Protokoll der Sitzung vom 16.02.2006

Gleichzeitig ist jedoch die Arbeitslosenquote bei den Ausländern relativ hoch. Sie lag im Jahresdurchschnitt 2005 bei 19,6 % und war damit doppelt so hoch wie die allge

meine Arbeitslosenquote. Ähnliches gilt für die Jugendlichen. Wir fi nden daher viele ausländische Jugendliche bei den Empfängern des Arbeitslosengeldes II wieder. Wir müssen dieses Problem sehr genau betrachten und mit den unterschiedlichsten Maßnahmen gegensteuern. Bayern tut das.

Natürlich kenne ich das Problem, dass in Bayern 25 % der ausländischen Jugendlichen die Schule ohne Schulabschluss verlassen. Unsere Gegenmaßnahmen setzen bereits im Kindergarten an. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, Sie haben behauptet, der Gewichtungsfaktor 1,3 im Kindergarten bringe nicht sehr viel. Ich sage Ihnen: Er bringt sehr viel, weil wir damit gerechter fördern und darauf aufmerksam machen, dass wir für die ausländischen Kinder Sprachkurse benötigen. Die Sprache ist nun einmal eine der Brücken zur Integration.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Dagegen sagt niemand etwas!)

Sie ist auch eine Brücke für einen erfolgreichen Abschluss an der Schule. Deshalb haben wir die Fördermittel zum Beispiel für die Vorkurse verwendet.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Es weiß bloß keiner, wie das in der Praxis gehen soll! Weder die Schulen noch die Kindergärten kennen sich aus!)

80 Stunden zahlt das Sozialministerium und 80 Stunden das Kultusministerium. Insgesamt haben wir 160 Stunden Deutschförderung. Bislang waren es nur 40 Kurse. Im letzten Jahr haben wir 700 Vorkurse für 6700 ausländische Kinder auf den Weg gebracht. Das ist eine wesentliche Verbesserung. Sie behaupten jedoch immer, dass nichts passiert sei.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist völlig unzureichend!)

Ich bitte Sie, diese Leistung anzuerkennen. Bereits in diesem Jahr gibt es eine gesetzliche Verpfl ichtung für die Träger zur Feststellung des Sprachstandes. Die Sprachförderung für die ausländischen Kinder wird dann weiter zunehmen. Inzwischen besuchen 97 % aller Migrantenkinder das letzte Kindergartenjahr. Die Erfassungsquote ist sehr hoch. Wir sagen: Kinder sollten in Bayern nur noch eingeschult werden, wenn sie die deutsche Sprache beherrschen. Das bedeutet für die Eltern, dass sie ihre Kinder nicht bis zur Einschulung im Heimatland lassen sollen. Die Kinder sollten hier das letzte Kindergartenjahr besuchen.

Kinder, die kein Deutsch können, müssen nach den Sprachtests bei der Einschulung in den Kindergarten zurückgeschickt werden, damit sie in den Genuss dieser Sprachkurse kommen. In der Schule geht es dann mit Sprachlernklassen weiter. Zusätzlich haben wir in diesem Jahr noch die Hausaufgabenhilfe für die ausländischen Kinder in den Sprachlernklassen auf den Weg gebracht, weil wir wissen, dass viele ausländische Kinder in einem späteren Lebensalter – mit sieben bis vierzehn Jahren – in die Schule einsteigen.

Vor diesem Hintergrund sagen wir: Auch diesen Kindern helfen wir. Wir unterstützen sie bei der Hausaufgabenhilfe, damit sie die Schule erfolgreich bestehen können.

Integration beinhaltet für uns nach dem Zuwanderungsgesetz sowohl die nachholende Integration als auch die begleitende Integration. Wir haben in Bayern allein im letzten Jahr 1000 Integrationskurse für 16 000 Migrantinnen und Migranten durchgeführt. Wir haben in Bayern zusätzlich die Integrationsbegleitung. Allein dafür habe ich 1,5 Millionen Euro im Doppelhaushalt. Ich sage aber auch dazu – das halte ich für wichtig; denn hinter der Integration stehen immer das Fördern und das Fordern; das ist ein Prozess –, dass auf der einen Seite diejenigen, die bei uns leben, bereit sein müssen, sich zu integrieren. Auf der anderen Seite ist die Aufnahmebereitschaft der hiesigen Gesellschaft erforderlich. Deswegen meine ich schon, dass man mit den Integrationsvereinbarungen mit den Migrantinnen und Migranten einen guten Weg beschritten hat, um eine tatsächlich gelingende Integration auf den Weg zu bringen.

Wir geben in Bayern 2,6 Millionen Euro für die Integration von Spätaussiedlern, für jüdische Migrantinnen und Migranten und für Ausländerinnen und Ausländer, die bei uns leben, aus. Sie wissen, dass das ein durchaus schwieriger Bereich ist.

Wir haben in Bayern unterschiedlichste Maßnahmen, beispielsweise das Hausbesuchsprogramm HIPPY, also ganz niedrigschwellige Angebote gerade für die Integration von Kindern, die Schwierigkeiten haben. Das ist ein ausgesprochen erfolgreiches Programm, das von den Migrantenfamilien sehr gern angenommen wird. Ich meine schon, dass in Bayern die Integrationsaufgabe nach den von uns beschlossenen Integrationsleitlinien hervorragend erfüllt wird. Wir setzen die Integrationsleitlinien in Bayern fl ächendeckend um. Wir haben in jedem Regierungsbezirk Integrationsforen eingerichtet. Dort wird Integration auf die Kommunen „herunterge brochen“. Die jeweiligen Regierungspräsidenten haben die Integration zu ihrer Aufgabe, also zu einer Chefsache gemacht. Damit gelingt es, Integration in die Verbände, in die Vereine, in unsere Kommunen zu tragen. Wichtig für mich ist auch, dass die Bürgermeister Integration zu ihrer Aufgabe machen. Das sind Sinn und Inhalt der Integrationsforen, die wir bayernweit installiert haben.

(Zuruf des Abgeordneten Rainer Volkmann (SPD))

Machen Sie keine wegwerfende Handbewegung. Wenn Sie nämlich die einheimische Bevölkerung nicht dazu bringen, mitzumachen – gerade die Verbände und die Vereine haben bei der Integration eine ganz, ganz wichtige Aufgabe –, wird Integration als solche nicht gelingen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch ein Wort zur Jugendsozialarbeit sagen. Vor allem Eines möchte ich dazu schon sagen: Wir haben sehr viele Projekte in der berufsbezogenen Jugendhilfe. Wir haben allein im letzten Jahr 50 Projekte mit 4,8 Millionen Euro aus dem Einzelplan 10

(Karin Radermacher (SPD): Von 5000 Schulen!)

ich weiß schon, dass Sie das gar nicht so gern hören, weil das erfolgreich ist – und mit 700 000 Euro aus dem

Arbeitsmarktfonds gefördert sowie rund 53 Millionen ESFMittel im Zeitraum 2000 bis 2006 eingesetzt.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wir wollen Ihnen nur sagen, wie viele Schulen wir haben!)

Damit fördern wir die Integration in den ersten Arbeitsmarkt.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist zwar wichtig, aber zu wenig!)

Danke schön, Frau Kollegin, ich halte das auch für ungeheuer wichtig. Sie sollten aber durchaus auch akzeptieren, dass wir hervorragende Projekte mit hervorragendem Erfolg haben. Sie schreien immer: Das reicht nicht! Das ist zwar richtig: Es reicht nicht; Sie alle hätten immer gern mehr.

(Susann Biedefeld (SPD): Sie wollen nicht!)

Wir haben gleichzeitig Mikroprojekte mit 70 Initiativen, die wir ebenfalls mit 1,3 Millionen Euro ESF-Mitteln fördern, um die Ausbildungssituation der jugendlichen Migrantinnen und Migranten zu verbessern. Übrigens: Diese Mikroprojekte sind innovative Vor-Ort-Projekte. Sie sind ungeheuer erfolgreich. Wir nehmen darin auch die ausländischen Arbeitgeber in die Pfl icht. Auch das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen.

Ich komme zum Schluss, zur viel gescholtenen Jugendsozialarbeit an Schulen. Ich weiß, dass unsere 87 Projekte ausgesprochen erfolgreich sind, dass wir damit durchaus die Gewalt an den Schulen um über 50 % senken können. Wir haben als Zielvorgabe 300 Projekte in zehn Jahren an 500 Schulen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Ja, aber wir haben 5000 Schulen!)

Frau Kollegin, wir haben 5000 Schulen, aber Sie werden mir doch konzedieren, dass wir nicht an jeder Schule Jugendsozialarbeit brauchen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Sicher nicht, aber 500 werden nicht ausreichen!)

Dazu muss ich Ihnen ehrlich sagen: Sie können letztendlich nicht alle Probleme dem Staat vor die Türe kippen.

Ich habe Ihnen aber immer gesagt: Ich stehe hinter der Jugendsozialarbeit und hinter unserem Ausbauziel. Das Tempo ist zurzeit etwas verlangsamt worden, aber wir werden die erfolgreichen Projekte weiterhin fördern. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in Bayern auf einem guten Weg zu einer gelingenden Integration sind.

(Beifall bei der CSU – Rainer Volkmann (SPD): Frau Präsidentin, das waren elf Minuten!)

Ich kann lesen, Herr Kollege, wenn Sie erlauben. Was Sie dann daraus machen, ist Ihre Sache. Ich habe das zur Kenntnis genommen.

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Vogel. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Stewens, zu dem, was Sie gesagt haben, ganz kurz: Ich kann es langsam nicht mehr hören, was die Staatsregierung alles macht hinsichtlich des „Herunterbrechens“ der Integration in Verbände und Vereine. Wo wären wir denn in der Integrationsarbeit in Bayern, wenn die Verbände und Vereine nicht schon über viele Jahre hinweg Integrationsarbeit betrieben hätten?

(Beifall bei der SPD)

Ich kann es nicht mehr hören, dass die Kommunen aufgefordert werden, Integration auf ihren Aufgabenbereich „herunterzubrechen“, dort tätig zu werden. Die Kommunen in Bayern haben im Wesentlichen die Integrationsarbeit geleistet,

(Beifall bei der SPD)

und die Jugendsozialarbeit an den Schulen wird zum Teil von den Kommunen allein getragen. Sie sind von Ihnen alleingelassen worden. Frau Sem, ich kann mir auch nicht mehr anhören, was HIPPY alles Gutes vollbringt – Frau Stewens hat das auch gerade gesagt. Ich bin einer der Initiatoren von HIPPY in Erlangen. Damals hat sich die Staatsregierung überhaupt nicht darum gekümmert. Privatpersonen haben das auf den Weg gebracht, während wir hier noch darum gestritten haben, ob das machbar ist.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eigentlich wollte ich grundsätzlich mit zwei Lebenslügen beginnen, von denen Ulrich Beck gesagt hat, dass sie immer noch unsere Integrationsdebatte kennzeichnen. Eine Lebenslüge ist die des rentablen Ausländers. Sie spielt bei unseren Diskussionen im Parlament immer wieder eine Rolle; man unterscheidet zwischen wirtschaftlich nützlichen und unnützen Ausländern. Wir haben häufi g im Petitionsausschuss, aber auch in anderen Ausschüssen mit Ihnen Diskussionen, weil Sie sagen: Diese Leute bringen uns nichts; sie liegen auf der Tasche, sie müssen zurück. Ihnen ist es schnurzpiepegal, in welche Heimat diese Menschen zurück müssen und was dort mit ihnen passiert.

(Beifall bei der SPD)

Integration fördern, Herr Welnhofer, ist da Fehlanzeige. Johannes Rau hat dazu richtigerweise einmal gesagt: Es geht um Menschen und deren Schicksale, nicht um Nutzenkalküle.

Nun kommt aber noch eine zweite, nicht weniger problematische und brisante Variante hinzu. Aufgrund eines manchmal vermuteten, manchmal gegebenen, aber wirklich selten nachgewiesenen Bedrohungspotentials wird zwischen guten und bösen Ausländerinnen und Ausländern unterschieden. Dabei verkennt man die Gefahr, dass damit die Grundrechte als Basis unseres zivilisatorischen Zusammenlebens zerstört werden können.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Beide Lebenslügen verstellen den Blick auf erfolgreiche Ansätze in der Integrationspolitik. Integration ist ein ständiger, lang andauernder Prozess und eben, Herr Welnhofer, keine Assimilation. Ziel muss eine offene Kultur

sein, in der auch die Tradition von Migrantinnen und Migranten Platz fi ndet.

Die CSU spricht da, wie heute im ersten Beitrag geschehen, gerne und oft von Integrationsförderung. Herr Welnhofer, nachdem, was ich von Ihnen gehört habe, meinen Sie aber nicht die Förderung der Integration, sondern die Forderung nach Anpassung. Diese Diskussion führen Sie. Sie wollen die Anpassung an eine deutsche Leitkultur, die für viele Migranten, die hier leben, im wahrsten Sinne des Wortes eine Leid-Kultur geworden ist – mit „d“ wie „Dora“; auch die Franken können hartes und weiches „d“ unterscheiden. Nach Ihrem Redebeitrag spreche ich Ihnen die Integrationsfähigkeit und die Integrationswilligkeit ab.

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, zurzeit sind unübersehbar Religion und Glauben wieder auf die politische Tagesordnung zurückgekehrt. Wir haben in Deutschland längst eine kulturell heterogene Gesellschaft. Wir alle sind verpfl ichtet, die Friedenskräfte in unseren jeweiligen eigenen Religionen und Traditionen zu stärken und dem politischen Missbrauch religiöser Überzeugungen entgegenzutreten.