Protokoll der Sitzung vom 07.03.2006

(Beifall bei der SPD)

Diese Tendenz wird auch nicht durch den Demographiefaktor bei der Berechnung der Schlüsselzuweisungen aufgehalten, der ab dem 1. Januar 2006 Nachteile der Gemeinden durch Einnahmeverluste zeitlich abfedern soll. Er ist ein Tropfen auf den heißen Stein angesichts der fi nanziellen Lasten, die sich bei den schrumpfenden Kommunen auftun.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden in den Ausschüssen noch viele Ziele und Grundsätze des Entwurfs problematisieren und sichtbar machen, dass es der Staatsregierung häufi g nicht um Mensch und Umwelt geht, sondern um ihr Prinzip des Durchmarschierens und des zentralistischen Regierens.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich möchte nur drei höchst strittige Themen ansprechen, stellvertretend für viele andere, nämlich den Sonderfl ughafen Oberpfaffenhofen, den Donauausbau und die Regelung zu den Einzelhandelsgroßprojekten. Der bisherige Sonderfl ughafen Oberpfaffenhofen soll für den Geschäftsverkehr geöffnet werden, damit Oberbayern einen weiteren Flughafen bekommt. Herr Kollege Bocklet, Sie kennen die Formulierung und Sie wissen, wie dagegen Sturm gelaufen wird. Tausende von Unterschriften unter den Petitionen dokumentieren den Protest gegen die Ausweitung des Flugbetriebs. Der Zielkonfl ikt zwischen Wohnen und Naherholung einerseits und dem wirtschaftlichen Vorteil für den Geschäftsverkehr in Oberbayern andererseits muss im Interesse der betroffenen Bevölkerung gelöst werden. Dafür werden wir kämpfen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Huber, Sie können sich um diesen Punkt nicht mit einem Formelkompromiss herummogeln. Die Leute haben das bereits gemerkt und werden das nicht mitmachen.

Das zweite Thema ist der Donauausbau. Im Vorentwurf vom Juli 2005 war das Vorhaben Main-Donau-Ausbau als Grundsatz formuliert, also eine abwägungsfähige Vorgabe. Jetzt soll der Ausbau als Ziel mit Bindungswirkung festgeschrieben werden. Geradezu skandalös ist es, dass ausgerechnet für die Festlegung dieses Planziels keine Verträglichkeitsprüfung gemäß den FFH-Normen vorgenommen wurde. Der Bericht zur Prüfung der FaunaFlora-Habitat-Richtlinie auf Seite 259 des Entwurfs nennt drei Projekte; der Donau- und der Mainausbau sind nicht darunter. Ich sage Ihnen: Zu einem solchen Vorgehen, mit dem Sie das EU-Recht negieren, gehört schon eine besondere Chuzpe. In gut einer Woche werden wir die Gelegenheit haben, die Raumordnungsverfahren zum Donauausbau zu thematisieren. Auch hier haben Sie keine FFH-Prüfung durchgeführt. Damit werden Sie nicht durchkommen.

(Beifall bei der SPD)

Nun zu den Festlegungen zu den Einzelhandelsgroßprojekten. Der angeführten Begründung, hier gehe es um eine verbrauchernahe Versorgung, insbesondere der immobilen Bevölkerungsteile, ist nicht zu widersprechen. Es geht um die Vielfalt der Betriebe sowie um den Erhalt von Qualität und Urbanität unserer Innenstädte. Doch die neuen Ausnahmen, insbesondere die von Ihnen vorgesehenen Formulierungen, lassen befürchten, dass nach der Lex Ingolstadt für Einzelhandelsgroßprojekte weitere Einfallstore aufgemacht werden sollen.

Meine Herren Kollegen, Sie sprechen hier vorne so laut, dass ich Sie fast verstehen kann. Herr Kollege Kreuzer, das ist wirklich nicht fair.

(Beifall bei der SPD – Engelbert Kupka (CSU): Wir bitten um Entschuldigung!)

Warum befürchten wir, dass Einfallstore aufgemacht werden?

Erstens. Einzelhandelsgroßprojekte für die Nahversorgung sollen faktisch in allen Gemeinden des ländlichen Raumes genehmigungsfähig sein, wenn diese Gemeinden Defi zite in der Nahversorgung haben. Das meinte ich mit dieser Formulierung. Die genehmigungsfähige Mindestbetriebsgröße wird in das Ermessen des Betreibers gestellt, also in das Ermessen dessen, der dort ein Großprojekt hinstellen möchte.

(Franz Maget (SPD): Ein Freibrief ist das!)

Sie verkennen das. Wenn am Ort der Krämer fehlt, schaffen Sie mit einem Großprojekt mit beliebig großer Ladenfl äche auch keine Lösung, sondern Sie erreichen mittelfristig einen ruinösen Wettbewerb.

(Beifall bei der SPD – Engelbert Kupka (CSU): Nicht jeder Wettbewerb ist ruinös!)

Nein, Herr Kollege, aber darüber reden wir nachher, damit ich hier mit meiner Zeit zurechtkomme.

Zweitens. In grenznahen Gebieten sollen Einzelhandelsgroßprojekte über Zielabweichungsverfahren mit Bezug auf die Praxis des Nachbarlandes genehmigungsfähig werden. Ich frage mich, warum Sie hier das Wort „fl exibel“ so sehr betonen. Ein Zielabweichungsverfahren ist schon per Defi nition ein fl exibles Instrument. Dieses Wort signalisiert, dass Sie großzügig genehmigen wollen. Im Vorfeld konnten wir schon erfahren, dass es eine „Lex Huber“ geben soll, mit der ein Ministererlass ermöglicht wird. Da darf Herr Huber dann offensichtlich persönlich genehmigen. Vorauszusehen ist dabei leider, dass beide Regelungen ein weiteres Flächenwachstum des Einzelhandels dramatisch anheizen werden, was mittelfristig ruinöse wirtschaftliche und städtebauliche Auswirkungen sowie einen Ruf nach weiteren Städtebauförderungsmitteln zur Folge haben wird: Wenn nämlich die Geschäfte in den Städten schließen müssen, müssen die Innenstädte mit staatlichem Geld wiederbelebt werden. So kann man es doch nicht machen.

(Beifall bei der SPD)

Beide vorgeschlagenen Regelungen erinnern fatal an Erfahrungen im Kino. Wenn einer aufsteht, sieht er besser als alle anderen. Wenn dann alle anderen aufstehen, sehen wieder alle gleich schlecht wie zuvor, nur ist es jetzt unbequemer als zuvor.

(Beifall bei der SPD – Franz Maget (SPD): Und zwar für alle!)

Genau, für alle ist es schlechter. Diese Erfahrung sollten Sie doch bitte bedenken, wenn Sie über Regelungen für Einzelhandelsgroßprojekte diskutieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme noch einmal auf die Beschwerde unserer Fraktion über dieses Hopplahopp-Verfahren zurück, das jetzt beabsichtigt ist. Die Landesentwicklung ist viel zu wichtig, als dass wir den

Entwurf des Landesentwicklungsprogramms ohne gründliche inhaltliche Beratung schnell abnicken könnten. Mit uns jedenfalls wird das nicht gehen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Pschierer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Frau Kollegin Kronawitter, ich darf gleich mit Ihrer letzten Äußerung anfangen, die das Thema „Abnickmaschine des Bayerischen Landtags“ betraf. So haben Sie dieses Parlament bezeichnet. Frau Kollegin, wir schreiben heute den 7. März. Dieses Parlament hat bis zur Sommerpause Zeit, um den Entwurf des Landesentwicklungsprogramms zu beraten.

(Dr. Hildegard Kronawitter (SPD): Aber wir beraten ihn schon in der nächsten Sitzung am Donnerstag!)

Wir arbeiten nicht immer gern, aber wir arbeiten schnell, und wir arbeiten anscheinend schneller als Sie. Wenn Sie es in vier Monaten nicht schaffen, diesen Entwurf ausführlich zu beraten, sind Sie und Ihre Fraktion offensichtlich fehl am Platz. Ich kann Ihnen nichts anderes sagen, es tut mir Leid.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Frau Kollegin, Sie haben es selbst angedeutet: Seit dem 6. November 2003 wissen Sie, dass dieses Thema auf der Tagesordnung steht. Es war Ihnen seit diesem Zeitpunkt unbenommen, sich kundig zu machen und sich zu informieren, Anhörungen durchzuführen und Beratungen auf den Weg zu bringen. Liebe Kollegin Kronawitter – das gilt auch für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN –, wir werden am Donnerstag dieser Woche im Wirtschaftsausschuss die Grundsatzdebatte zum Landesentwicklungsprogramm führen. Die anderen Ausschüsse werden auch die Möglichkeit haben, dieses Programm zu beraten. Sie werden genügend Gelegenheit haben, auf Seiten der SPD fraktionsintern über das Programm zu beraten und sich mit Verbänden und Institutionen in Verbindung zu setzen. Entschieden zurückweisen möchte ich aber den Eindruck, den Sie am heutigen Tag erweckten, dieses Parlament hätte nicht die Zeit, ausführlich über dieses Programm zu beraten. Dem ist nicht so, und darum will ich der Bildung dieser Legende gleich jetzt eine Abfuhr erteilen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Kronawitter?

Bitte, wenn es sein muss.

Herr Kollege Pschierer, ist es bei Ihnen üblich, dass über Anträge, die gestellt werden, in den Facharbeitsgruppen und in der Fraktion abgestimmt werden muss – bei uns ist es so –, und ist es

für Sie vorstellbar, dass das nicht passieren kann, wenn keine Fraktionssitzung stattfi ndet?

(Manfred Ach (CSU): Das hat mit dem Thema nichts zu tun!)

Frau Kollegin, in aller Freundschaft: Ich schätze Sie als engagiertes Mitglied des Wirtschaftsausschusses. Das haben Sie jetzt aber wohl nicht ernst gemeint. Sie haben von März bis zur Sommerpause Zeit. Sie können genügend Anträge formulieren. Gehen Sie zum Kollegen Magerl vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Er hat schon angekündigt, dass er circa 30 Anträge zu diesem Programm stellen wird. Wir werden genügend Zeit haben, um über diese Anträge zu beraten. Frau Kollegin, Sie werden keinen Zeitdruck verspüren. Ich bitte Sie nur, sich rechtzeitig darauf einzustellen, dass die Anträge irgendwann im April auf die Tagesordnung gesetzt werden. Innerhalb von vier bis fünf Wochen wird es wohl möglich sein, in der nicht übergroßen SPD-Landtagsfraktion eine gemeinsame Linie zu fi nden.

(Christa Steiger (SPD): Jetzt reicht’s aber wirklich!)

Entschuldigung, Frau Kollegin, ich kann gar nicht anders argumentieren, wenn Frau Kollegin Kronawitter den Eindruck erweckt, dass wir hier die notwendige Zeit nicht hätten.

Frau Kollegin, Sie haben in Ihrer Presseerklärung angedeutet, dass Sie zum einen die zeitliche Abfolge der Beratung stört und dass es Sie zweitens auch stört, dass Ihnen die CSU nicht rechtzeitig angeboten habe, eine Anhörung durchzuführen. Frau Kollegin Kronawitter, wir haben jederzeit die Möglichkeit, eine Anhörung durchzuführen. Es besteht überhaupt kein Grund, das anzuzweifeln. Wenn der Wirtschaftsausschuss eine Anhörung durchführen will, hat er selbstverständlich dazu Zeit.

Sie haben in Ihrer Presseerklärung auch noch etwas anderes angedeutet, und deswegen bin ich ganz froh darüber, dass es Staatsminister Huber gleich klargestellt hat. Sie haben angedeutet, dass die Landesplanung, die der Freistaat Bayern in den letzten drei Jahrzehnten betrieben hat, zu verödeten Landstrichen und leer gewordenen Dörfern und Städten in den ländlichen Regionen geführt hätte. Frau Kollegin Kronawitter, Sie werden kein Flächenland in der Bundesrepublik fi nden, das für die Infrastruktur im ländlichen Raum mehr getan hat als der Freistaat Bayern. Ich nenne Ihnen ein paar Beispiele. Es beginnt mit dem Ausbau der Infrastruktur. Ich habe auf Ihrer Seite nur wenig Begeisterung erlebt, wenn es um Straßenbauprojekte gegangen ist. Wir haben für Umgehungsstraßen und für Bundesfernstraßen gekämpft und nicht Sie.

(Manfred Ach (CSU): Sehr gut, Herr Kollege!)

Zum Bildungsangebot: Nennen Sie mir ein Land, das mehr Fachhochschulen, bezogen auf die Einwohnerzahl seines Landes, errichtet hat als der Freistaat Bayern. Wir haben Gymnasien auf dem fl achen Land und ein umfangreiches Angebot weiterführender Schulen. Bei der medi

zinischen Versorgung hätten wir es uns auch einfach machen und sagen können, es reicht mit der Versorgungsstufe drei, weil wir daneben auch noch ein paar Universitätskliniken haben. Wir haben im Freistaat Bayern fl ächendeckend eine hervorragende medizinische Versorgung. Ich erwähne das Thema Kultur. Nichtstaatliche Museen und nichtstaatliche Theater sind auch Leistungen für den ländlichen Raum. Frau Kollegin Kronawitter, die SPD – das muss ich leider auch an die Adresse des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sagen – ist wohl der schlechteste Anwalt für den ländlichen Raum. Dort hatten Sie nie Ihre Bataillone. Sie haben sich in den letzten 30 Jahren eher auf die Großstädte und die Großräume konzentriert.

(Susann Biedefeld (SPD): Schulen werden geschlossen, die Mittel für Dorferneuerung gekürzt, und die schlechtesten Staatsstraßen haben wir!)

Frau Kollegin Bause, ich spreche von einem Zeitraum, zu dem es Sie – wenigstens parlamentarisch – noch gar nicht gab.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Lassen Sie mich grundsätzlich ein paar Punkte dieses Landesentwicklungsprogramms ansprechen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, für uns alle stellt sich die Frage:

Welche Steuerungsmöglichkeiten hat Politik in der heutigen Zeit angesichts von zwei großen Herausforderungen, die uns allen Sorgen machen und die uns alle bekümmern müssen? Frau Kollegin Dr. Kronawitter, ich gebe Ihnen Recht, es geht um die demographische Entwicklung, aber nicht so, wie Sie es dargestellt haben, in Verbindung mit den Wanderungsbewegungen, sondern durch eine immer älter werdende Bevölkerung und eine sinkende Geburtenrate.

Welche Gestaltungsmöglichkeiten und Steuerungsmöglichkeiten hat ein Landesentwicklungsprogramm im Hinblick auf eine globalisierte Wirtschaftsordnung? Die Wirtschaft im Freistaat Bayern bewegt sich heute, was den Wettbewerb angeht, auf einem anderen Markt als in den Siebziger- und Achtzigerjahren. Damals hatten wir noch den Warschauer Pakt. Wir hatten im Osten den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, wir hatten keine offenen Grenzen, und wir hatten ganz andere Marktmechanismen. Das sind Punkte, auf die sich ein Landesentwicklungsprogramm einstellen muss. Es muss versuchen, Gestaltungsmöglichkeiten für die Wirtschaft und die Gesellschaft in diesem Land zu eröffnen.