Protokoll der Sitzung vom 18.10.2005

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dupper. Bitte schön, Herr Kollege.

Verehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Ministerin! Die Aktualität der von uns beantragten Aktuellen Stunde ergibt sich doch aus der Tatsache, dass in diesen Wochen die

Rahmendaten für den Nachtragshaushalt 2006 fest gezurrt werden.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen ist hier nicht die Stunde für große Gefühle. Ich möchte Ihnen die von uns festgestellten Schwerpunkte darlegen.

Die Debatte hat zwiespältige Gefühle hinterlassen. Zum einen fordern Redner der CSU einen Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik: mehr Eigenverantwortung, Krise als Chance. Andere sagen: Es ist doch alles in Butter; es läuft gut, wir sind auf Kurs. Entweder oder! Gibt es einen Paradigmenwechsel oder geht alles gut weiter, wie wir es von Ihnen gehört haben?

(Beifall bei der SPD)

Wir geben Ihnen heute doch mit, dass wir die bitteren Erfahrungen – nicht unsere persönlichen, sondern die der Bayern draußen im Land – aus dem Nachtragshaushalt 2004, die im Doppelhaushalt 2005/2006 vorerst festgeschrieben wurden, nicht weiterhin machen wollen. Wir sagen: Wir müssen mit dem Nachtragshaushalt 2006 wieder auf den Pfad der Tugend der Sozialpolitik zurück.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen die breite Schneise bei sozialen Standards und Leistungen nicht mit Ihnen durchschreiten müssen, sondern wir wollen wieder zurück zu einem vernünftigen sozialen Netz. Deswegen heute diese Aktuelle Stunde.

Wir sagen Ihnen klipp und klar: Für uns gibt es auch für die anstehenden Nachtragshaushaltsberatungen zwei Schwerpunkte im Einzelplan 10: Erstens. Wir wollen die mutwillig gerissenen Lücken im sozialen Netz wieder durch konstante Förderung

(Beifall bei der SPD)

der Beratungsstellen, der sozial engagierten Mitbürger und der Träger ersetzen. Lieber Kollege Unterländer, es ist zwar schön und gut, uns soziales Gedöns zu unterstellen oder, wie Sie sagten, die vielleicht guten Absichten der Siebzigerjahre. Lieber Kollege Unterländer, diese vielleicht guten Absichten der Siebzigerjahre haben zu einer tragfähigen Sozialpolitik geführt. Diese guten Absichten, lieber Kollege sind mir lieber als eine fl ächendeckende Plakataktion eines sozialpolitischen Agrariers, die vielleicht die Sozialpolitik ersetzen soll.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen: Das ist nicht unsere Herangehensweise an Sozialpolitik. Wir brauchen soziale Dienstleistungen; auf diese sind die Menschen in unserem Land angewiesen.

Der zweite klare Schwerpunkt ist und bleibt – wir haben uns, liebe Ministerin, bei den Haushaltsberatungen schon ausgetauscht – die Investitionsförderung beim Landesaltenplan und beim Landesbehindertenplan. Das Gerede

von Eigenverantwortung und Krise als Chance geriet angesichts der Daten beim Altenplan doch unfreiwillig zum Zynismus. Die Verabschiedung aus der Finanzierung von Neubauten ist beschlossene Sache – das haben wir heute gehört und haben wir schon früher lesen dürfen. Aber auch für die notwendige Modernisierung und Sanierung von Tausenden von Altenheimplätzen steht kein Geld zur Verfügung. Aktuelle Beispiele aus ganz Bayern können genannt werden, auch aus unserer geliebten Heimatstadt.

Es gibt auch das wunderbare Schreiben Ihres Parteifreundes, des Regensburger Oberbürgermeisters, der in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Bayerischen Städtetages die Staatsregierung auffordert, für den Altenheimbau, für die Sanierung von Altenheimplätzen wieder Geld zur Verfügung zu stellen. Ich meine, das wäre auch die Antwort, die wir der Nachkriegsgeneration schuldig sind:

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen für diesen Bereich wieder Investitionsmittel freimachen.

Beim Landesbehindertenplan ist die Situation sehr drastisch. Nur mehr die Rohdaten seien noch genannt: Zum Jahresende 2004 hatten wir ein Antragsvolumen von über 30 Millionen Euro auf Zuschüsse für Maßnahmen, die bereits realisiert wurden – das sind keine Heime oder Werkstätten, die wünschenswert sind, sondern sie sind für diese Menschen notwendig. Das Antragsvolumen für Maßnahmen, die noch anstehen, beträgt über 70 Millionen Euro. Das gesamte Finanzierungsvolumen macht also über 100 Millionen Euro aus. Im Haushalt 2005 lautet die Antwort auf diesen Investitionsstau: Eine Million oder zwei Millionen Euro. Das kann doch nicht befriedigen. Wir haben uns auch bei den Haushaltsberatungen ausgetauscht. Hier muss eine Lösung her, meinetwegen auch durch Umschichtung von Privatisierungserlösen. Bayern ist nicht nur ein einziges Cluster – Bayern hat auch ein soziales Gesicht.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen abschließend unsere Bitten und unsere Anforderungen an den Nachtragshaushalt 2006. Das muss ein Sozial- und Bildungshaushalt werden. Das eine sind wir uns und den Menschen in Bayern schuldig, das andere sind wir unserer Zukunft schuldig.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Bernhard. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will abschließend noch ein paar Bemerkungen aus fi nanzpolitischer Sicht machen, da die Finanzen letztlich den Rahmen bilden, innerhalb dessen wir Sozialpolitik betreiben können.

Man kann hier und dort einen anderen Akzent setzen, aber uns muss klar sein, dass wir uns in diesem Rahmen bewegen müssen. Ihr Antrag, wir sollten alle Kürzungen der jüngsten Vergangenheit rückgängig machen, besagt nichts anderes, als dass Sie die Nettoneuverschuldung in Bayern erhöhen wollen. Das müssten Sie hinzusetzen. Wir können darüber diskutieren, denn wir sind keine Leute, die Freude daran haben, Sozialleistungen, die sich bewährt haben, kürzen zu müssen. Niemand hat daran Freude. Wir müssen aber überlegen, wohin das führt.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Wir haben Deckungsvorschläge gemacht, die von Ihnen in den Wind geschlagen wurden!)

Herr Wahnschaffe, mich wundert, dass Sie, obwohl die Koalitionsverhandlungen in Berlin begonnen haben, mit einem Antrag antreten, der nichts damit zu tun hat, was in Berlin besprochen wird.

(Christa Steiger (SPD): Erstens, wir haben keinen Antrag gestellt! Zweitens, Berlin ist Berlin und Bayern ist Bayern!)

Ihre Kollegen sagen, wir hätten einen Konsolidierungsbedarf von 15 Milliarden Euro, und unsere sagen, wir hätten einen Konsolidierungsbedarf von 22 Milliarden Euro. Zumindest sind sich die künftigen Koalitionäre in Berlin einig, dass das, was Sie bisher veranstaltet haben, nicht so weitergehen kann.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Würden Sie sagen, dass von Berlin aus durchregiert wird nach Bayern?)

Darauf komme ich noch.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Die bayerische Sozialpolitik wird in Bayern gemacht!)

Das bedeutet, dass in Berlin sehr schnell die „Koch-Steinbrück-Liste“ vorgelegt wird. Dann werden sich Ihre Leute dazu bequemen müssen – leider, denn niemand hat daran Freude –, zu kürzen. Der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats im Bundesfi nanzministerium, den Ihr Kollege Eichel eingesetzt hat, hat dieser Tage ganz salopp gesagt, wir müssten an die Sozialkosten heran.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Wir könnten in Bayern so viel Eigenes tun! – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Können Sie auch noch selbst denken?)

In Berlin wird überlegt, wie der Haushalt gekürzt werden kann, und hier in Bayern meinen Sie, das Geld einfach ausgeben zu können. Das ist nicht konsequent. Ich glaube, diese Konsequenz müssen Sie noch lernen.

Wegen des Wahlergebnisses der CSU sollten Sie sich keine allzu großen Illusionen machen. Die CSU hat 55 % der Erststimmen bekommen. 4 bis 5 % der Zweitstimmen sind an die FDP gegangen. Das sind Leute, die den

Wechsel in Berlin wollten. Diese Leute stimmen Ihren Thesen zur Sozialpolitik nicht zu.

(Beifall bei der CSU)

Was ist sozial? – Darüber sollten wir uns einig werden. Wir sollten uns auch einig sein, dass wir alleine mit der Sparpolitik die Probleme nicht werden bewältigen können. Auf keinen Fall. Vielmehr muss im Vordergrund stehen, wie wir Wachstum und Arbeitsplätze schaffen können. Das wird der Prüfstein für die Koalition sein. Wenn das nicht gelingt, werden wir nicht viel gemeinsam zusammenbringen. Deshalb muss im Vordergrund stehen, wie wir das schaffen können. Außerdem müssen wir uns bei dieser Debatte fragen, was in Zeiten der Globalisierung und des daraus resultierenden Wettbewerbdrucks sozial ist für die nachfolgenden Generationen.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Das haben Ihnen die Wähler gesagt!)

Es wäre nicht richtig – wie Sie das wollen – noch mehr auszugeben, weil das die nachfolgenden Generationen zahlen müssten. Wir sollten bei der Sozial- und Haushaltspolitik eines bedenken: Je schwieriger die Haushaltslage wird, je mehr Schulden wir haben und je mehr Zinsen wir zahlen müssen, desto weniger Spielraum gibt es für die Sozialpolitik. Das ist klar. Deshalb sollten wir im Interesse der Sozialpolitik gemeinsam daran arbeiten, diese Dinge in den Griff zu bekommen und so die Möglichkeit schaffen, eine vernünftige Sozialpolitik zu gestalten.

Hier wurde verschiedentlich gesagt, in Bayern würden verheerende Zustände herrschen. Wenn man Sie hört, könnte man meinen, es stünde ganz kritisch um die Sozialpolitik in Bayern. Natürlich kann man der Meinung sein, dass das Erziehungsgeld erhöht werden müsse oder das Büchergeld nicht gebraucht würde, obwohl 10 von 16 Bundesländern dies eingeführt haben usw. Das ist alles relativ. Aber sämtliche Indikatoren und auch die heutige Debatte zeigen, dass Bayern wesentlich besser abschneidet, als alle anderen Bundesländer, insbesondere besser als diejenigen, in denen Sie regieren.

Nun noch eine Bemerkung zu den Kommunen. Sie wiederholen ständig, dass die Kommunen „ausgehungert“ würden.

(Zuruf der Abgeordneten Kathrin Sonnenholzner (SPD))

Ich empfehle Ihnen, sich die Zahlen zu betrachten. Der kommunale Finanzausgleich wächst überdurchschnittlich. Der Sozialhilfeausgleich an die Bezirke ist massiv erhöht worden. Das zeigt, dass wir uns in den wirtschaftlich und fi nanziell schwierigen Zeiten im hohen Maße in der Sozialpolitik engagieren. Sie sollten das zur Kenntnis nehmen, damit wir eine vernünftige wechselseitige Diskussionsgrundlage erreichen und wir nicht ständig mit Anträgen konfrontiert werden, ohne dass gesagt wird, wie das bezahlt werden soll. Das ist unseriös.

(Beifall bei der CSU)

Um das Wort hat Frau Staatsministerin Stewens gebeten. Bitte schön.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen! Ganz kurz im Telegrammstil, weil ich die Diskussion nicht verlängern möchte: Zum bürgerschaftlichen Engagement sind lediglich die 13 Modellprojekte abgelaufen. Das haben wir von Anfang an gesagt. Ansonsten haben wir das Netzwerk in eine Regelförderung überführt.

(Zuruf des Abgeordneten Joachim Wahnschaffe (SPD))