Erstens. Wie Frau Paulig ausführte, haben sie Angst vor dem Einfl uss auf die Agrarstruktur. Die negativen Beispiele, die man in der Welt beobachten kann, zum Beispiel Baumwolle in Indien, herbizidresistente Sorten von Mais in Nord- und in Südamerika, genmanipulierter Raps in Kanada, sind klassische Beispiele, die zu der Position führen: Gentechnik ist etwas, wovor wir Angst haben müssen, denn sie zerstört kleine landwirtschaftliche Strukturen und bringt kleine Landwirte in die Abhängigkeit von Konzernen.
Dabei führen Sie aber immer wieder fälschlicherweise auf, dass das Patentrecht die eigentliche Ursache sei. Sie gehen nämlich darüber hinweg, dass das Patentrecht mit der Gentechnologie überhaupt nichts zu tun hat. Auch Hybridsorten sind patentrechtlich geschützt und dürfen ohne Lizenzabgabe nicht nachgebaut werden. Hierbei wird also nicht ganz richtig argumentiert; ich teile aber die Bedenken – das sage ich ganz ausdrücklich. Wir müssen unbedingt verhindern, dass in Bayern vergleichbare negative Folgen für die Agrarstruktur eintreten.
Zweitens. Ich nenne das Produzentenängste. Die rechtliche Diskussion, die wir zurzeit über Haftungsfonds und gesamtschuldnerische Haftung führen, ist eigentlich eine Diskussion, die sich darum dreht, dass Landwirte, die ohne Gentechnik arbeiten wollen – also sowohl konventionell produzierende als auch Biobauern –, sich davor schützen wollen, gentechnisch veränderte Organismen in ihre Produkte eingetragen zu bekommen, ohne dass sie es verhindern können. Da stellt man sofort die Frage: Warum macht man dann Freilandversuche? Warum macht das Landwirtschaftsministerium solche Versuche? – Die Begründung dafür ist – das haben Sie schon oft genug gehört –, dass wir, genau um Leute zu schützen, die keine gentechnisch veränderten Pfl anzen anbauen wollen und trotzdem den Eintrag gentechnisch veränderter Organismen befürchten müssen, ganz klare Regeln vorgeben, wie diese „good practice“, also dieser koexistenzgerechte Anbau auszusehen hat. Ich frage natürlich: Wer hat denn in der Regierungszeit von Rot-Grün Sorten genehmigt, ohne diese in praktischen Versuchen getestet zu haben?
Wenn Sie sich auf Seehofer berufen: Das Zitat, das Sie immer wieder anführen, demzufolge er sich so für die grüne Gentechnik einsetzen wolle, ist nicht vollständig. Er sagt immer dazu, er möchte auch den Schutz vor unerwünschtem Austrag gentechnisch veränderter Sorten als gleichberechtigte Forderung. Nur so ist das Zitat vollständig.
Drittens, Umweltängste. Es ist vollkommen richtig – da sind wir absolut d‘accord –, dass es dem Menschen nicht gestattet ist, die Natur aus reinem Profi tstreben nachhaltig zu zerstören oder sie zu schädigen. Der Einfl uss gentechnisch veränderter Organismen auf Flora und Fauna ist unbedingt zu untersuchen. Wir müssen hier sehr genau hinschauen. Sie sollten auch bedenken, dass das Zulassungsverfahren der EU genau diesen Punkt so genau
betrachtet wie in keinem Land auf dieser Welt. Das höchst sensible Umgehen mit dieser Thematik ist uns genauso ein Anliegen wie Ihnen.
Viertens, Konsumentenängste. Frau Paulig, das ist das Klavier, auf dem Sie am liebsten spielen. Dabei ist dieses Argument am wenigstens logisch. Sie wissen genau, dass 9 % der Lebensmittel derzeit bereits gentechnisch veränderte Substanzen enthalten. Die Bevölkerung nimmt Vitamine und Medikamente aus gentechnischer Produktion sehr gerne an. Sie sind nicht gefürchtet wegen irgendwelcher unerkannter Begleitstoffe oder Allergene. Gentechnisch produzierte Medikamente und Vitamine sind sogar besonders geschätzt wegen ihrer Reinheit und wegen ihrer kostengünstigen Produktion. Ich frage Sie: Wer will heute noch Insulin, das aus Schweinpankreas gewonnen worden ist, wenn es hochreines Insulin aus gentechnischer Produktion gibt?
Ich weise darauf hin, dass sogar der ansonsten von mir sehr geschätzte Herr Hipp dieser falschen Argumentation aufgesessen ist. Er verweist auf die negativen Erfahrungen mit der Erbsen-Bohnen-Kreuzung, die gentechnisch hergestellt worden ist. Das zeigt doch gerade, dass solche Produkte nicht auf den Markt kommen, wenn sie nicht unbedenklich sind oder Vorteile bieten. Ich darf daran erinnern: Auch die konventionelle Pfl anzenzucht führt ab und zu einmal in eine Sackgasse, wenn eine Produktentwicklung fehlschlägt und das Produkt nicht auf den Markt kommt.
Lassen Sie uns aber in die Zukunft schauen. Wie soll man wirklich mit dieser Technik umgehen? – In meinen Augen steht an allererster Stelle das Vorsorgeprinzip. Bei allen GVO-Techniken, also Techniken mit genetisch veränderten Organismen, muss ausgeschlossen werden, dass Natur, Mensch oder Tiere in irgendeiner Form zu Schaden kommen. Des Weiteren muss die Anwendung einen Sinn haben. Ich sage jetzt etwas, was Sie wahrscheinlich nicht erwarten würden: Ich sehe derzeit keinen Sinn im Anbau von Bt-Mais in den allermeisten Gebieten in Bayern.
Ich sehe derzeit für die bayerischen Landwirte kaum einen Grund, sich dieser Biotechnologie bzw. dem Bt-Mais anzunähern, weil sie es anders in den Griff kriegen. Ganz anders ist es aber, wenn wir Nutzanwendungen bekommen, bei denen sowohl die Risikofreiheit bestätigt ist als auch echter Nutzen für die Menschheit oder für den Anbauer zu erkennen ist. Genau um uns diese Chancen offen zu halten, vertreten wir die Position, die Gentechnik nicht generell zu ächten, sondern wir lassen uns die Türe offen, um uns in der Forschung solchen Nutzanwendungen zu nähern, die für uns alle von Vorteil sind. Unsere Position lautet also – nicht, wie es in der Presse wiedergegeben wurde, „aus Unsicherheit“, sondern aus abso
Wir wollen die Chancen nützen, die sich auftun. In dem „aber“ ist klar ausgedrückt, dass das keine negativen Konsequenzen für die Natur und für die Menschheit haben darf.
Ich darf Sie abschließend noch daran erinnern: Wir sind nicht nur dafür verantwortlich – Frau Paulig –, dass das, was wir tun, keinen Schaden verursacht –
das ist das, was Sie hauptsächlich vertreten –, sondern wir sind auch für das verantwortlich, was wir nicht tun. Wir dürfen keine Chancen vergeben, die möglicherweise in der Zukunft Lösungen für dringende Probleme der Menschheit liefern.
Darüber können wir uns nachher noch ausführlicher unterhalten. Sie haben heute schließlich schon gesagt, wie man das ganz leicht machen kann.
Schauen Sie sich die Bevölkerungsentwicklung und den Klimawandel an; schauen Sie sich die veränderten Anforderungen an die Nahrungsmittelproduktion an. Die Gentechnik bietet Chancen, zukünftige Probleme der Menschheit zu lösen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir scheint, Herr Huber ist ein Schachspieler. Er hat eine Lieblingseröffnung, und so etwas gibt es beim Schach auch. Seine Eröffnung gestern sah folgendermaßen aus: Der Antrag hat mir sehr gut gefallen, aber Ihre Rede gar nicht. Heute lautete die Eröffnung: Frau Paulig, ich halte Ihren Antrag zwar für hervorragend, aber was Sie gesagt haben -
Ich halte es für ausgesprochen positiv, dass die Debatte über die Gentechnik jetzt geführt wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir ist es lieber – das ist übrigens auch unsere erste Aufgabe -, im Vorfeld von sich abzeichnenden Problemen hier zu diskutieren, anstatt zu versuchen, nach Skandalen nachträglich etwas zu lösen. Deshalb begrüße ich es außerordentlich, dass wir heute dieses Thema ohne Druck diskutieren können.
Ich möchte in aller Kürze zu fünf Punkten Stellung nehmen. Erstens. Wie sehe ich die Aufgabe der Politik in dieser Frage? Zweitens. Was verstehen wir unter Koexistenz? Drittens. Wie sieht es mit der Kennzeichnung aus? Viertens. Wie sieht die Haftungsfrage aus? Fünftens. Was halten wir für vernünftige Lösungsansätze, speziell für Bayern? – Diese fünf Punkte möchte ich gerne in den Mittelpunkt meiner Ausführungen stellen.
Erstens, die Aufgabe der Politik. Ich gebe ganz offen zu, dass ich bei der Entscheidung, ob Gentechnologie gut oder schlecht ist, ob ich dafür oder dagegen bin, in höchstem Maße gespalten bin. Die Gentechnik hat eine ganze Reihe von Produkten entwickelt, die ich akzeptiere und gerne verwende. Wenn es eine Krankheit gäbe, gegen die nur ein gentechnisches Medikament helfen würde, würde ich dieses gentechnisch entwickelte Produkt anwenden. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite sehe ich eine ganze Reihe von Gefährdungen. Hat nun die Politik die Aufgabe, darüber zu befi nden, ob ein Produkt gut oder schlecht ist? – Politik hat kein Religionsersatz zu sein. Die Politik muss aber darüber befi nden – und hier ist die Frage, ob sie das in diesem Fall kann -, ob beides in einem fairen, ordentlichen und durchschaubaren Prozess nebeneinander existieren kann. Da tun sich Fragen auf.
Ich komme zum zweiten Punkt, zur Koexistenz. Kann es in der Landwirtschaft gentechnikfreie Zonen auf der einen Seite geben und auf der anderen Seite einen Anbau von gentechnisch veränderten Pfl anzen? Ist eine Koexistenz dieser beiden Bereiche möglich? Viele Leute weisen im Übrigen darauf hin, dass heute schon vieles gentechnisch verändert wurde, ohne dass es so gekennzeichnet ist. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Es gibt fast keinen Allgäuer Emmentaler, dem nicht Lab aus gentechnischer Produktion zugesetzt worden ist. Ich möchte in aller Kürze – das kann ich jetzt nicht näher ausführen – einen Unterschied machen. Ich möchte zwischen gentechnisch veränderten Produkten unterscheiden, die unter Laborbedingungen hergestellt sind – –
Das weiß ich schon; darauf komme ich noch zu sprechen, keine Sorge. Ich möchte jetzt zumindest die Chance wahrnehmen, um über das grundsätzliche Problem zu reden, damit ich zum Anbau konkrete Vorschläge machen kann. Darum geht es doch.
Ich möchte den Einsatz von gentechnisch veränderten Mikroorganismen, zum Beispiel bei Insulin oder bei Vitaminen, ausnehmen. Solche Mikroorganismen, die vorwiegend gentechnisch hergestellt werden, gibt es heute in vielen Produkten. Das ist etwas anderes als die Frage,
was heute auf unseren Feldern möglicherweise angebaut werden soll. Hier möchte ich unterscheiden. Ich würde auch nicht zulassen, dass man eine Politik nach dem Motto verfolgt: Irgendwann müssen wir vor die Öffentlichkeit treten und ihr sagen, dass das Leben schon so sehr von Gentechnologie durchdrungen ist, dass es keinen Sinn mehr hat, beim landwirtschaftlichen Anbau darauf zu verzichten. Das möchte ich verhindern.
Herr Staats minister Miller, diese Frage treibt uns um. Wir werden alles unter diesem Aspekt betrachten. Wenn eine Koexistenz von gentechnisch veränderten Pfl anzen und gentechnikfreiem Anbau unser gemeinsames Ziel ist und wenn diese Koexistenz möglich ist, werden wir alles daran setzen, dass nicht schleichend eine Situation eintritt, in der man dieser Technik verfallen ist und aus ihr nicht mehr herauskommt. Diese Frage treibt uns um. Herr Staatsminister, dieses Anliegen muss betrachtet werden.
Ich komme zum dritten Punkt, zur Kennzeichnung. Wir wollen im Interesse des Verbrauchers, dass die einzelnen Bereiche klar gekennzeichnet werden. Wenn jemand das Zeug aus dieser Produktion essen will, soll er das tun können; das akzeptieren wir. Derjenige, der keine gentechnisch veränderten Nahrungsmittel essen will, muss auch in Zukunft die Gewähr haben, dass er ein nicht gentechnisch verändertes Produkt bekommt. Das muss durch eine Kennzeichnung klar und präzise zum Ausdruck kommen.
Viertens, Haftung. Sie spielt eine ganz entscheidende Rolle im Verfahren. Die Frage ist eine Schlüsselfrage, wer dafür Verantwortung trägt, wenn jemand auf seinem Feld zum Beispiel gentechnisch veränderten Mais anbaut und das Feld eines anderen, der das nicht will, dadurch – ich verwende jetzt einen Begriff, der nicht ganz korrekt ist – kontaminiert wird. Bisher galt die Haftung des Verursachers, und zwar voll. Ich höre, dass Herr Seehofer das ändern will. Allerdings höre ich auch, dass er seine weitgehenden Pläne inzwischen schon wieder zurückgezogen hat und sich nunmehr offensichtlich besser beraten lässt. Das nehme ich mit Freude zur Kenntnis. Eines ist für uns vollkommen klar: An der Haftungsfrage wird sich entscheiden, ob es in Zukunft eine faire Koexistenz geben kann. Deshalb hat für uns die Haftung eine ganz entscheidende Bedeutung.
Ich darf in diesem Zusammenhang einen Vorschlag von Herrn Seehofer herausgreifen. Herr Seehofer schlägt vor, die gesamtschuldnerische Haftung durch einen Fonds aus Steuergeldern abzulösen, aus dem Haftungsfälle entschädigt werden sollen. Das halte ich für unmöglich. Ich sage auch klar in Richtung von Herrn Seehofer: Sie können nicht einerseits als Anwalt der kleinen Leute auftreten und sich für deren Probleme einsetzen und andererseits dem Steuerzahler praktisch eine Gentechniksteuer aus der Tasche ziehen. Das werden wir nicht zulassen.
Fünftens, vernünftige Lösungsansätze. Außer den grundsätzlichen Fragen sind auch die Struktur und die Möglichkeiten Bayerns vernünftig abzuwägen.
Wir müssen uns genau überlegen, welche Art von Anbau sich für Bayern eignet. Ich komme zu dem Ergebnis, dass Bayern aufgrund seiner Struktur und seiner vorwiegend bäuerlichen Landwirtschaft niemals in der Lage sein wird, sich in diesem Bereich erfolgreich zu profi lieren. Ich kenne andere Bundesländer, die das tun wollen; die sollen das machen. Wir aber schlagen für Bayern vor, dass wir uns freiwillig zur gentechnikfreien Zone erklären.
Wir wollen diesen Anbau nicht, weil er den wirtschaftlichen Interessen der bayerischen Bauern und der Verbraucher widerspricht. Das ist unsere Linie.
Ich sehe mich in guter Gesellschaft. Ich scheue mich nicht, Herrn Haider in Kärnten zu nennen, der so etwas durchzuführen versucht. Herr Schwarzenegger macht das in Kalifornien. Die Österreicher versuchen mit diesen Mitteln beispielsweise gentechnisch veränderten Raps trotz EU-Vorgabe zu verbieten. Das gefällt mir; denn in der Zukunft gibt es in jedem Fall einen Markt für hochwertige Produkte. Ich sage Ihnen: Mit ist ein erfolgreiches Feinkostgeschäft lieber als eine Situation, in der unsere bäuerliche Landwirtschaft ohne Chance gegen große Einheiten antreten muss, gegen die sie konkurrenzmäßig niemals wird bestehen können.
Lassen Sie mich ein Letztes sagen, auch an die Bauern gerichtet, wenn es um die Frage geht: Positionieren wir uns freiwillig klar gegen gentechnisch veränderte Pfl anzen? Wir haben mit dem Umweltausschuss eine gemeinsame Fahrt zu Eierproduzenten gemacht und haben uns die Produktion angesehen. Einen Bioproduzenten haben wir gefragt, an wen er liefert. Der Hersteller und Lieferant der Eier sagte uns, er liefere an McDonald´s. Wir fragten ihn weiter, welche Qualitätsstandards es gebe. Er sagte uns: McDonald´s verlangt von uns, dass wir nur Eier von Hühnern liefern, die Futter bekommen haben, das nicht von gentechnisch veränderten Pfl anzen stammt. Meine sehr verehrten Damen und Herren und liebe Bauernvertreter, es darf doch nicht sein, dass Sie heute zum Demonstrieren zu Aldi gehen, während Aldi in Wirklichkeit bessere Maßstäbe anlegt, als Sie bereit sind, an sich selbst anzusetzen.