Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 66. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich noch eine Reihe nachträglicher Gratulationen aussprechen. Einen runden Geburtstag feierten am 4. April Herr Kollege Dr. Karl Döhler, am 7. April Herr Kollege Staatsminister Siegfried Schneider sowie am 14. April Kollege Rainer Boutter. Am 17. April konnte Kollege Alexander König einen halbrunden Geburtstag feiern. Ihnen allen wünsche ich im Namen aller Kolleginnen und Kollegen alles Gute, Gesundheit, viel Freude und möglichst wenig Ärger bei den Aufgaben.
Es ist mir eine Freude, zwei Gäste bei uns begrüßen zu können: den Präsidenten des Hessischen Landtags, Herrn Kollegen Norbert Kartmann, sowie den Direktor des Hessischen Landtags, Herrn Peter von Unruh. Sie beide verfolgen heute von den Ehrengastplätzen aus die Plenarsitzung. Herzlich willkommen!
Für die heutige Sitzung hat die Fraktion der CSU als Thema „Mehr Respekt vor religiösen Überzeugungen“ als Thema gemeldet. In der Aktuellen Stunde – um dies in Erinnerung zu rufen – dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen, auf Wunsch einer Fraktion der erste Redner zehn Minuten. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung für mehr als zehn Minuten das Wort, erhält eine Fraktion auf Antrag für eines ihrer Mitglieder zusätzlich fünf Minuten Redezeit. Ich bitte Sie, jeweils auf das Signal zu achten. – Erste Wortmeldung: Herr Kollege Herrmann.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CSUFraktion hat diese Aktuelle Stunde zum Thema „Mehr Respekt vor religiösen Überzeugungen“ beantragt. In Artikel 131 unserer Bayerischen Verfassung heißt es:
Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, …
Diesen Verfassungssatz müssen wir täglich mit Leben erfüllen. Er sollte nicht nur für unsere Schulen maßgeblich sein, sondern er muss unser gesamtes gesellschaftliches Leben prägen. Wir sollten dabei nicht vergessen, dass dieser Satz - wie insgesamt die Aussagen zur Religionsfreiheit in der Bayerischen Verfassung und im Grundgesetz - auch vor dem Hintergrund der schrecklichen Erfah
rungen im Nationalsozialismus entstanden ist, der Verfolgung engagierter Christen, vor allem aber vor dem Hintergrund des Rassenwahns gegenüber den Juden.
1938 brannten überall in Deutschland Synagogen. Es ist ein gutes Zeichen, wenn gerade jetzt die Synagoge in München neu aufgebaut wird. Die Religionsfreiheit in Deutschland zeigt sich auch daran, dass es inzwischen über 2000 Moscheen in unserem Land gibt,
und auch in München werden neue gebaut. Natürlich müssen sie baulich auch zum Standort passen. Aber dass Moscheen in unserem Land gebaut werden, ist unstrittig, Kollege Maget.
Allerdings sollten wir das mit der gleichen Selbstverständlichkeit auch bei unseren Partnerländern anmahnen. Es darf nicht schwieriger sein, eine christliche Kirche in der Türkei zu bauen, als eine Moschee in Deutschland.
(Beifall bei der CSU und des Abgeordneten Franz Maget (SPD) – Alexander König (CSU): Sehr richtig! – Franz Maget (SPD): Selbstverständlich!)
Die Globalisierung führt dazu, dass immer mehr Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen und mit verschiedenen Religionen zusammentreffen. Das friedliche Zusammenleben auf allen Kontinenten wird nur dann gelingen, wenn wir respektvoll miteinander umgehen. Der Respekt gegenüber religiösen Gefühlen steht dabei ganz weit oben. Dies gilt für den Islam genauso wie für den jüdischen Glauben, den Buddhismus, den Hinduismus, und natürlich auch für den christlichen Glauben. Ministerpräsident Edmund Stoiber hat deshalb in den letzten Monaten zu Recht wiederholt eine intensivere Debatte über den Respekt vor religiösen Überzeugungen gefordert, auch und gerade vor dem Hintergrund der dänischen Mohammed-Karikaturen. Natürlich war die Welle der Gewalt, die nach diesen Karikaturen durch die islamische Welt und darüber hinaus ging, völlig indiskutabel. Trotzdem ist es richtig, zu hinterfragen, ob es vielleicht die eine oder andere Karikatur tatsächlich am nötigen Maß an Respekt vor dem religiösen Gefühl von Moslems hat fehlen lassen.
Es geht dabei in erster Linie um eine gesellschaftliche Debatte, aber es geht durchaus auch um eine juristische. In Artikel 144 der Bayerischen Verfassung heißt es:
Jede öffentliche Verächtlichmachung der Religion, ihrer Einrichtungen, der Geistlichen und Ordensleute in ihrer Eigenschaft als Religionsdiener ist verboten und strafbar.
Nun ist die Bayerische Verfassung zwar kein unmittelbar geltendes Strafrecht. Aber es ist richtig, dass wir über die Formulierungen des Strafgesetzbuches diskutieren. Ich halte es deshalb für richtig, dass unsere Justizministerin Beate Merk vom Kabinett den Auftrag erhalten hat, einen Vorschlag zur Reform des § 166 des Strafgesetzbuches zu erarbeiten, damit dieser Strafbestand klar und präziser
gefasst wird; denn die Störung des öffentlichen Friedens kann nicht erst dann eintreten, wenn die Moslems wegen der Karikaturen randalieren, sondern es muss schon sozusagen eine Schwelle zuvor geben, wo man feststellt: Jawohl, mit dieser Beleidigung des religiösen Bekenntnisses ist auch der öffentliche Friede gestört und deshalb ein Straftatbestand erfüllt.
Wie aktuell dieses Thema ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat in den letzten zwei Wochen die Diskussion über die von MTV geplante Fernsehserie „Popetown“ gezeigt, vor allem über die Werbung für diese Serie. Ich mache kein Hehl aus meiner religiösen, politischen und juristischen Auffassung. Mit dem Zeitschrifteninserat „Lachen statt rumhängen“, das eine dornengekrönte Christusfi gur zeigt, die lachend im Fernsehsessel vor dem leeren Kreuz sitzt, sind nicht nur die Grenzen des guten Geschmacks überschritten, sondern nach meiner Überzeugung auch die des juristisch Zulässigen.
Wenn der gekreuzigte Christus, der nun einmal für Christen der Inbegriff ihres christlichen Glaubens ist, lächerlich gemacht wird, dann müssen wir dem entgegentreten, und deswegen habe ich heute gegen die für dieses Zeitungsinserat Verantwortlichen bei MTV Strafantrag gestellt.
Ich will deutlich sagen: Diese Anzeige richtet sich nicht gegen die Fernsehserie als solche, sondern gegen dieses Inserat. Aber es wäre sicherlich nicht schlecht, wenn MTV nicht nur auf das Inserat, sondern auf die ganze Sendung verzichten würde. Es muss uns doch zu denken geben, dass in Großbritannien die Proteste der Bevölkerung dazu geführt haben, dass diese Fernsehsendung nicht ausgestrahlt worden ist, dass die Serie also bisher in keinem anderen europäischen Land gesendet wurde. Warum ist denn der deutschen Bevölkerung etwas zumutbar, was die Briten zu Recht abgelehnt haben?
(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE) – Gegenruf von der CSU: Hofnarr!)
Herr Kollege Dr. Dürr von den GRÜNEN hat unsere Forderung nach klarerem Strafrechtsschutz für religiöse Überzeugungen mit der Bemerkung kritisiert, Bayern sei kein Gottesstaat.
Diese Bemerkung, lieber Herr Dürr, zeigt, dass die GRÜNEN überhaupt nicht kapiert haben, worum es eigentlich geht.
Es geht eben nicht um eine Beleidigung Gottes oder um Gotteslästerung, wie man es früher nannte. Es geht um den Respekt vor den religiösen Überzeugungen anderer Menschen, ganz gleich, ob sie als Christen an den dreieinigen Gott glauben, als Juden an Jahwe, als Moslems an Allah oder ob sie Buddhisten oder Hindus sind.
Ich war vor zwei Wochen bei meinem Besuch in Shanghai auch kurz in einem buddhistischen Tempel. Selbst im kommunistischen China oder in Indien würde es sich mit Sicherheit kein Fernsehsender erlauben, mit der Person Buddhas so umzugehen wie MTV mit Christus. So etwas sollte man deutlich beim Namen nennen.
Am 26. Februar 2001 hat der oberste Religionsführer der Taliban, Muhammad Omar, die Zerstörung der weltberühmten Buddha-Figuren im Tal von Bamian angeordnet; sie stammen aus dem dritten und fünften Jahrhundert. Im Laufe des März 2001 wurden die Buddha-Figuren trotz weltweiten Protestes in die Luft gesprengt. Dies ist ein eklatantes Beispiel dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, wohin religiöser Fanatismus führt, hier in dem Fall des Islam gegen den Buddhismus. Ein halbes Jahr später hat dann der gleiche religiöse Fanatismus zu den schrecklichen Flugzeugangriffen in New York und Washington geführt.
Natürlich sind „Popetown“, Mohammed-Karikaturen und die Zerstörung von Buddha-Figuren in Bamian oder die Christenverfolgung da und dort nicht miteinander vergleichbar. Aber gemeinsam haben all diese Aktionen einen Mangel an Respekt vor anderen religiösen Überzeugungen. Deshalb ist meine feste Überzeugung: Es geht für uns, für unsere Gesellschaft um die Frage, ob es uns gelingt, in unserem Land und darüber hinaus einen Konsens darüber herbeizuführen bzw. wiederherzustellen, dass die gegenseitige Achtung dessen, was dem anderen heilig und in seiner religiösen Überzeugung wichtig ist, eine ganz wichtige Bedingung für ein friedliches Zusammenleben innerhalb unseres Landes, aber darüber hinaus auch weltweit in der Völkergemeinschaft ist. Dafür müssen wir uns in unserem eigenen Land und darüber hinaus wieder verstärkt einsetzen. Das ist ein gemeinsames Anliegen der CSU-Fraktion in diesem Landtag.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Fraktionsvorsitzende der CSU hat es für richtig gehalten, eingangs auf die Gräueltaten des Nationalsozialismus hinzuweisen. In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Herrmann, verbietet sich aber jeder Vergleich mit nationalsozialistischen Umtrieben.
Das ist eine nicht hinzunehmende Verharmlosung dessen, was damals passiert ist. Es ist eine völlig unangemessene Überbewertung eines Vorgangs wie den, über den wir jetzt reden.
Dabei können wir, glaube ich, sehr schnell Einigkeit erzielen. Respekt vor religiösen Überzeugungen ist etwas, was bei uns von außerordentlich hoher Wichtigkeit ist, und deswegen sollte er auch Verfassungsrang haben. Dieser Hinweis auf unsere Verfassung ist wichtig.
Wir sind uns also darin einig, dass wir die Verletzung religiöser Gefühle ablehnen. Da haben die Katholiken mich als evangelischen Christen, der sich seiner jüdischen Wurzeln sehr wohl bewusst ist, genauso auf ihrer Seite, wie das Buddhisten, Moslems und Anhänger von Naturreligionen von mir erwarten können.
Ich füge hinzu, dass ich mich auch dagegen wehren würde, Atheisten der Lächerlichkeit preiszugeben, weil sie für ihre Person eine andere Entscheidung getroffen haben, als ich sie für mich oder Herr Kollege Herrmann sie für sich getroffen hat.
Ich fürchte allerdings, dass die eingangs von mir beschriebene Einigkeit nicht mehr vorhanden ist, wenn es um die Konsequenzen aus der geplanten Ausstrahlung eines Machwerks wie „Popetown“ geht. Dazu ist nämlich nach meiner Auffassung das Presserecht nicht geeignet, schon gar nicht das Strafrecht.