Protokoll der Sitzung vom 16.02.2006

Mit den Pisa-Ergebnissen machen Sie auch keine bessere individuelle Förderung, Herr Waschler. Mit den PisaErgebnissen verbessern Sie auch die Situation der Lehrerinnen und Lehrer an unseren Schulen nicht, und mit den guten Pisa-Ergebnissen entlasten Sie auch nicht die Familien. Haben Sie denn noch immer nicht gemerkt, dass die Beschulung der Kinder immer mehr Geld kostet, dass es viele Familien gibt, die sich einen guten Schulabschluss für ihre Kinder nicht mehr leisten können? Sie aber führen – mir nichts, dir nichts – en passant das Büchergeld und Studiengebühren ein und machen eine gute Schulausbildung in Bayern in immer stärkerem Maße zur Privatsache. Sie sollten sich endlich mit diesen Baustellen an Bayerns Schulen inhaltlich auseinander setzen, anstatt Ihre Kraft dafür einzusetzen, die Probleme wegzudiskutieren.

Ich behaupte nach wie vor: Die guten Pisa-Ergebnisse, die auch wir sehr begrüßen – so wie Sie meinen, ist das ja nicht –, haben weniger mit Ihrer Politik zu tun als mit dem Engagement der Eltern und Lehrer in den Schulen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn die Eltern nicht die von Ihnen geschaffenen schlechten Rahmenbedingungen aufarbeiten würden, wenn die Lehrer ihre Arbeit nicht bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit machen würden, wenn die Schülerinnen und Schüler ihren Mut, den sie trotz der schlechten Rahmenbedingungen offenbar immer noch haben, verloren hätten, sähe es schlecht aus. Es geht sicher an der Sache vorbei, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen: Wir sind doch die Pisa-Sieger.

Zum Lehrermangel: Auch hier nehmen Sie die Realitäten offensichtlich nicht zur Kenntnis. Sie leiden offenbar an einer selektiven Wahrnehmung, was den Bedarf an Lehrerinnen und Lehrern an bayerischen Schulen betrifft. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es Ihnen denn wirklich entgangen, dass wir in den letzten 15 Jahren an bayerischen Schulen einen Schülerzuwachs von 25 % hatten? Ist Ihnen wirklich entgangen, dass wir an den Realschulen in den letzten 15 Jahren einen Schülerzuwachs von 75 % hatten? Was tun Sie, um diesen Schüleranstieg zu kompensieren? – Sie tun nicht, was jeder vernünftige Mensch tun würde, nämlich mehr Lehrerinnen und Lehrer einstellen, um den Schüleranstieg zu bewältigen. Sie erhöhen die Unterrichtspfl ichtzeit für Lehrerinnen und Lehrer. Sie erhöhen die Arbeitszeit für Lehrerinnen und Lehrer. Sie nehmen übervolle Klassen einfach so hin. Sie versuchen, die Referendare einzuspannen, um die Belastung auszugleichen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das alles hat einen Grund: Die bayerische CSU betreibt Bildungspolitik nicht unter inhaltlichen bildungspolitischen Aspekten, sondern unter rein fi skalischen Aspekten.

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, Sie sparen nach wie vor im Bildungshaushalt und versuchen hier, die Konsequenzen daraus schönzureden; das ist überhaupt keine Frage.

Jetzt drücken Sie natürlich auf die Tränendrüse, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist und die Zeitungen über den gravierenden Lehrermangel schreiben. So schreibt der „Donaukurier“: „Kultusministerium sucht händeringend Pädagogen“, der „Nordbayerische Kurier“: „Förderung bleibt auf der Strecke“, die „Augsburger Allgemeine Zeitung“: „Lehrer verzweifelt gesucht“. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen der CSU, Sie haben es versäumt, diese Entwicklung vorherzusehen und ihr gegenzusteuern.

(Beifall bei der SPD)

Schon im letzten Jahr hätten Sie die Möglichkeit gehabt, Lehrerinnen und Lehrer in ausreichendem Maße einzustellen. Die „Abendzeitung“ hat im Herbst 2005 geschrieben: „Alarm zu Schuljahresbeginn“. Das war 2005. Das haben Sie auch nicht zur Kenntnis genommen. Was haben Sie denn bisher getan, um dieses Problem zu lösen? – Nichts anderes,

(Ludwig Wörner (SPD): Als sich durchzuwurschteln!)

als schön daherzureden und einer schwarzen Null im Haushalt hinterherzulaufen mit der Argumentation, man dürfe der Jugend keine Schulden hinterlassen.

Das ist eine schöne und wohlfeile Behauptung. Sie sagen aber nicht, dass Sie die Jugend, vor allem die zehn Prozent, die die Schule ohne Abschluss verlassen, in eine perspektivlose Zukunft entlassen.

(Eduard Nöth (CSU): Das ist ungeheuerlich!)

Ich bin der Auffassung, man sollte in die Bildung der Kinder investieren, anstatt einer schwarzen Null hinterherzulaufen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, alles steht und fällt mit der Bildungsfi nanzierung, das ist überhaupt keine Frage. Auch wenn Sie es nicht gerne hören, ich möchte Ihnen noch einmal vorhalten, dass wir vor etwa 15 Jahren, Mitte der neunziger Jahre, pro Kopf der bayerischen Bevölkerung 630 Euro für unsere Schulen ausgegeben haben. Aktuell geben wir nur 600 Euro pro Kopf aus. Sie haben die Bildungspolitik und die Schulen in den letzten Jahren bespart, Sie haben die Ausgaben nicht ausgeweitet, das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der SPD – Unruhe bei der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, messen Sie Ihre Bildungsausgaben am Bruttoinlands- oder Bruttosozialprodukt, dann wird der Rückgang der Gelder deutlich. Wir stehen bei der Bildungsfi nanzierung am Ende der deutschen Skala. Sie können hier reden, was Sie wollen, das ist ganz einfach die Wahrheit, auch wenn Sie diese nicht wahrhaben wollen.

(Bernd Sibler (CSU): Lesen Sie doch einmal, was in der in der „Süddeutschen Zeitung“ steht!)

Ich möchte Sie auffordern, endlich mit den Argumenten zur Rechtfertigung Ihrer miserablen Bildungspolitik der letzten Jahre aufzuhören, und stattdessen gemeinsam mit

uns in diesem Hause Verbesserungen zu beschließen, und zwar echte Verbesserungen. Dazu gehört ganz eindeutig die Erhöhung der Bildungsfi nanzierung. Die Gelegenheit dazu bietet sich Ihnen beim Nachtragshaushalt. Stellen Sie doch beispielsweise alle Lehrerinnen und Lehrer ein, die in diesem Jahr nach dem Referendariat die Prüfung machen. Das sind nämlich über 1500 Lehrerinnen und Lehrer. Dann könnten wir das Problem vielleicht lösen

(Eduard Nöth (CSU): Wo steht denn das?)

Wenn Sie in Zukunft die Lehrerinnen und Lehrer nach deren Ausbildung nicht mit den Staatsnoten verschrecken, sondern diese am Bedarf orientiert einstellen, dann wird es an den Schulen auch besser werden.

(Zurufe von der CSU: Oho, oho!)

Es gilt noch immer der Satz, dass sich die Schulen und die Politik an den Bedürfnissen und am Bedarf der Kinder orientieren müssen.

(Simone Tolle (GRÜNE): Ganz genau!)

Bei Ihnen ist es jedoch genau umgekehrt. Bei Ihnen müssen sich die Kinder an Ihre Politik angleichen. Das kann aber für die Zukunft der Kinder nicht gut sein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nutzen Sie deshalb die Winterferien für eine kleine Klausur. Haben Sie ein Einsehen mit den Familien, mit den Schülerinnen und Schülern, mit den Eltern in diesem Land.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Prof. Dr. Waschler.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es war schon erstaunlich, wie sich Herr Kollege Pfaffmann hier als Hellseher dargeboten hat. Er hat schon vorweggenommen, was er meint, was ich in meinen Ausführungen zu seinem Dringlichkeitsantrag sagen werde. Herr Kollege Pfaffmann, wir von der CSU brauchen keine schlechten Noten zu befürchten, da haben Sie Recht. Wir brauchen das weiß Gott nicht. Auch den Hinweis auf die internationalen Vergleichsstudien, Kolleginnen und Kollegen, brauchen wir nicht zu fürchten. Wenn wir uns die Tatsachen ansehen, dann sieht es vielmehr so aus, dass man sagen muss: Wenn hier schon eine Bewertung durchgeführt wird, dann haben Sie, Herr Kollege Pfaffmann, im ersten Teil Ihrer Ausführungen zum Dringlichkeitsantrag gar nichts gesagt. Das wäre eine klassische Themaverfehlung gewesen. In einigen Punkten haben Sie versucht, das darzulegen, was Sie immer erzählen, dass es uns in Bayern nämlich sehr, sehr schlecht geht und dass wir den Untergang des Bildungsabendlandes zu befürchten haben.

Sie haben erzählt, dass wir uns eigentlich gar nicht mehr um eine gute Bildungspolitik bemühen sollten. Dem möchte ich ganz deutlich entgegenstellen, dass wir keinen Vergleich zu scheuen brauchen, dass wir allerdings auch sehr wohl wissen, wo wir noch Verbesserungen herbeiführen können. Wir brauchen uns weder in quantitativer

Hinsicht – mit Blick auf die Unterrichtsstunden – zu verstecken noch in qualitativer Hinsicht. Ich möchte ganz dezidiert sagen, dass wir die Qualität der Ausbildung für die Lehrerinnen und Lehrer, die an unseren Schulen unterrichten, nicht vermindern werden. Eine Prüfung mit einer entsprechenden Qualifi kation muss jeder bestehen, der an unseren Schulen unterrichtet.

(Beifall bei der CSU)

Werte Kolleginnen und Kollegen, vorhin hat Herr Kollege Dr. Dürr behauptet, dass das türkische Bildungssystem, besser sei als das bayerische. Jetzt müsste man sagen, dass Herr Kollege Dr. Dürr ebenso wie Herr Kollege Pfaffmann in Abwandlung einer neutestamentarischen Bibelstelle beurteilt werden sollte, nämlich mit folgender: Herr vergib ihnen, denn Sie wissen nicht, wovon sie sprechen.

Wir brauchen auch deshalb kein schlechtes Zeugnis fürchten, weil wir nämlich genau die Punkte, die Sie in Ihrem Dringlichkeitsantrag fordern, längst erfüllen. Wir besetzen beispielsweise die durch Pensionierung frei werdenden Stellen, und wir besetzen darüber hinaus weitere. Kollege Sibler wird das anschließend noch darlegen. Wir haben im Bildungshaushalt noch Steigerungen, während andere Bundesländer so etwas schon lange nicht mehr aufweisen können. Wir brauchen uns auch hier nicht verstecken.

Auch mit Blick auf die Beschlüsse von Wildbad Kreuth muss ich sagen: Keine einzige Stelle ist eingezogen worden. Es ist sogar so, dass durch den Schülerrückgang an den Volksschulen auch bei den Förderstunden Verbesserungen greifen werden. Das haben Sie mit keinem Ton erwähnt. Herr Kollege Pfaffmann, das müssen Sie zur Kenntnis nehmen, genauso, wie Sie uns vorhalten, wir sollten etwas zur Kenntnis nehmen. Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass gestern ein Bericht der Staatsregierung zu einem Punkt abgegeben wurde, mit dem Sie dann endlich beim Thema waren, nämlich zur Verminderung der Klassenstärken.

(Zuruf der Abgeordneten Simone Tolle (GRÜNE))

Auch dort wurden Fortschritte erzielt, wir werden weiter daran arbeiten. Wir haben im Schuljahr 2004/2005 an den Realschulen 244 Klassen mit über 32 Schülern gehabt und diese Zahl im Schuljahr 2005/2006 auf 208 Klassen verringert.

(Zuruf der Abgeordneten Simone Tolle (GRÜNE))

An den Grundschulen haben wir eine durchschnittliche Klassenstärke von 22,1 und an den Hauptschulen eine Klassenstärke von 21,7 Kindern. Ich muss zugestehen, Herr Kollege Pfaffmann, an den Gymnasien werden wir aufgrund der hohen Schülerzahlen, die diesen Bildungsgang wählen, eine deutliche Verbesserung erst später erreichen können.

(Zuruf der Abgeordneten Simone Tolle (GRÜNE))

Unsere Politik ist, dass wir unseren Schülerinnen und Schülern guten Unterricht in ausreichendem Umfang anbieten. Wir geben nicht Schnellschüssen nach. Sie for

dern in Ihrem Antrag 2000 Stellen – ich stelle mit Blick auf die letzten Jahre fest, dass wir diese Forderung erfüllen. Das wird, wie gesagt, Herr Kollege Sibler noch nachtragen.

(Zuruf der Abgeordneten Heidi Lück (SPD))

Kolleginnen und Kollegen, es ist in höchstem Maße unseriös, auch im Hinblick auf die Chancen künftiger Einstellungsjahrgänge, jetzt zu fordern, dass jeder eingestellt wird, unabhängig von irgendeiner Notenskala. Wir wollen einen ausgeglichenen Haushalt, da haben Sie Recht, Herr Kollege Pfaffmann. Das möchte ich hier auch noch einmal betonen. Der ausgeglichene Haushalt ist auch im Interesse unserer Kinder. Wir werden weiterhin nach Kräften eine ausgewogene und fi nanzierbare Lehrereinstellung vornehmen. Da befi nden wir uns in Deutschland nach wie vor an der Spitze. Es gibt Mangelfächer, das ist richtig. Wir können keinen Mathematiklehrer schnitzen, wir können niemanden zwingen, dieses Studienfach zu wählen. Wir können aber dafür werben, und das haben wir auch getan.

(Unruhe bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Seien Sie doch nicht so nervös, verehrte Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN. Ich will doch nur sagen, was meine Fraktion gemacht hat. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Wir haben Maßnahmen eingeleitet, dass wir auf diesem Feld verstärkt Lehrerinnen und Lehrer gewinnen. Wir haben eine neue Lehrerbildung, die größere Möglichkeiten bietet, auf so genannter polyvalenter Ebene zu verfahren. Das bedeutet, man kann sich auch später entscheiden, in den Lehrerberuf zu wechseln.

Außerdem haben wir eine Initiative zur Verbesserung des Ansehens des Lehrerberufs auf den Weg gebracht. Wenn wir bei der Föderalismusreform den nächsten Schritt schaffen, dann werden wir ebenfalls einen positiven Effekt bekommen. Ich bin überzeugt, wir werden in der Konkurrenz mit der freien Wirtschaft besser bestehen können.