Protokoll der Sitzung vom 07.03.2006

Während auf der Bundesebene über die Entlastung von Familien auch hinsichtlich der Betreuungskosten nachgedacht wird, konterkarieren Sie hier in Bayern diese Debatte, indem Sie neue Belastungen einführen. Was Sie versuchen, einerseits auf Bundesebene in die Taschen

der Familien fl ießen zu lassen, ziehen Sie auf der anderen Seite hier den Menschen wieder aus der Tasche. Üblicherweise nennt man etwas in dieser Art Taschenspielertricks.

(Beifall bei den GRÜNEN -Zurufe von der CSU: Oh, oh!)

Der Philologenverband hat am 15.02. in der „Nürnberger Zeitung“ zu seiner Umfrage Stellung genommen, die er an mittelfränkischen Gymnasien durchgeführt hatte. Darin wird gesagt, die Büchergelderhebung sei verbunden mit einem riesigen Unterrichtsausfall und Verwaltungsaufwand. Die Kommunalverwaltungen stöhnen nach wie vor, auch wenn manche teilweise zusätzliche Einnahmen haben, über die zusätzliche Arbeit. Die Lehrerinnen und Lehrer verlieren viel Zeit, die sie eigentlich für die Bildungsarbeit dringend bräuchten. Die Eltern kritisieren ebenfalls nach dieser Umfrage des Philologenverbandes die immer noch datenschutzrechtlich bedenklichen Verfahren. Es gab da sogar eine Rüge des Datenschutzbeauftragten. Ich kann bis zum heutigen Tage nicht erkennen, dass Sie dieser Rüge in irgendeiner Form nachgekommen wären und eine Besserung erfolgt wäre.

(Zuruf von den GRÜNEN: Genau! – Beifall bei den GRÜNEN)

Es scheint auch Herrn Minister jetzt nicht sonderlich zu interessieren, was da datenschutzrechtlich ansteht. Bis heute hat er sein Versprechen nicht eingelöst, das heißt, keine gesetzliche Regelung geschaffen, dass die Asylbewerber und -bewerberinnen von diesen Zahlungen freigestellt werden. Viele Schulen und Gemeinden stellen sie frei, aber ob das tatsächlich auch in allen Kommunen gewährleistet ist, wissen wir nicht. Hier sind Sie, meine Damen und Herren, immer noch in einer Bringschuld.

Die Verfassungsklage wird dennoch – so sehr wir das bedauern – keinen Erfolg haben. Das ist das große Problem. Etwas, was man auf politischer Ebene diskutieren muss, kann ein Gericht nicht politisch entscheiden. Es kann nur nach Rechtsgrundsätzen vorgehen.

Die Lernmittelfreiheit, also die Befreiung vom Büchergeld, ist nichts, was in der Verfassung gewährleistet wäre. Deshalb wird diese Klage, rein juristisch gesehen, keinen Erfolg haben. Es gibt eine entsprechende Verfassungsnorm eben nicht.

Die Stoßrichtung der vorliegenden Popularklage wegen Verletzung des Artikels 101 der Bayerischen Verfassung – allgemeine Handlungsfreiheit; Kollege Weiß hat dazu etwas ausgeführt – geht ins Leere. Weder das Äquivalenzprinzip noch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird verletzt. So Leid es mir tut: Wir müssen beim Büchergeld weiter politisch agieren. Von der juristischen Auseinandersetzung müssen wir uns leider verabschieden.

Ich weiß nicht so recht, wohin der Antrag der SPD zielt. Im Ausschuss hat die SPD darauf gedrungen, dass die Klage ausgesetzt wird. Wenn man aber etwas aussetzt, weil man darauf hofft, dass die Staatsregierung etwas tun wird, dann, so denke ich, setzt man auf das Prinzip Hoff

nungslosigkeit. Das heißt „Warten auf Godot“. Ich kenne keine einzige Theaterinszenierung, wo Godot im Laufe des Stückes die Bühne betreten hätte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir meinen, die Aussetzung, die die SPD im Ausschuss beantragt hat, führt nicht weiter. Zum Abstimmungsverhalten hat die SPD hier nichts weiter ausgeführt. Deswegen muss ich mich auf das Verhalten im Ausschuss beziehen.

Wir werden der Klage nicht beitreten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen empfi ehlt, sich am Verfahren zu beteiligen und die Abweisung der Klage zu beantragen. Zum Vertreter des Landtags soll der Abgeordnete Dr. Bernd Weiß bestellt werden. Wer dieser Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/ 4687 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Ich habe hier kein Abstimmungsverhalten vonseiten der SPD-Fraktion wahrnehmen können. Dann hat sie sich an der Abstimmung nicht beteiligt.

(Unruhe)

Aber die Abstimmung ist jetzt beendet. Die SPD hat sich an der Abstimmung nicht beteiligt.

(Beifall bei der CSU)

Damit ist das so beschlossen.

(Anhaltende Unruhe)

Ich bitte das Hohe Haus, sich zu beruhigen, damit wir in der Tagesordnung fortfahren können.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Eingabe

Beeinträchtigung durch Mobilfunksendeanlage (UV.0282.15)

Der Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz hat sich mit dieser Eingabe in seiner Sitzung am 9. Februar 2006 befasst und beschlossen, sie gemäß § 80 Nummer 4 der Geschäftsordnung aufgrund der Stellungnahme der Staatsregierung für erledigt zu erklären.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat gemäß Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 des Bayerischen Petitionsgesetzes fristgerecht beantragt, die Eingabe auf die Tagesordnung des Plenums zu setzen. Ich darf, bevor ich die Aussprache dazu eröffne, darauf aufmerksam machen, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu diesem Antrag namentliche Abstimmung beantragt hat. Im Haus ist diese Abstimmung schon angekündigt worden. Die Ankündigung wird wiederholt, sodass wir die namentliche Abstimmung nach der Debatte durchführen können.

Ich eröffne nun die Aussprache. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Kollegin Paulig das Wort.

Kolleginnen und Kollegen! Wir von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben die Petition von Dieter und Christa Bücher aus Haibach hochgezogen; denn diese Petition ist beispielhaft für den Umgang der Fraktionen von CSU und SPD hier im Hohen Haus mit den Sorgen und Anliegen von Petenten, die sich gesundheitlichen Belastungen durch Mobilfunkanlagen ausgesetzt sehen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Henning Kaul (CSU): Sie reden wider besseres Wissen! Populismus ist das! – Weiterer Zuruf von der CSU: Unverschämt!)

Was ist daran unverschämt? Herr Kaul, Sie bekommen danach sicher das Wort.

Wir wollen, dass die Petition der Staatsregierung zur Berücksichtigung überwiesen wird, und darüber soll namentlich abgestimmt werden. Die Petenten haben sich bereits in zwei vorausgegangenen Petitionen an den Bayerischen Landtag gewandt. Diese Petitionen wurden 2002 und 2003 aufgrund der Erklärung der Staatsregierung für erledigt erklärt.

Wenn der Mobilfunkpakt wirklich das wert wäre, was Sie vorgeben, wenn man wirklich von einem gemeinsamen Handlungsinstrument für Betreiber und Politik sprechen könnte, dann hätten wir es heute in der Hand, auf die Telekom dahingehend einzuwirken, dass die Anlage im Bereich der Petenten abgebaut wird. Die Mobilfunkstation befi ndet sich nämlich auf gleicher Höhe mit dem Kinderzimmer der Petenten. Sie liegt 60 Meter entfernt. Als die Anlage in Betrieb ging, stellte man erhebliche gesundheitliche Störungen und Belastungen bei dem zehnjährigen Sohn der Petenten fest.

Ich kann Ihnen das noch genauer schildern. Der Sohn war zehn Jahre alt und besuchte die vierte Klasse der Grundschule. Die Leistungen waren damals in Ordnung. Nach Errichtung der Anlage traten plötzlich Wahrnehmungs- und Sehstörungen auf. Der Junge bekam eine Brille mit einer Stärke von 3,5 Dioptrien. Gegen Hyperaktivität wurde Ritalin verschrieben. Letztendlich hatte man der Familie bedeutet, sie solle den Sohn auf eine Förderschule geben, da er nicht leistungsfähig sei.

Dann griff die Familie zur Selbsthilfe. Sie zog ins Haus der Mutter um. Und siehe da, der Junge hat sich in dieser Zeit erholt. Jetzt ist er auf dem Gymnasium. Seine Leistungen sind wieder in Ordnung.

Das zeigt, dass einzelne Personen und Familien durch diese Anlagen gesundheitlich erheblich belastet werden können. Die Belastung betraf nicht nur den Sohn, sondern unter den Symptomen hatte die ganze Familie gelitten. Hier muss endlich der Mobilfunkpakt greifen. Der Landtag muss sich auf die Seite der betroffenen Petenten stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In der Tat ist es so, dass die Stadt Haibach der Telekom ein Grundstück angeboten hat, das von den Petenten nicht 60, sondern 800 Meter entfernt liegt; das war auf dem sogenannten Kompostplatz. Dort wird derzeit die Anlage von 02 errichtet. Vodafone wird hiervon ebenfalls Gebrauch machen. Es handelt sich um eine Anlage von 23 Metern Höhe im Außenbereich. Aber T-Mobile weigert sich, diese Anlage mitzubenutzen. Dafür werden absolut fadenscheinige Erklärungen gegeben. 2003 hieß es, TMobile bemühe sich um einen anderen Standort, der jedoch nicht fi nanzierbar sei. Jetzt ist ein Standort vorhanden, aber da behauptet T-Mobile, er sei funktechnisch nicht geeignet, weil es darauf ankomme, die Autobahn zu erreichen. Aber ich bitte Sie: Die Autobahn ist von Haibach acht Kilometer entfernt.

(Henning Kaul (CSU): Das hat doch damit nichts zu tun!)

Aber haargenau hat es damit zu tun, Herr Kaul.

Die Autobahn ist also acht Kilometer entfernt, und dort gibt es andere Standorte. Ich bitte Sie: Warum wird hier nicht endlich, wenn der Mobilfunkpakt greifen soll, mit Nachdruck mit T-Mobile dahingehend verhandelt, dass die Telekom endlich einsieht, dass der beanstandete Standort aufgegeben werden muss, weil er zu gesundheitlichen Belastungen führt? Die gesundheitlichen Belastungen gab es nicht nur bei der Familie der Petenten, sondern auch darüber hinaus.

Wie Sie inzwischen wissen, hat die Ärzteinitiative in Oberfranken über 900 Personen an 184 Standorten befragt, untersucht und die Standorte überprüft. Dabei zeigte sich, dass bereits weit unterhalb der Grenzwerte gesundheitliche Schädigungen auftreten. Es gibt unerklärliche Symptome von großer Vielfalt, wenn der Belastungswert 50 Mikrowatt pro Quadratmeter Leistungsfl ussdichte oder höher liegt. Bei manchen Personen treten Belastungen schon ab 10 Mikrowatt pro Quadratmeter auf. Es ist überfällig, dass Umweltminister Schnappauf und die Staatsregierung mit diesen Ärzten endlich ein intensives Gespräch führen und sich dieser Auseinandersetzung stellen. Ich meine, auch dies sollte in das heutige Votum einbezogen werden.

Lassen Sie mich noch zwei Punkte anführen:

Nein, Frau Kollegin, das geht leider nicht, weil Ihre Redezeit zu Ende ist.

Das ist ausgesprochen schade; denn es wäre darauf hinzuweisen, dass Herr Schnappauf nicht einmal gewusst hat, dass der Sender immer noch nicht abgeschaltet ist.

(Thomas Kreuzer (CSU): Abschalten!)

Herr Kreuzer, nicht abschalten des Mikrofons, sondern des Senders und mitdenken ist angesagt. Ich erlaube mir schon jetzt, eine Intervention anzukündigen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Hünnerkopf.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese Petition wurde bereits dreimal behandelt; wir haben es gehört. Ich muss feststellen, Frau Paulig, sie wurde jedes Mal mit Ernst und auf der Grundlage von für uns gültigem Wissen behandelt. Was Sie hier machen, ist in meinen Augen reiner Populismus.