Wir leisten uns immer noch den Luxus, Frauen gut auszubilden, gliedern sie aber dann nur halbherzig in den Arbeitsmarkt ein.
(Joachim Herrmann (CSU): So ein Schmarr‘n! Mehr als in jedem anderen Bundesland arbeiten bei uns Frauen!)
Wir schaffen einfach nicht die Voraussetzungen dafür, dass Beruf und Familie miteinander vereinbart werden können.
Ich will eines klarstellen: Wir wollen nicht, dass alle Frauen berufstätig sind. Wir wollen aber, dass die Frauen,
die berufstätig sein wollen oder müssen, die Möglichkeit haben, berufstätig zu sein, auch wenn sie Kinder haben.
(Joachim Herrmann (CSU): In keinem anderen Land gibt es mehr berufstätige Frauen als in Bayern! – Christa Steiger (SPD): Das ist doch nicht wahr!)
Ich nenne Ihnen die Zahlen. Sie wollen nicht die Augen verschließen vor der Realität in Bayern; ich nenne Ihnen die Realität in Schwaben. 1,2 % der Kinder unter drei Jahren gehen in Kinderkrippen. 0,8 % können in einem Kindergarten für unter Dreijährige aufgenommen werden. 0,5 % können in Tagespfl ege aufgenommen werden. Diese Zahlen sind beschämend. Im europäischen Vergleich sind es 25 %.
(Beifall bei der SPD – Engelbert Kupka (CSU): Am schlimmsten ist es in München! – Joachim Herrmann (CSU): Sie wollten doch von den Frauen sprechen und nicht von den Kindern!)
Wer in Schwaben Kinder hat und Karriere machen oder berufstätig sein möchte, sollte eine Oma haben, denn ohne Oma geht es in Schwaben nicht.
(Beifall bei der SPD – Joachim Herrmann (CSU): Trotzdem sind in Bayern mehr Frauen berufstätig als in Nordrhein-Westfalen oder in Bremen!)
Nicht nur das Angebot an Betreuungseinrichtungen ist unzureichend, wir schaffen auch keine Verbesserung, Frau Stewens. Wir brauchen nicht mehr Gesetze, sondern wir brauchen bessere Gesetze. Mit dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz – BayKiBiG – sind Sie in die völlig falsche Richtung gewandert.
Das BayKiBiG führt dazu, dass Einrichtungen schließen müssen. Ich habe mich gestern mit Trägern von Kindergärten und Erzieherinnen unterhalten. Da wurde mir berichtet, dass im Münchner Umland vermutlich sieben Horte geschlossen werden müssen, weil sie mit der Finanzierung nach dem neuen BayKiBiG nicht zurechtkommen. So sieht die Realität aus. Verschließen Sie doch davor nicht die Augen.
Frau Stewens, Sie haben immer angekündigt, dieses Gesetz schaffe vor allem die Möglichkeit, Betriebskindergärten zu errichten. Gerade Betriebskindergärten haben mit diesem Gesetz riesige Probleme. Ich kann Ihnen ein Beispiel aus dem Münchner Umland nennen. In diese Einrichtung gehen 122 Kinder. Fünf Kinder davon kommen aus der Kommune, in der sich der Betriebskindergarten befi ndet. 117 Kinder kommen aus 26 Kommunen. Alle 26 Kommunen wurden angeschrieben. Von
keiner Kommune wurden die Kosten übernommen. Das ist die Gastkinderregelung, die Sie beschlossen haben.
Diese Gastkinderregelung führt dazu, dass dieser Betriebskindergarten, der vielleicht schon 30 Jahre besteht, jetzt schließen muss. So sieht die Realität aus. Ein tolles Gesetz, eine tolle Entwicklung!
Frau Stewens, ich fasse zusammen: Wir müssen endlich mehr Betreuungsmöglichkeiten insbesondere für Kinder unter drei Jahren und über sechs Jahren schaffen. Nur so werden Beruf und Familie miteinander vereinbar. Wir müssen den Anspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz im Gesetz festschreiben. Wir müssen das unsägliche BayKiBiG verbessern, sodass auch Horte und integrative Einrichtungen zukünftig bestehen können. Wir müssen ein fl ächendeckendes Angebot an Ganztagsschulen, und zwar auch an Ganztagsgrundschulen schaffen. Auch hier besteht noch erheblicher Bedarf.
Öffnen Sie doch endlich Ihre Augen. Sie sind lange genug an der Regierung. Sie können etwas ändern. Tun Sie es doch endlich.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Niemand darf aufgrund seines Geschlechtes schlechter gestellt oder benachteiligt werden. Der Weltfrauentag ist ein wertvoller Aktionstag, um regelmäßig am 8. März die Rechte der Frauen und die Gleichstellung in den Focus der Öffentlichkeit zu rücken. Mir ist es in Bezug auf den Weltfrauentag ganz besonders wichtig, auf die Situation der ausländischen Frauen und Mädchen in unserem Land hinzuweisen. Ich möchte darauf hinweisen, wie es uns gelingen kann, dass Frauen mit Migrationshintergrund volle Chancengleichheit in Bildung, Beruf, Familie und persönlicher Entwicklung erreichen können, welche Maßnahmen wir ergreifen können, um Isolation und Unterdrückung ausländischer Frauen in unserer Gesellschaft zu verhindern und was wir tun können, um Freiheitsrechte von ausländischen Frauen zu sichern und die Integration zu fördern.
(Christine Stahl (GRÜNE): Sind Sie sich sicher, dass Sie in der richtigen Partei sind? – Zuruf von der SPD: Was sagt denn der Beckstein dazu?)
Zu den Freiheitsrechten ausländischer Frauen gehört es ganz besonders, sie vor der Zwangsverheiratung zu schützen. Zwangsverheiratungen verstoßen gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes und können daher nicht geduldet werden. Im Sinne des deutschen Strafgesetzbuches gilt die Zwangsverheiratung als besonders schwerer Fall von Nötigung. Nach Artikel 16 Absatz 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte darf eine Ehe nur in freiem und vollständigem Einverständnis zwischen den künftigen Ehegatten geschlossen werden. Wir begrüßen deshalb die von Bayern unterstützte Initiative im Bundesrat, Zwangsverheiratungen stärker als bisher strafrechtlich zu verfolgen. Damit wird einer Forderung der Arbeitsgruppe der CSU-Frauen Rechnung getragen. Ausländischen Mitbürgern muss durch eine solche Regelung vor Augen geführt werden, dass wir in unserer Gesellschaft keine Bestimmung über Frauen tolerieren und das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung nicht mit Füßen treten lassen.
Um Zwangsverheiratungen zu verhindern, kann auch darüber nachgedacht werden, das Nachzugsalter von Ehefrauen auf 21 Jahre zu erhöhen und zumindest geringe Deutschkenntnisse für den Nachzug zu verlangen. Ein wichtiger Schlüssel zum gleichberechtigten Leben von Frauen aus Migrantenfamilien in Deutschland ist das Beherrschen der deutschen Sprache. Die mangelnde Sprachbeherrschung führt zu geringeren Bildungs- und Kontaktchancen und damit auch zu begrenzten Möglichkeiten, sich über eigene Rechte zu informieren und sich darüber bewusst zu werden. Das Erlernen der deutschen Sprache ist die entscheidende Voraussetzung und ein wichtiger Schlüssel für echte Integration. Deshalb ist es wichtig, Sprachkurse für Frauen anzubieten.
In Bayern gibt es das vorbildliche Projekt „Mama lernt Deutsch“. Gerade den ausländischen Müttern müssen wir bewusst machen – ich gehe sogar so weit, zu sagen, wir müssen ihnen abverlangen –, dass sie sich der wichtigen Verantwortung für die Förderung der Deutschkenntnisse ihrer Kinder stellen. Mit erzieherischen Maßnahmen in der Sozial- und Jugendarbeit und in Bildungseinrichtungen kann ebenfalls hervorragende Integrationsarbeit geleistet werden. Dabei geht es besonders darum, ein gleichberechtigtes Rollenbild zu vermitteln und die Mädchen zu einem selbstbewussten und selbstbestimmten Handeln zu erziehen. Auch hier haben die Mütter eine Schlüsselrolle; denn sie sind es, welche die Persönlichkeitsentwicklung ihrer Töchter begleiten und damit Einfl uss nehmen auf das Bewusstsein eines selbstbestimmten Lebens.
Zusammenfassend stelle ich fest, dass wir eine erfolgreiche Integrationspolitik ganz besonders über die Frauen erreichen werden.
Nur mit einer guten Integrationspolitik wird es uns gelingen, echte Chancengleichheit auch für ausländische Frauen in unserem Lande zu schaffen.
Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Werner-Muggendorfer. Dann liegt noch die Wortmeldung von Frau Kollegin Sem vor; dann hat Frau Staatsministerin das Wort.
Herr Präsident, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Männer und Frauen sind gleichberechtigt. 1994 wurde das Grundgesetz ergänzt um den Satz „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Dieses Versprechen wurde nicht eingelöst. Das zeigt sich, wenn man Erwerbstätigkeit und Karrierechancen von Männern und Frauen miteinander vergleicht. Ich muss ganz ehrlich sagen: Hundert Jahre will ich nicht mehr auf völlige Gleichberechtigung warten. Ich möchte schon gerne erleben, dass es so weit kommt.
Ich will die Errungenschaften, die wir in den letzten Jahrzehnten erkämpft haben – ich mache auch schon 30 Jahre Frauenpolitik – nicht kleinreden. Man muss die bestehenden Ungleichheiten vor dem Hintergrund sehen, dass Mädchen in allen Altersstufen und in allen Schularten die besseren Leistungen bringen. Sie sind einfach besser.
Das gefällt Ihnen vielleicht nicht, Herr Weiß, aber das muss ich Ihnen schon einmal sagen. Mehr junge Frauen als junge Männer machen das Abitur. Man muss sich das wie eine Bergbesteigung vorstellen: Am Anfang haben wir Frauen noch eine ganz gute Ausrüstung und kommen auch ganz gut voran, aber dann wird es schwierig. Mädchen werden früher eingeschult, und sie wiederholen seltener eine Klasse, aber dann verschwinden die guten, leistungsfähigen Frauen, weil die Route schwieriger wird. Obwohl die Anzahl weiblicher Lehrkräfte größer ist als die der männlichen, sind sie in Schulleiterpositionen in der Minderheit. Als ausgebildete Fachkräfte haben junge Frauen Schwierigkeiten, ausbildungsadäquate Stellen zu fi nden. Junge Frauen und Männer nehmen heutzutage in gleicher Häufi gkeit in Studium auf. In den darauf folgenden Stufen der akademischen Laufbahn sind sie aber dann unterrepräsentiert. Der Anteil von C 4-Professorinnen beträgt ganze 9,2 %. Der Anteil der Frauen, die geringer besoldete Professorenstellen einnehmen, beträgt 13,6 %. Frau Dodell, Sie haben gesagt, die Zielvereinbarung stünde im Gesetz. Sie steht nicht im Gesetz. Auch auf der Leitungsebene der Universität ist Fehlanzeige festzustellen. Der Anteil der Rektorinnen beträgt 7,1 %, jener der Präsidentinnen 13,5 %. In Behörden, Verbänden und in der Privatwirtschaft ist Fehlanzeige festzustellen, wenn wir in den Leitungsebenen nach Frauen suchen. Bei Betrieben bis neun Beschäftigten gibt
es immerhin 26 % Frauen in oberster Führungsebene. Wo die Luft aber dünner wird, also bei Betrieben mit über 500 Beschäftigten, beträgt der Anteil der Frauen in der Leitungsebene nur noch 4 %.
Wir wollen gar nicht verheimlichen, dass sich in der Vergangenheit etwas getan hat. Man kann ein halb leeres Glas auch als halb voll betrachten. Wir wollen uns aber nicht mit dem halb vollen Glas zufrieden geben.
Frauen unter 30 Jahren sind in den Führungspositionen noch gut vertreten; mit einem Anteil von 43 % sind sie fast so stark vertreten wie die gleichaltrigen Männer. Bis zum 40. Lebensjahr verkehren sich die Verhältnisse aber, und ihr Anteil an Führungspositionen stagniert bei 20 %.
Darüber reden wir noch, wo die Stolpersteine sind und warum die Frauen verschwinden. Ich könnte Ihnen noch eine ganze Reihe von Beispielen aus der Forschung und der Politik nennen. Ich muss schon eines sagen: Eine Bundeskanzlerin macht noch keine gute Frauenpolitik.
Das nützt uns noch überhaupt nichts. Sie ist vielleicht eine Vorbildfi gur, und die Tatsache, dass eine Frau Bundeskanzlerin ist, kann vielleicht etwas bedeuten. Zunächst aber müssen wir auf die Frauenpolitik schauen, die jetzt gemacht wird.