Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 110. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Diese wurde wie immer erteilt.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich zwei Glückwünsche aussprechen. Dass wir etwas verspätet mit dieser Sitzung beginnen, hat damit zu tun; ich wollte unbedingt, dass Sie, Frau Kollegin Rütting, persönlich anwesend sind, um Ihnen die herzlichen Glückwünsche des Hohen Hauses zu überbringen. Sie waren zu Beginn der Legislaturperiode Alterspräsidentin und sind dies auch heute noch. Wir freuen uns, dass Sie Ihren runden Geburtstag so schön und so gut gefeiert haben. Alle guten Wünsche, ein herzliches Glückauf und weiterhin viel Gesundheit!
Einen ebenfalls runden Geburtstag, und deshalb ebenfalls einen ganz herzlichen Glückwunsch an Sie, hat Frau Kollegin Schmitt-Bussinger am 23. November gefeiert. Herzlichen Glückwunsch im Nachhinein, alles Gute, Glückauf und viel Gesundheit!
Die vorschlagsberechtigte Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN hat hierfür als Thema benannt: „Keine klimapolitische Geisterfahrt – Bayern gegen die Vignette“. Zuständig für die Beantwortung der Fragen ist der Staatsminister des Innern. Ich darf Sie, Herr Staatsminister, an das Rednerpult bitten, um die Fragen zu beantworten. Ich darf als Erstem Herrn Kollegen Dr. Magerl das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Staatsminister Herrmann, wie beurteilen Sie den neuen Vorstoß des Ministerpräsidenten Beckstein zur Einführung einer Autobahn-Vignette in Höhe von 120 Euro pro Jahr vor dem Hintergrund, dass dies verkehrspolitischer Unsinn ist, dass dies umweltpolitischer Unsinn ist,
dass dies finanzpolitischer Unsinn ist und dass dies klimapolitischer Unsinn ist, insbesondere vor dem Hintergrund, dass damit Vielfahrer und Fahrer von Autos, die viel verbrauchen oder die mit Bleifuß unterwegs sind, belohnt werden und im Gegenzug diejenigen, die wenig fahren, die Sprit sparende Autos haben und die vernünftig fahren, bestraft werden, und insbesondere vor dem Hintergrund, dass Sie sich selbst noch vor Kurzem aus ökologischen und aus sozialen Gründen klar gegen eine Vig
nette ausgesprochen haben, wie das heute – Sie haben es sicher nachgelesen – im „Münchner Merkur“ steht? Auch der CSU-Parteivorsitzende und bayerische Finanzminister Erwin Huber – ich zitiere die „Süddeutsche Zeitung“ – hat gesagt: „Das ist eine Fernvision, ferner geht‘s nicht mehr“.
Herr Kollege Magerl, der Bayerische Ministerpräsident ist mit seinen Äußerungen in den letzten Tagen
eindeutig einer Aufforderung des Hohen Hauses nachgekommen. Das Hohe Haus hat am 18. Juli dieses Jahres – das ist noch nicht sehr lange her – mit der großen Mehrheit der CSU-Fraktion folgenden Beschluss gefasst.
Die Staatsregierung wird aufgefordert, auf Bundesebene auf die Absenkung der Energiesteuer unter gleichzeitiger Einführung einer PKW-Vignette für Autobahnen hinzuwirken. Dadurch soll auch dem ruinösen Tanktourismus begegnet werden. In der Gesamtwirkung ist darauf zu achten, dass keine Mehrbelastung der Autofahrer eintreten darf. Das erforderliche Konzept zur Umsetzung der PKW-Vignette sollte daher folgende Punkte umfassen:
3. Die aus der Vignette erzielten Einnahmen sind für den Straßenbau zu verwenden. Dies darf nicht zu Lasten der Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße gehen.
Mittelfristig ist zur Vermeidung von weiteren Wettbewerbsverzerrungen eine Angleichung der Steuersätze auf EU-Ebene anzustreben. Die Staatsregierung wird daher aufgefordert, sich auf Bundesebene für entsprechende Verhandlungen auf EU-Ebene einzusetzen.
So der Wortlaut des Beschlusses dieses Hohen Hauses vom 18. Juli dieses Jahres. Es ist unübersehbar, dass die Äußerungen des Bayerischen Ministerpräsidenten in den letzten Tagen in vollem Einklang mit diesem Beschluss des Bayerischen Landtags stehen und dazu geeignet
Herr Staatsminister, es ist nichts Neues, dass sich die Staatsregierung hier hinter irgendwelchen Dingen verschanzt, um Anfragen des Parlaments nicht zu beantworten. Ich stelle fest: Sie haben auf meine Frage keine Antwort gegeben, sondern Sie haben sich hinter einem Antrag versteckt, der noch nicht einmal von der gesamten CSU- Fraktion gestellt wurde. Es war ein Gruppenantrag, der vom Fraktionsvorsitzenden nicht unterzeichnet war, soweit ich mich erinnere.
Ich habe gefragt: Wie stehen Sie, Herr Staatsminister, dazu? Ich habe nicht gefragt, wie einzelne Ausschüsse im Hohen Hause zu gewissen Dingen entschieden haben.
Deshalb noch einmal die Frage: Was halten Sie von dieser Vignette, insbesondere von dem Vorhalt, dass damit letztlich unökologisches Tun in unserem Lande gefördert wird und Leute, die sich umweltverträglich verhalten, bestraft werden? Dieser Vorschlag ist unsozial. Wie stehen Sie dazu? Reden Sie zur Sache, und verstecken Sie sich nicht hinter irgendwelchen Anträgen von einzelnen Personen aus den Reihen der CSU.
Lieber Kollege Magerl, Sie haben offensichtlich ein etwas seltsames Verständnis von der Arbeit dieses Hohen Hauses und auch von der Arbeit der Staatsregierung.
Erstens dient die Ministerbefragung sicherlich nicht dazu – dafür würden Sie sich bei anderer Gelegenheit schönstens bedanken –, dass einzelne Mitglieder der Staatsregierung irgendwelche Privatmeinungen äußern.
Vielmehr hat das Hohe Haus im Rahmen der Ministerbefragung das Anrecht zu erfahren, welche Meinung die Staatsregierung zu bestimmten Fragen einnimmt.
Zweitens geht es hier – ich habe ausdrücklich darauf Bezug genommen – um einen Beschluss dieses Hohen
Hauses vom 18. Juli dieses Jahres. Das ist hier im Hohen Haus beschlossen worden. Dass Sie in der Minderheit sind, lieber Herr Kollege Magerl, ist richtig, aber es ist ein Beschluss dieses Hohen Hauses, den die Staatsregierung zu vollziehen hat. Daran wird zurzeit gearbeitet, und es wird zu gegebener Zeit von der Staatsregierung dem Hohen Hause berichtet werden, was man in Vollzug dieses Beschlusses erreicht hat.
Ich will dazu allerdings noch etwas konkretisieren, lieber Kollege Magerl. Das Bundeswirtschaftministerium hat inzwischen ein Gutachten in Auftrag gegeben, in dem es darum geht, die steuerlichen und wirtschaftlichen Effekte einer Senkung der Mineralölsteuer bei gleichzeitiger Einführung einer Pkw-Vignette und insbesondere auch die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Grenzregionen und die Veränderung der Kraftstoffumsätze zu untersuchen und gleichzeitig Modellrechnungen zum erforderlichen Preis der Vignette und zu den erzielbaren Einnahmen zu erstellen.
Dieses Gutachten, das das Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben hat, soll nach dessen Auskunft voraussichtlich im Mai nächsten Jahres vorliegen. Es liegt nahe, dass wir uns dann im Hohen Hause besonders intensiv mit den Erkenntnissen aus diesem Gutachten beschäftigen werden.
Herr Staatsminister, Hohes Haus! Der Ministerpräsident hat mit seinem Vorstoß angesichts der Benzinpreise, die wir alle vor Augen haben – das möchte ich festhalten –, zunächst einmal Handlungswillen bewiesen. Bisher bemerke ich nur, dass daraufhin ritualisierte Abwehrreflexe von der Opposition kommen. Es wird wenig nachgedacht.
Ich möchte mit Hinweis auf den Vorschlag des Ministerpräsidenten, der da lautet, eine Autobahnvignette bei gleichzeitiger Senkung der Mineralölsteuer einzuführen, den Staatsminister fragen, ob durch diesen Vorschlag eine Entlastung der Verkehrsteilnehmer, und zwar insbesondere der Berufspendler, zu erwarten ist und ob die Einführung einer solchen Vignette bei gesenkten Steuersätzen das Tankstellensterben in den deutschen Grenzregionen eindämmen könnte. Außerdem möchte ich wissen, ob die Vignettenpflicht auch vorteilhaft wäre im Hinblick auf die Angleichung an die Verhältnisse in unseren EUNachbarn, insbesondere in Österreich.
Meine letzte Frage geht dahin, ob dadurch eine Verstetigung oder auch Verstärkung der Finanzierung der Bundesfernstraßen zu erwarten wäre.
Herr Kollege Meißner, was die Entlastung der Verkehrsteilnehmer und der Berufspendler angeht, so liegt es auf der Hand, dass dann, wenn die Mineralölsteuer gesenkt wird und stattdessen eine einheitliche Autobahnvignette kommt – beispielsweise auch in Jahresform für Berufs
pendler und dergleichen –, für die Vielfahrer die Kostenbelastung insgesamt sinkt. Das ist unübersehbar.
Gleichzeitig ist natürlich auch unübersehbar, dass dann, wenn sich die Kraftstoffpreise angleichen, der Tanktourismus sicherlich zurückgeht; denn es wird dann kaum mehr jemand – das hat sicherlich auch ökologische Vorteile – noch zum Tanken extra kilometerweit ins benachbarte Ausland fahren.
Im Hinblick auf manche Behauptungen, dass die Mineralölkonzerne nicht gezwungen wären, eine entsprechende Steuersenkung an die Verbraucher weiterzugeben, will ich nur darauf hinweisen, dass der Markt sicherlich das Geschehen entsprechend regelt. Wer sich im Moment die Kraftstoffpreise in Südbayern im Vergleich zu denen in Österreich ansieht, kann feststellen – das war am vergangenen Wochenende gut zu sehen –, dass der Dieselpreis pro Liter hier bei uns etwa bei 1,33 Euro lag; davon entfielen 22 Cent auf die Mehrwertsteuer und 47 Cent auf die Energiesteuer. In Österreich hat zur gleichen Zeit der Liter Dieselöl im Vergleich 1,19 Euro gekostet. Dort betrug die Umsatzsteuer 20 Cent und die Mineralölsteuer 35 Cent. Somit können Sie feststellen, dass die Preisspreizung zwischen Deutschland und Österreich ziemlich genau dem Betrag entspricht, um den die Steuerbelastung in Deutschland höher ist als in Österreich. Insofern ist sicherlich der Schluss nicht verkehrt, dass dann, wenn man in Deutschland die Mineralölsteuer senken würde, es zu einer entsprechenden Absenkung der Preise käme und damit zu einer Angleichung an das Nachbarland Österreich und zu einer Reduzierung oder vielleicht sogar weitgehenden Beseitigung des Tanktourismus. Das liegt auf der Hand.
Sie haben zum Schluss noch nach der Finanzierung der Bundesfernstraßen gefragt. Das ist aus meiner Sicht der zentrale Punkt überhaupt. Das Ziel des Konzeptes, wie es der jetzige Ministerpräsident auch schon früher als Innenminister vorgetragen hat, ist es, die Einnahmen aus der Autobahnvignette zweckgebunden dem Bundesfernstraßenbau zuzuführen.