrag nachgezogen haben. Zu dem Antrag der CSU komme ich später.
Wenn man einen Gesetzentwurf wie diesen gegen unsere Stimmen verabschiedet,
der einen Paradigmenwechsel vollzieht und dabei wichtige Fragen schlichtweg nicht klärt, so ist das nicht nachvollziehbar. Es ist nicht mit den Partnern gesprochen worden, wie in der Eingliederungshilfe weiter verfahren werden soll. Es ist nichts Schriftliches fi xiert worden. Es ist keine Geschäftsgrundlage geschaffen worden. Dass die CSU-Fraktion einen Gesetzentwurf dieser Art verabschiedet hat, ohne sich darum zu kümmern, ob er mit dem SGB XII oder mit dem SGB VIII kompatibel ist, dass die Staatsregierung Newsletter auf Newsletter ohne Rechtskraft verbreitet, halte ich für unseriös und höchst unprofessionell.
Sozialministerin Frau Stewens hat oft mit Vorliebe mit dem Finger auf die Schröder-geführte Bundesregierung gezeigt und gesagt, deren Gesetze seien schlecht. Das brauchen Sie nicht zu tun und das hätten Sie nicht tun müssen, denn das Beispiel eines schlechten Gesetzes ist dieses BayKiBiG.
Frau Stewens, Sie und auch die CSU-Fraktion waren beratungsresistent. Denn es ist in allen Protokollen zu lesen und allen Stellungnahmen zu entnehmen, dass die Finanzierung und die künftige Qualität der integrativen Gruppen und der Einzelintegration ungelöst sind.
Es wurde nichts vereinbart; Verträge fehlen. Meine Kritik betrifft das SGB XII, nämlich § 53. Es betrifft außerdem § 35 a des SGB VIII. Das SGB XII wie das SGB VIII kennen keine Gewichtungsfaktoren, aber das BayKiBiG stützt sich auf den Faktor 4,5 oder 4,5 plus X bei der Integration. Das ist nicht kompatibel. Der Faktor 4,5 reicht nicht aus; das wissen wir.
Es gibt da ein wunderbares Beispiel aus einer Kreisstadt im Stimmkreis der Frau Ministerin. Da ist jetzt wohl beschlossen worden, dass der Faktor auf nahezu das Doppelte angehoben wird. Damit kommen wir wieder genau zu dem, was ich für schädlich und schlimm halte,